Brücke ins Unvorhersehbare

Ein schmaler Steg mit hohen Geländern an beiden Seiten führt in den Nebel. Die gewundenen Vertikalen lassen eine Hängebrücke erkennen, die scheinbar ins Nichts führt: Es ist weder ihr Anfang noch ihr Ende zu erkennen. Es ist weder ersichtlich, woran sie befestigt ist, noch wie lange sie letztlich ist oder wie tief der Abgrund ist, über den sie führt.

Der Fußweg über die minimalistisch konstruierte Brücke, deren Boden und Geländer nur mit Drahtgittern verkleidet sind, zieht den Blick in eine fast bodenlose Tiefe. Man weiß, dass die Gitter ausreichend Schutz bieten, aber der Blick zu den Seiten und hinab in die Tiefe kann durchaus zu unangenehmen Schwindelgefühlen führen.

Im Bild ist die Landschaft durch den Nebel vollständig ausgeblendet. Damit ist die Brücke jeder geografischen Verortung enthoben. Sie könnte überall stehen. Es scheint nur die Brücke im Nichts zu geben – durch geheimnisvolle Kräfte gehalten. Wer sie beschreitet, begibt sich gewissermaßen in ein Niemandsland – oder mitten in die Cloud, von der man nicht nur sagt, dass hier unsere digitalen Daten gespeichert werden, sondern auch, dass hier Gott wohnt (vgl. Ex 40,34-38; 1. Kön 8,10-11; Lk 9,34f). Die Brücke in die neblige Wolke verwandelt sich so gesehen in einen schmalen Weg zu Gott, über den Abgrund mitten hinein in das verborgene Herz- und Lebenszentrum unserer Welt, in der das schöpferische Wissen und die Weisheit Gottes nicht „geparkt“, sondern höchst lebendig sind.

Wer den Gang über die Brücke wagt, geht im Vertrauen und im Glauben, dass die Brücke hält und sicher ans andere Ende führt, auch wenn es nicht zu sehen ist. Ein Ende, das auf der persönlichen Lebenswanderung ein Neuanfang sein wird. Gerade aus der positiven Lebens- und Glaubenserfahrung heraus, auch in orientierungslosen Situationen sicher geführt zu werden, ja gleichsam über die Abgründe des Lebens getragen zu werden und durch Gott Halt zu erfahren. Sind Brücken nicht Lebenshilfen, welche das Überwinden von Schwierigkeiten erleichtern? Die Hängebrücke ruft in Erinnerung, dass es ein Segen ist, glauben zu können, dass wir von oben gehalten werden. Die feste Beziehung schafft Vertrauen. Sie verleiht Trittsicherheit und schenkt Zuversicht.

Ganz auf Gott vertrauen heißt nicht, dass man über Wolken gehen kann oder sein Lebtag auf Wolke Sieben schwebt. An Gott glauben und Ihm vertrauen heißt, das Unvorhersehbare der Zukunft und die scheinbar unüberwindlichen Hindernisse auf unserem Lebensweg zuversichtlich anzugehen. Gottes wahres Wesen ist zwar unbegreiflich wie eine Wolke und liegt wie in einem diffusen Nebel verborgen, aber die nächsten Schritte liegen konkret sichtbar zu Füßen und fordern dazu auf,  im Vertrauen auf Ihn Schritt für Schritt gewagt und gegangen zu werden.