Friedensstifter

Geradezu „wortkarg“ präsentiert sich das Triptychon aus drei gleich großen, weißen Tafeln. Das mittlere Bild zeigt aus der Vogelperspektive ein nestartiges Gebilde aus kreisförmig ineinander verflochtenen Zweigen. Auf der linken Tafel ist in der unteren Hälfte eine weiße Taube zu sehen. Das rechte Bild ist leer. Was die wenigen Zeichen wohl aussagen wollen? Wie kommt die Künstlerin dazu, sie mit Weihnachten zu verbinden?

Das kreisförmige Geflecht mit seiner weißen Mitte dominiert die Bildfläche. Seine Zweige sind nicht, wie zu erwarten wäre, dunkel, sondern weiß, weil sie mit Schnee bedeckt gezeichnet wurden. Da das Zentrum darunter verdeckt ist, erscheint die Mitte leer.

Durch den Vogel unten links wird der Kranz assoziativ mit einem Vogelnest verbunden. Doch da, wo er seine Eier ablegen könnte, liegt dicker Schnee. Ein unwirtlicher Ort, genau wie die Krippe. Sie verweisen auf die Stelle 1,11 im Johannes-Evangelium: “Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Gleichzeitig verweist das unbrauchbar gewordene Nest als Dornenkorne auf die Passion Jesu. Der Vogel, der keinen Platz findet, dem Schnee und Kälte den Gebrauch des Nestes verwehren, das ist die Fortsetzung der Weihnachtsgeschichte.

Die zur Mitte hin gerichtete Taube möchte primär an den Heiligen Geist erinnern, der bei der Verkündigung über Maria kam und sie überschattete (Lk 1,35). Während er in den mittelalterlichen Darstellungen jedoch dynamisch von Gott Vater zu Maria flog, steht die Taube hier seltsam statisch da, eher abwartend und beobachtend, was nun geschehen wird. Doch über den drei Bildtafeln herrscht ein bewegungsloses Schweigen, das durch die absolut leere rechte Tafel noch verstärkt wird.

Denn neben den Andeutungen auf das Weihnachtsgeschehen stehen die drei gleichformatigen Tafeln auch für die Dreieinigkeit Gottes: Links der Heilige Geist, (Taube), in der Mitte des Weihnachtsgeschehens Jesus, (Dornenkrone), rechts Gott Vater, der Verborgene, nicht Darstellbare (leere Fläche).

Im Zusammenhang mit dem zentralen Dornenkranz als Sinnbild für Unrecht, Folter, Leid und Mord kann die Taube im weiteren auch als Friedensmahnerin gesehen werden. Durch Jesaja ist das göttliche Kind als Fürst des Friedens angekündigt worden, dessen Herrschaft groß sei und dessen Friede kein Ende habe (9,5-6). Doch die Hoffnung der auf Jesus schauenden Taube wurde enttäuscht. Jesus konnte in seinem kurzen Wirken gerade den Anfang für ein Reich des Friedens setzen. Nun liegt das Bewahren und Bewirken des Friedens an uns.

Die Festlegung des Weltfriedenstages auf den 1. Januar und die damit verbundene jährliche Botschaft des Papstes möchten daran erinnern, dass Frieden nicht einfach geschieht, sondern durch innere Haltung und aktives Handeln entsteht. Eine innere Haltung, die wie das Innere des Dornenkranzes von Ruhe und Zufriedenheit gekennzeichnet ist, ein aktives Handeln, das wie jenes von Jesus aus dieser inneren Kraft gegen die kleinen und großen Missstände in der Welt angeht, die einem oft wie ein unentwirrbares Geflecht umgeben. Den Mut für die stets kommende und viele Chancen beinhaltende neue Zeit wünsche ich uns allen. Spricht nicht aus der Haltung und dem Blick der Taube auch diese Hoffung, dieser Wunsch?