Von einem einfachen roten Hocker sind zwei Beine abgesägt worden. Ohne sie ist der Hocker als Sitzgelegenheit unbrauchbar. Doch bei einem Stuhlbein wurde in Form einer Jesusfigur ein Ersatzstück eingefügt, sodass der Stuhl auf drei Beinen doch ganz ordentlich stehen kann.
Die aufgetürmten Betonsteine belegen zudem, dass der Stuhl auch unter großer Belastung zu bestehen vermag. Es sieht ganz danach aus, als könnte der Stuhl durch den Beistand von Jesus übermenschliche Lasten tragen. Belastungen, die wir gerne als „Kreuz“ bezeichnen, wie es die aufgetürmten Steinplatten andeuten.
Jesus gleicht darin einem Atlant, einer männlichen Figur, die in der Architektur manchmal verwendet wurde, um mit gebeugtem Rücken und erhobenen Armen bauliche Lasten zu stemmen. Da die Jesusfigur die Last jedoch mit aufrechter Körperhaltung und direkt mit dem Kopf abfängt, steht sie dem weiblichen Pendant zum Atlant, der Karyatide, näher.
Jesus hält alles im Gleichgewicht. Er ist der Ausgleichende, Aushaltende, die Stützenhilfe. Vor dem Hintergrund seines Lebens wird klar, dass der rote Hocker ein Symbol für uns Menschen ist. Hat sich Jesus nicht überall dort dazwischen gestellt, wo Menschen und Gesetze unmenschlich geworden sind? Er ist derjenige, der uns aufrichtet, er ist unsere Stütze, damit wir nicht umfallen, der Entlastende und Lastenträger, wo etwas zu schwer wird. Er ist unser Verstärker, damit wir die Belastungen aus- und durchhalten können, der Lückenfüller, wo wir einen Verlust erfahren haben und uns etwas oder jemand fehlt.
Die Jesusfigur hat wie vor Freude die Arme weit ausgebreitet. Doch die ausgebreiteten Arme der Figur stammen vom Kreuz, vom Leid, das ihm widerfahren ist. Da er die unmenschliche Last mit seinen Beinen, dem Oberkörper und dem Kopf trägt, sind seine Arme frei, um die Einladung auszusprechen: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) Jesus bleibt der Diener der Menschen, der Unterstützer beim Tragen all unserer Lasten. Er ist in dieser Arbeit der tatkräftige Beistand, der sich dort einbringt, wo Not ist.
„Dazwischen“ nennt der Künstler sein Werk. Damit lädt er ein, aus einer ungewohnten Perspektive die Vermittlerrolle Jesu neu zu betrachten und zu bedenken. Und nicht zuletzt befindet sich auch der Hocker zwischen Boden und Steinblöcken … und braucht Verstärkung, um trotz aller Belastungen, denen er ausgesetzt ist, standzuhalten.