Ein farbenmächtiger Lichteinfall erfüllt dieses Bild. Es ist eine so außergewöhnliche Lichterscheinung, dass sie nur im Vergleich zu bekannten Objekten in unserem Leben beschrieben werden kann, ähnlich wie das Pfingstereignis in Jerusalem. Wie ein himmlischer Wasserfall ergießt sich das orangefarbene Licht in die Tiefe. Farblich mutet es wie eine Vulkaneruption an. Dampfartig weitet sich das ursprünglich weiße Licht, wandelt sich zu einer orangen, dann roten und letztlich violett-braunen Erscheinung. Es ist eine Himmelsglut über einem nachtschwarzen Grund, der nur im oberen Bereich einen nachtblauen Übergang aufweist.
Doch Licht und Dunkelheit stehen sich nicht einfach gegenüber. Das farbige Licht ergießt sich so in die Dunkelheit hinein, als solle diese vom Licht durchdrungen und aufgebrochen werden. Was diese Dunkelheit wohl bezeichnen mag? Für wen mag sie wohl stehen? Unwillkürlich erinnert sie vielleicht an ein Wort des Propheten Jesaja, in dem er vom Volk spricht, das im Dunkel lebt, im Land der Finsternis (9,1). Er verheißt einen starken Retter durch den Gottessohn, der auch „wunderbarer Ratgeber“ und „Fürst des Friedens“ genannt werden wird (9,5).
Und obwohl Jesus in die Welt gekommen war und die Jünger ihn begleitet haben, finden sie sich nach seinem gewaltsamen Tod gleichsam in der Dunkelheit wieder: verängstigt, zurückgezogen, entmutigt. Ihrem Lebensprojekt war die Grundlage entzogen worden, wie sollte es ohne ihn auch weiter gehen? Sie tappten im Dunkeln bzw. warteten auf Erleuchtung.
Das Einzige, was sie retten konnte, war eine überwältigende Begeisterung, die sie aus ihrer Passivität herausriss. Der Heilige Geist wird hier nicht als Taube oder als Feuerzungen gezeigt (vgl. Apg 2,3), sondern als „Kraft des Höchsten“ (Lk 1,35), wie er auch Maria verheißen wurde. Vom oberen Bildrand ausgehend entfaltet sich das weiße Licht in immer neuen Farben, so als wolle es jeden Menschen auf seine Weise berühren und an der Gemeinschaft mit Gott teilhaben lassen.
Diese glühende Lichterscheinung ist machtvoll, verängstigt aber nicht wie eine dunkle Gewitterwolke oder ein zerstörerischer Sturm. Sie lässt spüren, dass Gottes Geist gewaltlos zu uns kommt, als Licht, das unsere menschlichen Dunkelheiten und Schwächen heimsucht und sanft durchdringt, erleuchtet und zum Guten wandelt. Die Jünger haben seine Kraft in ihrem Innern erfahren, in der Befähigung, furchtlos aufzutreten und mit ihrer Rede von Jesus die Menschen so zu berühren, dass jeder sich in seiner Sprache angesprochen fühlte (Apg 2,6).
Pfingsten ist damit das Fest, an dem nicht mehr der einzelne erleuchtet wurde, sondern eine Gruppe, dann iele, dann Tausende … Der Geist Gottes kam nicht mehr nur zu den Auserwählten seines Volkes, sondern unabhängig von Herkunft oder Religion zu jedem, der sich ihm öffnete. Das war noch sensationeller als die Ausgießung des Heiligen Geistes auf seine Jünger. Denn damit ergoss sich Gottes Licht und Weisheit in die „Dunkelheit“ der Ungläubigen, die aber voller Sehnsucht auf seine Berührung und Erfüllung gewartet haben, und machte sie durch die Taufe zu Kindern Gottes (Apg 2,41).
Gott ist die erbarmende Weite.
Unendliches Ich.
Mein Du.
Feuer, Feuer. Licht. Nacht. Schon in der Nacht Licht.
Brausen. Anprall des Gegenwärtigen.
Mein Lager.
Mein Weg, mein Geschehen, meine Heilung.
Mein Sehen.
Mein Schlucken.
Meine Begegnung.
Meine Stunde, mein Jetzt und mein Tag. Du, mein Gott.
Das Tiefe Erstaunen und Wundern. Verwandlung.
Ich glaube genau so war es mit Petrus. Den der Herr ansah und rief.
Wie verrückt folgte ihm Petrus,
folgten die andern.
Alles verlassend: Kinder, Frauen und die Profession, das tägliche Brot.
Von allem weg.
So folgte Paulus blindsehend dem Licht.
Mensch, wer ist Jesus?
Der Mensch,
Gottda.
Sie gehen ihm nach in die Hitze, ins Gottglühen, in ihr Menschinnen,
in den Geistwind, in den Atemhauch Anfang, in die Nacht Ölberg,
zum Schrecken des leeren Grabes, zum Mahl,
in den Pfingststurm, ins Wort.
Bis er kommt.
„Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“
(Josef Roßmaier zu Peter und Paul 2014,aus “Tagweis – stückweis”, S. 108, Josef Fink Verlag, 2014)