Veränderungen

„Aus dem Dunkel bricht ein glühender Feuerball hervor und verströmt ein intensiv leuchtendes Licht. Wie von einer schützenden Schale wird das lodernde Feuer halbkreisförmig umfangen. Reliefartig hebt sich die Farbe vom Bildgrund ab und kommt auf den Betrachter zu. Dieser Eindruck steht im Wechsel mit einer Sogwirkung, die den Blick in die Tiefe des Bildraumes lenkt. Helmut Schober versteht seine Malerei als Darstellung von Energie und Licht, deren Erscheinungen er in immer neuen Facetten Ausdruck verleiht. So erinnert der glühende Feuerball an kochendes vulkanisches Gestein, das sich als Lava ergießt. Vorstellbar ist jedoch auch ein kosmisches Ereignis in den unendlichen Dimensionen des Weltalls. Entsteht hier vor unseren Augen ein Gestirn aus leuchtenden Gas- und Staubwolken, dessen Licht in den umliegenden dunklen Weltraum hineinstrahlt?

‚Der Geist des Herrn’, heißt es in einem Kirchenlied (GL 249), ‚erfüllt das All mit Sturm und Feuersgluten’ – diese spirituelle Vorstellung nimmt vor der Malerei von Helmut Schober Gestalt an und lässt das Gedachte zum lebendigen Bild werden. Evokationen an Licht- und Feuererscheinungen, wie sie in der Bibel geschildert werden, schließen sich an: das Pfingstwunder, die Ausschüttung des Heiligen Geistes, der auf die Apostel herabkam und ihr Leben durch Mut und Glaubensstärke veränderte (vgl. Apg 2). Auf dynamische Vorgänge spielt auch der Bildtitel ‚Veränderungen’ an. Diese werden als Prozesse des Glühens, des Aufbrechens und des Verschmelzens visualisiert, offenbaren in der Betrachtung jedoch das Potential einer spirituellen Tiefe, die über das Sichtbare hinausführt.“

Die Betrachtung von Frau Sabine Sander-Fell (IM DIALOG, Zeitgenössische Kunst in Pax Christi Krefeld, 2004, S. 46-47) auf der spirituellen Ebene fortführend, kann das halbkreisförmige Rund auch als großes C gelesen werden, das auf Christus Jesus hinweist, der die ganze Schöpfung umfängt, trägt, bewahrt (vgl. Kol 1,15-20). Wie ein Herz leuchtet die rote Erscheinung in der Mitte dieses göttlich-menschlichen Lebensraumes: Geschützt und doch mit Öffnungen versehen, damit sein feuriger Lebensatem aus der Tiefe aufsteigen und sich über die ganze Welt ausbreiten kann. Die roten Schattierungen, die wie Wellen über die Bildoberfläche wogen, deuten auf die Wärme der göttlichen Liebesglut hin, die als heißer Atem die erloschenen Glaubensfeuer sorgsam wieder zu entfachen und zu beleben vermag.

Dieser glühend roten Mitte wohnt eine gewaltige Kraft inne. Es erinnert an die zerstörerische Macht des Feuers, an die Explosionen und Kriege, die unsere Welt und unsere Herzen erschüttern und auch das Ende der Welt ins Blickfeld rücken. So gesehen kann das Bild bedrohlich wirken und Angst machen. Es kann aber auch die Bitte um den göttlichen Beistand auslösen, „den Geist der Weisheit und der Einsicht, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2), damit wir mit Mensch und Umwelt richtig umgehen können und es eben nicht zu einer Katastrophe kommt.

Übrigens: Je dunkler der Raum wird, in dem das Bild hängt, um so mehr leuchtet die rote Farbe! Ob auch darin ein Bild für den Heiligen Geist gesehen werden darf, der in unserer Mitte um so mehr aufleuchtet, als uns die Lebenssituation bedrückt und einengt? Das Bild veranschaulicht gewissermaßen, wie Gott mit der schöpferischen Kraft seines Geistes, die Veraltetes auseinanderfallen und Neues entstehen lässt, in den Menschen gegenwärtig ist, sie von innen her verändert, aufbrechen und neue Wege beschreiten lässt. – Weil sie Seine Kraft und Führung erfahren, aber auch die Geborgenheit in Ihm.

Die Broschüre IM DIALOG, Zeitgenössische Kunst in Pax Christi Krefeld mit vielen Abbildungen und hervorragenden Beschreibungen zu den 33 Kunstwerken kann für Euro 3,50 + Porto im Pfarrbüro bestellt werden: pfarrbuero@pax-christi-gemeinde-krefeld.de

Befreiung

Drei geometrische Farbformen prägen dieses Glasbild: Das goldorange Rechteck, das ihm eingeschriebene rote, quadratförmige Band sowie das weiß-graue Rechteck in der Mitte. Mehrere  frei gezogene, die Farbflächen durchquerende Linien vervollständigen einen ersten Eindruck.

Den freien Glasbildern von Johannes Schreiter haftet etwas Spontanes, Bewegtes an. Ich vermute, dass dies von den frei gezogenen schwarzen Linien herrührt, die der Künstler mit großer Sicherheit um und durch die Farbflächen gezogen hat. Wie bei einer Skizze ragt die Linie mal über die Ecke hinaus oder ist sie wie korrigiert verdickt. Manchmal ist sie unterbrochen, mal fleckenartig konzentriert, dann löst sie sich in einem wunderbar feinen Verlauf im Nichts auf. In allen Ecken sind zudem auflockernde, die Strenge der Ecken brechende Elemente zu entdecken: Überragungen, Einbiegungen, Einrundungen, lochartige Verdoppelungen, Einbrüche, usw. Gekonnt hat hier ein Meister seines Faches mit den Linien gespielt, sie gleichsam zu Leben erweckt. Denn wo das Auge des Betrachters auch hinschaut, lassen die Linien ihn Leben, Lebendigkeit und Begegnungen erfahren.

Hintergrund für das Geschehen bildet ein goldgelbes Rechteck, dessen Fläche mit seinen sanften Farbverläufen ebenfalls voller Leben ist. Erdige Gelbtöne bewegen es unentwegt. Diese rechteckige Form trägt oder umfängt in ihrem Innern ein blutrotes, quadratisches Band. Zur linken Seite hin dunkler gestaltet, antwortet ihm auf der rechten Seite ein schmaler dunkler Streifen. Oben ist das Band zudem überdeckt (oder durchbrochen) durch eine grau-weiße Fläche, die sich durch den auslaufenden Farbübergang von oben her in den zentralen gelben Farbraum ergießt. Wie von der Macht dieses Einbruchs ausgelöst, bricht gelbe Farbe auch durch die Basislinie der roten Fassung hindurch, wird allerdings von zwei Linien aufgefangen.

Diese grau-weiße Fläche verändert die ganze Komposition: Die von oben her zentral in das Bild hereinbrechende Lichterscheinung lässt aus dem goldenen Rechteck eine U-Form werden, aus dem quadratförmigen Band zwei sich gegenüberstehende Klammern.

Aus dem bisher in sich selbst ruhenden und geschlossenen Raum ist nun durch die weiße Einsenkung plötzlich eine in ihrer Mitte und nach oben offene Form entstanden, bereit zu empfangen. Ob da der Künstler an den Menschen gedacht hat, der von Gottes Gnade überrascht sich staunend Gottes lichtvoller Gegenwart in seiner Lebensmitte öffnet? Das rote Band der Liebe hat durch das göttliche Du ein ihm entsprechendes menschliches Du in der Horizontale gefunden.

Die schattenhafte schwarze Figur, die federleicht am Ende einer Linie schwebt und mit ihrer untersten Ausformung mystisch den zentralen Spannungspunkt aller Linien und Formen berührt, kann nun zu einem symbolischen Samenkorn werden. Tot geglaubt, bricht es alles durch die Berührung von Oben auf und durchzieht es mit feinen Äderungen des Lebens.