Licht in der Nacht

Menschenleer und nächtlich still präsentiert sich die Raum-Landschaft. Die Behausungen lassen des Menschen Werk spüren, ihn aber nicht sehen. So wirkt die Leere geheimnisvoll und lässt die Raumhüllen für sich sprechen.

Ein quaderförmig gemauertes Gebäude dominiert die linke Seite des Querformates. Der nach vorne offene, bildhohe Innenraum wirkt groß und palastartig. Die Wände sind grünlich-blau, wobei vorne links die Gesetze der räumlichen Wahrnehmung ausgehebelt werden. Die Decke ist schwarz wie die Dunkelheit, die über der hellen Landschaft und Außenwand liegt. Die Farbe des braunen Bodens zieht sich in der Türöffnung links nach oben, so dass nicht klar ist, ob die Türe die gleiche Farbe hat oder der Boden hinter der Türe unendlich weitergeht. Das erdige Braun signalisiert einen fruchtbaren Boden, das Grün der Wände Wachstum und Hoffnung. Alles ist bereit, um zu empfangen, aufzunehmen und mit Leben zu füllen. Verstärkt durch das seitliche Fenster bleibt es ein Raum der Sehnsucht und der Erwartung. Die umgekehrte Perspektive vergrößert diesen Raumeindruck nach hinten und führt über die Seitenwand vom Vordergrund in die Bildmitte und -tiefe.

Das Holzhaus mit Satteldach steht klein und unscheinbar neben seinem großen Nachbar im freien Feld. Ohne sichtbare Fenster und Türen erscheint es als einfache Feldscheune. Doch der Lichtpfeil im schwarzen Hintergrund weist eindeutig auf die ärmliche Hütte als Ort des Geschehens. Der die dunkle Nacht spaltende Lichtkeil reißt nicht nur die Himmel auf, er lässt auch das durch die Bretterritzen schimmernde Licht im Innern der Hütte wahrnehmen. So wie die Stirnwand der Scheune erwartungsvoll nach oben weist, zeigt der Lichtspalt erfüllend nach unten auf den verborgenen Glanz im Innern. Wenn man sich das dreieckige Licht als unterste Spitze eines vielfach größeren Sterns vorstellt, dann lässt das überwältigende Himmelszeichen noch mehr ahnen, was für ein bedeutungsvolles Ereignis in dieser bescheidenen Behausung gerade stattfindet.

Das Bild lädt ein, einengende und leer gewordene Räume zu verlassen und uns wie die Weisen aus dem Osten dem Licht folgend auf die Suche nach Jesus zu begeben. Es fordert auf, unsere kleinformatigen Vorstellungen immer wieder über Bord zu werfen, weil Gott anders und größer denkt und handelt als wir. Es ermutigt, den Blick zu heben, aufzuschauen und das Licht zu sehen. Hier ist Bethlehem, das Haus des Brotes, das Haus des Lebens. In die bescheidene Hütte ergießt sich die Fülle des Lichts, des Lebens (Mi 5,1) und des Heils. Der palastähnliche große Raum bleibt leer (vgl. Lk 1,53). Diese beiden Sinnbilder dürfen wir uns zu Herzen nehmen: Gott ist uns gerade in den größten Dunkelheiten nahe. Und er liebt es, im Kleinen und Unscheinbaren geboren zu werden und da zu sein.