Nachfolge

Weiß-grau hebt sich das zentrale Bildereignis vom gelbroten Hintergrund ab. Menschliche Konturen sind zu erkennen, ein großes Auge, die Umrisse einer orthodoxen Kirche. Farblos erscheinen die Formen, unerfüllt, sie geben sich als leere Räume, die erst gefüllt werden müssen.

Durch die breite, grau schraffierte Fläche scheint die menschliche Gestalt sich nach links zu bewegen, der Kirche zugewandt. Wie bei einem gesprungenen Ei durchzieht eine gezackte Linie die menschliche Form – die durchaus auch für seine Seele stehen könnte – von oben nach unten und signalisiert Erschütterung, Zerrissenheit, vielleicht auch Aufbruch. Der rechten Seite nach zu schließen, ist ein Teil von ihr weggebrochen und hat eine tiefer liegende Schicht freigelegt, die in Verbindung mit der Kirche steht und von der diagonalen, schraffierten Fläche dominiert wird.

Was diese wie ein Berg ansteigende und an eine Felsoberfläche erinnernde Fläche wohl zu bedeuten hat? Gleichzeitig ergeben die sich kreuzenden Linien eine Gitterstruktur und lassen darin ein Netz erkennen. Könnte damit die Berufung des Petrus angesprochen sein, der vom Fischer zum Stellvertreter Christi auf Erden berufen worden ist? „Kommt her, folgt mir nach!“, sagte Jesus zu ihm und seinem Bruder Andreas, „Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Worauf beide die Fischernetze liegen ließen und ihm nachgefolgten. (Mt 4,19-20)

Später sagte Jesus zu ihm: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Mt 16,18; vgl. Joh 4,42) Ein großer Auftrag, den Jesus dem einfachen Fischer anvertraute. Aber baut Gott letztlich nicht auf jeden von uns seine Kirche? Soll nicht bei jedem von uns der Glaube an Ihn so fest und widerstandsfähig sein wie Gestein? Sind wir nicht alle berufen, Zeugnis von unserem Glauben zu geben und als Menschenfischer für unseren Gott tätig zu sein?

Das Bild von Wolfgang Franken könnte also ein Bild jedes einzelnen von uns sein. Ein Bild der Berufung, bei der es gilt, „Farbe zu bekennen“ und dadurch viel leeren Platz aufzufüllen. Ein Bild der Erschütterung und der Zerrissenheit, die mit jedem Anruf Gottes einhergehen, weil er aus der vertrauten und dadurch oft auch bequemen Welt aufbrechen heißt, und das zudem mit dem anspruchsvollen Auftrag, sein Wort zu leben und zu verkünden, damit die kirchliche Gemeinschaft lebt und wächst. Zu guter Letzt könnte es auch ein Bild der Verwandlung sein. Wer Christus nachfolgt, wird zu einem neuen Menschen. Die goldene Fläche hinter dem Kopf lässt mit ihrem Glanz und ihrer Kostbarkeit an Gott denken, der rückenstärkend mit seinen Berufenen mitgeht, ihnen „Flügel“ verleiht und durch sie Seine heilige Gegenwart aufleuchten lässt. „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“, fasste Paulus seine Erfahrung im Brief an die Galater (2,20) zusammen.