Neun schwarze Einkaufstüten sind in drei Reihen nebeneinander angeordnet und werden in ihrer unterschiedlich großen rechteckigen Erscheinung präsentiert. Sie geben sich in ihrem edlen, dunklen Outfit vornehm, geheimnisvoll verhüllend und suggerieren einen kostbaren Schatz im Innern.
Auf allen Tüten leuchtet ikonisch der Markenname, der über das eigentliche Kaufereignis hinaus die Werbung für das jeweilige Haus fortsetzt. Er ist überall mittig angeordnet, steht folglich im Zentrum, und wirkt wie ein Licht in der Dunkelheit. Nomen est omen. Die Firmennamen sprechen für sich, für das Ganze des Unternehmens als auch jedes ihrer Produkte, die in diesen Tüten nach Hause getragen worden sind.
So sind die Tüten Einkaufsreliquien, „Zurückgelassenes“ und „Überbleibsel“ (lat. reliquiae) unseres modernen, auf Konsum ausgerichteten Lebensstils. Einige Tüten stammen sogar aus einem Hotel in Venedig, wo chinesische Touristen sie im Foyer zurückgelassen haben. Diese Verpackungen sind Ikonen des Luxus, Relikte moderner Heiliger mit vorgetäuschten Wundern und vergänglichen Heilsversprechen. Der Künstler hat sie mit weißen und roten Bändern oberflächlich ins liturgisch Feierliche erhoben. Doch die Bänder sind ebenso eine ästhetische Kosmetik wie die Tüten fälschlich auf Werte hinweisen, die scheinbar wesentlich zum Leben gehören.
Der moderne Reliquienschrein weckt die Frage nach dem wahren Sein hinter dem Schein der Konsumwelt. Er erzeugt Aufmerksamkeit durch das Gegenteil. Wie würden die Menschen reagieren, wenn auf einer Tüte in weißen Großbuchstaben GOTT stünde? Welches Geheimnis würde sich dann in der Tüte verbergen? Für welches „Unternehmen“ oder welche „Produkte“ würde GOTT als ikonischer Markenname stehen?
Ursprünglich wurden in vielen religiösen Gemeinschaften die Reliquien von Personen verehrt, die im Rufe besonderer Heiligkeit und Gottesnähe standen. Die sterblichen Überreste sind bleibende Zeitzeugen, in denen sich von Gottes Geist erfülltes Leben über die Jahre hinweg verdichtet abgelagert hat und deshalb seine Ausstrahlung andauert. Die „dekorative“ Ausgestaltung der Gebeine ehrt die Heiligen und verlebendigt die Erinnerung an das Besondere in ihrem Leben. Der Inhalt der Markentüten steht für eine andere Form von Leben. Das Konsumleben, für das die Markennamen stehen, war für die Menschen zu der Zeit, in der die Heiligenreliquien gesammelt und verehrt wurden, gar kein wahres Leben. Denn wahres Leben war für sie nicht vergängliches Leben, sondern allein ewiges Leben. Auf dieses Leben haben sie sich seit jeher durch immaterielle Werte und innere Haltungen vorbereitet, um nicht durch äußeren Glanz als „Scheinheilige“ in Verruf zu kommen.
Bildvariante mit farbigen Tüten
Bildvariante mit goldfarbenen Tüten