Herzensarbeit

Wie eine kosmische Wolke schweben und leuchten die vielen stilisierten Sterne vor dem nachtschwarzen Hintergrund. Jeder Stern ist aus sechs sich kreuzenden Strichen zusammengesetzt. Ihre Farbigkeit erinnert an eine bunte Blumenwiese oder an ein sich immer wieder neu entfaltendes Feuerwerk. Unterschiedliche Größen formen Gruppen und vermitteln ein natürliches Wachstum und einen lebendigen Dialog zwischen den einzelnen Sternen und Sternhaufen. Ein Dutzend weißer Sterne umgibt den Verband wie vorgelagerte Außenposten. Der „Blumenteppich“ leuchtet durch seine starke Farbigkeit von innen heraus, die dunkleren und dahinterliegenden Sterne verleihen dem Gebilde eine kosmische Tiefe und lassen eine starke Lichtquelle hinter dem Betrachter vermuten.

Das Bild ist über einen längeren Zeitraum entstanden. Jeden Tag hat der Künstler in einer anderen Farbe einen Stern gemalt oder eine Blume sich entfalten lassen. So haben sich über die Wochen und Monate viel Zeit und Aufmerksamkeit in diesem Bild versammelt und jedem einzelnen Stern in dem Gesamt einen einzigartigen und leuchtenden Platz gegeben.

Das Sternenmeer oder der „fliegende Blumenteppich“ lassen mich an den bekannten Pfadfinderspruch denken: „Jeden Tag eine gute Tat!“ Denn durch jede gute Tat, durch alles, was man tut, um anderen eine Freude zu machen, geht gewissermaßen ein Stern oder eine Blume auf. Jede gute Tat verändert  positiv das Leben des Beschenkten – und auch des Schenkenden selbst. Gutes Tun erfüllt den Tag mit Sinn und Zufriedenheit, weil das Leben wertgeschätzt und gefördert wird.

Jesus lebte uns beispielhaft vor, auf wie vielfältige Weise man Gutes tun kann. Seine Worte waren und bleiben Worte der Wahrheit und des Heils. Er holte Verstoßene und Ausgegrenzte in die Gemeinschaft zurück und gab ihnen neue Chancen. Er war barmherzig, wenn Menschen ihre Verfehlungen erkannten und um Vergebung baten. Er lebte in Armut und anspruchslos ganz aus der Beziehung zu seinem himmlischen Vater. Die guten Worte und Werke Jesu leuchten wie Sterne in der Nacht, sie sind für jeden, dem sie zugutegekommen, eine bleibende Wohltat und Freude, ein ewiges Heil.

Paulus ermutigt die Gläubigen in Galatien (Gal 6,10): „Deshalb lasst uns, solange wir Zeit haben, allen Menschen Gutes tun“ und die Gemeinde in Thessaloniki (2 Thess 3,13): „Ihr aber, Brüder und Schwestern, werdet nicht müde, Gutes zu tun!“ Seine Worte tönen bis in unsere Zeit, wo sie auch von weltlichen Seelenführern aufgenommen werden, weil das Gute-Tun einen wesentlichen Einfluss auf das Glück aller und auch das Seelenheil des Schenkenden hat.

So leuchten auch unsere guten Gedanken, Worte und Werke wie Sterne im Leben unserer Mitmenschen. Insbesondere wenn es ihnen nicht gut geht, ist das an sie herangetragene Gute in ihrer Dunkelheit ein Lichtblick der Hoffnung, in ihrer Ratlosigkeit haltgebende Orientierung, in ihrer Krankheit oder Einsamkeit eine heilsame Umarmung, in der Armut und Not eine wertvolle Zuwendung.  In unserem Leben brauchen wir das Gute so notwendig wie die Luft zum Atmen. Ist es da verkehrt, in dem Sternenensemble auch ein Herz, mehrere Herzen oder zwei Lungenflügel zu sehen, die das Gute ein- und ausatmen – immer und immer wieder – und es zum Leuchten bringen?

Vision des Lebens

Plastisch erhebt sich die bildhohe T-Form vor dem schwarzen Hintergrund. Wie eine Lichtgestalt hebt sie sich vom undurchdringlichen Dunkel ab. Und doch bildet die T-Form so etwas wie einen Durchblick in eine ganz andere Welt. Im Gegensatz zum kalten und leblosen Schwarz ermöglicht die T-Form den Blick auf eine schwelende Glut, von der Wärme und Leben ausgeht.

Inmitten dieser Glut ist in den hellen Stellen trotz der undeutlichen Umrisse eine menschliche Gestalt zu erkennen. Durch die ausgebreiteten Arme, den angedeuteten, nach links gesenkten Kopf und die sie umgebende T-Form lässt sie sich unschwer als Gekreuzigten identifizieren.

Der Tod mitten in diesem mit Wärme und Leben erfüllten Raum? Ja, doch erscheint er als notwendiger Durchgang für die Verwandlung des Leibes in eine neue Wesensform, die im Bild durch Helligkeit charakterisiert wird. Der Künstler präsentiert uns den Tod, auch wie ihn Jesus am Kreuz erlitten hat, als endgültige Metamorphose zum Licht. Was für eine ermutigende Perspektive! Ganz Licht zu werden und gleichzeitig auch ganz leicht.

Ist das nicht eine tief in uns liegende spirituelle Sehnsucht, die uns durch das ganze Leben hindurch bewegt? Licht ist etwas durch und durch Gutes und bedeutet Leben. Ohne Licht hätten wir keine Entwicklungs- und Überlebenschancen. Licht werden ist verbunden mit Erkenntnis und Einsicht in die vielen verborgenen Dinge um uns herum. Licht werden ist verbunden mit Ausstrahlung und der Absicht, integral gut werden zu wollen und Gutes zu bewirken.

Doch das Finden der persönlichen Lichtgestalt ist schwer. Durch viele Rollen und Verwandlungen hindurch versuchen wir, sie peu à peu zu erreichen. Allein durch die menschliche Entwicklung wachsen wir in immer neue Rollen hinein, die uns Entfaltung zum Gutsein ermöglichen. Auch viele kleine und große Abschiede bringen – meist schmerzhafte – Neuerungen in unser Leben und zwingen uns zu ungewollten Veränderungen. Erheblich helfen aber wiederkehrende Rituale, Bräuche und besondere Zeiten der tiefen Sehnsucht in uns, gut und licht zu werden. So ermöglichen uns Fasching oder Karneval, aus den alltäglichen Rollen aus- und vielleicht auch Festgefahrenes in uns aufzubrechen. Ist es nicht, als brauche es dieses feurig-intensive Austoben, um anschließend in der Fastenzeit umso mehr in die Tiefe gehen und sich auf sein eigenes Wesen sowie seine Berufung konzentrieren zu können? Verzicht und Beschränkung sind in dieser vorösterlichen Zeit gewissermaßen die reinigende Glut, welche alles Unnötige wegbrennt und das Wesentliche, das Wichtige und Gute im Leben mit einem erneuerten Blick erkennen und mit befreiter Kraft auch leben lässt.