Gedanke

Kräftig leuchtet die rote Form im schwarzen Hintergrund. Sie ist im unteren Bereich durch die weißen Buchstaben des Wortes „danke“ überlagert, im linken Bereich durch ein halbtransparentes Rechteck. Insgesamt eine recht graphische Darstellung, bei der das Wort „danke“ zwischen den beiden Ebenen herausschaut.

Ein vertiefter Blick lässt in der runden großen Form den Buchstaben „G“ entdecken, der in Verbindung mit dem vorgestellten „danke“ zum Wort „Gedanke“ wird. Danke – für den Gedanken, mag es unwillkürlich durch den Kopf blitzen und Staunen sich breit machen über die Erkenntnis, dass im Wort „Gedanke“ „danke“ enthalten ist! Soll etwa jeder Gedanke ein Dank sein? Ein dankbares Gedenken oder Erkennen?

Wie eine Antwort auf das Nachdenken über das Wortspiel, das uns die Dimensionen dieses Wortes neu vor Augen hält, erscheint das dicht beschriebene halbtransparente Rechteck: „16.2.2003 Die Kunst beginnt, wo das Denken endet.17. Einsam wird man geboren, einsam wird man sterben. 18. Den Sinn des Lebens spürt man nur in der innigsten Umarmung. 19. Alle Träume sind Teile der unendlichen Wahrheit. […] 23. Suche das Einfachste und das Schwierigste wird dir gelingen. […] 10. Wenn man versucht, alle Türen offen zu lassen, kann ein Luftzug sie eine nach der anderen zuschlagen lassen. […] 15. Jeder Anfang trägt das Ende in sich, so wie jedes Ende ein neuer Anfang ist – nur die Liebe währt ewig.“ (Manfred Schramm)

Das Datum und die fortlaufenden Ziffern lassen ahnen, dass hier tagebuchartig Lebensweisheiten festgehalten worden sind, für jeden Tag eine Erkenntnis! Fragmente aus der Spannbreite des Lebens. Erfahrungen, die staunen lassen und von denen man gerne die eine oder andere als Maxime fürs Leben nehmen möchte. – Die Künstlerin hat diese Lebenserfahrungen so ins Bild gebracht, dass die Worte und Sätze im schwarzen Feld Durchblicke schaffen und den Hintergrund sichtbar werden und durchscheinen lassen: intellegere! Geht es bei Lebensweisheiten nicht gerade um dies: das Vordergründige auf den tragenden Hintergrund hin durchsichtig, transparent werden zu lassen, damit das Tragende sichtbar wird?

Das große G lässt offen, wer oder was dieses Tragende ist. Es könnte genauso gut für Gott wie für Gegenwart stehen, für Global wie für Glück, für Gesundheit wie für Gelingen.. Aber das leuchtende Rot bringt auch Blut und Liebe zum Ausdruck, die runde Form ansatzweise Unendlichkeit, wie wir sie nur Gott zuschreiben. G also für Gott, der uns die Fähigkeit zu Erkennen, Begreifen und Verstehen geschenkt hat? Glauben wir nicht, dass er uns von seinem Geist gegeben hat, damit wir mit unserem Geist und Verstand die sichtbaren und unsichtbaren Wirklichkeiten dieser Welt durchdringen und immer wieder neu ergründen können? Dafür dankbar und glücklich zu sein, das ergäbe doch Sinn!

Das Denken, der Gedanke ermöglichen uns Begegnungen mit anderen Welten, anderen Zeiten, wie es der Weg unter dem Wort „danke“ andeutet. Sie ermöglichen uns Begegnungen mit Menschen wie der
abgebildeten Frau, die wir durch ihre Auffälligkeiten mehr oder weniger bewusst wahrnehmen. Sie ermöglichen uns über die Gegenwart hinaus in die Vergangenheit zurückzublicken wie in die Zukunft zu schauen. Gedanken sind – so gesehen – Fenster, die Licht in unsere „hauseigene“ Dunkelheit bringen. So unsichtbar und oft flüchtig sie sind, sie beeinflussen unser Denken und prägen es als bewussten Erfahrungsschatz. Denn in ihnen ist, wie es die rote Farbe suggeriert, Leben und vielleicht auch Liebe!

Auszeit

Gelassen sitzt der Mensch auf dem Boden, bzw. auf dem kleinen Sockel, auf den er sich wie auf eine Insel zurückgezogen hat. Seine Beine hat er angewinkelt. Mit dem linken Arm stützt er sich auf der Sockelkante ab, während seine rechte Hand locker auf dem linken Knie aufliegt. Gedankenverloren schweift sein Blick in die Ferne.

Was wohl in ihm vorgeht? Der Mensch strahlt eine Ruhe aus, eine Gelassenheit und – seinem Gesichtsausdruck nach – auch eine Zufriedenheit, die tief in ihm verankert sind. Äußerlich gesehen scheinen ihm einschneidende Lebensbedingungen arg zugesetzt zu haben. Seine an sich schöne Gestalt weist tiefe Einkerbungen auf, die seinen Leib derart zerfurchen, dass sie an mehreren Stellen zu erschreckend durchlöchernden Wundmalen ausarten. Es ist die Arbeit des Künstlers, die ihn so zugerichtet hat. Sie kann aber durchaus auch für seine eigene Arbeit stehen, die ihm derart zusetzt und seinen Körper langsam aber sicher zerstört.

Hat dieser Mensch sich deshalb eine Auszeit genommen? – Es sieht so aus, dass er sich vom Alltag abgesetzt auf eine Zeitinsel geflüchtet hat, um auf sein Leben zurückzublicken, ja, es gleichsam überblicken zu können. Das Leben hat ihm hart zugesetzt, konnte aber sein Wesen nicht angreifen. Den Brandspuren nach zu schließen ist dieser Mensch auch durchs Feuer gegangen – außer einigen schwarzen Stellen konnte es ihm aber nichts anhaben!

Er scheint nicht nur aus hartem Holz geschnitzt zu sein, sondern auch aus einer Kraftquelle zu leben, die ihm hilft, den oft zerstörerischen Anforderungen aus seinem Lebensumfeld zu widerstehen und psychisch unbeschadet und gelassen aus ihnen herausgehen zu können. Darin erinnert er an Daniel, der zusammen mit zwei Gefährten vom König Nebukadnezzar wegen seines Glaubens an Gott ins Feuer geworfen wurde. Doch Gott stieg im Engel zu ihnen in den Ofen hinab und beschützte sie, worauf sie einen Lobgesang auf Gott anstimmten.

Die Skulptur erinnert unentwegt, eine Auszeit zu nehmen, um mit Ruhe und Abstand das Erlebte zu verarbeiten. Vielleicht dürfen wir dann mit Staunen entdecken, dass Gott bei uns war und seine innere Gegenwart uns half, innerlich heil aus schweren Situationen hervorzugehen. Und vielleicht stimmen wir dann in den Lobpreis der drei Männer im Ofen oder anderer Menschen ein, die Gott wunderbar in ihrem Leben erfahren haben: „Gepriesen bist du, Herr, du Gott unserer Väter, gelobt und gerühmt in Ewigkeit. Gepriesen ist dein heiliger, herrlicher Name, hoch gelobt und verherrlicht in Ewigkeit.“ (Dan 3,52)