Licht im Herzen

Das Dargestellte konzentriert sich auf das Wesentliche. Eine weiße Reitergruppe befindet sich unter einem Sternenhimmel. Zwei der Reiter zeigen mit ausgestreckten Händen zu den Sternen. Fünf feine weiße Strahlen, die von den Köpfen und Händen der Reiter ausgehen, verstärken die intensive Beziehung zwischen dem hellen Element unten und dem dunklen Element oben. Neben ihrer Körperhaltung und den erwähnten Strahlen verbindet jeden Reiter ein goldener Punkt auf der Brust mit den vielen leuchtenden Punkten am Firmament. Die Bodenhaftung und ihr Weg werden durch eine einfache waagrechte Linie zum Ausdruck gebracht.

Durch die verschiedenen Zeichen wird deutlich, dass die drei Reiter wachsame und suchende Zeitreisende sind, die im Sternenmeer den Stern ausgemacht haben, dem es lohnt zu folgen. Sie sind Menschen, die dem himmlischen Zeichen zugetraut haben, sie zum Gottessohn als Ursprung und Vollendung des Lebens zu führen. Das wird ihnen als Weisheit angerechnet, ebenso, dass sie ihrer inneren Sehnsucht, dem Feuer und dem Licht, das in ihnen brennt, gefolgt sind.

Lebhaftes Gestikulieren, ja Begeisterung ist den Reitern anzusehen. Begeisterung, dass Gott mit ihnen ist und sie führt. Denn das Kreissegment und die Tiefe des Weltalls künden von der Unendlichkeit Gottes. Der aufgespannte Sternenhimmel wölbt sich zudem schützend wie ein Dach über die Reitergruppe, gleichzeitig scheint er sie wie ein Gleitschirm zu tragen, damit sie ihr Ziel, Gott mit eigenen Augen zu sehen und ihn mit ihren Gaben beschenken zu können, erreichen.

Die drei Weisen aus dem Osten können uns ein Vorbild sein, wie wir Seine Zeichen suchen und ihnen folgen sollen, damit wir Gottes Sohn auch in unserem Leben finden, bestaunen und beschenken können in den Kleinen und Bedürftigen dieser Welt.

Vielleicht stellt die Arbeit aber auch die drei Weisen bereits auf dem Heimweg dar? Der goldene Punkt auf ihrer Brust könnte dann als Symbol für die Erfüllung ihrer Sehnsucht gedeutet werden, als Zeichen, dass sie Gott gesehen und in sich aufgenommen haben. Im Bild erzählen sie gerade lebhaft, wie sie seinem Stern gefolgt sind und er sie völlig unerwartet in einem Stall das göttliche Kind habe entdecken und anbeten lassen. Glückselig bringen sie IHN nun als „Bethlehemlicht“ nach Hause, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen, damit auch sie Sein Licht und Seine beglückende Gegenwart erfahren können. Ob nun Hin- oder Rückweg, die drei Weisen können uns helfen, uns auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren und danach zu handeln.

Lichtgestalt

In leuchtendem Gegensatz zur nachtblauen Horizontale bildet die weiße Lichterscheinung im Bild eine vertikale Achse. An sich ist das Bild eine abstrakte Komposition von helleren und dunkleren Farben. Es ist nichts Konkretes zu erkennen. Selbst die Lichtquelle bleibt unscharf, wie von Nebelfetzen verhüllt. Dennoch erinnern uns die teils fließenden, teils luftigen Farbübergänge unweigerlich an Wolkenbilder und Lichterfahrungen, die jeder von uns schon mit dem Blick zum Himmel machen durfte. Denn da sind solche Farbmalereien keine Seltenheit.

Die kontrastreiche Stimmung dieses Bildes verbinden die meisten wahrscheinlich mit einem Gewitterhimmel. Unheimlich und doch faszinierend schwebt das schwere Dunkelblau nicht nur ganz oben im Bild, sondern wie eine dunkle Gewitterwolke auch über dem Betrachter.

Darunter die mächtige Lichtgestalt, welche dem Druck von oben buchstäblich standhält. Sie lässt sich durch das Dunkle nicht erdrücken, bricht unter ihm nicht zusammen. Ihr Kraftzentrum könnte die hellere Wolke in der oberen Hälfte sein. Weitere fünf Lichtpunkte sind sternförmig um dieses Zentrum angeordnet und tragen zu seiner starken Ausstrahlung bei.

Geheimnisvoll diffus ist in diesem Bild das Licht gegenwärtig. Es ist nicht klar zu bestimmen, ob es von unten oder von oben kommt oder gar aus der lichten Mitte. Doch scheint diese nicht vor den blasseren Partien zu schweben und mehr von vorne als von hinten beleuchtet zu werden?

Jedem wird die Betrachtung dieser Begegnung von Licht und Dunkel etwas anderes offenbaren. Für mich sagt das Bild viel über die Begegnung von Gott und Mensch aus. Kann in der Lichtgestalt nicht ein nach rechts schreitender Mensch gesehen werden? Er ist vom Licht und der Gnade Gottes erfüllt, welche am intensivsten in seiner Seele leuchten und ihn zur Suche nach Gott bewegen, der ihm nahe ist und sich doch in mystischer Dunkelheit allen menschlichen Zugriffen und Vereinnahmungen entzieht.

So finde ich mich wie in einem Spiegel auch im Bild wieder: Als vom Licht Erleuchteter, als Gott Suchender und nach ihm Tastender, als Mensch auf dem Weg zu Ihm, dem unfassbar Großen, zu dem ich als sein Kind berufen bin. Dabei erfahre ich seine Größe nicht als Bedrohung oder Gefahr, sondern als Schutz und Geborgenheit, die mir überall im Leben den notwendigen Raum zur Weiterentwicklung gibt.

Ein Katalog Ausstellung im Dom zu Meißen mit ganzseitigen Abbildungen der Bilder kann bei der Galerie Sybille Nütt (galerie@kunstindresden.de) bezogen werden.