Seht das Lamm Gottes

Fünf große Tondos schweben auf dem smaragdgrün strukturierten Hintergrund des neuen Fastentuches in der Stiftskirche Admont. Ihre formale Gestaltung lässt sie leuchten und die Aufmerksamkeit auf ihnen ruhen. Innerhalb der goldgelben Umrandungen dominiert in jedem Rund raumfüllend je eine mittelalterlichen Darstellungen entlehnte Gestalt: In der Mitte das Lamm Gottes, oben ein Löwe und ein Mensch, unten ein Stier und ein Adler. Sie sind mit ihren Heiligenscheinen, den Flügeln und den hellen Bändern der offenen Schriftrollen unschwer als Symbolgestalten der vier Evangelisten zu erkennen (vgl. Ez 1,10).. Die Evangelisten sind zudem mit einer sie preisenden Schrift in Großbuchstaben umgeben, die allerdings nur aus der Nähe als solches sichtbar und verständlich wird.

Matthäus: Deine großartigen Visionen haben Flügel wie Engel des Friedens.
Deine Worte beschreiben das große Geheimnis der Menschwerdung.

Markus: Deine Stärke und Kraft eint sich geschmeidig schön einem Löwen.
Deine gleichnishaften Worte erzählen vom Geheimnis der Botschaft Jesu.

Lukas: Deine Güte und dienende Liebe verkörpert der kraftvolle Stier.
Deine Worte münden im Glauben an die Geschichte des Heils.

Johannes: Deine Schärfe der Gedanken bezeugt der Adler.
Deine Worte schreien nach Wahrheit in der Predigt auf dem Berg.

Die mystischen Zweizeiler von Wilfried Kuss beziehen sich im ersten Satz auf den Evangelisten, im zweiten Satz auf Jesus. So lenken sie die Aufmerksamkeit ebenso wie die zur Mitte hin ausgerichteten Köpfe der Evangelistensymbole auf das Lamm Gottes, dessen Auferstehungsfahne beginnend bei den überkreuzten Vorderläufen kreisförmig um seinen Körper schwingt.

Allen Medaillons ist zudem eigen, dass sie den smaragdgrünen Hintergrund des ganzen Fastentuchs aufnehmen. Dadurch wird eine Homogenität und Transparenz erreicht, welche die Aufwärtsbewegung des großen Hochformats durchscheinen lässt. Die in mystischem Grün gehaltene und längs gespachtelte Struktur deutet geheimnisvoll die grundlegende Hoffnung auf die Auferstehung an.

Zentral kommt die Auferstehung im stehenden Osterlamm zum Ausdruck. Jesus Christus ist das reine und sündenfreie Lamm Gottes, das von Gott für die Vergehen der Menschen geopfert worden ist. Durch seinen Tod hat er die Versöhnung zwischen Gott und der von Gott abgefallenen Schöpfung (vgl. Gen 3) bewirkt.

Der Evangelist Johannes lässt den Täufer beim ersten Anblick Jesu mit den programmatischen Worten auf ihn hinweisen und seine Persönlichkeit auf den Punkt bringen: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! … Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“ (Joh 1,29, 34) Und im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung 21,23 wird das Lamm als Licht des neuen Jerusalems beschrieben, welches die Bewohner mit der Herrlichkeit Gottes erleuchtet.

Das Fastentuch lädt die Gläubigen ein, den Blick wieder neu Jesus Christus zuzuwenden, ihn mit neuen Augen als Vermittler Gottes zu sehen, seine Worte mit neuen Ohren zu hören und in seiner Nachfolge zu leben. So wie in der Liturgie im Agnus Dei um das Erbarmen Jesu und seinen Frieden gebeten wird, soll die Hinwendung zu ihm Versöhnung und tiefen Frieden schenken.

Atelieraufnahme mit Holzschnittmodell
Flyer zum Fastentuch