Mystische Präsenz

Eine hölzerne Spindelform hängt mittig über einem tiefblauen Kreisrund. Spannungsvoll sind mehrere Gegensätze inszeniert: das hängende Längliche über dem flachen Liegenden, das helle Glatte schwebt über der dunkel aufgerauten Oberfläche der Erdschollen, die vergoldete Spitze bildet einen kraftvollen Höhepunkt gegenüber der tiefblauen Fläche unter ihr.

Die einzelnen Elemente als auch ihre Interaktionen bringen vieles zur Sprache. Das Bodenrund lässt durch seine Position an Wasser und das Meer denken, seine intensive blaue Farbe bringt zudem die unendliche Weite des Weltalls ins Spiel, die runde Form wiederum mag an Bilder aus dem Weltall erinnern, die unsere Erde als einen blau leuchtenden Planeten zeigen. Durch seine außerordentliche Farbintensität und die Kreisform wirkt das Bodenelement transzendierend.

Das zentrierende und erhebende Element in der Installation ist die Holzspindel. Ihr Material erinnert an den Kreislauf des Wachsens und Vergehens von allem Irdischen. Sein runder Querschnitt nimmt den Bodenkreis auf, die beiden spitzen Enden bilden eine vertikale Achse, die oben vom Seil fortgesetzt wird und nach unten auf die unsichtbare Mitte des Bodenkreises weist. Die absolut symmetrische und gleichmäßige Form im Längen-Breiten-Verhältnis von etwa 3:1 gibt dem Holzobjekt eine schlichte Schönheit. Zusammen mit dem leicht schwingenden Schwebezustand und der „Krönung“ mit einer Schicht Blattgold schaffen sie eine überirdische Präsenz, die durch eine unsichtbare Kraft von Oben gehalten wird und besonders ausgezeichnet wurde.

Damit ist die Installation offen für tiefergehende Deutungen. Unter anderem kann die Spindelform als stilisiertes Zeichen der Offenbarung Gottes – wie es der Mandorla zugeschrieben wird – gesehen werden. Hier ist es eine dreidimensionale Mandorla – nicht aus ungeschaffenem Licht – sondern aus irdischem Holz, entrückt und doch von oben gegeben als Tor zum Himmel. Die schlichte und makellose Erscheinung mit ein wenig Blattgold vermag damit symbolisch auf Maria und ihre Aufnahme in den Himmel und ihre Krönung hinzuweisen. Sie ist die Stella maris, der helle Stern über dem Meer, der allen auf dem „Meer des Lebens“ die richtige Richtung weist. Das Blau des Erdhügels kann sich auch auf den über der ganzen Erde ausgebreiteten Mantel Mariens beziehen, den sie wie in Kirchenliedern besungen über der ganzen Christenheit zum Schutz vor Gefahren ausbreiten soll.

Die Spindelform könnte auch ein Symbol für Jesus sein, der für uns Mensch geworden ist, damit wir durch ihn zum Vater finden. Er ist erhöht worden, damit alle zu ihm aufschauen und durch ihn gerettet werden.

Nicht zuletzt lädt die Installation zur Meditation ein, zum Ruhig-Werden mit und in all unseren Bewegungen. Sie lädt mich ein – und in dem Fall wird das Pendel zu einem Symbol für jeden von uns – mich immer wieder neu auf die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in mir einzupendeln, in Einklang zu kommen mit Ihm, damit Er auch durch mich in der Jetzt-Zeit Gutes bewirken kann.

Die Installation war 2018 im Rahmen der Ausstellung Maria ImPuls der Zeit zum Fest Maria Himmelfahrt in Warendorf zu sehen. 

Himmelszelt voller Gnade

Zwei weiße Hände von porzellanartiger Beschaffenheit ragen nebeneinander aus der Wand. Sie halten zwei Stricknadeln, die durch einen Draht verbunden sind, der die Maschen hält. Gestrickt wird mit zwei verschiedenfarbigen Fäden: einem mit Gold durchwirkten blauen Faden, der, wie die Hände, aus der Wand kommt, und einem dickeren roten Faden, der unten einem Fadengewirr entspringt. In dieses verstrickt sind menschliche Figuren in unterschiedlichen Körperhaltungen: still betend, im Fadenmeer versinkend oder verzweifelt sich an einem nach oben führenden Faden festhaltend, usw.

Die weißen Hände stricken eine Art Zelt, das auf seiner Außenseite blau und auf der Innenseite rot ist und dem Mantel entspricht, mit dem in traditionellen Darstellungen Maria gekleidet ist. Dabei symbolisiert das Blau den Himmel und Rot die Erde. Entsprechend entspringt der Faden für die blaue Außenseite dem Jenseits, hier ausgedrückt durch sein kontinuierliches Hervortreten aus der Wand. Demgegenüber werden die Menschen, die sich in ihrer Not an Maria wenden, durch die strickende Tätigkeit mit dem roten Faden nach oben und aus ihrer Misere gezogen, gleichzeitig wächst dadurch der Mantel in Richtung Erde und kommt ihnen schützend entgegen.

Maria wird hier nicht als Mensch mit individuellen Zügen dargestellt, sondern allein durch ihre strickenden Hände. Mit dieser typisch weiblichen Tätigkeit verbindet sie irdische Not mit himmlischem Erbarmen und fertigt damit einen weiten Mantel für die Bedürftigen. Wie ein Himmelszelt schwebt er über ihnen, beschützend, wärmend, Gottes Zuneigung und Liebe vermittelnd. Beeindruckend wird die Wandlung sichtbar, die Maria durch ihre Mittlerfunktion bewirkt. Die Menschen, die in der verwirrenden Not oder dem Chaos unterzugehen drohen, erhalten durch sie neue Hoffnung. Sie werden aufgerichtet und ihr zerstörerisches Leid wird gewandelt in den behütenden, Ruhe und Ordnung gebenden Innenmantel eingearbeitet, was sie gestärkt durchs Leben gehen lässt. Dadurch erhält der Schutzmantel Marias im Gegensatz zu traditionellen Darstellungen eine größere Eigenständigkeit, gleichzeitig wird Marias Mittlerfunktion zwischen Himmel und Erde, die bei der Marienfrömmigkeit eine große Rolle spielt, besonders deutlich.