Ein kreisrundes Relief (Tondo) schwebt in einem quadratisch gefassten Bildraum. Das rote Objekt wird von einem schmalen grünen Schein umgeben. Seine Oberfläche ist zum einen mit einer Quadratstruktur, zum anderen mit grauen Schattierungen gestaltet. Gegensätze sind hier harmonisch vereint und mit einer Spannung erfüllt worden, wie sie dem Leben eigen sind.
So erscheint das Tondo geometrisch rund, obwohl der Rand unregelmäßig gestaltet ist. Er hebt und senkt sich leicht und bewegt sich wie bei einem Blumenblatt organisch frei einer zugrundeliegenden Kreisform folgend. Diese freie Lebendigkeit durchwirkt das ganze Tondo. Es gibt gerade Kanten und Strukturen bei den Quadraten auf der Oberfläche, aber das Tondo selbst ist eine aus fast unendlich vielen kleinen Bewegungen heraus durch und durch bewegte Form, die dadurch belebend, ja fast lebendig wirkt.
Die rote Farbe verstärkt diese vitalen und kraftvollen Grundbewegungen. Es ist ein warmes Rot, das nicht heiß oder verbrennend wirkt, sondern das wie ein Feuer Wärme ausstrahlt und Geborgenheit schenkt. Das intensive Rot mag an das Feuer der Liebe zu erinnern, aber es kann auch das in unseren Körpern pulsierende Blut versinnbildlichen. Das Rot ist kraftvoll, tragend, ausdauernd, ruhend, zurückhaltend. Es ist ein Rot der Mitte, ein Farbton der zentriert, Kraft gibt und gut tut.
Seine Oberfläche bedecken geheimnisvolle Quadratreihen, die geradlinig das Rund queren. Wie eine Erscheinung treten sie mal stärker, mal schwächer aus dem wolkigen grau-roten Grund hervor. In der Kreisform, die keinen Anfang und kein Ende aufweist und deshalb gerne als Symbol für die Ewigkeit und für Gott verwendet wird, können die Vierecke als Zeichen für das Irdische gedeutet werden: Die Erde hat vier Himmelsrichtungen, sie besteht von alters her aus den vier Elementen Wasser, Erde, Feuer und Luft. Während das Quadrat, welches das Tondo umgibt, auf der einen Seite liegend ruht, stehen die Quadrate im Tondo durch ihre diagonale Anordnung dynamisch auf einer Ecke, aber wirken durch ihre Gruppierung doch fest gefügt. So kann das „unendliche göttliche Leben“ mitten in der irdisch gefassten Welt gesehen werden. Gleichzeitig nimmt die feurige Mitte „Elemente der Welt“ in sich auf und scheint sie im „Feuer der Liebe“ zu reinigen und zu beleben.
Als zweites bzw. neben der Farbe drittes gestalterisches Element überziehen silbrig-graue Schattierungen die Schauseite des Objekts. Aus der Nähe zeigen sie sich als ein Netz von Bleistiftstrichen, das sich über die ganze Fläche spannt und in sie so eingezeichnet bzw. mit Graphit eingraviert wurde, dass die Oberfläche einen hautähnlichen Charakter erhält. Mit jedem Bleistiftstrich wurde dem Objekt von Menschenhand Zeit eingeschrieben, mit jedem Srich alterte die einst glatte Oberfläche und wurde mehr und mehr zu einer Außenhaut, die vom Leben und der mit Tätigkeiten erfüllten Lebenszeit kündet.
Faszinierend bleibt der grüne Schein rund um das Tondo herum. – Ist er gemalt? Verbirgt sich hinter dem Tondo eine grüne Lampe? Was soll er aussagen? Ist er so etwas wie ein „Heiligenschein“? Oder könnte er auch ein Schatten sein? – Weil die grüne Farbe im Farbkreis die Komplementärfarbe von Rot bildet, kann diese uns auf die Spur bringen, dass die Rückseite des Objekts mit einer leuchtend grünen Farbe bemalt ist. Durch den Abstand zur Rückwand vermag das seitlich eindringende Licht die grüne Farbe auf dem weißen Hintergrund zu reflektieren – und so über das Kreisrund hinaus einen immateriellen „Schein“ zu bilden, der auf etwas Unsichtbares, Heiliges verweist.
Ob das künstlerisch gestaltete Kreisrund nun als Symbol für den Heiligen Geist gesehen wird, bleibt dem Betrachter überlassen. Doch so, wie das Objekt durch die kreative Bearbeitung der Künstlerin gestaltet und mit Leben erfüllt wurde, und wie die Kreisform mit den Vierecken im Dialog steht, verweist das Tondo auf eine schöpferisch wirkende, lebensspendende göttliche Kraft.