Spannungsvoll fügen sich die beiden langformatigen Arbeiten in den barocken Kirchenraum ein. Nahezu monochrom und rechteckig hart stehen sie im Kontrast zu den verspielten Farben und Formen der barocken Altäre. Andererseits integrieren sie sich durch Parallelen zur Länge der Kirche oder der Höhe ihrer Fenster. Vermittelnd befinden sie sich zwischen Chorraum und Kirchenschiff, ganz in der Tradition, die Botschaft von Leben, Tod und Auferstehung Jesu zu den Menschen zu tragen. Einander gegenüber positioniert erzeugen sie ein dialogisches Spannungsfeld, vor dem der Betrachter steht und in das er sich hineinziehen lassen kann.
Ein Betrachtungsraum, der unaufdringlich vom Kreuz geprägt ist und in seiner zurückhaltenden Sprache doch berührt und zur Auseinandersetzung mit existenziellen Lebenserfahrungen einlädt. In der roten Vertikalen mit den Verletzungen und offenen Wunden, die oft mit Leid, Blutvergießen und himmelschreiendem, da geradezu unerträglichem Schmerz verbunden sind. In der weißen Horizontalen mit einem Ruhe und Erlösung verheißenden, bergenden und von Licht durchfluteten Grab- und Heilsraum.
So stellt Margaret Marquardt „einander Hingabe und Erlösung, Kreuz und Heil, Tod und Leben, Sterben und Auferstehen, Vergießen und Hüllen gegenüber und bringt mit den beiden Arbeiten die Vertikale und die Horizontale des Kreuzes in Beziehung, die das Leid annimmt und heilend überwindet.“ Thematisch reihen sich die beiden Arbeiten damit in die kirchliche Grundausrichtung, „Kranke, Verletzte, Verwundete zu besuchen, Wunden zu versorgen, Leidenden beizustehen und zu heilen. Jesus selbst hat sich den Wunden, den Verletzungen der Menschen seiner Zeit gestellt, ist uns mit gutem Beispiel vorangegangen, hat sich persönlich und unmittelbar jedem Kranken gewidmet, ihn gefragt: „was willst du, das ich dir tue?“ und ihn geheilt. Er hat vom barmherzigen Samariter erzählt und das über ihn verhängte Urteil angenommen.“ (Engelbert Paulus)
In neuer Sprache bringen die beiden Arbeiten somit etwas zum Ausdruck, das uns alle bewegt. Die verwendeten Mullbinden oder Gazen verstärken die Erinnerung an Verletzungen und Verwundungen, die auf Grund ihrer Schwere verbunden werden mussten, geschützt und gepflegt, um den Heilungsprozess zu ermöglichen und zu unterstützen. Aus der roten Installation (Detailbild) sind durch die dreiteilige Anordnung auch Nachdrücklichkeit und der Ernst der Lage herauszulesen. Sie dokumentiert die noch frische Verwundung, bei der der Blutfluss den Verband durchtränkt und der Kampf um das Leben zu spüren ist. Wie die Arbeit an die Wand angelehnt ist, drückt sie zudem die mit Verletzungen einhergehende Erschöpfung und das Bedürfnis aus, sich anlehnen zu können und Hilfe zu erfahren, um bestehen zu können.
Eine ganz andere Atmosphäre entfaltet sich in der weißen Installation (Detailbild). Weite breitet sich hier aus, ein fortgeschrittener Genesungsvorgang ist zu spüren. Das Blut ist gestillt, die Wunden sind verbunden, Heilung ist im Gange – Auferstehung zu neuem Leben (Detailbild). In den Schichtungen des Verbandes kommt auch der Zeitfaktor zur Geltung. Die geduldige Pflege braucht ihre Zeit, ebenso die Heilung. Weiter erinnert die Beleuchtung von hinten, dass diese Heilung von innen heraus geschieht und geschehen muss.
So laden die Arbeiten zur Einkehr und Besinnung auf körperliche und seelische Verwundungen ein. Zu einem Verhalten, das dem der Verletzten und Verwundeten ähnlich ist, die still halten, um den Schmerz gering zu halten, aber auch, um von lieben Mitmenschen richtig versorgt werden zu können. In der Kirche ist es ein Innehalten, um der vielfältigen Verwundungen bewusst zu werden – und sie Gott hinzuhalten, damit er heilend auf sie schaue und mit seiner Liebe von innen heraus schließe.