Lebensvielfalt

Die kleinformatige Druckgrafik bezaubert durch das Spiel der gebogenen Linien und der klaren Farben und Flächen. Die Grundform wurde beim Druckprozess vier Mal um 90 Grad gedreht und wandert damit gewissermaßen am Rand um die Bildmitte herum. Dort berühren sich die beiden seitlichen Elemente, während sich das untere und das obere Element in der Mitte überschneiden und eine waagrecht liegende Spindelform bilden. Die Grafik lebt durch die leicht asymmetrisch angeordneten Grundelemente, weil dadurch alle Schnittformen einen individuellen Charakter erhalten. Sie lebt außerdem durch die Schattierungen in den einzelnen Farbflächen, die Farbtöne anderer Elemente durchscheinen lassen.

Assoziativ können ganz verschiedene Vorstellungen oder innere Bilder in der Grafik wiedererkannt werden. So vermag sie an ein Windrad zu erinnern, das sich lustig im Winde dreht. Es kann in den grün-grauen „Blättern“ auch eine stilisierte Blume gesehen werden oder eine nach rechts geneigte „blumige“ Kreuzform. Von der Mitte ausgehend können die grüne Kelchform links und die grau-gelbe Kelchform rechts als stilisierte Tulpen gedeutet werden.

Die beiden blauen Dreiecke hingegen inspirieren mehr zu einer landschaftlichen Sicht und lassen an Himmel und Wasser denken, vielleicht an einen von Hügeln umsäumten See, in dem sich eine grüne und eine graue Bergflanke spiegeln. Denkbar ist aber auch ein rein abstraktes Sehen von flächigen Formen, die sich um eine Mitte als Dreh- und Angelpunkt gruppieren und die spannungsvoll zwischen einem Sich-nach-innen-Wenden und einem Nach-außen-Strahlen hin- und herpendeln.

Wenn man die Formen in Leserichtung vor einem blauen Hintergrund sieht, dann erscheinen zwei angeschnittene Eiformen, die sich sanft berühren. Das  Grün links erinnert an pflanzliches Leben, in den hellen Tönen und dem Gelb rechts leuchtet eine Geistigkeit auf. Durch die beiden sie von oben und unten anschneidenden Bögen sind sie dennoch in einer Art gemeinsamer Logik miteinander verbunden. So gesehen erscheint die Komposition wie ein Übergang, wie eine Transformation von einer menschlich irdischen Sphäre in eine aufblühende Geistigkeit.

Die vier Positionen der Grundform und die unterschiedlichen Assoziationen machen deutlich, wie vielfältig unsere Wahrnehmung ist und wie jeder aufgrund der individuellen Erlebnisse andere Dinge wiedererkennt. Dadurch offenbart sich eine lebendige und gleichzeitig fröhliche Fülle, die aus der „Artenvielfalt“ des Lebens entstanden ist und nur durch den Respekt und die Freiheit des anderen weiter bestehen kann. Sie  macht deutlich, dass von uns allen eine größtmögliche Beweglichkeit erwartet wird, um andere Positionen und Blickwinkel einnehmen und nachvollziehend verstehen, respektieren und schützen zu können.