Leuchtendes Kreuz

Wie ein einfaches Gewand mag einem die rote Fläche erscheinen. Durchsetzt mit schwarzen Bereichen vermittelt sie den Eindruck eines gebrauchten Kleidungsstücks. Unten und seitlich wird sie vom Bildrand beschnitten, oben kann der leichte Einschnitt in der Mitte als Kragen gedeutet werden.

Doch das von oben eindringende Licht und der lebendige Pinselduktus verleihen dieser T-förmigen Fläche etwas Körperhaftes, Menschliches. Das weißgelbe Licht, das von außerhalb in das Bild hineinfließt, sich in das Gewand und über das Gewand bis zur helleren Mitte ergießt, befindet sich an der Stelle des Kopfes. In der Art und Weise wie es den dunkleren Hintergrund überdeckt erscheint es als erleuchtetes Gesicht, das leicht zur Seite geneigt Vergeistigung und Transzendenz ausstrahlt.

Dieses weißgelbe Gebilde hat etwas Hinweisendes und zugleich Mitteilendes an sich: aus der Höhe kommend deutet es auf den Brustbereich des Gewandes hin. Die dort leuchtende Kreuzform mit einem Herz in seiner Mitte mag andeuten, dass die Herzmitte des Menschen nicht nur anatomische Bedeutung hat, sondern ebenfalls spirituelles Aufnahmeorgan für Immaterielles und Transzendentes ist.

Links neben dem Licht können zwei weitere Kopfformen gedeutet werden: eine weiß Schraffierte links, eine weitere in violetter Farbe in der Mitte. Ob dadurch in dem ganz von Licht erfüllten oder verhüllten, zur Seite geneigten Kopf das letzte Stadium einer Entwicklung gesehen werden soll? Nun ist es vollbracht. Was sein musste, ist geschehen. Alles an ihm ist von den vergangenen Stunden, Tagen und Wochen gezeichnet.

Die T-Form lässt eine Person mit ausgebreiteten Armen wahrnehmen: einen Menschen, dessen Innerstes von einem Licht erfüllt ist, das auch Schmerz und Kreuz aufhellen kann. Und sie bringt im feurigen Rot die Begeisterung dieses Menschen zum Ausdruck, die weder durch das Leid noch den Tod gebrochen werden konnte. Ein Heiliger?

Vor dem unbestimmbar grauen Hintergrund nimmt das starke Rot eine klare Position ein, legt ein deutliches Bekenntnis zum Leben ab, trotz der in der schwarzen Farbe erkennbaren Bedrängnis. Wie ein Blick in sein Innerstes offenbart sich das leuchtende Kreuz als zentrale Kraftquelle. In der Art und Weise wie es das kleine Herz umgibt ist es auch Schutz und erweiterter Lebensraum. Damit könnte zum Ausdruck kommen, dass der vom Herzen ausgehende Glaube die tragende und alles verwandelnde Kraft ist.

So sehr das Bild als symbolische Darstellung für den gekreuzigten und auferstandenen Herrn gedeutet werden kann, ist es vor allem Ausdruck für jeden Christen, dessen Gedanken und dessen Tun von unfassbarem Licht umgeben sind. Ihm wohnt eine zum Guten wandelnde Kraft inne, die wie bei Jesus zum Vorbild für viele wird, sich für die Liebe und das Leben einzusetzen, Zeit und Leben für den anderen hinzugeben. Damit alle das Leben haben und es in möglichst großer Fülle erfahren dürfen.

Glühendes Zeugnis

Ein Dutzend feuerrote Glasröhren verstellt den Blick nach draußen. In den unterschiedlich langen, handgeformten Zylindern begegnet uns ein Kunstwerk, das schwer einzuordnen ist. So sehr es wie ein Glasbild wirkt, das nur einen Teil der Fensterfläche beansprucht, ist es durch seine räumliche Tiefe als eine Skulptur anzusehen, die seitlich von zwei flachen, vergoldeten und mit feinen Farbspuren verzierten Glasstreifen begrenzt wird.

Im Übergangsbereich von innen nach draußen platziert, wird der Blick an dem Ort auf eine Wirklichkeit gelenkt, wo wir sonst völlige Klarsicht wertschätzen. Durch die Skulptur wird eine Realität sichtbar gemacht, die wir sonst kaum wahrnehmen, die aber sowohl das Innen mit dem Außen als auch durch seine vertikale Anordnung das Unten mit dem Oben verbindet. So sehr diese sichtbar gemachte Wirklichkeit als Wand erscheint, die in unterschiedlicher Höhe und im oberen Bereich mit größeren Abständen angeordneten Glaszylinder verleihen dem Kunstwerk eine dynamische, nach oben strebende Lebendigkeit.

Die leuchtende Farbe, die Transparenz des Glases, die leicht bewegten Formen und vor allem das je nach Tageszeit und Wetter wechselnde Licht tragen dazu bei, dass sich die Skulptur ständig verändert, in immer neuem Licht sich zu bewegen scheint. Die unterschiedlich intensiv leuchtenden Röhren erinnern an ein Feuer mit hoch auflodernden Flammen und an die große Hitze, welche die vom Feuer erfassten Gegenstände durchglüht. Wie bei einem Kamin- oder Lagerfeuer wird so ein angenehmes Licht und eine wohltuende Wärme im Raum erzeugt.

Mit diesem stilisierten Feuer will die Künstlerin in erster Linie dem hl. Forian eine Referenz erweisen, der als Beschützer vor dem Feuer verehrt wird und dem diese Kirche geweiht ist, in der sich die Skulptur befindet. Die vergoldeten Seitenbegrenzungen könnten darauf hinweisen, dass Gott, auf die Fürbitte des Heiligen hin, dem sich leicht ausbreitenden und schwer zu kontrollierenden Feuer Einhalt gebietet, Grenzen setzt.

Die Skulptur vermag aber auch in offener Form auf die Gestalt des Heiligen selbst hinzuweisen. Könnten die feurig roten Glasröhren nicht ein abstraktes Bild für ihn sein, das etwas von seiner inneren Haltung weitergeben kann? Erzählt es nicht von einem Menschen, der vom göttlichen Licht derart durchdrungen und beseelt wird, dass sein ganzes Wesen zu glühen oder zu brennen scheint? Legt es nicht Zeugnis von der Glaubenskraft eines Menschen ab, der, wie es die Seitenbänder andeuten, von Gott auch seitlich gehalten und gestützt, ganz transparent auf den ihn Erfüllenden hin geworden ist?

Begeisterung wird da spürbar, vom Heiligen Geist erfülltes Leben. Erinnerungen an die Erzählungen vom Pfingstfest in Jerusalem werden geweckt. – Wünschen wir nicht jedem auf den dreieinigen Gott getauften Menschen diese Gnade?

Geben und verbinden

Wie im antiken Theater, so mutet sie an, diese Szene, in deren Mitte Elisabeth agiert. Eine Gasse aus Menschenleibern durchschreitend. Erst der zweite Blick lässt die Menschen als Bettler, Gebrechliche oder Behinderte erkennen. Dicht gedrängt erheben sie ihre Hände.

Der Gestus des Gebens und der des Nehmens bestimmen das Beziehungsgefüge. Elisabeth, die Almosen verteilt und die Bedürftigen, die empfangen. Nicht immer ist die Gestik eindeutig. Während die Bettler in den vorderen Reihen den direkten Kontakt zu Elisabeth haben und nehmen dürfen, müssen die bereits versorgten sich gegenseitig etwas geben – weitergeben. Der diametrale Gestus erfährt seine Steigerung in der Form der Gloriole und in der irdischen Abgehobenheit der Bettler, die geradezu wie in einem Schwebezustand verharren. Sie sind die Beschenkten und müssen sich Gott selbst zum Geschenk machen.

Betrachtet man davon ausgehend die Verortung der Akteure, dann erscheint es entgegen aller landläufigen Meinung widersprüchlich, dass gerade die Heilige auf dem Boden der irdischen Wirklichkeit steht und der Last des Lebens begegnet und die von Trübsal geplagten Elenden dem Himmel näher sind und keine Bodenhaftung besitzen. Hier entlarvt sich der Trugschluss.

Heilige sind nicht heilig, weil sie weit entfernt von alltäglichen Lebensmustern sind, nein, gerade weil sie wie Leuchtfeuer mitten im Morast des Lebens stehen und nachhaltig wirken. Elisabeth muss auf das Drängen der Elenden reagieren, ob sie will oder nicht! Sie hat sich entschieden, im Ordensgewand des Dritten Ordens der Töchter des heiligen Franziskus den steinigen Weg weiterzugehen, zu strahlen und sich mit und in der Welt zu vernetzen, so wie es das Weißliniengeflecht der Schnittlinien, die sich in der Figur der Heiligen zentrieren, im Bild widerspiegeln. Um ihre im Franziskanerbraun gehaltene Gestalt, die klar und ohne Überschneidung im Zentrum des Geschehens steht, ziehen sich verschiedene Kreise. Ihre Arme spannen eine Diagonale, die gebeugte Haltung den Bogen zu den Menschen, die weißen Linien ein Strahlenbündel und um sie herum entsteht sogar ein Leerraum.

Selbst sie steht auf einer mit Lorbeer verzierten goldenen Rahmenleiste, die wie ein Schmuckbord wirkt und das unerschöpfliche Tun Elisabeths als fließende Bewegung darstellt. Das Rahmenfragment deutet einerseits auf den Rahmen ihrer Möglichkeiten hin, in dem sich ihr Wirken entfalten konnte, zeigt aber auch die Grenze zwischen zwei Welten, in denen sich Elisabeth, wie alle Heiligen, die stets Grenzgänger waren und sein werden, bewegte.

„Engel der Barmherzigkeit“

Beim Anblick der beiden Skulpturen hat man den Eindruck, zwei jungen Frauen unserer Zeit gegenüberzustehen. Anmutig, elegant und mit würdevoller Ausstrahlung treten sie uns entgegen. Treten? – Scheinen die beiden nicht vielmehr zu schweben? So sehr ihre bewundernswerte handwerkliche Ausführung eine reale Präsenz nahelegt, sie wird durch die aus dieser Perspektive unsichtbaren Füße, die auf der Unterseite negativ ins Holz geschnitzt und vergoldet sind, gebrochen.

Dennoch vergegenwärtigen die beiden Figuren auf eindrückliche Weise zwei Frauen, die durch ihr Glaubenszeugnis über Jahrhunderte hinweg „goldene Fußspuren“ der Nächstenliebe in der Gesellschaft hinterlassen haben. So auch als geistige Mütter der nach ihnen benannten Klinik in Halle. In der Krankenhauskapelle ehren die beiden Holzfiguren das selbstlose Handeln der hl. Elisabeth und der hl. Barbara in der Not und der Bedrängnis ihrer Zeit. Gleichzeitig bewegen sie die Besucher der Kapelle, aus dem Glauben und aus der Liebe heraus ebenso wie sie am Mitmenschen zu handeln und so gewissermaßen zu guten „Engeln“ für den Nächsten zu werden.

Die detaillierte Beschreibung der Figuren der beiden Persönlichkeiten sei hier Dr. phil. Joachim Penzel überlassen, der im Jahrbuch „alte und neue Kunst“ Band 43, 2006 des Vereins für Christliche Kunst in den Bistümern der Kirchenprovinz Paderborn e.V. unter dem Titel „Poetisches Heiligenkarussell“ (S. 31-32) in sehr schönen Worten auf das Besondere dieses Werkes eingeht.

„Wie von einem ruhigen, körperlosen Atem bewegt kreisen ein kleiner Turm und eine dornenreiche Rose mit einer kaum spürbaren, geradezu poetisch anmutenden Langsamkeit hoch über den anmutig lächelnden Häuptern zweier Frauenfiguren. Spielerisch werden die mit einem weißen Anstrich entmaterialisierten Attribute der hl. Elisabeth und der hl. Barbara als dynamische Heiligenscheine interpretiert. Die endlose Bewegung des Mobiles verzaubert den Betrachterblick und lässt die ikonographische Bestimmung der beiden Frauen zum unlösbaren Rätsel werden. Zugleich verführt dieses so zeitgemäß erscheinende Identitätskarussell zum genauen Wahrnehmen der beiden Heiligen, die als autorisierte Fürbitter zwischen der irdischen Welt der Menschen und einem im festen Glauben geahnten Jenseits vermitteln. Seit dem hohen Mittelalter gelten die beiden Frauen als Vorbilder für eine fromme, selbstaufopfernde Lebensführung. Die hl. Barbara hat sich in ihrem Glauben auch von ihrem tyrannischen Vater, der sie erst aus Hab- und Eifersucht in einem Turm gefangen hielt und schließlich in rasender Selbstbesessenheit ermordete, nicht erschüttern lassen. Die hl. Elisabeth von Thüringen verpflichtete sich trotz ihres königlichen Geblüts dem franziskanischen Armutsideal und stiftete ihren irdischen Besitz für die Gründung eines Spitals zur Armenfürsorge. Als Patroninnen des Handwerks und des Bergbaus, der Krankenpflege und Armenhilfe standen beide Heiligen den unteren Volksschichten immer besonders nahe.

Die kompakten Formen der Kleider verleihen ihnen den Ausdruck eines engelgleichen Schwebens und die anatomische Genauigkeit von Armen und Schultern sowie die Portraitähnlichkeit lässt sie als nahe Verwandte heutiger Menschen erscheinen. In ihrem jugendlichen Glanz entsprechen sie einem gegenwärtigen Schönheitsideal und sind doch in ihren langen, wehenden Gewändern und ihren mit strenger Keuschheit gebundenen Frisuren in die zeitlose Sphäre jenseitiger Seligkeit entrückt. Ihr heiteres Lächeln trägt die Liebe als frohe Botschaft in die Herzen; die in schwesterlicher Zuneigung verschränkten Arme sprechen von religiöser Verbundenheit und Nächstenliebe; in sanfter Berührung falten sich die Hände zu einem gemeinsamen Gebet. Zwar wirkt die realistische Bildsprache der beiden Heiligenfiguren in der Krankenhauskapelle als Antithese zu der in abstrakten Formen präsenten Geistigkeit, aber gerade diese Menschenähnlichkeit vermag das zeitlose Ideal karitativer Nächstenliebe überzeugend zu vermitteln.“

Das Jahrbuch mit dem ganzen Beitrag von Herrn Dr. Penzel zur Krankenhauskapelle kann beim Verein für Christliche Kunst e.V., Domplatz 3, 33098 Paderborn (Tel. 05251 / 125285 oder Mail an: bauamt@erzbistum-paderborn.de) bezogen werden.

Glück !?

Die beiden an sich unabhängigen Bilder stehen einander thematisch und kompositorisch nahe. In beiden Werken steht ein Bild einem Durchgang mit vergleichbaren Proportionen gegenüber, der mit Licht erfüllt ist. Auch Gegensätze prägen die Komposition: Die Bilder sind im Vergleich zu den Durchgängen erhöht. Auf ihnen sind Heilige in ekstatischer Haltung dargestellt, die von je zwei spielenden Putten begleitet auf Wolken schwebend in den Himmel entrückt werden. Neben dieser „dreifachen“ Erhöhung sitzt ein Kind auf der Treppe bzw. steht ein weiteres auf dem Boden. Sie sind allein und wirken verloren in der großen Türöffnung und vor dem undefinierten Hintergrund. Während ihre unsichtbaren (da von ihnen aus um die Ecke herum platzierten) Gegenüber mit ausgebreiteten Armen dem Licht über ihnen entgegenschauen, sind sie mit sich selbst beschäftigt. Der Junge zündet sich gerade eine Zigarette (oder einen Joint) an, während das Mädchen von ihrem Idol Marilyn Monroe träumt. Dieser Genuss, diese irdische Vision scheint sie zu „elektrisieren“.

Die Bilder erscheinen wie aus der Türe herausgeschnitten und an die Wand gehängt. Obwohl sie thematisch in eine Kirche gehören würden, befinden sie sich in einem weltlichen Gebäude. Mit Maria und Franziskus (erkennbar am Ordensgewand und den Stigmata) werden zwei der wichtigsten Vorbilder des christlichen Glaubens in glücklichen Momenten ihres Lebensweges gezeigt. Ihre Platzierung im Museum deutet an, dass sich die Frage nach der erfüllenden und beglückenden Lebensgestaltung überall und zu jeder Zeit stellt, letztlich aber doch sehr religiös geprägt ist. Welche Bindung macht mich glücklich, schenkt mir inneren Frieden? Wer oder was motiviert mich, ermutigt mich und schenkt mir die Kraft, Großes zu erreichen?

In der Gegenüberstellung der barocken Heiligenbilder mit der heutigen Wirklichkeit der Kinder stoßen nicht nur Vergangenheit und Gegenwart aufeinander, in den Personen begegnen sich auch die Erfüllung und die Suche danach. In diesem Bild wird neben der Frage der Sinnfindung auch die Berufs- und Berufungsfrage angeschnitten, die sich sicher bei Kindern und Jugendlichen am intensiven stellt, uns aber gewissermaßen immer wieder neu begegnet: Wo will ich hin? Zu was bin ich berufen? Die lichten und grenzenlosen Räume hinter den Kindern mögen Ausdruck dafür sein, dass ihnen alle Möglichkeiten offen stehen.

Obwohl das Mädchen noch auf Marilyn Monroe „steht“, stellt sich aufgrund des mit Licht erfüllten Raumes die Frage, ob sie wie Maria vielleicht gerade von einem unsichtbaren Engel angesprochen wird. „Wie soll das geschehen?“, mag sich auch das Mädchen fragen. Wie kann ich eine Karriere machen wie Marilyn oder Maria …? – Ob sie an Gott glaubt? Ob sie ihm ihr Leben anvertraut, es gleichsam in seine Hände legt, wie es einst Maria gemacht hat mit den Worten: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Maria ist für dieses Vertrauen, für diese Hingabe in ihre Aufgabe mit der Aufnahme in den Himmel belohnt worden. Aber was für ein Gewicht hat dieser immaterielle „Gewinn“ schon bei der Entscheidungsfindung gegenüber dem weltlichen Ruhm und dem finanziellen Erfolg?

Auch der Junge scheint sich in seiner Glückssuche schwer zu tun. Seine sitzende Haltung am unteren Ende der Treppe signalisiert einen Tiefpunkt. Er gibt sich mit vergänglichem Genuss zufrieden. Sein Gegenüber, Franziskus, hat entgegen dem Zeitgeist auf die durch Armut geprägte Nachfolge Christi gesetzt und ist reich beschenkt worden. Vielleicht stellen sich dem Jungen ähnliche Fragen.

Der Künstler lässt uns mit der Geschichte der beiden Jugendlichen im Ungewissen. Aber wenn wir das unendliche Licht hinter ihnen als Gegenwart Gottes deuten, dann leuchtet uns die Zuversicht entgegen, dass Er alle Suchenden mit Erkenntnis unterstützt und – wie die Entscheidung auch fallen wird -, hinter ihrem Entschluss stehen wird.

„In den Arbeiten von Stephan Melzl zeigt sich exemplarisch die Macht des Bildes, rationales Denken zu transzendieren. Für die Darstellung innerer Zustände und Phantasien konstruiert er gegenständliche Welten von eigentümlicher Melancholie und zugleich humorvoller Komik. Die widersprüchlichen Empfindungen, die seine Bilder auslösen, fallen auf den Boden der eigenen Widersprüchlichkeit, und kaum etwas erscheint in seinen Bildern als gesichert. Sie erzählen von einem fragmentierten, einem ambivalenten Zustand einer Bewältigung der äußeren und inneren Wirklichkeit.” (Auszug aus einem Text von Dorothea Strauss, Freiburg)

Lebendiger Kirchenraum

Mit seinem Chorbild lehnt sich Dietrich Stalmann an die gotischen Altarretabel an, deren Flügel unterschiedlich bemalt und entsprechend dem Kirchenjahr auf- oder zugeklappt waren. Mit seiner Kirchenjahresstele verfolgt der Künstler dasselbe Ziel. Die Bilder wollen in das Zeitgeschehen einbezogen werden, sie wollen Veränderung mitmachen, durch die Veränderung immer wieder neu ansprechen.

Die Kirchenjahresstele wird aus einem senkrechten Element gebildet, in das der liturgischen Zeit entsprechend drei verschiedenfarbige Tafeln eingesetzt werden können. Violett in der Advents- und Fastenzeit, Gelb in den Festzeiten, Grün im restlichen Jahreskreis. Ohne Bilder vermittelt sie gerade in der Fastenzeit eine befreiende Leere, die zum Denken anregt. Der Bildentzug signalisiert Buße, Einkehr, Umkehr. Zusammen mit der waagrechten Stahlschiene für die Aufnahme der Bilder erinnert die Stele entfernt an ein Kreuz.

Waagrecht können drei Bildtafeln der Stele vorgehängt werden: Georg, Maria, der Engel Gabriel. Wahlweise allein, zu zweit oder zu dritt. Der hl. Georg als Kirchenpatron übers Jahr auf der grünen Stele, Maria und der Engel in der Adventszeit auf der violetten oder an Marienfesten auf der gelben Stele. Mit allen drei Bildtafeln entfaltet die Kirchenjahresstele ihre Vollgestalt und kündet mit ihrer dynamischen Farb- und Formgebung von der Geistigkeit des Glaubens. Glauben ist etwas Unfassbares. Genauso wie Gott immer der ganz Andere sein wird. Doch durchweht nicht Gottes Geist die ganze Schöpfung und hilft ihr in der Erkenntnis Gottes? (vgl. „Der Geist des Herrn erfüllt das All …“ Kath. Gesangsbuch der Schweiz, 232) Brennt nicht seine Liebe in unseren Herzen? (Röm 5,5)

Mein Blick geht in das unendliche Feuer der Liebe Gottes, lässt mich die Weite Gottes erfahren (Ps  36,6) und etwas von der explosiven Kraft des christlichen Glaubens spüren.

Erst im Nähertreten sind die vom Heiligen Geist erfassten Gestalten von Maria, Georg und dem Engel zu erkennen. Georg als Kirchenpatron in der Mitte. Mit der Lanze den Drachen tötend ist er uns Vorbild im ehrenhaften und mutigen Kampf gegen das Böse. Wie er der Legende nach damals die Königstochter vor dem Tod bewahrt hat, mag er auch heute helfen, die Kirche Christi zu beschützen.

Maria wird gerade vom Engel besucht. Ganz ins Blau des Glaubens gehüllt, neigt sie sich von der göttlichen Botschaft überwältigt nach hinten. Was soll mit mir geschehen? Was hat Gott mit mir vor? Sinnfragen des Lebens klingen in ihrer Haltung an, die gerade in der Begegnung mit Gott noch spürbarer werden. Der Engel ist von grünen Farben umgeben – der Farbe des Lebens. Mit der Botschaft, dass sie den Sohn Gottes empfangen wird, bringt der Engel ihr keimendes Leben, Hoffnung für alle Menschen, die wie Maria glauben, dass sich Gottes Wort an ihr erfüllt. Jeden Tag und in jeder „Jahreszeit“ des Lebens wieder neu und anders – in der Kraft des Unfassbaren, alles durchdringenden und heiligenden Geistes Gottes.

Katharina von Alexandrien – Zeugnis für den Glauben

Ein dreiteiliges Bild in warmen Gelbtönen offenbart sich unseren Augen. Auf einem kostbaren Damaststoff präsentieren sich uns von rechts nach links eine reichgewandete Frau mit einem Schwert, ein aufgeschnittener Tierkörper und eine monstranz- ähnliche Goldschmiedearbeit. Alle drei Darstellungen zeigen sich durch den teilweise grauen Hintergrund, der allerdings von hellen gelben Elementen aufgebrochen ist, als fototechnische Reproduktionen. Die Künstlerin malt in Verbundenheit mit der Bildtradition, Altes hervorholend und durch neue Anordnung aktualisierend.

Die Seitenflügel dieses „Triptyk“ sind mir von ihrer Form her vertraut. In der Frau erkenne ich am Attribut des am Boden liegenden zerbrochenen Rades die heilige Katharina von Alexandrien (Ägypten). Der Legende nach war sie eine bildhübsche, gescheite Königstochter, die ihr Leben Christus geweiht hatte. Weder durch gelehrte Überzeugungskunst noch durch grausame Folterungen ließ sie sich von ihrem Glauben an Gott abbringen. Im Gegenteil, ein Gegner nach dem andern trat durch ihr Zeugnis zum christlichen Glauben über, zuletzt auch die Kaiserin. Vor Wut ließ Kaiser Maxentius darauf Katharina die Brüste abreißen und sie dann enthaupten.

Der lateinische Text am unteren Bildrand nimmt darauf Bezug: Erubuit fucito olim facro ubere Virgo, Hinc pudor atg; dolor praemia bina ferent. – Als ihr einst die heilige Brust abgeschnitten worden war, errötete die Jungfrau vor Scham; daher brachten ihre Scham und ihr Schmerz zweifachen Lohn. In der Darstellung ist Katharina heil geblieben. Zeichen für die Integrität ihres Glaubens? Schamhaft blickt sie auf das Schwert, mit dem sie enthauptet worden war. Ihr Unteram und ihre Hand weisen auf das Fleischstück in der Mitte, das ein Symbol für den „tierischen“ leiblichen Schmerz sein mag, den sie bei den Folterungen durchmachen musste.

Faszinierend finde ich die Lichtgestalt, die sich links vom Kadaver befindet, diesen überragt und sich von der ohnedies farblich hervorgehobenen Fläche absetzt. Verweist sie uns durch ihre Transzendenz auf die Verklärung des Leibes bei der Auferstehung? – Der erste Lohn?

In der Verlängerung von Katharinas Arm nimmt im Gerippe des Fleischstücks eine divergierende Linie ihren Anfang, die das Geschehen rechts mit der Goldschmiedearbeit auf der linken Seite verbindet. In dem monstranzähnlichen Reliquiar werden die leiblichen Überreste von Heiligen aufbewahrt und den Gläubigen gezeigt (monstrare) für die persönliche Verehrung. – Der zweite Lohn?

Das Reliquiar zeigt uns auf seiner Schauseite im zentralen Medaillon David, der König Saul zur Erheiterung die Harfe spielt und dazu Loblieder von Jahwe singt. Reliquien wie jene von Katharina von Alexandrien sind so etwas wie ein Lobpreis Gottes und für alle, die sie schauen und von ihr hören, eine Ermutigung auf dem Lebens- und Glaubensweg.

Das aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte Bild erinnert mich nicht nur an den Glaubensmut von Katharina von Alexandrien, sondern ermutigt auch mich, Stück für Stück durch die verwirrende Vielschichtigkeit unseres Glaubens hindurch allen Prüfungen standzuhalten. Ewiges Leben ist dem verheißen, der vertraut, dass Gott allezeit mit ihm ist und ihn nie verlässt. Schöne und kunstvoll gemalte dekorative Elemente, die durch ihre betonte Vergoldung unseren Blick auf sich ziehen, verdeutlichen das. Letztlich geht es nicht um das Vordergründige, Sichtbare, sondern um das Hintergründige, das allem innewohnende unsichtbar Grundgebende, das uns einen beständigen Halt gibt.

Ausführliches Interview mit Lilian Moreno Sánchez anlässlich ihrer Ausstellung zum “Aschermittwoch der Künstler” 2013 in Hildesheim

Überfließende Liebe schenkt neues Leben

Die Legende überliefert vom heiligen Nikolaus, wie er von der Not eines armen Mannes gehört hatte, der seine drei bildhübschen Töchter nicht verheiraten konnte, weil er kein Geld für die Mitgift hatte. Nikolaus erbarmte sich der drei Mädchen und beschenkte eine nach der anderen im Schlaf mit vielen Goldstücken aus seinem großen Erbe, damit sie heiraten konnten.

Kai Althoff stellt diese Ereignisse in einer Bildsequenz dar. Der heilige Nikolaus neigt sich gerade durch das offene Fenster über die schlafenden Mädchen, um der letzten von ihnen den Schatz in die Arme zu legen. Die Drei merken noch nichts von ihrem Glück, schlafen sie doch tief und fest. Der Vater hingegen ist wach und verfolgt das ungewöhnliche Geschehen mit offenem Mund. Was da geschieht, scheint ihm die Sprache zu verschlagen.

Das Wesentliche wäre damit gesagt. Ein kurzes Verweilen im Bild enthüllt uns jedoch mehr.

Nikolaus ist mit dem roten Gewand und der Mitra als Bischof dargestellt. Das Bischofsgewand bedeutet, dass er als Vorsteher und Hirte einer Gemeinde ein hörendes Herz für die Not seiner „Schafe“ hat. Diese Güte ist ihm auch in sein jugendliches Gesicht geschrieben. Er blieb nicht tatenlos in seinem Palast, sondern beherzigte das Wort Jesu: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Um seine Spende nicht an die große Glocke zu hängen, warf er die goldenen „Äpfel“ des Nachts in das Zimmer der drei Jungfrauen.

Die Farbe Rot wird im Gottesdienst an Pfingsten, Karfreitag und Namenstagen von Märtyrern / Bekennern des Glaubens getragen. Im Teilen und damit Verschenken seines Erbes bezeugt der heilige Nikolaus seinen Glauben an Jesus Christus. Wie er ist Nikolaus in seinem Denken und Tun vom Heiligen Geist, dem Geist der Liebe erfüllt und geleitet.

Der Künstler Kai Althoff hat auch die Betten der drei Mädchen rot dargestellt. Sie schlafen im Bett der Liebe, oder anders gesagt wird damit ausgesagt, dass sie verliebt sind. Sie selbst sind erschreckend weiß und schemenhaft dargestellt, fast wie Menschen, die dem Tode nahe sind. Doch von unten nach oben scheint eine Besserung stattzufinden. Ist die unterste Gestalt voller Unruhe – wie in einem Kampf – und ihr Gesicht leichenblass, so kehrt die Ruhe und die Farbe nach oben zunehmend in den Körper der Jungfrauen zurück.

Unabhängig vom Gold, das jede schon erhalten hat, möchte der Künstler uns damit etwas über die Veränderung erzählen, die das Geschenk in den drei Frauen bewirkt hat. Die fehlende Mitgift war nicht nur eine schlimme Notlage, sondern hat sie wie jede Armut an den Rand des Lebens gedrängt, wo es nur noch den täglichen Kampf mit dem Tod – um das kostbare Gut des Lebens – gibt. Durch sein Geschenk hat sie Nikolaus, und das hat zu seiner Heiligkeit beigetragen, vor dem langsamen Tod gerettet. Durch sein Geschenk hat der heilige Nikolaus ihnen die Möglichkeit gegeben, zu heiraten und in die Fülle, das Glück des Lebens zurückzukehren.

Wo wir unsere Reichtümer (nicht nur materiell) teilen, treten wir in die Fußstapfen des heiligen Nikolaus. Grundsätzlich sind alle Menschen Bedürftige der Liebe. Insofern ist jedes selbstlose Schenken ein Hingehen zum Nächsten, ein Eingehen auf seine Not und eine Hilfe auf seinem Weg zur Lebensfülle.

Ich bin froh, dass uns dies der heilige Nikolaus immer wieder in der Vorweihnachtszeit in Erinnerung ruft – wenn wir mit dem Machen und Kaufen von Weihnachtsgeschenken beschäftigt sind. Nicht das Geschenk ist wichtig – sondern die Beziehung zum Menschen, die Liebe zu ihm, die letztlich die Liebe zu IHM ist.