Die menschenähnliche Gestalt erinnert an Vielerlei. Sie lässt vor allem den Menschen dahinter suchen. Denn Größe und Gestalt stimmen mit einem Menschen überein, aber es sind nicht eindeutig Beine oder Arme auszumachen. Vielmehr fallen acht oder sind es gar neun blätter- oder flügelartige Ausformungen im Bereich des Oberkörpers auf. Zusammen mit dem spitz zulaufenden unteren Körperende verleihen sie der Gestalt etwas Schwebendes, das sowohl mit tierischen als auch himmlischen Wesen in Verbindung gebracht werden kann.
Auch das Material des Objektes verhüllt den Menschen viel mehr als es ihn enthüllt, vermitteln die Stoffbahnen doch den Eindruck einer mit Leinenbinden umwickelten Gestalt. So wie man es früher mit Verstorbenen gemacht hatte. Doch die geschwungenen Umrisse, die bewegten Ausformungen erzählen nicht von einer toten, sondern von einer lebenden Person. Hier liegt keine Mumie, sondern steht jemand, der dem Betrachter die Botschaft vom Leben verkündet.
Der Untertitel bringt das Kunstwerk in Verbindung mit Maria und den „sieben“ Schmerzen, die sie in Jesu Kindheit und bei seiner Passion mitdurchlitten hat.
1. Darstellung Jesu im Tempel mit Weissagung Simeons (Lk 2,34-35)
2. Flucht nach Ägypten vor dem Kindermörder Herodes (Mt 2,13-15)
3. Verlust des zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,43-45)
4. Jesus begegnet seiner Mutter am Kreuzweg
5. Kreuzigung und Sterben Christi (Joh 19,17-39)
6. Kreuzabnahme / Beweinung Christi (Mt 27,57-59)
7. Grablegung Jesu (Joh 19,40-42)
In der Kunst wurden die sieben Schmerzen Mariens gerne mit Schwertern oder Messern dargestellt, die ihr Herz durchbohrten. Formal ist eine gewisse Ähnlichkeit durchaus gegeben, aber die Ausformungen weisen darüber hinaus. Der Schmerz und das Mitleiden sind wunderbar gewandelt worden in ein größeres Ganzes, so wie beim Schmetterling alle Mühen der Raupe in Anbetracht seiner neuen Lebensform und Schönheit in den Hintergrund treten. Diese Erfahrung dürfen auch wir Menschen glücklicherweise immer wieder – wenn auch leider nicht immer – machen. Diesbezüglich kann die Plastik über Maria hinaus jeden Menschen ansprechen und ihm Trost und Hoffnung schenken. Schmerz, Leid und Trauer nicht ewig, sondern werden einst gewandelt in himmlische Freude, wie es auch die Aufnahme Mariens in den Himmel vorbildhaft zum Ausdruck bringt.
Im gleichen Sinn lassen sich bei der beflügelten Gestalt auch trefflich die Worte Jesu aus der Bergpredigt hören und meditieren. Denn auch sie künden von einer unvorstellbaren Wandlung zum Guten, Ganzen, Vollendeten, welche eine endgültige Nähe zu Gott beinhalten.
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
(Mt 5,3-12)