Eine Rettungsdecke hängt ausgebreitet an der Wand eines Besinnungsraumes im Züricher Bahnhof. Die dünne Folie bewegt sich leicht und reflektiert das Licht mit ihren 480 Rechtecken, die durch die kleinformatige Faltung entstanden sind, sodass ein ganz neues Bild entsteht: ein gebrochenes und doch ein ganzes, bei dem die Vielen eine Einheit bilden.
Die hauchdünne Folie lädt in dem sakralen Raum dazu ein, über Gott und Rettung zu nachdenkn. Auch wenn der Glaube mehr ist als ein „Notfallset“, so spielt er doch gerade im Notfall eine tragende und entscheidende Rolle.
Die wie mit den Armen weit ausgebreitete und wie ein Fenster das Licht reflektierende Rettungsfolie ist mit ihrem lebendigen Lichtspiel ein Blickfang. Sie erinnert an die Einladung Gottes, sein Angesicht zu suchen wie der Beter in Psalm 27,8: „Mein Herz denkt an dich … Dein Angesicht, HERR, will ich suchen.“ Gleichzeitig erinnern die facettenreichen Spiegelungen daran, dass wir uns kein Bildnis von Gott machen sollen (Ex 20,4). Die reflektierende Folie offenbart und verhüllt gleichzeitig die Nähe Gottes, worauf auch der Titel dieser Arbeit anspielt: „… hinter den Wolken …“. Gerade wenn der Sonnenschein weg ist und man gefühlt ein Schattendasein führt, darf man glauben, dass über und hinter den Wolken dennoch die Sonne scheint.
Die Rettungsdecke, die gewöhnlich zusammengefaltet auf ihren Einsatz wartet, offenbart eine visuelle Aussagekraft in einem spirituellen Raum, in dem gebrochene Menschen Zuflucht und Wärme, Trost und neue Hoffnung suchen, in dem sich unzählige Schicksale kreuzen und von Gott gehalten und durch ihn geeint werden. Die Rettungsdecke ist eine Einladung zum Gebet. Viele Psalmworte lassen uns am suchenden, rufenden, schreienden oder auch dankenden Gespräch mit Gott teilhaben und erfahren, dass für die Gläubigen Gott unmittelbar mit Rettung und Heil verbunden ist. „Bei Gott allein wird ruhig meine Seele, von ihm kommt mir Rettung.“ (Ps 62,2) Dieser Vers drückt in großer Offenheit aus, dass die Seele in der Fülle der Möglichkeiten bei Gott ruhig werden kann – in unserer hektischen Zeit und erst recht der Bahnhofsunruhe – und dass er in Jesus Christus der das Leben bewahrende Retter ist.
So lädt die aus Alltagsgegenständen entstandene Installation zum Verweilen und Schauen ein. Es ist ein Gewahr-Werden eines Gegenübers, von dem wir wie „hinter den Wolken“ nur rätselhafte Reflexe sehen in unserem stückwerkhaften Erkennen (vgl. 1 Kor 13,12). Dennoch spüren wir im schillernd reflektierenden Licht der Rettungsfolie symbolisch dessen ausgebreitete und uns umarmen und wärmen wollende Gegenwart und Heil-Kraft. Die Installation lässt erleben, wie die Offenheit für Gott verengte Vorstellungen sprengt (z.B. was eine Rettungsdecke oder eben auch Gott vermag) und diese Vorstellungen weitet. Damit kommt neue Bewegung ins Leben, die sich symbolisch in der durch den Luftzug bewegten Folie und den sich an der Decke und auch im Raum ausbreitenden Lichtreflexen beobachten und in die Erfahrung des Psalmisten einmünden lässt: „Du führst mich hinaus ins Weite, … mein Gott macht meine Finsternis hell.“ (Ps 18,20.29) Durch den Heiligen Geist ist Gottes Handeln hier und heute in unserem Leben spürbar.
Flyer der Bahnhofkirche zur Installation
Weg Wort der Bahnhofkirche Zürich vom 28. August 2024: Reflexionen
Weg Wort der Bahnhofkirche Zürich vom 13. September 2024: Geschenkt