Aufnahme in den Himmel

In einer wunderbar starken Bewegung senkt sich der blaue Raum auf den dunkelgrauen Figurenkomplex nieder und berührt beinahe die stehende Gestalt. Sie trägt ein Kind auf ihren Armen und steht an einem Bett. Der Silhouette nach beugt sich links eine weitere Person über die im Bett Liegende. Ob sie schläft, krank oder gar gestorben ist, lässt sich aus den wenigen Hinweisen nicht ableiten.

Allerdings erscheint die Figurengruppe zwischen zwei Welten dargestellt. Bröckelt nicht die Erde unter dem Bett weg, verweigert sie nicht den nötigen Halt, um sicher darauf stehen und leben zu können? Durch diese feinen gestalterischen Veränderungen des Hintergrundes befindet sich die Figurengruppe in einer Übergangszone zwischen Erde und Himmel, die sich grau und gegenstandslos gibt. An seiner engsten Stelle scheint das Bett mit den Personen zu schweben und wenn sich der Himmel weiter herunterneigt, bald von ihm umgeben zu sein.

Diese Hinweise deuten darauf hin, dass die im Bett liegende Person gestorben sein muss. Die intensive blaue Farbe und die Herkunft der Figurengruppe aus dem Marientod von Giotto di Bondone (1310) verbinden das Bildgeschehen letztlich mit Maria und ihrer Himmelfahrt, wie in der Umgangssprache ihre Aufnahme in den Himmel bezeichnet wird.

In diesem Bild wird nicht mit Engelscharen, Pauken und Trompeten ihre glorreiche Himmelfahrt gefeiert. Still neigt sich der Himmel wie in einer großen ehrenden Verneigung über das Sterbebett Mariens, um ihr ewige Heimat bei Gott zu geben. In Christus ist Gott selbst an das Sterbebett Mariens herangetreten, um sie persönlich zu sich zu holen. Bildhaft ist dies bereits mit dem Kind auf seinen Armen geschehen, welches die Seele von Maria darstellt, die bereits bei Gott weilt.

Was für eine gewaltige Vision, dass Gott uns Menschen im Tod nahe ist und diejenigen zu sich holt, die während ihrer Erdenzeit mit ihm gelebt haben, ja ihn aufgenommen und ihm das Leben und ihre liebende Zuwendung geschenkt haben.

Die kraftvolle und blauschwere Weite des Himmels laden zum Meditieren dieses Glaubensgeheimnisses ein. Wenn die Erde uns ihren nährenden Boden entzieht, dann bietet die Weite des Himmels einen neuen Halt. Oder bildlich gesprochen, wenn die Kräfte der Erde schwinden und sie austrocknet, wird der Himmel sich öffnen und lebenspendende Wasser regnen lassen.

Diesbezüglich erinnert das Bild an das adventliche Kirchenlied „Tauet, Himmel, aus den Höhn, tauet den Gerechten, … Wolken regnet ihn herab!“ (GL 104; KG 313) Was verdorrt ist, soll unter seinem Segen aufblühen, heißt es da. Und in der dritten Strophe wird sehnsüchtig gerufen: „Komm, du Trost der ganzen Welt, rette uns vom Tode. Komm aus deiner Herrlichkeit, komm uns zu erlösen.“

An Maria hat sich die Verheißung Gottes, „den Mittler selbst zu sehen und zum Himmel einzugehen“ (KG 303,1) bereits erfüllt! Als Glaubende leben wir in der Hoffnung, dass Gottes Verheißung auch uns gilt und unser irdisches Leben durch sein Kommen vollendet.

Im Anfang – eine Idee

Lasierende gelbe Farbschichten vor schwarzem Hintergrund, Farbläufe und -spritzer in alle Richtungen, unzählige, über die ganze Bildfläche verteilte Farbtupfer bilden zusammen ein wildes explosives Durcheinander. Die vielen Lichtpunkte und die beiden großflächigen Lichterscheinungen lenken unseren Blick zum Himmel und entführen ihn in die unendliche Weite des Alls.

Doch da, die aufspritzende Farbe suggeriert ein aktuelles Geschehen, die beiden in allen Nuancen leuchtenden Wolken lassen an etwas unfassbar Großes denken, das gerade am Entstehen ist. Wäre da nicht eine schmale horizontale Fläche am unteren Bildrand, dem Betrachter würde vor Staunen der Boden unter den Füßen weggezogen und er verlöre das Gleichgewicht angesichts des gewaltigen Spektakels.

Diese kleine Fläche gibt Halt und lässt an eine windstille Wasseroberfläche denken, in der sich das Weltall mit seinen Sternen und Lichterscheinungen spiegelt. Könnte sie das Urwasser darstellen, von dem die Bibel in den ersten Worten erzählt, dass es am Anfang zusammen mit der Finsternis die Erde bedeckte?

Dann könnten die beiden die Dunkelheit durchbrechenden Lichtblitze so etwas wie das Aufflackern des ersten Lichtes sein, das sich mit der Zeit zum Tag entwickelt. Allein die Vorstellung ist schon umwerfend: Zuschauer bei der einzigartigen Entstehung eines Planeten zu sein, der im grenzenlosen All aus einer wunderbaren Idee heraus seinen Lauf nimmt.

So utopisch das Ganze erscheinen mag, das Gemalte könnte auch ein Bild für das sein, was sich bei der Geburt einer Idee in unserem Kopf ereignet. Entsteht sie nicht auch aus dem Nichts, leuchtet sie nicht gleichsam als Gedankenblitz in der Weite unseres Verstandes auf? Oft haben wir Schwierigkeiten, den initiativen Gedanken klar zu fassen, weil er noch zu nebulös ist. Doch das, was wir im Geiste erfassen konnten, ist elektrisierend, voll lichter Hoffnung. Denn in einem solchen Anfang steckt das Potential alles zu verändern! Denken wir nur an die zündenden Ideen in der Wirtschaft, der Politik, der Kunst oder der Philosophie.

Sind wir nicht alle in unterschiedlichster Art und Weise am Schöpfungsvorgang beteiligt? Tragen inmitten der vielen leuchtenden „Stars“ nicht auch meine Ideen die verheißungsvolle Kraft in sich, Großes zu bewirken, Leben hervorzurufen und die Welt, vielleicht nicht maßgebend, aber durch das wie Licht wirkende Denken und Handeln doch befreiend und erfreuend mitzugestalten?

Blick in den Himmel

Ein mit Licht erfüllter Kreis dominiert die Komposition dieses Aquarells. Er ist von einem schmalen grauen Ring eingefasst und zeigt sich wie eine Öffnung im blauen Hintergrund des Quadrates. Ein Blick in den Himmel? In seiner Mitte zwei schmale, aufgerichtete Rechtecke. Durch ihre organischen Ränder und die geneigten Formen erinnern sie auch ohne anatomische Details an Menschen, die sich nahe stehen, ja in ihrer Zuwendung einander zugeneigt sind.

Die größere Gestalt ist ganz im Rot des Blutes und des Lebens sowie der Liebe gehalten. Sie steht in sich selbst, kann sich der kleineren Gestalt zuneigen und ihr Halt geben. Denn diese schwach s-förmig geschwungene Figur besteht nur in der Anlehnung. Ihre grüne Farbe lässt an das Grün der Pflanzen und Bäume denken, die auf der Erde wachsen. Die wenigen Angaben genügen, um die beiden Rechtecke als Symbole für Gott und den Menschen deuten zu können – den Schöpfer des Lebens und der Liebe sowie sein aus Erde geschaffenes Abbild (Gen 1,27), das wie die Pflanzen wächst und vergeht (vgl. dazu Ps 90,5-6; 103,13-18).

Die beiden Gestalten erinnern in ihrer Beziehung an die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Nach der langen Zeit in der Ferne findet er bei seinem Vater jene Barmherzigkeit und Geborgenheit wieder, die seinem Leben Halt und Sinn gibt (Lk 15,11-32). Beeindruckend hat der Künstler die Herzlichkeit und Innigkeit der Begegnung durch das Überlappen und ineinander Verschränken der beiden Farben und Formen dargestellt. Der Sohn taucht tief in die Wirklichkeit Gottes ein und Gott schenkt ihm trotz allem erlittenen Schmerz seine ungeteilte Liebe. Gestalterisch bringt der Künstler dies durch das „Ausbluten“ der roten Farbe in den grün-gelben Bereich hinein zur Sprache.

Die Betrachtung der beiden im Licht stehenden Gestalten und der Bildgeschichte vom verlorenen Sohn können den Wunsch aufkommen lassen, von Gott so herzlich umarmt zu werden wie der zurückgekehrte Sohn. Die Sehnsucht wird geweckt, sich mit allen Unsicherheiten und Ängsten bei Ihm anzulehnen und Zuneigung und Halt zu finden. Diese Grundhaltung des Gläubigen wird dann im Gespräch mit Gott nicht mehr viele Worte brauchen. Das ganze Vertrauen und die wissende Nähe Gottes floss bei Jesus in die familiär-zärtliche Anrede „Abba – lieber Vater“ hinein (Mk 14,36). Und er empfahl seinen Zuhörern mit den einfachen, von herzlicher Nähe und Barmherzigkeit geprägten Worten des „Vater unsers“ zu beten: „Vater unser im Himmel, … Gib uns unser tägliches Brot. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. …“ (Mt 6,9-13).

Über den „Blick in den Himmel“ hinaus führt dieses Aquarell den Betrachter ins Gebet und an das Herz Gottes. Es lässt nicht nur mit den Augen die uns Menschen zugewandte Liebe Gottes sehen. Das Aquarell ermöglicht so dem Betrachter, die göttliche Liebe mit dem Herzen zu erfahren und sich gewissermaßen „im Himmel“ wiederzufinden.

Joachim Wanke, Andreas Felger, Gottesnähe – Vater unser, Präsenz Kunst & Buch, 2005, (Aquarelle und Zeichnungen von Andreas Felger, Betrachtungen von Bischof Dr. Joachim Wanke). Außerdem ist ein Leporello mit allen 14 Aquarellen und einer Betrachtung auf der Rückseite im Buchhandel erhältlich.

Hier auf der Website des Künstlers können Sie alle Bilder zum Vater unser online anschauen.

Lichtgestalt

In leuchtendem Gegensatz zur nachtblauen Horizontale bildet die weiße Lichterscheinung im Bild eine vertikale Achse. An sich ist das Bild eine abstrakte Komposition von helleren und dunkleren Farben. Es ist nichts Konkretes zu erkennen. Selbst die Lichtquelle bleibt unscharf, wie von Nebelfetzen verhüllt. Dennoch erinnern uns die teils fließenden, teils luftigen Farbübergänge unweigerlich an Wolkenbilder und Lichterfahrungen, die jeder von uns schon mit dem Blick zum Himmel machen durfte. Denn da sind solche Farbmalereien keine Seltenheit.

Die kontrastreiche Stimmung dieses Bildes verbinden die meisten wahrscheinlich mit einem Gewitterhimmel. Unheimlich und doch faszinierend schwebt das schwere Dunkelblau nicht nur ganz oben im Bild, sondern wie eine dunkle Gewitterwolke auch über dem Betrachter.

Darunter die mächtige Lichtgestalt, welche dem Druck von oben buchstäblich standhält. Sie lässt sich durch das Dunkle nicht erdrücken, bricht unter ihm nicht zusammen. Ihr Kraftzentrum könnte die hellere Wolke in der oberen Hälfte sein. Weitere fünf Lichtpunkte sind sternförmig um dieses Zentrum angeordnet und tragen zu seiner starken Ausstrahlung bei.

Geheimnisvoll diffus ist in diesem Bild das Licht gegenwärtig. Es ist nicht klar zu bestimmen, ob es von unten oder von oben kommt oder gar aus der lichten Mitte. Doch scheint diese nicht vor den blasseren Partien zu schweben und mehr von vorne als von hinten beleuchtet zu werden?

Jedem wird die Betrachtung dieser Begegnung von Licht und Dunkel etwas anderes offenbaren. Für mich sagt das Bild viel über die Begegnung von Gott und Mensch aus. Kann in der Lichtgestalt nicht ein nach rechts schreitender Mensch gesehen werden? Er ist vom Licht und der Gnade Gottes erfüllt, welche am intensivsten in seiner Seele leuchten und ihn zur Suche nach Gott bewegen, der ihm nahe ist und sich doch in mystischer Dunkelheit allen menschlichen Zugriffen und Vereinnahmungen entzieht.

So finde ich mich wie in einem Spiegel auch im Bild wieder: Als vom Licht Erleuchteter, als Gott Suchender und nach ihm Tastender, als Mensch auf dem Weg zu Ihm, dem unfassbar Großen, zu dem ich als sein Kind berufen bin. Dabei erfahre ich seine Größe nicht als Bedrohung oder Gefahr, sondern als Schutz und Geborgenheit, die mir überall im Leben den notwendigen Raum zur Weiterentwicklung gibt.

Ein Katalog Ausstellung im Dom zu Meißen mit ganzseitigen Abbildungen der Bilder kann bei der Galerie Sybille Nütt (galerie@kunstindresden.de) bezogen werden.

Himmlisches Gastmahl

Geschmierte rote Flecken auf einer vergoldeten Fläche. Was für ein Kontrast! Unregelmäßig und unförmig sind sie über die kostbare und rein anmutende goldene Fläche verteilt.

Das breite, dreiteilige Format des Bildes erinnert mich an eine mittelalterliche Altartafel, deren Flügel je nach liturgischer Zeit auf- oder zugeklappt werden konnten. Der vergoldete Hintergrund verstärkt diesen Eindruck. Steht er nicht für die Herrlichkeit Gottes, die in diesem kostbaren Material und in diesem Glanz am besten zum Ausdruck kommt? Auch die Dreiteilung lässt an den einen Gott denken, der sich in drei Personen offenbart hat.

Andererseits beeindruckt mich das lange Bildformat und lässt mich an einen langen festlichen Tisch denken, der im Schein der vielen Lampen leuchtet. Allerdings ist kein Gedeck zu sehen, nur irritierende Flecken. Auch keine Stühle. Ob da wohl jemand eingeladen ist? Und wenn eingeladen, sind es nur Könige und Reiche, oder auch einfache Leute und Arme?

Jesus sagt: Es gibt eine Einladung! Alle sind eingeladen, und sie sind „selig“ (Offb 19,9). In einem Gleichnis vom Himmelreich erzählt er von einem König, der zur Hochzeit seines Sohnes einlud. Weil die Gäste der Einladung nicht Folge leisteten, schickte der König seine Diener, alle einzuladen. „Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.“ (Mt 22,1-10)

Voraus gingen allerdings Misshandlungen und Totschlag der Diener und als Vergeltung dann der Tod der Mörder. Besteht hier die Verbindung zu den roten Flächen die wie Blutspuren aussehen? Sie lassen mich an Blutflecken an Unfallorten denken, wo Menschen verletzt wurden oder sogar ihr Leben lassen mussten. Das verschmierte Rot lässt mich an die Kriegs- und Terroropfer denken, die unschuldig ermordet wurden, Erwachsene und Kinder, wie in Ruanda, New York oder jüngst in Beslan.

Aber wieso sind diese Spuren mitten auf dem Tisch, der goldenen Fläche? Vielleicht weil durch das Blut wie die Ungerechtigkeit, welche das Blutvergießen verursacht hat, das Heilige tief verletzt wird? Beide sind Widerspruch zu Dem, der das Leben schlechthin ist und es unentwegt ins Sein ruft. Es ist Widerspruch zu Dem, der gut und gerecht ist, und der sich dafür einsetzt.

Aber hat nicht Jesus am Kreuz sein Blut vergossen für das Heil der Welt, die Rechtfertigung der Menschen? Jesaja 53,7 zitierend, wird Jesus im Buch der Offenbarung „das Lamm“ genannt, „das geschlachtet wurde“ (5,12). Jesus selbst sagt beim letzten Abendmahl, wie er den Kelch mit Wein seinen Jüngern reicht: „Trinkt alle daraus, das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird, zur Vergebung der Sünden.“ (Mt 26,27b-28)

Dieses durch den Gottessohn vergossene Blut ist die Grundlage einer neuen Gemeinschaft. Wer seine Einladung annimmt und sich in Liebe Ihm zuwendet, erhält „durch sein Blut Erlösung und die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,7). Mit seinem Blut fängt er alles andere Blut auf.

So ist dieses visionäre Bild von Robert Weber tatsächlich eine Einladung zum himmlischen Gastmahl im neuen Jerusalem, dessen „Mauer aus Jaspis gebaut ist, und die Stadt aus reinem Gold, …“ (Offb 21,18). Eine Einladung zu einer revolutionär neuen Gemeinschaft, in der es weder Tod, Trauer, Klage noch Mühsal geben wird (Offb 21,4-5). Denn die Menschen dieser Gemeinschaft sind durch das Blut Jesu erkauft und aus den Bindungen der Sünde herausgelöst. Und … wie in der Mahlgemeinschaft der Eucharistiefeier werden alle durch die Kommunion mit dem Gastgeber tief in sein eigenes göttliches Leben aufgenommen werden!