Lichtstel(l)e

Dunkel gekleidet ragt die rechteckige Metallplatte in den Raum und gebietet mit ihrer einfachen Gestalt Einhalt und Ruhe. Ihr Verhältnis von Höhe zu Breite erinnert an menschliche Proportionen. Verschlossen stände die Bronzestele da, wäre da nicht die aufgebrochene Oberfläche, die einen Blick in das Innere freigibt. Fein leuchtet Gold hinter der schwarz-grün patinierten Oberfläche dem Betrachter entgegen, geheimnisvoll von einer verborgenen Kraft im Innern der Stele erzählend.

Dieser Aufbruch verändert alles. Das Verschlossene öffnet sich und offenbart Hoffnung, in der Dunkelheit strahlt Licht auf und zeigt, wie verletzlich die vermeintliche Panzerung der Metallplatte ist. Die kreuzförmige Öffnung der Oberfläche nimmt in einem von tief unten aufsteigenden Riss ihren Anfang. Der Aufbruch geschah nicht plötzlich, sondern hatte seinen Vorlauf in der Materie und in der Zeit. Sein Ursprung liegt in der Tiefe. Die feine Bruchlinie ist bereits die Ankündigung eines größeren Geschehens, das sich weiter oben offenbart.

Der Künstler schreibt dazu:
Dort, wo wir die Verzweiflung zulassen,
wo wir die Dunkelheit annehmen,
werden wir mitten in der Verzweiflung einen Funken Hoffnung
und in der Finsternis einen Spalt Licht entdecken.

Kreuzförmig bricht das Metall von innen oder von hinten her auf und verweist auf das Kreuz Jesu. In der größten menschlichen Dunkelheit, in der Gottes Sohn hingerichtet wurde, offenbarte Gott lichtvoll sein Innerstes. Das Kreuz bleibt nicht als dunkles Ereignis stehen, sondern wird von der Liebe Gottes hell erleuchtet. Statt Dunkelheit und Tod erfolgt der Durchbruch zum Licht und ewigen Leben.

In der Verletzung der Oberfläche an der Bruchstelle wird der Lichtblick sichtbar und lässt uns spüren, dass hinter jeder Dunkelheit ein Licht leuchtet. Verletzungen und Wunden, welche den wahren Kern erkennen lassen, beinhalten die Chance eines Aufbruchs. Sie sind eine schmerzhafte Öffnung in eine neue Lebenswirklichkeit mit Parallelen zu einer Geburt oder der Entwicklung einer Knospe zu einer Blüte. Die Wahrheit kann nicht unendlich lange unterdrückt oder verborgen werden. Irgendwann durchbricht ihr Licht jede noch so harte Schale – wie eine Pflanze den Asphalt – und zeugt von der wahren Kraft des Lebens. Unendlich zart und verletzlich – und doch stärker als jede Dunkelheit.

„Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,5)

Sprengkraft Mitmenschlichkeit

Zwei Welten begegnen, durchdringen und ergänzen sich in diesem fünften Bild eines Kreuzweges und werden gleichzeitig durch die Tat der Mitmenschlichkeit im inneren Quadrat gesprengt. In diesem Wechsel von Farben und Formen wird die Bedeutung der Handlung des Simon von Kyrene für damals, heute und über unsere Epoche hinaus als eine grundsätzliche Haltung für alle Zeiten thematisiert: Einander helfen, das Kreuz zu tragen, die mit Lasten Beladenen entlasten, Solidarität zeigen, den Nächsten nicht übersehen, sondern beachten und ihn im Rahmen des Möglichen unterstützen.

Den äußeren Rahmen bildet die Welt und das Weltgeschehen. Dual und gegensätzlich wird die geschaffene Welt links in grau und ihr gegenüber die immaterielle Welt Gottes goldgelb dargestellt. Die senkrechte Teilung, welche gleichsam die Wölbung der Erde aufnimmt, wird durch den schwarzen Keil verstärkt, der von oben auch das innere Quadrat zu spalten versucht. Die festen Klammern verdeutlichen, dass die Umgebungsfaktoren so gut wie keinen persönlichen Handlungsspielraum zulassen und auch keinen Ausweg. Für den Kreuztragenden sieht die Situation trotz der Herrlichkeit Gottes im Hintergrund hoffnungslos aus.

Das innere Quadrat erzählt von der Kraft der Mitmenschlichkeit. Wie durch ein offenes Fenster tritt aus der grauen Anonymität ein Mann hervor, der mit seinem gelben Gewand farblich eine gleiche Gesinnung signalisiert und da ist, wo Hilfe gebraucht wird, um das Kreuz zu tragen. Er fällt ihm nicht in den Rücken, sondern stärkt diesen durch seine Unterstützung. Es geht nicht darum, dass er – wie in der Bibel berichtet – zur Mithilfe gezwungen worden ist (vgl. Mk 15,21), sondern dass er es tatsächlich tut. Damit überschreitet Simon die trennende Grenze und es entsteht etwas ausgleichend Verbindendes wie es in der Berührung der Hände oder auch in der rötlichen, wie ein Herz anmutenden Form zwischen den beiden Protagonisten angedeutet wird.

Jesus selbst steht in gebeugter Haltung frontal dem Betrachter gegenüber. Sein Blick ist gesenkt und führt unter der Kreuzeslast in die Leere. Während sich sein Oberkörper in der rechten Hälfte des inneren, grauen Quadrates befindet, steht er mit stämmigen Beinen vor diesem im goldgelben Bereich, der mit seiner Farbe an die vergoldeten Hintergründe von Ikonen oder auch mittelalterlichen Retabeln denken lässt, die Gottes Gegenwart und Herrlichkeit symbolisieren. Jesus ist mit dem geschulterten Kreuz auf dem Heimweg zum Vater. Mit seiner dynamischen Form deutet das helle Kreuz nicht nur seinen Tod an, sondern durch die weiße, wie ausgespart wirkende Farbe auch seine Auferweckung von den Toten. Es ist letztlich das Kreuz des Heils, welches das innere Quadrat sprengt und gleichsam nach drei Seiten Lebenswege öffnet. Der von Jesus führt zuerst nach unten, in die Tiefen des Todes, um durch sein Sterben Tote und Lebendige zu erlösen und in die Ewigkeit zu führen.

Rätselhaft ragen am rechten Bildrand von oben und unten Doppelspitzen in das Bild. Sie erinnern an Fangzähne von Raubtieren, die ihre Beute damit festhalten. Die Farbe und die Wölbung der Erde aufnehmend und abgeschwächt nach rechts in den geistigen Bereich hinein fortsetzend mögen sie symbolisch für die Soldaten und ihre Waffen als auch für die Drohkulisse der schaulustigen Menge stehen, durch deren Gasse Jesus seinen Kreuzweg gehen musste.

Weil Jesus keine personenspezifischen Attribute trägt, kann er stellvertretend auch für alle Menschen stehen, die unerlöst eine schwere Last – äußerlich oder innerlich – zu tragen haben. Die frontale Darstellung von Jesus fordert dazu auf, wie Simon von Kyrene den Menschen zur Seite zu stehen und ihnen beim Tragen ihrer Last zu helfen. Wir werden sie nicht abnehmen können, aber wir werden die Bedrückten und Belasteten ein Stück ihres Weges begleiten und unterstützen können, sodass ihnen das wie eine Erleichterung beim Tragen ihrer Last vorkommt. Ein derartiges Tun vermag Grenzen zu überwinden und die Mauern zwischen den Menschen zum Einsturz zu bringen.

Ganzer Stationenweg in der röm.-kath. Kirche St. Leodegar, Möhlin (Aargau, Schweiz)

Bereit

Ein Umzugskarton als Bild mag erstaunen. Da wird ein fast alltäglicher Gegenstand auf einzigartige Weise hervorgehoben. Der fotorealistisch gemalte Karton, ein an sich billiges Material, wird hier kostbar. Denn die Kartonhülle wird zum Bildinhalt, der Außenseiter zum Protagonisten, der leere Karton mit den vier Klappen zum Bildraum füllenden Kreuz. So strahlt der Umzugskarton eine erhabene Tiefe und Größe aus, die tief blicken lässt.

Einladend leer und offen präsentiert sich die Box dem Betrachter. Bereit, befüllt zu werden mit Inhalt, mit Gegenständen, die für uns von Bedeutung sind und damit einen bedeutungsschweren Inhalt haben. Was ist mir wichtig? Was werde ich bei jedem Umzug mit mir nehmen? Wer viele Kartons und viel Platz zur Verfügung hat, muss sich nicht groß entscheiden und kann so gut wie alles mitnehmen.

Ganz anders sieht es aus, wenn ich nur den Inhalt eines Umzugskartons mitnehmen dürfte. Ich müsste mich extrem beschränken und sehr vieles loslassen, das ich im Laufe der Jahre gesammelt und liebgewonnen habe. Ich müsste mich auf das Allerwichtigste und -nötigste konzentrieren und diesbezüglich gut abwägen, was ich brauchen werde. Früher habe ich solche gedanklichen Herausforderungen als unnötig und unrealistisch abgetan, aber heute sieht es anders aus angesichts der größer werdenden Bedrohung und Kriegsgefahr, die unter Umständen zur Flucht veranlassen.

Die Kreuzform des Kartons und der leere Innenraum lassen die Gedanken noch weiter schweifen. Ist nicht jeder Umzug ein Einüben auf den letzten Weg und Ortswechsel, bei dem wir nichts Materielles mitnehmen können, nicht einmal unseren Körper? Machen wir in unserem Erdenleben nicht öfters die Erfahrung, dass wir nie alles von einem Ort zum anderen mitnehmen können? Fast immer müssen wir schweren Herzens etwas von uns zurücklassen. Vielleicht machen wir auch die positive Erfahrung, dass das Entsorgte uns nicht mehr beschäftigt oder Sorgen bereitet und dadurch Raum zum Atmen, neuer Bewegungs- und Lebensraum entsteht. Denn Leere muss nicht leer sein, sondern sie beinhaltet Freiraum als Voraussetzung für Bewegung und Leben.

Der leere Karton weist darauf hin, dass wir beim letzten Lebensweg nichts mitnehmen können! Bedeutet das, dass der Karton leer bleibt oder bleiben muss? Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist. Der „Karton“ wird sogar voller persönlicher und einzigartiger Kostbarkeiten sein, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Diese immateriellen Güter wie unseren Glauben, unsere Hoffnung, Liebe und Freude, unseren Frieden und unser Glück werden uns unsichtbar überall hin begleiten und in allen Herausforderungen stärken. Das Schöne an ihnen ist, dass sie nicht gepackt werden müssen, dass sie nicht belasten und trotz ihrer unfassbaren Größe leicht zu tragen sind. Mit ihnen ist man jederzeit bereit umzuziehen.

Arbeiten von René Wirths und Sven Drühl sind bis 14. April 2024 in der Gemeinschaftsausstellung  „Jenseits der Realität“ im Kunsthaus Kaufbeuren (Allgäu) zu sehen.

Himmelsmantel

Eine große T-förmige Leinwand bildet den Hintergrund für das große Chorkreuz. Es begleitete die Gläubigen der evangelisch-lutherischen Kirche Sankt Petri in Wuppertal von Aschermittwoch bis Pfingsten durch die Fasten- und Osterzeit. Durch die blaue Farbe wird das Kreuz gleichsam in den Himmel gehoben und noch mehr in die Mitte Gottes, für den das Symbol des Kreises und die rötliche Farbe stehen. Das Kreuz und das Leiden bleiben, doch die Umgebung des Kreuzes hat sich verändert: Jesus stirbt nicht mehr allein am Kreuz. Er wird in der größten Einsamkeit von Gott gehalten, von hinten umfangen, mit dem Mantel des Himmels bekleidet und mit seiner Barmherzigkeit gewärmt.

Die T-Form will kein zweites, alternatives Kreuz bilden, sondern die einfachste Form eines Gewandes wiedergeben. Es erinnert an das hohepriesterliche Untergewand Jesu, das Josephus Flavius so beschreibt: „Dieser Rock besteht nicht aus zwei Stücken, so dass er auf den Schultern und an der Seite genäht wäre, sondern er ist aus einem einzigen Faden gewebt.“ (Josephus Ant. III,161)

Dieses einzigartige Gewand spielt auch im Johannesevangelium eine besondere Rolle (19,23-24). Der Evangelist greift die Worte aus Psalm 22,19 auf, um zu verdeutlichen, dass Jesus der von Gott auserwählte Hohenpriester war: Die Soldaten teilten seine Kleider unter sich, aber um sein außerordentliches, in einem Stück gewebtes Gewand warfen sie das Los, um es nicht zu zerstören!

Das Himmelsgewand im Hintergrund lässt uns das Kreuz zudem in Verbindung mit einigen Aussagen des Paulus im Brief an die Hebräer sehen, in denen Jesus als der wahre und einzige, bereits im Alten Testament angekündigte Hohepriester erkennbar wird. Als Hohepriester, der sich bei Gott mit der Hingabe seines eigenen Lebens für uns eingesetzt hat und zu Gott erhoben bleibend für unsere Rettung eintritt.

„Denn jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen. Er ist fähig, mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen, da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit, und dieser Schwachheit wegen muss er wie für das Volk so auch für sich selbst Sündopfer darbringen. Und keiner nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron. So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde verliehen, Hohepriester zu werden, sondern der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du. Ich habe dich heute gezeugt, wie er auch an anderer Stelle sagt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks. Er hat in den Tagen seines irdischen Lebens mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört worden aufgrund seiner Gottesfurcht. Obwohl er der Sohn war, hat er durch das, was er gelitten hat, den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden und wurde von Gott angeredet als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks.“ (Hebr 5,1-10)

„So ist auch Jesus zum Bürgen eines besseren Bundes geworden. Auch folgten dort viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; er aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unvergängliches Priestertum. Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat.“ (Hebr 7,22-27)

„Die Hauptsache bei dem Gesagten aber ist: Wir haben einen solchen Hohepriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel gesetzt hat, als Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes, das der Herr selbst aufgeschlagen hat, nicht ein Mensch.“ (Hebr 8,1-2)

Das tief in das Himmelsgewand hineingetauchte Kreuz erinnert schließlich auch an die Taufe, bei der die Täuflinge beim Eintauchen ins Wasser symbolisch mit Jesus sterben und mit ihrem Auftauchen zum neuen Leben auferstehen: einem Leben als Christen, weil alle auf Christus Getauften ihn selbst angezogen haben (vgl. Gal 3,27). Innerlich gewandelt durch ein Leben aus Glauben, Hoffnung und Liebe (vgl. Hebr. 10,20-24), kann die innige Verbundenheit mit Gott äußerlich als überirdischer Mantel wahrgenommen werden.

Du führst mich hinaus ins Weite

Von dunklen Bildrändern her öffnet sich das Motiv in der Mitte zu einer unendlichen Weite, die durch den blauen Horizont und den weißen Luftraum darüber angedeutet werden. Das rahmende Nachtblau verliert dabei mit jeder neuen Farbe seine Kraft und lässt immer lichtdurchlässigere und wärmere Farben zu.

Hoch aufgerichtet leuchtet mittendrin ein filigranes, goldgelbes Kreuz. Die Linien sind nicht durchgehend, es hat seine Todesmacht verloren. Stattdessen kündet das Kreuz von der Überwindung des Todes, vom Segen, von der Rettung, die von ihm ausgehen, vom Perspektivwechsel, den es bewirkt. Es kündet von der Ordnung und von Gott, der das Leben sowohl hier und jetzt als auch dort und danach zusammenhält.

Schicht um Schicht führt das Bild schrittweise aus einem dunklen Raum hinaus ins Licht. Es gibt das Ende eines Tunnels wieder: einer beengten, ungemütlichen, aussichtslosen Wegstrecke, die kein Ende nehmen wollte und menschlich gesehen zum Scheitern verurteilt war. Denn die Dunkelheit wurde von vertikalen Gnadenstrahlen erleuchtet und in farbige Schleier gewandelt, die sich ihrerseits mehr und mehr auflösen und dabei die Sicht auf das Dahinter freigeben

Das Bogensegment am unteren Bildrand suggeriert, dass es sich bei dem Geschehen nicht um eine Kleinigkeit handelt, sondern um die große Bühne, um ein Weltgeschehen, das alle auf dem Weltenrund gleichermaßen bewegt und betrifft.

Verdichtet werden existenzielle Themen wie Dunkelheit und Licht, Wärme und Kälte, Leben und Tod, Enge und Weite dargestellt. Es wird die Freude vermittelt, nach der Blindheit wieder sehen, wieder Farben und Formen erkennen zu können, dank Jesu Tod und Auferweckungen einen überwältigend neuen Horizont zu erhalten, die Zuversicht, dass das Leben weitergeht. Befreiung ist spürbar, das Angebot neuer Möglichkeiten und Perspektiven. Gott schenkt einen neuen Lebensraum.

Der Kehrvers aus Psalm 18,20a.29b singt in mir: „Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell.“ (GL 629,1 / KG 607 / RG 732) Er lässt in mir Dankbarkeit und Freude aufsteigen und mich einstimmen in das Gebet des Psalmisten und in das wunderbare Lob der Stärke Gottes:

Er griff aus der Höhe herab und fasste mich, zog mich heraus aus gewaltigen Wassern.
Er entriss mich meinem mächtigen Feind und meinen Hassern, denn sie waren stärker als ich.
Sie überfielen mich am Tag meines Unheils, doch der HERR wurde mir zur Stütze.
Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen.
Der HERR handelte gut an mir nach meiner Gerechtigkeit, vergalt mir nach der Reinheit meiner Hände. Denn ich hielt mich an die Wege des HERRN und fiel nicht ruchlos ab von meinem Gott.
Ja, ich habe alle seine Entscheide vor mir, weise seine Satzungen nicht von mir ab.
Ich war vor ihm ohne Makel, ich nahm mich in Acht vor meiner Sünde.
Darum hat der HERR mir vergolten nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinheit meiner Hände vor seinen Augen.
Gegen den Treuen zeigst du dich treu, lauter handelst du am Lauteren.
Gegen den Reinen zeigst du dich rein, doch falsch gegen den Falschen.
Ja, du rettest das elende Volk, doch die Blicke der Stolzen zwingst du nieder.
Ja, du lässt meine Leuchte erstrahlen, der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis hell.
Ja, mit dir überrenne ich Scharen, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.
Gott, sein Weg ist lauter, das Wort des HERRN ist im Feuer geläutert.
Ein Schild ist er für alle, die sich bei ihm bergen.
Denn wer ist Gott außer dem HERRN, wer ist ein Fels, wenn nicht unser Gott?
Gott hat mich mit Kraft umgürtet und vollkommen machte er meinen Weg.
(Ps 18,17-29)

 

Arbeiten von Albert Mellauner waren im Frühjahr 2023 in der Ausstellung „Farbrhythmen“ in der Hofburg Brixen zu sehen.

GottesBegegnung

Im oberen Drittel öffnet sich der dünne Bronzestab und gibt zwei Menschen frei, die sich mit ausgebreiteten Armen Stirn an Stirn gegenüberstehen.

Ohne diese Öffnung wäre es nur ein Metallstab, aber durch die beiden Köpfe wird der Stab menschlich und mit den weit ausgebreiteten Armen zum Kreuz. Nicht weil hier jemand gekreuzigt worden wäre, sondern weil sich zwei Menschen „in der Klemme“ beistehen, sich berühren, stützen und halten. Herz an Herz stärken sie sich, Hand in Hand gleichen sie waagrecht die vertikale Spannung aus, die aus der Tiefe in ihre Körper aufsteigt und durch ihre emotionale und körperliche Zuneigung Stirn an Stirn überbrückt wird.

Tief schauen sie sich in die Augen, ergründen gegenseitig die Tiefen und Abgründe des anderen. Es ist ein ungewöhnliches Haltgeben und Aushalten. Es ist ein Hingeben in einer außerordentlichen Nähe. Eine Art Umarmung und sich Schenken in einer Notsituation, in der keine Umarmung mehr möglich ist, aber dennoch ein hilfreiches Da-Sein in existenzieller Einsamkeit. Die geöffneten, sich nicht festhaltenden, in der behutsamen Berührung aber dennoch nahen Hände signalisieren die Achtung und Wertschätzung des anderen als auch die Bereitschaft, jederzeit helfen zu können. Es ist die Erfahrung eines menschlichen Gegenübers auf Augenhöhe und in der vollumfänglichen körperlichen Wahrnehmung von den Zehen bis zum Kopf, emotional mit den Herzen und geistig mit den Gedanken verbunden.

Durch das fast übergangslose Hervortreten der beiden Personen aus dem langen Stab erhält der verzweifelte Hilferuf des Psalmisten „Aus den Tiefen rufe ich, Herr, zu dir!“ (Ps 130,1ff) und seine Bitte um Beachtung und Erhörung neue Aktualität. Die Hoffnung der Seele auf das Kommen des Herrn und sein verzeihendes Wort findet im Gegenüber bereits Erfüllung. Jesus ist in unsere Tiefen hinabgestiegen, um uns in all unseren Schmerzen, Leiden und einsamen Toden beizustehen.

Das außergewöhnliche Vortragekreuz mit zwei einander zugewandten Gekreuzigten ist auch bereits Antwort auf den Ruf Jesu in seiner Todesstunde: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bleibst fern meiner Rettung, den Worten meines Schreiens? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; und bei Nacht, doch ich finde keine Ruhe.“ (Ps 22,2-3) Denn da ist ein Gegenüber, das die Einsamkeit erträglicher macht, die Schreie hört, im Mitgefühl und Mitleiden Zuversicht schenkt. In der zweiten Person wird die Caritas sichtbar, die wertschätzende und helfende Liebe gegenüber allen Notleidenden und Benachteiligten.

Der gespiegelte Gekreuzigte macht die Haltung der hingebenden Nächstenliebe sichtbar und verdeutlicht, im eigenen Tun und Handeln gegenüber den Mitmenschen stets Jesu Ruf in die Nachfolge zu hören und letztlich Christus selbst in den Mitmenschen zu begegnen und zu dienen.

Fürchtet euch nicht!

Eine kleine Krippe steht im Schatten eines mächtigen Kreuzes, das schräg über die Krippe geneigt auf sie zu stürzen droht. Die Krippe selbst besteht aus einer Walnussschale und wird von innen beleuchtet. Das Licht der Krippe und die herausstehenden Strohspitzen projizieren auf den breiten Kreuzschatten ein feines Licht- und Schattenspiel, das dem Haupt Jesu mit der Dornenkrone gleicht.

Verloren steht die Krippe im Kreuzungspunkt des Schattens der beiden Kreuzbalken. Wo sonst die Wände eines Stalls ein Mindestmaß an Schutz bieten, droht hier von oben das Holz des Kreuzes den Neugeborenen zu erschlagen. Wo sonst Menschen und Tiere das Kind schützend und wärmend umgeben, ist hier nur die Bedrohung des übermächtigen Kreuzes und die Kälte seines Schattens zu spüren.

So hart und geradezu brutal diese Krippendarstellung Geburt und Tod zusammenbringt und nicht wie in manchen Inszenierungen den Kreuzestod nur versteckt andeutet, so „normal“ ist es im apostolischen Glaubensbekenntnis in einem Atemzug zu sprechen: „geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“.

Die Krippe bildet ein Kontrastprogramm zu dem vom maßlosen Konsumverhalten immer mehr zu einem Event verkommenden Advents- und Weihnachtszauber, bei dem es mehr und mehr ums Geld, um das Wünschen und Beschenken geht als um die Freude über die Geburt des Gottessohnes und Seelenretters. Radikal wird hier die menschliche Zerbrechlichkeit unter dem übermächtigen Kreuz bewusst. Wobei das Kreuz sowohl für die Dunkelheiten und Härten des Lebens stehen kann als auch für das menschliche Sünder-Sein und die eigene Gottesferne.

Gerade in diese Dunkelheit leuchtet die kleine Krippe. Ihr Licht vermag selbst die Schatten des Kreuzes zu durchdringen und zu erhellen. Die Installation erinnert an das prophetische Wort: „Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“ (Mt 4,16) Dieses in die Dunkelheit gesandte Licht kommt klein und verletzlich an und strahlt doch hell über die Dunkelheit hinaus. Es bricht die durch das Kreuz, die Sünde und den Tod entstandene Übermacht der Finsternis. Das vom Christuskind ausgehende Licht lässt uns die Stärke von Gottes Barmherzigkeit und Liebe erfahren. Sie sind unvergleichlich größer als die tiefste Dunkelheit und Not. Sein Licht macht Mut und schenkt Hoffnung. Letztlich ruft es in die Dunkelheit: Ich bin der Gott Immanuel: Was auch passiert, ich bin bei euch! Fürchtet euch nicht! (Lk 2,10; Joh 6,20)

 

Die Installation war Teil der 82. Telgter Krippenausstellung „Mittendrin“ im RELíGIO, dem Westfälischen Museum für religiöse Kultur in Telgte. Die Ausstellung war mit über 120 zeitgenössischen Ausstellungsstücken bis zum 22. Januar 2023 zu sehen.

GegenMacht

Die Gestalt des Gekreuzigten wächst hoch oben aus der dünnen Senkrechten heraus. Sein Körper ist bis auf den Kopf und die Arme vor allem auf der Vorderseite figürlich als Beine, Lendenschurz, Bauch und Brustbereich gestaltet. Die senkrechte Teilung der Beine setzt sich in einem Spalt im Brustbereich fort und bildet dort mit der Unterseite der Brust ein Kreuz.

Der Kopf ist nach rechts gedreht, der Blick nach unten gerichtet. Seine Arme hat der Erhöhte maximal ausgestreckt, ebenso seine Hände: rechts senkrecht erhoben, links waagrecht nach vorne abgewinkelt. So bildet der Körper als Ganzes ein hochaufragendes Kreuz, gleichzeitig trägt er im Brustbereich das Kreuz in den Körper eingeschrieben.

Er ist nicht als der leidende Jesus dargestellt, auch wenn seine Wundmale deutlich zu sehen sind. Jesus wird nicht als passiv das Leiden Erduldender, sondern als Mitleidender, als sich Erbarmender und Beschützer aller wie er Gekreuzigter dargestellt. Er hat das Unrecht der Missbrauchten durch Spott, Folter und Tod am eigenen Leib erfahren. Nun wehrt er sich und verteidigt alle: Es ist genug! Hört auf! Das ist nicht auszuhalten!

Jesus tritt den Peinigern und Mächtigen als Verteidiger der Missbrauchten und Entwürdigten entgegen: Am Kreuz erhöht stellt er sich mahnend zwischen die Gewalttätigen und die Unterdrückten. Mit seiner aufgerichteten rechten Hand gebietet er Halt und Einhalt, mit seiner waagrecht gehaltenen linken Hand wehrt er eher ab. Jesus hält die Gewalttätigen auf Distanz, er schaut sie nicht an. Er, der Menschenfreund, weist sie ab und will auch nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Er will auch von seinen eigenen Leuten nicht missbraucht oder verzweckt werden.

Missbrauch hat viele Gesichter und durchzieht zu allen Zeiten alle Gesellschaftsbereiche. Er ist uns näher als wir vielleicht denken, wenn wir stärker, reicher, klüger, älter, gesünder oder einflussreicher sind als andere (vgl. Lk 1,48-53). Macht ist schnell missbraucht, wenn Eigeninteressen höher gestellt werden als das Gemeinwohl und insbesondere das Wohlbefinden des Nächsten im biblischen Sinne. Niemand ist vor dieser Versuchung gefeit, auch nicht Priester oder Lehrer, Väter oder Mütter, Geschäftsleute, Arbeitgeber oder Politiker. Jesus ist gegen jede Art der Unterdrückung und Bevormundung. Im Christuslied des Philipperbriefes (2,6-8) wird beschrieben, wie Jesus auf seine unvorstellbare Machtfülle verzichtete, um den Menschen nahe zu sein und ihnen durch Gottes heilende, stärkende und rettende Kraft ihre Menschenwürde zurückzugeben.

Jesu Gegenmacht zum „Missbrauch von gutem Brauch“ ist seine Liebe und Fürsorge, sein Für-andere-da-Sein. Sein Umgang mit den Menschen ist geprägt von Respekt und Toleranz, von Wertschätzung und Vertrauen in deren Fähigkeiten und Kräfte. In seinen Augen sind alle Menschen gleich und in seiner Gerechtigkeit gibt es keine Unterschiede, außer dass den wie auch immer Benachteiligten Hilfe und Unterstützung zusteht.

Dieses Kreuz verkörpert Jesu Haltung über den Tod hinaus. Von „Gott über alle erhöht“ (Phil 2,9) bleibt er für alle Selbstsüchtigen und Peiniger ein Mahner des Unrechts und somit ein Stein des Anstoßes und ein Zeichen des Widerstands. Alle anderen stärkt Jesus als unübersehbares Vorbild im rechten und guten Umgang miteinander.

Ein himmlisches Angebot

Eine blaue Fläche verdeckt den barocken Hochaltar und erfordert einen Wechsel der Sehgewohnheiten. Durch das zeitweise Verhüllen des Gewohnten sollen die Gläubigen die Chance zu einer Neuentdeckung und einer neuen Sicht auf Gott erhalten und damit eine Umkehr zu Ihm. Das hängende Fastentuch eröffnet mit seiner blauen Farbe einen universellen Blick in die unergründlichen Weiten des Himmels oder Tiefen des Meeres. Seine halbtransparente Struktur lässt spielerische Lichteffekte zu und vermag damit an die Bedeutung von lebendigem Wassers für das Leben hinzuweisen.

Von oben senkt sich mittig ein intensiveres blaues Band in die Tiefe und breitet sich zwischen den beiden seitlichen Heiligenfiguren horizontal aus. In diesem auf dem Kopf stehenden T (Tau oder Kreuz) zieht ein helles Tondo den Blick auf das in einem Rosenstrauch sitzende nackte Jesuskind.  Auf der rechten Seite ist es von drei Rosenblüten umgeben: einer großen, voll aufgeblühten, darüber einer großen Knospe und Jesus selbst hält einen von der voll aufgeblühten Rose ausgehenden Stiel mit einer verschlossenen Knospe wie ein Zepter vor seinem Körper. Die drei Rosenblüten symbolisieren die Dreifaltigkeit. Das Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ (GL 334/EG 30) ist ein Zugang zu diesem ungewöhnlichen Fastentuch. „aus Gottes ew‘gem Rat hat sie ein Kind geboren …“ heißt es in der zweiten Strophe und so sieht man das Jesuskind als Menschensohn zwischen der symbolischen Darstellung von Gott Vater in der aufgeblühten Rose und der haltgebenden Hand Mariens. Ebenso passt die dritte Strophe: „ Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis, wahr‘ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet uns von Sünd und Tod.“

In mir begann die zweite Strophe des Liedes „zu Bethlehem geboren“ von Friedrich Spee (GL 239/EG 32) bei der Betrachtung des Fastentuches zu singen. Denn die große blaue Fläche und das leuchtende Tondo fokussieren den Blick auf Jesus und auf seine Position in meinem Leben: So klang in mir: „In seine Lieb versenken will ich mich ganz hinab; mein Herz will ich ihm schenken und alles was ich hab. Eia, eja, und alles was ich hab.“ Erschrocken über die weihnachtlichen Klänge kam ich aber zur Erkenntnis, dass es in der Fastenzeit gerade darum geht: Den vielleicht aus den Augen und aus dem Alltag verlorenen Gott wiederzufinden und ihm den Platz in meinem Leben wiederzugeben, der ihm als „höchsten Gut“ gebührt. Dem war sich Friedrich Spee bewusst, wenn er in der fünften  Strophe formuliert: „Dazu dein Gnad mir gebe, bitt ich aus Herzensgrund, dass dir allein ich lebe jetzt und zu aller Stund. Eia, eia, jetzt und zu aller Stund“.

Diese gnadenvolle Veränderung soll mein/unser ganzes Leben durchwirken und es zur Ehre Gottes verändern, damit es wie die goldenen Strahlen von seiner Präsenz in meinem/unserem Leben kündet. Um anzudeuten, dass so eine Veränderung meist unsichtbar, aber doch durch ein vielfältiges, heilsames Wirken in konkreten menschlichen Beziehungen, Handlungen und Gesten geschieht, hat die Künstlerin auf der Rückseite des Fastentuches in der Höhe des Tondos mit goldenen Umrisslinien neun bewegte Hände in zwei Gruppen dargestellt: gebende, helfende, empfangende, darreichende, betende, bewahrende, beschützende und segnende Hände. – Eine Einladung, dem Mitmenschen wie Jesus zu begegnen, sie wie sie sind anzunehmen, ihnen Freiheit und Lebensfülle schenkend, sie an der Hand nehmend oder ihnen segnend die Hände aufzulegen zur Stärkung in allen Lebenslagen – aus der Verbundenheit mit Gott und Ihm in jedem Mitmenschen.

 

Das Fastentuch ist bis zum 14. April 2022 in der Stadtpfarrkirche St. Jakob in Villach (A) im Original zu sehen. Auf der Website der Pfarrei können Sie eine andere, sehr lesenswerte Betrachtung von Herrn Pfarrer Dr. Richard Pirker lesen.

Hineingenommen

Die kreisrunde Installation bildet während der Advents- und Weihnachtszeit einen neuen Brennpunkt im Kirchenraum. Die großen, spielerisch angeordneten Kugeln aus massivem Holz ziehen die Besucher in ihren Bann und verwandeln sie durch ihre einzigartige Maserung und Schönheit zu Betrachtenden und Verweilenden.

Auf einer kargen Grundfläche umgeben zehn Kugeln scheinbar zufällig eine schalenförmig gewölbte Baumscheibe,  die auf dem Schnittpunkt zweier Fugen in der dunklen Grundplatte ruht. Doch schnell lassen sich drei Gruppen ausmachen: die beiden Kugeln links und rechts der Baumscheibe, fünf helle Kugeln auf der rechten und drei dunklere Kugeln auf der linken Seite. Durch das Material Holz sind sie irdisch individuell von der Baumart und den örtlichen und zeitlichen Wachstumsbedingungen geprägt, während ihre Form ohne Anfang und Ende auf Gott verweist und eine wie auch immer gelebte Gottverbundenheit nahelegt. So verdichten sich die Beobachtungen zur Entdeckung einer Krippendarstellung, bei der die Personen um die Krippe durch Kugeln repräsentiert werden: Beidseits der Baumscheibe „schauen“ Maria und Josef fürsorglich durch die Astaugen zur Mitte; die einfacheren hellen Hölzer in unterschiedlichen Größen mögen die Hirten und evtl. Schafe darstellen, während die drei prachtvoll maserierten Kugeln eine Repräsentation der Weisen oder Könige aus dem Morgenland nahelegen.

Doch wo ist der Neugeborene? Wo ist das Jesuskind? In der Dramaturgie dieser Krippe senkt sich für ihn vom 1. Advent an eine leuchtende Kugel Tag für Tag mehr vom Himmel zur Erde herab, um an Heiligabend als Licht der Welt in der Krippenschale seinen bescheidenen Thron unter den Menschen einzunehmen. „Jetzt umgeben die versammelten Gruppen den Einen zu zweit, zu dritt und zu fünft und bilden mit diesem Arrangement nicht zufällig den Beginn der Fibonacci Reihe für natürliches Wachstum. Die kleine Menschentraube an der Krippe wird zur Keimzelle des Wachstums.“

Damit niemand außen vor bleibt, sondern jedermann aktiver Teil des Geschehens werden und an der Krippe verweilen kann, sind die 30 bis 50 cm hohen Kugeln als Sitzgelegenheiten für die Besucher konzeptioniert. Sie laden gerade in unserer hektischen Zeit zum Verweilen ein, zum Schauen auf Jesus und Erleben seines Heils. Denn mit der Ankunft Jesu hat sich der harte Boden des „Erdenrunds“ geöffnet und ein leuchtendes Kreuz freigegeben, das dem ganzen Erdkreis verkündet, dass Jesus der Retter und Erlöser aller Menschen ist. „Das Kreuz markiert den Punkt der Menschwerdung Gottes, es kann aber auch als Vorbote der Passion gesehen werden, zu deren Ende sich ebenfalls die Felsen spalten (vgl. Mt 27,51).“ (Konzeption Institut für Inszenierung)

Die Installation lässt die Niederkunft von Gottes Sohn sinnlich erwarten und erfahren. Wie Franziskus von Assisi die Menschen seiner Zeit durch das Krippenspiel in das Geschehen eingebunden hat, so ist die Installation offen für eine interaktive Teilnahme und Teilhabe an der Geburt Jesu. Alle sollen ohne Barrieren an der Krippe verweilen können, sie betreten, begehen und sich in ihr niedersetzen können. In ihrer formalen Einfachheit strahlt die Krippe eine heilsame Ruhe und einen tiefen Frieden aus, die man aus den Perspektiven der einzelnen Krippenfiguren erfahren kann, wenn man deren Platz einnimmt.  In ihrer Sinnlichkeit trägt die Krippe dazu bei, die Geburt Jesu als gegenwärtiges Geschehen zu erleben, das uns alle betrifft und unser aller Leben zu verändern vermag. Im Verweilen an der Krippe entziehen wir uns der Eile (die sich im Wort „Verweilen“ versteckt) und schaffen die Möglichkeit, aus Gottes Fülle beschenkt zu werden mit „Gnade über Gnade“ (Joh 1,17).

 

Die Installation ist in der kath. Kirche St. Agnes in Hamm zu sehen und zu erleben.

Ein Modell der Krippe von Marc von Reth / Institut für Inszenierung ist bis zum 13. Januar 2022 in der 81. Telgter Krippenausstellung “Geheimnis der Heiligen Nacht 2.0” im RELíGIO – dem Westfälischen Museum in Telgte zu sehen.

Befreiung zum Leben

Jedem der drei heiligen Tage ist im Triptychon ein Bild gewidmet: Karfreitag, Karsamstag und Ostern. Farblich sticht durch die rötlich-braune Farbe das mittlere Bild heraus, von der Form her ist das Kreuz am besten zu fassen, während das Osterbild je nach Sichtweise Unterschiedliches zu sehen ermöglicht.

Die hellen, gleichlangen Balken verweisen als Kreuzzeichen auf den Tod Jesu, weshalb dieses Bild dem Karfreitag zugeordnet werden kann. Das Kreuz wirkt wie eine Klammer über dem breiten Rahmen, wie ein Gitter vor einer Fensteröffnung, um etwas Dahinterliegendes zu versperren. So sehr das Kreuz im Vordergrund steht, führt der Blick daran vorbei in die Tiefe, in eine mit lichten Punkten durchsetzte Finsternis. Das Lichtermeer in der Nacht erinnert an das stille Totengedenken auf Friedhöfen, bei denen allein die Kerzenlichter bis zum Verlöschen bei den verstorbenen Lieben ausharren.

Doch das Kreuz selbst trägt im „Brustbereich“ oder im Herzen das Leiden und den Schmerz, den Tod und die Einsamkeit. So erhält seine Gestalt menschliche Züge, bei der die Arme weit ausgebreitet sind – wie um alle Menschen aufzufangen und vor dem Verderben zu retten. Auch die weißliche Farbe des Kreuzes kann in diese Richtung gedeutet werden: Jesus ist der, „der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel.“ „Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten.“ (Hebr 7,26.25) Das helle Kreuz macht deutlich: Jesus ist „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh 1,29).

Das Starre, Recht-Eckige, Unflexible und Unbewegliche findet sich auch im zentralen Bild. Die engmaschige Gitterstruktur der schwarzen Linien erinnert an ein dorniges Heckendickicht. Doch im Durchblick auf das rötliche Licht ist Verwandlung spürbar. Dunkel ist bereits die schalenförmige Grundstruktur des Auferstehungsbildes angedeutet, aber sie gleicht mehr einem von Erkenntnis erschrockenen und darunter leidenden Kopf. Inferno und Fegefeuer können in diesem Bild gesehen werden, aber auch eine Transformation zu etwas Neuem. Oder ein alle Verstorbenen vertretendes Gesicht, das als Seele darauf hofft, bei Gott Erbarmen zu finden und von Jesus beim Hinabsteigen zu den Toten gerettet zu werden.

Das dritte Bild nimmt die weiß-braunen Farben des linken Bildes auf und ordnet sie neu. Gott läutert und wandelt das Bestehende in der glühenden Kraft seiner Liebe zu einem befreiten, ungebundenen Leben, das allein aus der Liebe heraus handelt. Es gibt nicht mehr verschiedene Ebenen, sondern nur noch die Gegenwart der Auferstehung. Formal wird das durch die freien und lebendigen Formen zum Ausdruck  gebracht, inhaltlich durch die Heimkehr zu Gott, der Begegnung mit IHM, seiner Umarmung und der dadurch erfahrenen Geborgenheit (vgl. Lk 15,24). Die schwungvollen Formen machen zudem deutlich, dass die Auferstehung ein lebendiger Prozess des Erkennens und Wahrnehmens ist, in dem die neue Wirklichkeit Gottes in unserem Leben erst nach und nach sichtbar wird. So ähnlich wie bei den Emmausjüngern (vgl. Lk 24,13-35), die ebenfalls in diesem Bild gesehen werden können.

Die Zusammenschau aller drei Bilder tut gut und ermöglicht ein Ausloten und Finden des eigenen Standpunktes. Das Triptychon zeigt in Leserichtung einen befreienden Entwicklungsprozess auf: Das stellvertretende Opfer Jesu und seine Auferstehung befreien zu einer erneuerten Beziehung zu Gott, die Kraft und Mut gibt, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv und kreativ den Aufgaben unserer Zeit zu stellen.

Lebensvielfalt

Die kleinformatige Druckgrafik bezaubert durch das Spiel der gebogenen Linien und der klaren Farben und Flächen. Die Grundform wurde beim Druckprozess vier Mal um 90 Grad gedreht und wandert damit gewissermaßen am Rand um die Bildmitte herum. Dort berühren sich die beiden seitlichen Elemente, während sich das untere und das obere Element in der Mitte überschneiden und eine waagrecht liegende Spindelform bilden. Die Grafik lebt durch die leicht asymmetrisch angeordneten Grundelemente, weil dadurch alle Schnittformen einen individuellen Charakter erhalten. Sie lebt außerdem durch die Schattierungen in den einzelnen Farbflächen, die Farbtöne anderer Elemente durchscheinen lassen.

Assoziativ können ganz verschiedene Vorstellungen oder innere Bilder in der Grafik wiedererkannt werden. So vermag sie an ein Windrad zu erinnern, das sich lustig im Winde dreht. Es kann in den grün-grauen „Blättern“ auch eine stilisierte Blume gesehen werden oder eine nach rechts geneigte „blumige“ Kreuzform. Von der Mitte ausgehend können die grüne Kelchform links und die grau-gelbe Kelchform rechts als stilisierte Tulpen gedeutet werden.

Die beiden blauen Dreiecke hingegen inspirieren mehr zu einer landschaftlichen Sicht und lassen an Himmel und Wasser denken, vielleicht an einen von Hügeln umsäumten See, in dem sich eine grüne und eine graue Bergflanke spiegeln. Denkbar ist aber auch ein rein abstraktes Sehen von flächigen Formen, die sich um eine Mitte als Dreh- und Angelpunkt gruppieren und die spannungsvoll zwischen einem Sich-nach-innen-Wenden und einem Nach-außen-Strahlen hin- und herpendeln.

Wenn man die Formen in Leserichtung vor einem blauen Hintergrund sieht, dann erscheinen zwei angeschnittene Eiformen, die sich sanft berühren. Das  Grün links erinnert an pflanzliches Leben, in den hellen Tönen und dem Gelb rechts leuchtet eine Geistigkeit auf. Durch die beiden sie von oben und unten anschneidenden Bögen sind sie dennoch in einer Art gemeinsamer Logik miteinander verbunden. So gesehen erscheint die Komposition wie ein Übergang, wie eine Transformation von einer menschlich irdischen Sphäre in eine aufblühende Geistigkeit.

Die vier Positionen der Grundform und die unterschiedlichen Assoziationen machen deutlich, wie vielfältig unsere Wahrnehmung ist und wie jeder aufgrund der individuellen Erlebnisse andere Dinge wiedererkennt. Dadurch offenbart sich eine lebendige und gleichzeitig fröhliche Fülle, die aus der „Artenvielfalt“ des Lebens entstanden ist und nur durch den Respekt und die Freiheit des anderen weiter bestehen kann. Sie  macht deutlich, dass von uns allen eine größtmögliche Beweglichkeit erwartet wird, um andere Positionen und Blickwinkel einnehmen und nachvollziehend verstehen, respektieren und schützen zu können.

Präsent

In der als Diptychon geteilten, kleinformatigen Arbeit begegnen sich und auch uns ganz unterschiedlich gestaltete Bildwelten, die scheinbar unvermittelt nebeneinanderstehen:

Das linke Bild zeigt Maria aus der von Matthias Grünewald zwischen 1512 bis 1516 gemalten Verkündigungstafel des „Isenheimer Altars“. Durch den knapp bemessenen Bildausschnitt ist die Gestalt Mariens aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und von allen umgebenden Bildsymbolen freigestellt. So bleibt der Fokus auf ihrem seitlich abgewendeten und nach hinten geneigten Kopf, der ihr überraschtes Zurückweichen vor dem Engel, aber auch ihr konzentriertes Hinhören zum Ausdruck bringt. Am rechten Bildrand – in Verlängerung der diagonal ins Bild führenden gelockten Haarsträhne – weisen die zum Gebet gefalteten Hände bereits auf die andere Seite des Diptychons.

Die zweite Bildfläche ist bis auf die Zeichnung rechts oben ganz in lichtem, changierendem Grau gehalten. Eine zart angedeutete Mauer füllt die unteren zwei Drittel des Hochformats. Die obere Abschlusskante setzt sich in das linke Bild fort und verbindet dadurch beide Bildtafeln miteinander. Wo in Grünewalds Originalbild mächtig der rot gewandete Engel vor Maria steht, ragen hier von rechts oben nur zwei im gleichen Rot gehaltene Hände ins Bild, die ein mit Geschenkband verschnürtes Päckchen halten. Die fein umrissenen Hände erinnern an Kinderhände oder an die eines Engels, die das Paket von jenseits der Mauer und aus dem Himmel in den Bildraum hineinreichen. Anstatt es freudig entgegenzunehmen, beäugt Maria die Gabe abschätzend aus den Augenwinkeln, denn die eingeschriebene Kreuzform wird ihr nicht entgangen sein. Noch bleiben die Hände geschlossen im Gebet, nur die gekreuzten kleinen Finger mögen andeuten, dass sie ihre stille Frage, wann der HERR den verheißenen Messias sendet, mit ins Gebet genommen hat. Die zeitenwendende Antwort des Engels lautet: Jetzt! – Und auf ganz andere Weise, als sie es erwartet hätte, weil sich seine Ankunft ganz persönlich mit ihrem Leben verbindet. Darum erschrickt Maria bei den Worten des Engels. – Und aus dem Lukasevangelium wissen wir, dass sie das Geschenk angenommen hat: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38)

Das Diptychon thematisiert neben der Glaubenserfahrung Mariens auch unsere eigene. Manches Widerfahrnis stellt sich im Nachhinein als großes Geschenk, als großer Segen dar, obwohl wir es uns nicht ausgesucht hatten und es, wenn man uns gefragt hätte, rundheraus abgelehnt hätten. „Präsent“ bedeutet sowohl „Geschenk“ als auch „Gegenwart“. Der Andachtsbildcharakter der Arbeit lädt uns ein, beide Bildhälften mit unserem eigenen Leben in Beziehung zu setzen: Als Ereignis im Jetzt. So präsent wie Maria das Geschehen bei der überraschenden Verkündigung durch den Engel Gabriel erlebt hat. Und genauso wie Matthias Grünewald rund 1500 Jahre später seine Verkündigung an Maria als gegenwärtiges Geschehen in das Spital der Antoniter versetzt hat, damit die Kranken Jesus leibhaftig vor Augen sehen und in ihrem Herzen aufnehmen konnten.

Vielleicht hilft uns bei unseren Überlegungen, dass der Engel Maria zweimal als Frau der Gnade angesprochen hat: zuerst als „Begnadete“, dann als diejenige, die „bei Gott Gnade gefunden“ hat (Lk 1,28.30). Im „Ave Maria“ wiederholen wir den englischen Gruß, wenn wir beten: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir“. Wie Maria bietet Gott auch uns seine Gnade als Geschenk an:  Seine heilsame, Heilung bewirkende Gegenwart in uns, Gottes innigste Zuneigung zu und Liebeserklärung an uns!

Glaubensgeheimnis

Flüchtig bewegt umgeben die goldenen Flächen einen relativ kleinen Christuskorpus im weiten Chorraum der Kirche Maria Rosenkranz in Osnabrück. Er schwebt vor einem weißen Kreuz, das seinem Körper in der Senkrechten eine Richtung gibt, ihn mit den kurzen Querbalken aber nicht zu halten vermag.

Als viertes Element verbindet eine dünne graue Linie mit roten Enden den ungegenständlichen goldenen Hintergrund mit der geradlinig strengen Form des Kreuzes. Sie verstärkt mit dem angedeuteten Kreis die Präsenz einer haltgebenden größeren oder höheren Macht. Denn der Kreis umgibt den Gekreuzigten und gibt ihm einen schützenden Raum. Wie eine Lupe lenkt er den Fokus auf den Mann mit den ausgebreiteten Armen und das immateriell weiß leuchtende Kreuz hinter ihm. Die geometrische Form verbindet den Kreis mit dem Kreuz, gleichzeitig bildet seine Rundung einen feinen Kontrast zu den Geraden des Kreuzes.

Zu diesen beiden linearen Elementen bilden die gestische Hintergrundmalerei und der zentrale Christuskorpus zwei organische Gegenpole. Sie stehen für das Leben, das Lebendige.

Der goldene Hintergrund erzählt von der schöpferisch dynamischen Kraft Gottes, von seiner Unbegreiflichkeit, von seiner Gegenwart und von seiner Schönheit. Im freundlichen Goldgrund können Anklänge an die Sonne wiedergefunden werden – Gott ist Licht, er ist das Licht der Welt. Im warmen Goldgrund kommt Gottes Größe zum Ausdruck und können seine Liebe und Güte gespürt werden.

In Jesus Christus ist er Mensch geworden, wegen uns gekreuzigt und für uns gestorben. Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten. Symbol dafür ist das verwandelte Kreuz hinter dem Christuskorpus: anstelle von Holz ist es eine immaterielle Aussparung in der Mauer. Das Kreuz ist eine Vertiefung, die indirekt beleuchtet zu einem Lichtblick in die Ewigkeit wird. Durch Jesus hat der Tod seine Macht verloren und wurde uns der Weg zum ewigen Leben geöffnet. Aus der Ferne betrachtet scheint das Kreuz jedoch nicht in die Wand eingelassen, sondern von allem Materiellen befreit davor zu stehen. So ist es das leuchtende Zeichen des Sieges. 

Der vom Kreuz befreite schwebende Christuskorpus veranschaulicht, dass Jesus am dritten Tag auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist.

In den Kreis Gottes zurückgekehrt, sitzt er nun zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Das Kreuz bildet gleichsam den Thron, von dem aus Jesus die Lebenden und die Toten richtet. Er ist uns zugewandt, denn er ist der Kommende, der uns zu sich holen wird, in die Wohnung seines Vaters.

 

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.

Gekreuzigt, gestorben und begraben,

hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tag auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
(Glaubensbekenntnis)

„Suche Frieden und jage ihm nach“

Sehnsucht nach Frieden
Jeder von uns trägt in sich die tiefe Sehnsucht und Hoffnung, sein Leben in Frieden leben zu können. Das bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Streit und Krieg. Dazu gehören auch wirtschaftliche Stabilität, tragende mitmenschliche Beziehungen, sinnerfüllende Tätigkeiten, Anerkennung. Diese und weitere Faktoren tragen zu einem inneren Frieden bei, den man auch als innere Ruhe oder satte Zufriedenheit bezeichnen könnte.

Doch jeder von uns weiß, wie zerbrechlich und flüchtig Frieden in unserem Leben ist. Schon eine Kleinigkeit wie ein Wort vermag uns aus der Ruhe zu bringen. Oder ein unerfüllter Wunsch lässt Unzufriedenheit in uns aufkeimen. Streit vermag Beziehungen zu zerstören, Neid und Missgunst schwächen die Arbeitskraft, Machtgelüste bringt Unfrieden übers Land. Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen.

Gerade weil Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und schnell seine Tragfähigkeit verliert, ist der unaufhörliche Aufruf zu seiner Bewahrung im wahrsten Sinne des Wortes notwendig. David fordert deshalb im Psalm 34,15 auf: „Meide das Böse und tu das Gute, suche Frieden und jage ihm nach.“ Er betet diese Worte auf der Flucht vor König Saul, der ihm voller Neid über seine Erfolge nach dem Leben trachtet.

Frieden suchen
Aus der Lebenssituation Davids geht hervor, dass die Suche nach Frieden aus der Verbundenheit mit Gott, im Gespräch mit ihm, dem Gebet, beginnt, dann daraus heraus mit einer aktiven Entscheidung für das Gute zu tun haben und wie bei einer Jagd mit einer außerordentlichen Anstrengung verbunden sind. Frieden ist nicht einfach da, er muss mit allen Kräften und Fähigkeiten gesucht werden, er will entdeckt und festgehalten werden. Denn Frieden ist kein materielles Gut, sondern entsteht aus dem respekt- und rücksichtsvollen Umgang mit sich selbst, dem Nächsten und der Schöpfung.

Im Bild ist diese Suche oder diese Jagd als etwas Dynamisches dargestellt. Als eine lichte Öffnung in der vordergründigen Gegenwart, die in die Tiefe führt. Dies lässt erahnen, dass Frieden immer etwas Göttliches in sich hat. Am tiefsten Punkt des diagonalen Lichteinbruchs und steht ein Kreuz wie ein Anker in der stürmischen See. Es bildet den Fixpunkt und Ruhepol in einer unruhig bewegten Umgebung aus dunklen Bereichen, mattem Gelb und unklaren Strukturen. Es verweist auf Jesus, den Gott in die Tiefen unseres Lebens hineingegeben hat, damit er auch dort, wo wir nicht hinkommen, Vergebung und Versöhnung schenken kann. Durch sein friedenstiftendes Wirken wird es heller und friedvoller in der Welt unserer Herzen. Das erkannte auch der Schweizer Mystiker Nikolaus von der Flüe, der Gott als Urgrund des Friedens sah und über ihn sagte: „Fried ist allweg in Gott, denn Gott ist der Fried.“ Leuchtend gelb strahlt das Kreuz Licht und Hoffnung aus und in den gelben Farbelementen wird eine von ihm ausgehende Gnadenfülle spürbar. Im oberen Bereich des Lichtstrahls gliedern waagrechte Farbstriche wie Treppenstufen die helle Fläche. Ihre Farben erinnern an den Regenbogen als Zeichen des Friedensbundes zwischen Gott und den Menschen (Gen 9,8-17).

Frieden stiften
Gleichzeitig führen die Treppenstufen über das Bildformat hinaus in den Himmel. Damit verweisen sie auf den Traum Jakobs, der den Himmel offen und Engel auf einer Treppe auf- und niedersteigen sah (Gen 28,12). Diese farbenfrohen Stufen laden auch uns ein, aktiv zu werden und Zeichen zu setzen, damit Frieden in dieser Welt werden kann. Sie laden ein und machen deutlich, dass Frieden bewahren oder bewirken mit Anstrengungen und Bemühungen verbunden ist, die an unsere Grenzen, aber auch in den Himmel hinaufführen. „Selig die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“, ruft Jesus seinen Zuhörern in den Seligpreisungen am Anfang der Bergpredigt zu. Hier gibt er auch ganz konkrete Beispiele, wie aus der innigen Verbundenheit mit Gott heraus Frieden gestiftet und damit jedes Mal etwas mehr vom Himmelreich mitten unter uns sichtbar werden kann: Bei mir angefangen heißt das, mich nicht so wichtig zu nehmen, meine Ansprüche maßvoll zu gestalten, bescheiden und ressourcenorientiert zu leben, damit alle genug haben. In Bezug auf die Mitmenschen bedeutet dies, empathisch den Nächsten zu sehen und mich selbstlos einzusetzen und einzumischen, wo er in Not ist oder ungerecht behandelt wird. Im Weiteren gilt es die Schöpfung in ihrer Artenvielfalt und ihrem Reichtum zu respektieren und zu bewahren. Denn auch sie braucht ihren Frieden, um uns nachhaltig versorgen zu können.

„Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9)

Dieses Bild kann mit dem eingedrucktem Text der Jahreslosung 2019 als Karte, Poster, usw. HIER bezogen werden.

Heiliger (Frei-)Raum

Auf der Wiese neben der Michaelskirche in Gräfelfing bei München wurde mit Baumscheiben aus einem Pappelstamm ein großes lateinisches Kreuz ausgelegt. 13 x 3 Schreiben in der Länge, 9 x 3 Scheiben in der Breite. Seine Ausrichtung ist geostet. Dadurch liegt es nicht parallel zu den Grundstückgrenzen, sondern quer. So wird das Kreuz mit der aufgehenden Sonne verbunden und vermag auf eine andere, unsichtbare Wirklichkeit zu verweisen.

Die dünnen Baumscheiben künden zuerst aber von einem Baum, der über Jahrzehnte gelebt hat. In der Erde verwurzelt hat er seinen Halt gefunden, um hoch in den Himmel zu wachsen. Nun liegt sein Stamm in Scheiben geschnitten und als Kreuz ausgebreitet auf der Wiese, auf dem Boden. Man könnte meinen, dass alles Leben aus dem Holz gewichen ist und das Scheibenfeldkreuz nur noch vom Tod des einst stolzen Baumes und von den Qualen des Zersägens zu erzählen vermag.

Doch das Zusammenwirken von Erde und Himmel auf die sich im Zwischenraum Befindlichen geht weiter. Von der Erde stieg kontinuierlich die kühle Feuchtigkeit ins Holz, während vom Himmel abwechselnd Licht, mehr oder weniger große Wärme und Regen auf die Holzscheiben einwirkten. Zuerst wurde die Ringspannung so groß, dass eine Scheibe nach der anderen bis in die Mitte barst und einen V-förmigen Ausschnitt freigab. Dann begannen sich die Scheiben zu verbiegen und zu verformen. So kam neues Leben in das Holz. Es wurde gleichsam von außen dazu bewegt. Spielerisch, ohne menschliches Zutun. Sie erwecken den Eindruck eines Tanzes, als würden sie sich drehen.

Allerdings sind auch diese spannungsvollen Bewegungen begrenzt und vergänglich. Denn eines Tages werden die Scheiben entfernt und es wird nur die Zeichnung des Kreuzes im Gras übrigbleiben: gelblich weiße Grashalme, die nach Licht hungern. Und es wird wieder eine Weile dauern, dann werden auch diese Markierungen nur noch Erinnerung sein, weil wieder Gras darüber gewachsen ist.

Das mit Baumscheiben markierte Kreuz eröffnet somit einen Freiraum, der anschaulich anregt, über das Leben und die jeder Zeit eigene Schönheit nachzudenken. In den Bewegungen des Wachsens und Vergehens wird die Vergänglichkeit sichtbar und in ihrer Einzigartigkeit kostbar und schön. Unsichtbar vermag die Kreuzform zudem auf die Kraft von Glaube, Hoffnung und Liebe in unserm Leben hinzuweisen: auf die göttlichen Ressourcen, in allen Situationen des Lebens das Gute und damit das Heilige zu suchen und darin zu bestehen. Über die Zeit und die Vergänglichkeit hinaus … in IHM … und in Ewigkeit.

Diese Arbeit 2018 ist im Rahmen der Ausstellung Glaube – Hoffnung – Liebe. Kunst an sakralen Orten bei der Michaelskirche in Gräfelfing bei München entstanden. Hier finden Sie umfassende Informationen zur Ausstellung.

unsichtbar

Kreuzlos hängt der Mensch an der Wand. Und doch sind sein Körper und seine Haltung durch und durch vom Kreuz gezeichnet. Seine ausgebreiteten Arme, die erhobenen Hände und die unnatürlich nach innen gedrehten Beine und Füße erzählen von der qualvollen Hängung am römischen Folterinstrument. Die Wundmale lassen den Schmerz spüren, das knappe Lendentuch an die Entblößung denken, der er ausgesetzt war, die feine Dornenkrone mag den Spott und die Verhöhnung vergegenwärtigen.

Mit geneigtem Kopf hängt Jesus an der weißen Wand. Er ist als Mensch von heute dargestellt. Sein Gesicht ist nicht idealisiert oder schmerzverzerrt. Ruhig und gefasst hält er den Schmerz aus, erduldet er als Knecht Gottes das ihm zugefügte Leid und trägt damit das Leid aller Menschen. Jetzt und zu jeder Zeit.

In diesem Gekreuzigten können sich alle wiederfinden, denen in irgendeiner Form Leid widerfährt. Denn da ist einer, der mitleidet unter den unzähligen unsichtbaren Kreuzen, die so viele belasten und in den Tod treiben. Kreuze, die sich durch Krankheiten und körperliche Gebrechen im Körper selbst manifestieren. Kreuze, die durch Ungerechtigkeit oder Gewalt jeglicher Form entstehen und das Leben zur Qual machen. Unsichtbar sind sie da, die Freiheit einschränkend, die Lebenskraft und -freude raubend.

Exponiert hängt Jesus da. Verlassen, allein und haltlos mutet er an. Und doch wird er von Dem, der unsichtbar alles und jedes Lebewesen in seinen Händen und seinem Herzen hält, gehalten. Das macht Mut, auf ihn zu schauen, der in der Einsamkeit der Gottverlassenheit dennoch voll und ganz seinem Vater vertraute, als er seinen Geist in dessen Hände legte. Er zeigte uns vorbildlich, dass Gott jeden von uns hält und stützt, auch wenn wir Gott nicht sehen oder spüren.

Angst

Der Altarraum ist verändert, und so verändert sich unser gewohnter Blick auf das Kreuz auch. Das Kreuz steht nicht mehr allein auf dem Altar wie sonst in Kirchen üblich . Es hat einen „Mantel“ bekommen, einen neuen Rücken. Aber der Mantel ist kein Mantel, der umhüllen will, sondern es ist eine Explosion zu sehen, ein Klecks aus Tusche mit einem dunklen schwarzen Zentrum und viel wegspritzender schwarzer Farbe, die sich vom Zentrum her nach außen auflöst. Hier entsteht eine enorme Spannung zwischen dem gewohnten braunen Altarkreuz und dem schwarzen Tuscheklecks dahinter. Vor dem großen schwarzen Klecks verschwindet das Jesuskreuz fast ganz. Oder ist es andersherum? Ja, das Kreuz mit dem leidenden Jesus steht vor der Explosion.

Was soll das bedeuten? Der schwarze Klecks hinter dem Kreuz – das sind unsere Ängste, das ist unsere eigene tief sitzende Grundangst, unsere dunklen Stellen, unsere Löcher, unsere Fehlbarkeit. Es ist unsere Furcht, die wie ein schwarzer Fleck auf unserer Seele lastet. Die sich ausbreitenden schwarzen Spritzer und Linien zeigen an, wie sehr wir uns bemühen, sie zu verteilen, sie nicht so sichtbar werden zu lassen. Aber vor dieser großen Angst des Menschen steht oder hängt Jesus am Kreuz. ER ist es, der unsere Ängste und uns schützen, umhüllen will. ER ist es, der uns bedeckt, zudeckt.

Sind es nur unsere Ängste? Und was heißt „nur“? Vielleicht kann man sagen, diese Ängste sind der Teufel, unser eigener Teufel und die bösen Mächte, unsere finsteren Seiten, die in uns wohnen und wüten und uns belasten, aus denen wir aus eigener Kraft nicht herausfinden. Aber was sind die Teufel unserer Zeit? Jeder Mensch wird da andere für sich benennen können. Ängste begleiten unser Leben, unseren Alltag auf Schritt und Tritt: zu versagen, zu vergessen, nichts richtig und gut zu machen. Und genau darum geht es: Wie kann man seine Angst bekämpfen oder gar besiegen? Niemand vermag das wirklich erfolgreich. Und darum ist Jesus vor uns und schützt uns – auch vor uns selbst. …

Die Kunstinstallation von Michael Bracht kommt nicht von ungefähr und nicht zufällig jetzt. Es ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit uns Menschen, ja des Künstlers Michael Bracht mit sich selbst und – von außen herangetragen – mit dem „Lutherjahr“, dem 500. Jubiläum der Reformation. Von Luther wissen wir, dass er eine tiefsitzende Angst vor dem Teufel und seinen Mächten hatte, dass er Schuldgefühle bis zu seinem Tod hegte. Bekannt ist die Episode auf der Wartburg, wo er bei seiner Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche in der Nacht sein Tintenfass nach dem vermeintlichen Teufel an die Wand warf. Diese Überlieferung führte wohl zu der Gestaltungsidee des Themas „Angst“. Einer Angst, der sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens stellen muss, ob nun im Geheimen oder ganz offen.

Der Pfarrer der Kirchengemeinde Sankt Petri und Künstler Michael Bracht sagt dazu: „Meine Installation im Kirchraum von Sankt Petri beschäftigt sich mit der vielleicht entscheidenden Triebfeder, die schließlich zur Reformation führte: den Ängsten Martin Luthers und den Antworten, die er gefunden hat. Sie fragt zugleich nach den Ängsten der Betrachter und fordert sie auf, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und selbst Antworten zu finden.“

Michael Bracht trieb es um, dieses Thema zu gestalten. Er begann vor fünf Jahren, erste Ideen zu entwickeln und überlegte wie es wäre, viele Tintenkleckse öffentlich aufzuhängen. Daraus wurde dann nichts. Und so reduzierte er die Mehrzahl von Tintenflecken auf den einen. Er sprach somit nicht mehr vom Wir, sondern vom Ich. Nicht das Verstecken hinter der Schuld und der Angst vieler, sondern bezogen auf mich, mein Versagen, meine Unzulänglichkeit, meinen Anteil. Das ist wesentlich konzentrierter und auch ehrlicher im Bekenntnis. All diesen Überlegungen trägt die Bildgröße Rechnung; sie entspricht in etwa der Altarbreite, ist deckungsgleich mit 2 x 2 Metern, so dass die Intention von Bracht („Angst / Schuld der Menschen, die hinter dem Altarkreuz verschwindet, aber dennoch sichtbar bleibt“) sehr gut deutlich wird.

Eine tolle Idee und eine beeindruckende Umsetzung! (leicht gekürzte Vernissagerede)

Ansicht von rechts
Ansicht von links

Schiffbruch der Barmherzigkeit

Ein halbes Ruderboot liegt auf vier Rundhölzern, als ob es gerade auf ihnen nach einem Schiffbruch an Land gezogen worden wäre. Es sind keine Menschen zu sehen, nur wenige Objekte, die ihre frühere Anwesenheit bezeugen. Wer um das Boot herumgehen kann, findet eine Schwimmweste, eine schwarze Puppe, einen Teddybär, einen Geldschein und eine Muschel, die wie ein Aschenbecher auf dem Bootsrand liegt. Alle erzählen nachvollziehbar von Menschen, die eine Zeit auf diesem Boot verbracht haben, von Erwachsenen und Kindern, die mit wenigen Habseligkeiten die Überfahrt in ein Land der Verheißung gewagt hatten, um sich vor Not und Verfolgung in Sicherheit zu bringen.

Doch das Boot ist leer. Es hinterlässt nur Fragen zu seinen Passagieren: Wo sind sie nun? Wer und wie viele waren es? Woher kamen sie? Konnten sie sich retten nach dem Schiffbruch? Oder sind sie ertrunken? Übrig geblieben ist nur ein Steinkreuz mit dem Gekreuzigten. Mitten im Boot mutet es befremdend an. War es vor dem Unglück schon da oder erst danach? Wie ein abgebrochener Segelmast ragt das Kreuz in die Höhe. Ein erbärmlicher Anblick. Jesus ist hier so fremd wie die Fremden. So ist er, der Gekreuzigte, mit den Gescheiterten solidarisch .

Die fehlenden Extremitäten von Jesus sind durch Metallstücke ersetzt, was ihm noch stärker eine geschundene und bedürftige Gestalt gibt. Der linke Unterschenkel ist mit einem Winkeleisen angedeutet, der linke Arm bildet eine Stange, die mit einer Kette ans Kreuz gekettet ist, sein rechter Arm wird aus einem Stahlträger geformt. Auch das Kreuz hat verschiedene „Ecken ab“. Zudem steht auf dem Schriftband über Jesus nicht I.N.R.I., sondern „STATUS QUO“ (= bestehender aktueller Zustand). Wie um klar zu stellen, dass es nun so ist, obwohl die Flüchtlinge alles daran gesetzt haben, um der Bedrohung und Verfolgung zu entkommen und in ein Land mit besseren Lebensmöglichkeiten zu gelangen..

Die Flüchtlinge haben milde Umstände erwartet, damit ihnen die Flucht gelingt: ein ruhiges Meer, Menschen, die es gut mit ihnen meinen. Sie haben auf Barmherzigkeit gehofft. Sie haben gehofft, dass die Barmherzigkeit sie wie das Boot auf dem Wasser trage und sicher ans Ziel bringe. Vielleicht steht deshalb „BARMHERZIG“ in roter Schrift auf dem blauen Bootsrand und in ägyptischer Schrift als Name des Bootes am Rumpf.

Damit wird angedeutet, dass es weniger um die Barmherzigkeit an sich geht als vielmehr um eine barmherzige Haltung und ein entsprechendes Handeln daraus. Die Motivation dafür resultiert für den gläubigen Menschen aus der biblischen Vermittlung und Selbsterfahrung, dass Gott ein barmherzig Handelnder ist, in der Gegenwart genauso wie in der Vergangenheit (vgl. Ex 34,6 par). Wir leben durch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes und in ihnen. Sie sind die Grundlage unseres und eines jeden Lebens. In der Haltung und in den Situationen, in denen wir uns selbst für das Leben des Nächsten einsetzen, treten wir in die Liebe und Barmherzigkeit Gottes ein, handeln wir wie ER und mit IHM zu seiner Verherrlichung. Wo oder wann das nicht geschieht, erleidet seine und unsere Barmherzigkeit „Schiffbruch“. Durch das Kunstwerk wird deutlich, dass bei unbarmherzigem Handeln etwas ganz Wesentliches und Tragendes zwischen den Menschen zu Bruch geht, das man mit Vertrauen und Solidarität beschreiben könnte. Es ruft mahnend in Erinnerung, dass dabei nicht nur der Notleidende unter Umständen mit dem Leben bezahlen muss, sondern auch der Wohlhabende an Menschlichkeit verliert.

Die Installation war im Rahmen des Projektes „Da-Sein in Kunst und Kirche“ in der Kirche St. Franziskus in Regensburg-Burgweinting zu sehen.

Kreuzüberwinder

In einer kräftigen Bewegung erhebt sich die Lichtgestalt nach oben. Ihre weiße, luftige Darstellung bildet einen starken Gegenpol zum schweren Schwarz am unteren Bildrand. Die Bild-Botschaft ist eindeutig: der vom Tod befreite Mensch wird von seinem Erlöser in den Himmel aufgenommen. Der Tod hat seine Macht verloren, den Menschen in dunkler Gottesferne festzuhalten.

Die aufstrebende Bewegung wird durch den Hintergrund und die beiden zentralen Kreuzzeichen unterstützt. Denn auch die Farbabstufung führt von unten nach oben ins Licht. Von Schwarz über Lila und einen Streifen Orange führen die Farbschichten zu warmem Rot, das ganz oben ins Gelb übergeht. Letzteres bringt in seinem freien Auftrag im Gegensatz zu den festen Konturen des Schwarz kontrastreich die Befreiung von allen Gebundenheiten zum Ausdruck. Die leichten Bogenformen der Farbübergänge lassen zudem weit außerhalb des Bildes eine unsichtbare Mitte erahnen, zu der die Gestalt in der Mitte aufsteigt.

Diese weiße Gestalt bildet wie eingangs erwähnt den Höhepunkt eines zentralen Geschehens, das seinen Ausgangspunkt im quadratischen Block hat, der in den schwarzen Grund eingesenkt ist. Wie ein sich weitender Lichtstrahl bricht aus diesem Fels das Leben hervor und strebt zu seinem Ursprung, zu seiner Kraftquelle zurück.

Ein mit Blut getränktes Kreuzzeichen durchkreuzt die Machenschaften des Todes und entmachtet ihn und seinen Wirkungsort. Durch die Auferstehung wird das Kreuz zu einem hellen Heilszeichen, wandelt sich das Durchkreuzende zum Pluszeichen mit Mehrwert. Der Tod wird den Menschen nicht mehr im Grab festhalten können, es wird keinen ewigen Tod mehr geben, vielmehr dürfen wir auf Auferstehung hoffen, auf ein entgrenztes, freies Leben bei Gott.

Das weiße Kreuz ist zudem Mittelpunkt und Auslöser einer kreisförmigen Bewegung. Sie lässt an die Schallwellen eines Erdbebens denken, an einen Stein, der ins Wasser fällt und an der Oberfläche Kreise zieht oder auch an eine Botschaft, die in alle Welt getragen wird. So wie das überwältigende Wort von der Auferstehung von den Toten. Das Wort von der unverbrüchlichen Liebe Gottes, die seinen Sohn und seine Kinder durch den irdischen Tod hindurch ins ewige Leben begleitet.