Epiphanie – Erscheinung des Herrn

Die helle, vier Meter hohe zylindrische Installation zieht die Aufmerksamkeit auf sich. In der Dunkelheit des sie umgebenden Raumes leuchtet sie mit ihrem sanften weißen Licht wie eine überdimensionierte Laterne und verkündet eine andere, lichtvolle und raumgreifende Präsenz. In abstrakter Form vermag sie an das Erscheinen des Engels bei den Hirten zu erinnern, von dem es heißt, dass mit seinem Kommen „die Herrlichkeit des Herrn“ sie umstrahlte, so dass sie sich fürchteten (Lk 2,9).

Von außen sind denn auch schattenhaft andeutende Elemente einer „klassischen Krippendarstellung“ zu sehen: Kamele der Heiligen drei Könige, Schafe, eine kniende Person mit einem Stab in der Hand, eine Palme, eine Personengruppe auf einem Hügel. Eine Zuordnung zu einzelnen biblischen Figuren findet bewusst nicht statt. Ob es sich etwa bei der knienden Figur mit dem Stab um einen Hirten, um Joseph oder um einen Engel mit unsichtbaren Flügeln handelt, liegt ganz im Ermessen des Betrachters, der sich als gegenwärtiger Besucher und Gott-Suchender dem Lichtphänomen nähert.

Noch verbirgt die zeltartige Konstruktion aus feinem Stoff und transparenten Schnüren das geheimnisvoll erleuchtete Innere. Wer es sehen will, muss sich furchtlos in diesen abgesonderten Raum hineinwagen, hineingehen und sich hingeben: in die intime und ganz persönliche Begegnung mit Gott!

Der fast leere Raum überrascht. Die bekannten „Krippenfiguren“ sind außen vor geblieben. Nur die Futterkrippe mit Stroh und einem Leinentuch erfüllt zumindest eine weihnachtliche Erwartung. Noch größer wird das Erstaunen jedoch bei der Feststellung, dass die Krippe leer ist, dass kein Neugeborenes darin liegt. Gott wird hier als derjenige dargestellt, der uns fehlt, den wir suchen, nach dem wir Sehnsucht haben. Dementsprechend wird an diesem Punkt die Weihnachtserzählung mit den Ereignissen am Ostermorgen verknüpft, als die Frauen zum Grab Jesu geeilt waren und ihnen auch hier ein Engel tröstend zusprach: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch den Ort an, wo er lag!“ (Mt 28,5-6)

So wird die Installation zu einem außerordentlichen, eben einem ganz besonderen Erlebnisraum, in dem sich Gott auf geheimnisvolle Weise dem Suchenden und Verweilenden offenbart und herzerfüllend schenkt. In unserem Herz will Gott geboren werden, als Licht leuchten und brennen. Die Begegnung mit dem unsichtbar Gegenwärtigen soll berühren, verwandeln, bewegen. Die Erscheinung des Herrn (Epiphanie) in diesem modernen Offenbarungszelt beinhaltet zugleich die Sendung, allen Mitmenschen vom Gesehenen, Erlebten und Erfahrenen zu erzählen: vom Immanuel, dem Gott mit uns, der in Jesus Mensch geworden ist, unter uns gewohnt hat und für uns am Kreuz gestorben und in seiner Auferweckung von den Toten uns den Weg zum ewigen Leben geöffnet hat. Dieser Verkündigungsauftrag ist nicht den Schriftgelehrten oder Theologen vorbehalten, sondern von den „Hirten“ über die „Frauen“ bis zu den „Königen“ allen anvertraut. Deshalb wiegen die Worte der Engel und auch Jesu umso stärker:

„Fürchtet Euch nicht!“

Erzählt unbefangen von Gott und was Er an euch getan hat und für euch bedeutet!

 

Diese Arbeit gewann den 1. Platz im Gestaltungswettbewerb 2019 von arsLITURGICA, eine Weihnachtskrippe zu gestalten.

Im Glauben schauen

Bunt verhüllte Gestalten bilden eine Personengruppe, deren Anordnung an die Anbetung der Könige erinnert. Aber es sind keine Gesichter zu sehen, keine Hände, keine Füße – kein Jesuskind! Die Köpfe sind mit Einkaufstüten angedeutet und gleichzeitig unter ihnen verborgen (große Ansicht). Genauso ist es mit den Geschenken der drei Könige. Bekleidet sind die Gestalten mit zerknitterten, glänzenden Umhängen, die an Schutzanzüge als auch an Geschenkpapier erinnern. Auf dem gelbgrünen Boden und vor dem schwarzen Hintergrund wirken die vermummten Gestalten wie eine moderne Bühneninszenierung. Bis auf das Plastikmaterial und die Werbeaufdrucke lässt sich die Darstellung weder zeitlich noch geografisch einordnen.

So ganz ohne Gesichter, Hände oder Füße mutet diese eingepackte Personengruppe unheimlich und gespenstisch an. Schmerzlich wird das Fehlen der individuellen Erkennungsmerkmale zur Kenntnis genommen. Irritiert über die Verfremdung und fast verzweifelt sucht das Auge nach Hinweisen, welche die einzelnen Gestalten den Personen zuordnen lassen, die aus vergleichbaren Darstellungen bekannt sind. Es kann doch nicht sein, dass die Anbetung der Könige zu einer Werbeveranstaltung verkommen ist und nur noch die Sponsoren, aber nicht mehr die ursprünglichen, wesentlichen, zentralen Personen des Geschehens zu sehen sind.

Die beiden Gestalten ganz rechts im Bild müssen Maria und Josef sein. „Maria“ trägt ein weinrotes Oberteil über einem dunkelgrünen Gewand und hält zwischen ihren Armen ein weißes Bündel. „Josef“, bezeichnender Weise in einem braunen Gewand, steht hinter ihr.

Den Platz des Jesuskindes markiert ein weißes Bündel, das dreieckförmig von links nach rechts aufsteigt und dessen unterer Zipfel pfeilförmig auf dem mit einer blauen Plastiktüte verhüllten Tisch nach unten zeigt. Das Gesicht des Jesuskindes ist mit einem Stoffwirbel angedeutet. Dieses symbolische Gesicht bildet in dreifacher Weise das Blickzentrum. Zum einen endet die runde, weiche Verbindungslinie der Köpfe von Josef und Maria an dieser Stelle, zum andern laufen die Verbindungslinien der Köpfe und Geschenke der drei Könige in diesem angedeuteten Gesicht strahlenförmig zusammen und heben es als visuellen Höhepunkt derart hervor, dass auch der Betrachter dorthin blickt und das Antlitz des Neugeborenen sucht.

Doch immer wieder ist die Enttäuschung groß, das göttliche Antlitz nicht schauen zu dürfen oder zu können.

Denn da sind die drei Gestalten der „Könige“, die mit „Gaben“ zum „Kind“ gekommen sind, sich ihm zuwenden, vor ihm „niederknien“, auf ihn „schauen“. Der erste „König“ ist ganz in Weiß gekleidet, eine blau verhüllte Gabe darbringend. Der „König“ hinter ihm trägt einen caramelfarbenen Umhang über einem violetten Gewand. Sein Kopf ist mit einer Ril…-Tüte verhüllt, sein Geschenk mit einer Coop-Tüte. Der dritte „König“ steht in zweiter Reihe und tritt in grün-braunen Kleidern auf. Seine Gabe trägt er in einer Edeka-Tüte. Man ist versucht, die traditionellen Gaben den einzelnen Gestalten zuzuordnen … Leuchtet nicht in der gelben Tüte etwas vom Gold auf? Könnte das weiße Gewand des Knienden nicht in Verbindung mit dem Weihrauch gesehen werden, die Farben des zweiten „Königs“ mit dem Leiden Christi, so dass er der Überbringer der Myrrhe sein könnte?

Allein es bleiben Vermutungen. Alles ist so verpackt, dass wir zu sehen glauben, aber gleichzeitig nichts von all dem Angedeuteten wirklich sehen. Die Verkleidungen wecken eine Erinnerung, verweisen auf ein weit zurückliegendes Geschehen, das nicht in unserem Sinne dokumentarisch festgehalten wurde und bewiesen werden kann.

Kritisch stellt das Bild mit Weihnachten und Dreikönig verbundene Traditionen auf den Prüfstand: gut ausgeleuchtet und medienwirksam inszeniert, so wie es sich für unsere Zeit gehört. Es knüpft mit der Verkleidung am Brauchtum der Sternsinger an, mit den Einkaufstüten an unserem weihnachtlichen Konsum- und Schenkverhalten.

Durch dieses geradezu schmerzhafte Vorenthalten von allem Menschlichen in einem Bild, in dem es wesentlich um den Menschen geht, ja um Gottes Menschwerdung, wird gleichzeitig die Sehnsucht stark, unter und hinter all den Verpackungen von Weihnachten das Menschliche zu suchen. Im Menschen hat sich Gott offenbart, sich im Menschenkind unseren Vorfahren zu schauen gegeben.

So wie die drei Könige werden wir Gottes Sohn auf dieser Welt nie schauen können. Es bleibt uns die Sehnsucht, der Glaube und die Hoffnung, ihm nach dem Tod zu begegnen und sein Antlitz schauen zu dürfen. Hier auf Erden bleiben wir Suchende seines Antlitzes. Und da, wo wir ihn im Glauben verhüllt in den Geringsten und Ärmsten unter uns finden, können wir ihn auch aus dem Glauben heraus schauen und ehren.

Stern über meinem Haus

Ein zitronengelber Stern steht leicht seitlich verschoben über einer grünen Hausform. Er scheint vom Himmel herabzukommen, eine weiße gleißende Lichtspur hinterlassend, den ganzen Himmel erleuchtend. Begleitet wird er von weiteren Lichtwesen, die ihn auf seiner Erdenreise begleiten.

Eine große verwandelnde Kraft geht von diesem Stern aus. Sein Leuchten hat das unter ihm befindliche Haus zärtlich am Giebel berührt und es durch sein hineinfließendes Licht aus der dunkelblauen Häuserreihe hervorgerufen. Grün leuchtet es nun in der Farbe des Lebens und der Hoffnung, wie eine Kerze, die von ihrer Flamme erhellt wird.

Plötzlich wird das Innere sichtbar, all die schnellen Pinselstriche, die Farbunterschiede, das Schiefe, die Bewegung im Haus. Der Stern am unteren Ende der Lichtsäule scheint hier durch seine licht- und kraftvolle Berührung viel Staub aufzuwirbeln.

Der Stern über diesem Haus erinnert mich an den Stern von Bethlehem, der den drei Sterndeutern den Weg zum Geburtsort des göttlichen Kindes gezeigt hat. Aber es geht um mehr als die bloße Erinnerung an die drei Könige. Mir kommt es vor, als wolle dieser Stern auch uns zu Gott führen. Zu Gottes Gegenwart in uns – zu Gottes ständiger Geburt in der Tiefe unseres Seins. Kann das Haus nicht ein Symbol für mich, mein Leben, mein Sein, meine Welt sein?

Die Bildgestaltung erinnert mich an ein weiteres biblisches Bild: den Durchzug durch das Rote Meer, als die flammende Feuersäule vor den Israeliten zwischen den Wassermauern durchzog und diese vor den Verfolgern rettete. Links und rechts der Lichtsäule die tosenden Wassermaßen, unten in der Mitte das „Haus Israel“, über dem sich die Fluten zusammenzuschlagen drohen.

In beiden Ereignissen geht es um die Erscheinung des Herrn! (So wird der Dreikönigstag liturgisch genannt.) Gott offenbart sein heilbringendes Wirken gerade in den menschlichen Dunkelheiten wie Angst und Not jeglicher Art. Den Suchenden eilt er zu Hilfe und lässt sie seine heilende und verwandelnde Kraft schauen, erfahren: Licht in der Dunkelheit, Weite in der Enge, Geborgenheit in der Verfolgung, Frieden in der Zwietracht, Zuversicht in der Resignation, Vergebung in der Schuld …

Kann es sein, dass Gottes lichter Stern gerade jetzt über meinem Haus leuchtet?