Betreten verboten

Als Betrachter des Bildes wird man in die Position des zu dieser Glashalle Zugang Suchenden versetzt. Doch vier rot-weiße Einfahrt-Verbots-Zeichen auf den sich überlappenden, transparenten Plastiklamellen verbieten den Eingang und Durchgang.

Die Zeichen „Betreten verboten“ stoppen den Schritt des Dahineilenden und lassen ihn nachdenklich Innehalten, warum ihm der Eintritt verwehrt wird, wieso er draußen bleiben muss. Es sind doch nur Pflanzen in diesem Gewächshaus.

Doch der enge Eingang mit den gitterartigen Fensterstreben und das rundum verglaste Gebäude machen aus dieser Palmensammlung einen geschützten Garten, einen Hortus conclusus, der an ein verlorenes Paradies denken lässt, konkret an den von Engeln bewachten Garten Eden (vgl. Gen 3,24). Wirken die weißen Streifen der sich überlappenden Plastiklamellen nicht wie Gitterstäbe und vergegenwärtigen sie nicht gleichzeitig etwas Immaterielles, Engelhaftes, das den Zugang verwehrt?

Aber nicht nur der Zugang ist verwehrt, auch der Durchgang. Der Sandweg ist zwar frei und lädt zum Beschreiten ein, um durch die lichterfüllte Halle hindurch zum Licht selbst zu gelangen. Doch erscheint der Boden instabil verschwommen wie erdig verschmutztes Wasser, das gerade den paradiesischen Palmengarten flutet und das einzigartige Paradies gefährdet.

Trotz aller Schutzmaßnahmen bleibt die Schöpfung also bedroht. Sie kann sich oft nur erholen und regenerieren, wenn der Mensch als Störenfried draußen bleibt und aufhört, die einzigartigen Schätze der Natur auszubeuten. In Zeiten der bedrohten Schöpfung deutet das Bild auch an, dass lokale Rettungsaktionen gut und wichtig sind, aber diese nur nachhaltig Erfolg haben können, wenn global ein Umdenken stattfindet hin zu einem ethischen und verantwortungsvollen Handeln jedes einzelnen: Durch Ressourcenschonung, durch das Unterlassen aller menschen- und umweltschädlichen Produktionen und im Respekt vor der Natur, indem wir ihr Ruhezonen lassen, in denen sich Pflanzen und Tiere frei in ihrem natürlichen Lebensraum entwickeln können. Sie haben genauso ein Recht darauf wie wir Menschen. Doch dafür müssen wir lernen, die vielen kleinen Zeichen „Betreten verboten“ zu sehen und zu respektieren.

 

Das Kunstwerk ist im Original in der Gemeinschaftsausstellung “Es werde” – Kunstwerke im Spannungsfeld von Kreativität und Verantwortung zu sehen, die bis zum 15. Dezember 2023 in der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg Werke von 39 Künstler*innen zu diesem stets aktuellen Thema versammelt.

Versöhnung

Tatsächlich, die sich vom Hintergrund nur leicht abhebende Gestalt auf dem fast monochrom gestalteten Bild muss Jesus sein. Auch wenn kein Kreuz zu sehen ist, verrät die Körperhaltung seine Kreuzigung. Fast wie bei einem Röntgenbild ist seine Gestalt in ein mystisches Licht getaucht, in dem einzelne Körperpartien in helleren Farbtönen aufleuchten.

Das Leid und der Schmerz sind zu spüren, ebenso die Einsamkeit Jesu. Kein weiteres Lebewesen ist auf dem Bild zu sehen. Eine außerordentliche Stille und ein alles übersteigender Frieden gehen von Jesus aus und lassen ehrfürchtig an seine letzten Worte denken: „Es ist vollbracht!“ Danach neigte Jesus sein Haupt und gab seinen Geist auf. (Joh 19,30)

Das Werk des Vaters ist vollbracht. Jesus hat durch sein Opfer den Menschen Heil und Rettung gebracht. Das quadratische Format mag auf die Welt hinweisen, die störende und irritierende Zweiteilung, die längs durch den Körper läuft, ruft in Erinnerung , dass Jesus durch seinen Kreuzestod Menschen und Welten, die einst durch Feindschaft voneinander getrennt waren, wieder miteinander verbunden hat. Paulus schreibt an die Gläubigen in Ephesus (2,12-16): „Damals wart ihr von Christus getrennt, der Gemeinde Israels fremd und von dem Bund der Verheißung ausgeschlossen; ihr hattet keine Hoffnung und lebtet ohne Gott in der Welt. Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen. Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder. Er hob das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf, um die zwei in seiner Person zu dem einen neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet.“

Bleibt in unserer Bildbefragung noch die Bedeutung der mystisch grünen Farbe zu ergründen, die durch zahlreiche Schattierungen von Leben erfüllt ist und im Wechsel mit den schwarzen Flächen an das Licht- und Schatten-Spiel eines großen grünen Feuers erinnert, in dessen Licht sich die bevorstehende Auferstehung anzukündigen scheint.

Mit der grünen Farbe möchte der Künstler aber vor allem einen Bezug zu den Gärten (polnisch „Ogrody“) mit ihren Gräsern, Blumen und Blättern herstellen. In ihnen wird uns im jährlichen Wechselspiel von Werden und Vergehen unsere Vergänglichkeit vor Augen geführt (vgl. auch Ps 102,12; 90,5-6). Mit dem Garten verbunden ist aber auch unsere Sehnsucht nach dem (verlorenen) Paradies. Im Orgrody-Grün wird Jesu Verkündigung vom Reich Gottes angesprochen. Darin lässt der Künstler die Dimension der Versöhnung anklingen, wie sie dem gottesfürchtigen Verbrecher am Kreuz auf seine Bitte hin geschenkt worden und uns allen verheißen ist. Der gute Schächer sagte: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Und Jesus antwortete ihm: „Amen ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,42-43)