Rudern oder treiben?

Große Holzruder liegen wie angeschwemmt im Raum. „Treibholz“ nennt der Künstler Nikodemus Löffl seine Installation, die bis zum 11. März 2016 in der Dreifaltigkeitskirche in Konstanz ausgestellt ist. Die 34 grob bearbeiteten Holzruder sind aus einem einzigen Pappelstamm gesägt. Die Diskrepanz zwischen den vereinsamten Rudern und dem Werktitel laden ein, über unser Tun und dem, was mit uns geschieht, nachzudenken. Die Hölzer fragen als Ruder, was wir aus eigenem Antrieb machen können und müssen. Als Treibholz können sie auf die verschiedensten Strömungen in unserer Welt aufmerksam machen, die mächtiger sind als wir und uns gegebenenfalls das Ruder aus der Hand zu reißen vermögen (weitere Ansicht).

Auch wenn die wenigsten von uns in ihrem Alltag Ruder verwenden, so sind sie doch sprichwörtlich in unserem Mund gegenwärtig. Wenn wir bei einer Sache nicht vorwärts kommen, so „rudern“ wir vergeblich, umgekehrt „legen wir uns in die Riemen“, wenn wir uns anstrengen und vorwärts kommen wollen. Und wenn etwas ganz außergewöhnlich ist, sagen wir, es sei „aus dem Ruder gefallen“. In ihrer Menge erzählen die Ruder von aufeinander abgestimmten Bemühungen, von Ausdauer und Rhythmus, die es braucht, um Ziele zu erreichen. So sind sie auch in der gegenwärtigen Völkerflucht aus Syrien auf dem Weg über das Wasser überlebenswichtig. Denn wer kein Ruder mehr hat, ist steuerlos der Strömung und dem Wind ausgesetzt und wird zu Treibgut.

Vorausschauende Überlegungen können helfen, Abläufe und Entwicklungen im Blick und im Griff zu behalten: In welchen Lebensphasen und Entscheidungen ist es notwendig, dass ich die „Ruder in der Hand behalte”? Wo ist es wichtig, dass ich hochkonzentriert bei der Sache bin, damit ich eine Arbeit erfolgreich und termingerecht abliefern kann? Welche Vorsichtsmaßnahmen ergreife ich, um in meinen „Unternehmungen“ nicht „Schiffbruch“ zu erleiden? Nehme ich meine Verantwortung für Mitmensch und Schöpfung wahr und setze ich mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften für das Erreichen der Ziele ein? Bin ich bereit, die Mühen auf mich zu nehmen, auch mal gegen den Strom oder den Wind zu rudern? Oder lasse ich mich lieber träge in den wirtschaftlichen, technischen, sozialen, politischen Strömungen treiben, welche unsere Lebensformen beeinflussen und unmerklich verändern? – Was auch immer: Ich bin gefragt!

Das Reinhold Niebuhr zugeschriebene Gelassenheitsgebet mag uns vielleicht helfen, eine gute Balance zwischen dem selbst- und dem fremdbestimmten Vorwärtskommen zu finden, mich zu engagieren als auch das Unveränderliche annehmen zu können: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“