Verborgene Gegenwart

Tastend klettert der Blick über das dunkle Gebüsch in das Bild hinein. Der Himmel ist verhangen, neblig, diffus. Schwaches Licht erhellt minimal die urwüchsige Landschaft, die sich im Gehölz im Vordergrund konkretisiert.

Das Bild gibt sich bedeckt. Es zeigt eine geheimnisvolle Atmosphäre, undurchsichtig und rätselhaft wie wir sie von nebligen Herbsttagen kennen. Die dunkle Wolkenseite schafft eine spannungsvolle Stimmung, bei der nicht klar ist, ob sie vom aufgehenden oder untergehenden Licht erzeugt oder durch ein sich bald entladendes Gewitter verursacht wird. Wie auch immer stehen sich Licht und Dunkelheit gegenüber. Sie scheinen um die Vorherrschaft zu ringen und nehmen den Betrachter in diese Auseinandersetzung zwischen Verhüllung und Offenbarung hinein.

Dabei leuchtet das Licht mystisch in der Finsternis und lässt sich von der Dunkelheit nicht verdrängen (vgl. Joh 1,5). Trotz oder gerade wegen der dunklen Bereiche um es herum lässt das Licht eine wohltuende Kraft und Beständigkeit spüren. Gerade in dunklen und unsicheren Zeiten gibt Licht Orientierung und Halt, so wie Gott.

Das Bild lebt von der verhüllten Gegenwart. Gott als der Unbegreifbare wird in der Bibel an mehreren Stellen als naher Gott beschrieben, der sich in einer Wolke verbirgt. So führte Gott die Israeliten in einer Wolkensäule beim Auszug aus Ägypten (Ex 13,21) und in der Apostelgeschichte (1,9) wird überliefert, dass der Auferstandene bei seiner Aufnahme in den Himmel von einer Wolke aufgenommen und den Blicken der Apostel entzogen wurde.

Wenn im Bild die Wolken und mit ihm das Licht nicht weit oben am Himmel, sondern wie Nebel unmittelbar in Berührung mit der Erde dargestellt werden, so kann das als nahe Gegenwart des unsichtbaren Gottes in dieser Welt gedeutet werden. Gott ist physisch nicht greifbar da, doch zeichenhaft im Licht und den Wolken wahrnehmbar und spürbar. Wer sich Ihm nähern will, dem wird im Bild ein beschwerlicher und mit Anstrengung und Zweifeln verbundener Weg angedeutet. Ein wie im Nebel tastender Lebens-Weg, der aber dennoch aus der glaubenden Verbindung mit Ihm seine Kraft schöpft. Ein lebenslanger Weg aus der Zuversicht, dass Er sich in Sternstunden und ganz gewiss am letzten Tag unverhüllt dem Suchenden, Wartenden, Erwartenden und Ihm Vertrauenden als sein Gott und Lebenslicht offenbaren wird.

“Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. […] Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.” (1 Kor 13,9b-10, 12)

Dieses Kunstwerk von Daniel Sigloch und Arbeiten weiterer Künstler*innen waren im November 2020 in der Themenausstellung “Bewölkt. Der Himmel in der Kunst – vom Goldgrund zum Wolkenberg” in der Galerie der Stiftung S BC – pro arte in Biberach im Original zu sehen.

Lebenslinien

Ordnung und Chaos begegnen sich in dieser Zeichnung gleichermaßen. Der helle Grund weist gewebte oder zumindest gleichmäßig verdichtete Strukturen auf, während einzelne Fäden sich nach vorne und nach oben in freier Bewegung davon ablösen.

Die durchaus konkreten Linien wirken andeutend, raumschaffend, durchlässig. Der faserige Strich deutet einen Faden an und lässt ein textiles Gewebe erkennen. Soll damit eine textile Verwicklung oder vielmehr eine sich in Freiheit entwickelnde Bewegung gezeigt werden? Eine sich in die Freiheit hinausbewegende Entwicklung? Aus dem festen Grundgewebe hinaus in haltlosen Freiraum? Eigene Wege suchend, eigene Bewegungen, eigene Farben und Strukturen? – Die Möglichkeit besteht.

Der Ausreißer hinterlässt im Grundgewebe eine Lücke, eine Ausdünnung oder Schwachstelle. Darüber erhebt sich der sich lösende und immer dunkler werdende Strich in freier Bewegung … und hinterlässt eine chaotische, ungeordnete, nicht einzuordnende Spur. So wird der Ausreißer zum Außenseiter, zu einem schwarzen Schaf. Der Ausbruch hat einen Schaden angerichtet, beim einen wie dem anderen.

Aber der Faden scheint nicht getrennt zu sein. Da besteht noch eine Verbundenheit mit dem Ursprung oder der Herkunft. Eine Nabelschnur zur „Mutter“ oder dem „Vater“. Es ist eine aus dem festen Gefüge ausgebrochene Lebenslinie, die eigene Wege sucht, eigene Bereiche erkundet, Welten entdeckt und sich da einbringt.

Entwicklungen und Veränderungen im familiären Sozialgefüge können hier gesehen werden. Eltern geben eine Lebensgrundlage. Doch Kinder brauchen eine fast grenzenlose Ungebundenheit und Freiheit von ihren Eltern, um ihren eigenen Lebensentwurf gestalten zu können. Im Bild kann das so gedeutet werden, dass zum Betrachter hin und am oberen Bildrand Freiräume sind, also „Luft nach oben“ besteht. Ist das Loslassen der Eltern nicht ein Vertrauensbeweis in ihre Kinder und deren Fähigkeiten, der diesen über Raum und Zeit hinweg wieder Verbundenheit und Halt gibt?

Die Arbeit von Karl Schleinkofer mutet wie eine grafische Darstellung des Gleichnisses vom Verlorenen Sohn an, der mit dem Einverständnis seines Vaters und seinem ganzen Erbe in die Ferne gezogen ist und später, als dieses verbraucht war, als Armer wieder zum Vater zurückkehrte, weil doch eine Verbundenheit geblieben ist.

Ebenso kann durch die Hervorhebung einzelner Fäden in der Zeichnung sehr schön ein Grundprinzip unseres Glaubens meditiert werden: Der Glaube bildet im Leben des Gläubigen eine haltgebende Grundlage, die ihm ermöglicht, individuell seiner Berufung nachzugehen und diese in das Gesamtgefüge der Gesellschaft einzubringen. Die Linienführung macht deutlich, dass es ein Suchprozess und damit kein einfacher Weg ist, der auch dunkle und schmerzvolle Zeiten kennt. Die Interaktion der verschiedenen Linien machen aber auch deutlich, dass gerade dadurch eine Tiefe und Spannung ins Bild kamen, die dem „Lebens-Bild“ wie einem guten Essen eine besondere Würze geben.

Diese und viele unveröffentlichte Arbeiten von Karl Schleinkofer waren im Februar 2020 im Museum Moderner Kunst Wörlen in Passau in der Ausstellung “Arnulf Rainer und Karl Schleinkofer” zu sehen.

Den richtigen Weg finden

Sieben farbige Kreise umgeben einen goldenen Mittelpunkt. Die Farb- wie die Richtungswechsel der Linien faszinieren. Veränderung wird spürbar. Je nachdem, wie man schaut, können die Kreise treppenförmig in die Tiefe hinunter oder auf einen Kegelspitz hinaufführen. Entscheidend ist die Sichtweise.

Ebenso geht es mit dem Zugang zur Mitte. Er ist auf der linken Seite des Kreises in Form einer dynamisch aufsteigenden Diagonale angeordnet, die sich aus den Kehrtwendungen der farbigen Linie ergibt. Doch welches ist der Eingang zur Mitte? Ist der lehmbraune Hintergrund die Gehfläche, so würden sich gleich zwei Zugänge und zwei Verzweigungen zwischen den farbigen Begrenzungen ergeben. Aber alle endeten früher oder später in Sackgassen, denn nur der direkte Weg hinter dem rechten Zugang führte zur Mitte.

Bei dieser Sichtweise stellt sich unweigerlich die Frage, ob dieser siebenfach geschützte goldene Mittelpunkt so leicht zugänglich sein kann. Schließlich stellt er in seiner goldenen und runden Vollkommenheit etwas sehr Kostbares und für die meisten Menschen Unerreichbares dar. Und doch, so wie sich die goldene Mitte frei im Innenraum befindet, auf der gleichen Ebene wie der Hinter- oder der Untergrund, bietet sich visuell diese Möglichkeit des Zugangs. Wer die Kraft dieses goldenen Mittelpunktes spürt, der wird nicht lange Umwege machen wollen, sondern so schnell wie möglich die größtmögliche Nähe dieser Kraftquelle suchen.

Von oben betrachtet und von der Mitte ausgegangen wird jedoch sichtbar, dass die farbige Linie – wenn auch mit Umwegen – der einzige Weg ist, der direkt auf den Mittelpunkt zuführt. In sieben Kreisen umrundet ihr Lauf die Mitte, bis sie unmittelbar vor ihr endet – allein schon durch die Anzahl ein geradezu heiliges Ritual.

Dieser eine Weg hat den Vorteil, dass es unmöglich ist, sich zu verirren. Dadurch wird er einem aber nicht leichter gemacht. Die Wegführung wirkt manchmal gar zermürbend. Relativ schnell vermag man das erste Drittel zurückzulegen und bis zur Mitte vorzudringen. Doch dann beginnen die Seitenbewegungen. Hin und her führt der Weg über drei Wendungen an den Rand und zum Anfang zurück. Dieser Wegbereich ist durch die Farbe Magenta geprägt.

Ein weiteres diagonales Wegestück führt zu den nächsten drei Rundungen. Sie sind in der Grundfarbe Cyan gehalten. Die äußerste von ihnen bildet gleichzeitig die mittlere der sieben Umrundungen. An ihrem Ende führt sie nach einer Linksbiegung in die unmittelbare Nähe des goldenen Kreises, aber auch an ihm vorbei. In der roten Farbe ist erstmals die Kraft der goldenen Mitte erfahrbar. Was muss von dieser goldenen Mitte für eine Energie ausgehen, dass der in ihre Nähe Kommende wie von einem immateriellen Feuer ergriffen zu glühen und brennen beginnt?

Doch der Weg führt wieder von der Mitte weg. Erst nach zwei weiteren Umrundungen schwenkt er direkt auf sein Ziel zu. So abrupt wie er draußen begonnen hat, hört er vor dem kleinen goldenen Kreis auf. In der unmittelbaren Begegnung mit der goldenen Mitte flammt die rote Farbe wieder auf. Sie lässt spüren: der Weg war nicht vergebens. Angesichts des mühsam Gesuchten, des ganz Anderen, geht seine unendliche Kraft auf den über, der den Ruf der Mitte angenommen und bis zu ihr durchgehalten hat. Verweilen wird angesagt sein, bevor der Weg dann wundersam gestärkt von innen nach außen gegangen werden kann. Erfüllt von der Begegnung mit ihm wird man als Verwandelter in den Alltag zurückkehren und dort allein schon durch die persönliche Ergriffenheit sein Dasein in unserer Mitte verkünden.

Alle Bilder aus diesem Zyklus 12 x 1

Abraham

Einsam stünde dieser Mensch in der leeren Wüsten- oder Steppenlandschaft, wäre ihm am Himmel nicht der Mond zugewandt und ginge am Boden nicht ein Flammenteppich von ihm aus, würde er nicht links und rechts von Symbolen flankiert.

Geerdet ragt dieser Mensch mit seiner aufrechten Haltung in den Himmel hinein. Doch sein Geist scheint von den himmlischen Sphären derart berührt und inspiriert, dass er sich in der Weite der Landschaft nicht mehr allein erfährt. Da ist ein Du, das ihn wie der blau-rote Mantel umgibt und segnet. Ein personales Du, das zu ihm spricht und ihm das Potential eines Weizenkorns offenbart. Ein Du, das ihn mit Leben erfüllt und wie ein brennendes Feuer führt.

Er scheint in Gedanken versunken vorwärtszuschreiten. Was er in der Begegnung mit seinem Gott erfahren hat, bewegt ihn vom Kopf übers Herz bis zu den Füssen und weist ihm seinen Weg. Vielleicht denkt er gerade über die Verheißung nach, dass er, der Kinderlose, Vater einer unzählig großen Menschenmenge werden wird. Ob das Flammenmotiv zu seinen Füßen auf diese Vielzahl hinweisen will? Wie ein Feuer breitet es sich, von ihm ausgehend, wegweisend vor ihm aus. Unwillkürlich mag der eine oder andere auch an den brennenden Dornbusch denken, in dem sich der gleiche Gott in einer anderen Zeit dem Moses in der Wüste offenbart und erfahrbar gemacht hat.

Abraham hat der Zusage Gottes Vertrauen geschenkt, trotz des Unfassbaren. Er hat das Gehörte als Wahrheit geglaubt und danach gehandelt. Das hat ihn zum Vater aller Glaubenden gemacht und lässt die Vertreter der drei großen monotheistischen Religionen sich auf ihn berufen. Deshalb steht er im Bild in der Mitte von Menora, Halbmond und Kreuz, der Symbole für das Judentum, den Islam und die Christenheit. Er schreitet vor dem nächtlichen Himmel, der als Zeichen für Gott gedeutet werden darf, der ihn gesandt hat, im Vertrauen zu gehen.

Abraham schreitet auch vor unseren Augen – als Vorbild des Glaubens und als Gesegneter mit einer großen Ausstrahlung. Umgeben von den Symbolen der drei großen monotheistischen Weltreligionen, ihre Glaubensgemeinschaften und -traditionen gleichsam im Rücken habend, scheint er uns zu ermutigen, auch in der heutigen Zeit, ja heute – im Hören und Vertrauen auf Gottes Stimme in uns – aufzubrechen, uns von alten Bindungen zu lösen und unseren Weg in die Zukunft zu gehen. Um unsererseits zu einem Glaubenszeugen für Gott und einem Segen für eine Vielzahl von Menschen zu werden.

Unser Vater

In intensiven Farben präsentiert sich uns ein altbekannter und vielen wahrscheinlich auch vertrauter Text: das Gebet zum Vater im Himmel, das Jesus seine Jüngern gelehrt hat. Mit diesen Worten wurde ein Bild gestaltet, das auf Illustration verzichtet, um “das Wort transparent werden zu lassen” (Samuel Buri). Mit graphischen Mitteln hat er die Bedeutung des Wortes hervorgehoben und den alten Worten durch die frischen Farben Fröhlichkeit und neue Aktualität verliehen. In dem Gebet ist Lebenskraft.

Durch die Schrifttypen und -größen lassen sich zwei Bildebenen unterscheiden. Auf der unteren befinden sich die drei Wörter “unser Vater” und “AMEN”, die durch ihre Größe visuell im Vordergrund stehen. “unser Vater” steht in himmelblauen Buchstaben oben. Bei betrachtendem Verweilen fällt erst die Mischung von Groß- und Kleinbuchstaben auf. “UnSer VaTer” steht da. Was das wohl zu bedeuten hat? Ist das kindlich-unbedacht so hingeschrieben? Oder dient es der graphischen Gestaltung? Oder können wir an ein Passwort aus der Computerwelt denken, das aus verschiedenerlei Zeichen zusammengesetzt den Zugang zu einem gewünschten Bereich öffnet? Wie dem auch sei, es ist jedenfalls keine steife, förmliche Anrede, die obenan steht, sondern eher eine vertraute. Von Natur aus schauen wir zum Vater auf. Seit Jesus dürfen wir Gott Vater nennen, ist Gott als Schöpfer unser aller Vater.

In großen Buchstaben steht “AMEN” in feurigem Orange unten an der Basis dieses Schriftbildes. Ein bekräftigendes Ja von uns Menschen, ja, so geschehe es und so sei es, was der Lesende in diesem Gebet bekennt. Durch viele Jahrhunderte hat sich dieser Akklamationsruf erhalten – einst das einzig aktive Mittun der Gemeinde – heute noch in den Gottesdiensten der Juden, Christen und Muslime beheimatet. Die freie Schreibweise dieser drei Wörter lassen sie in ihrem Auf und Ab geradezu melodiös klingen: fröhlich beschwingt oben, fest und feierlich unten. Zusammen mit dem mit luftigen Farbfeldern gestalteten Hintergrund vermitteln sie Lebendigkeit und Individualität. Das Herrengebet erscheint so als ein starkes und sehr persönliches Gebet.

Die obere Ebene ist im Unterschied zur unteren streng linear gestaltet. Auf dem freien Untergrund erscheint das in zwei Farbblöcke geteilte Rechteck mit den regelmäßigen Zeilen und der kleinen Schrift in ebenso regelmäßigen Großbuchstaben wie eine Bekanntmachung im öffentlichen Raum. Hier wurden Worte in einen festen Rahmen gebracht. Nüchtern, ohne Gewichtung, ohne Spielraum. Nur die Farben wechseln ab: blau, gelb, blau, gelb … wie die beiden Farbhälften, die dem Gebet, das aus unserem menschlichen Leben kommt – die vielen Horizontalen deuten dies an – eine klare vertikale Ausrichtung geben.

Die beiden Farben Blau und Gelb bilden auch die Farbe der Schrift. Die Buchstaben sind auf dem jeweiligen Hintergrund gut lesbar, weil die Schrift durch orangefarbene und dunkelblaue Balken hervorgehoben wird. Durch diese Farbsprache entsteht eine lebendige Beziehung zwischen dem himmlischen “unser Vater” und dem irdischen “Amen”, die das Gebet zu einer breiten Treppe zum gemeinsamen Vater werden lässt.

Die plakatähnliche Darstellung von Samuel Buri gibt sich als farbenfrohe Einladung an uns Betrachter, dieses Gebet Wort für Wort, Stufe um Stufe zu “beschreiten”, um so die Größe und die Tiefe dieses Gebetes zu erfahren – die befreiende und stärkende Kraft, die aus dem Vertrauen zum Vater im Himmel kommt.

Dieses Bild entstammt der Zürcher Bibel – Kunstbibel 2007. Einspaltige Ausgabe mit 25 Schriftbildern von Samuel Buri 2007, ca. 2000 Seiten, 14,2 x 22 cm, Hardcover, ISBN 978-3-85995-243-0, CHF 60,00 / EUR 38,00

Prospekt zur Zürcher Bibel 2007 mit allen Aquarellen von Samuel Buri

Ermutigung

Das Einzige, was auf dem Bild wirklich gut zu erkennen ist eine Leiter. Auf einem roten Boden stehend und an ein ebenso rotes Objekt angelehnt, ragt sie in den gelben Hintergrund hinein. Sie ist eine Leiter des Übergangs! Unten hebt sie sich durch die obere Farbe vom Hintergrund ab, oben durch die Schatten der unteren Farbe. Deutlich steht sie da und führt nach oben ins gelbe Licht, an die Grenzen des Bildes und unsichtbar darüber hinaus. Obwohl sie schattenhaft leicht im „Raum“ steht, weckt sie Vertrauen und lädt ein, ins Licht hinaufzusteigen.

Der lichte und lebendige Hintergrund verbindet die Leiter mit weiteren vertikalen Formen auf der linken Bildhälfte. Weder Farbe noch Umrisse lassen eine klare Gestalt erkennen. Am ehesten erinnern sie an eine stehende Menschengruppe. Die Farben Blau, Grün, Rot und Braun lassen an vier Personen denken, die sich dem Licht zuwenden, auf es zugehen. Vielleicht erwägen sie auch, die Leiter zu erklimmen.

Die Farbübergänge von Blau zu Grün und von Magenta zu Weinrot laufen nach oben zum Licht hinaus und bringen dadurch eine Verwandlung zum Ausdruck, die sich durch die Hinwendung zum Licht ereignet.

Von hellem Licht gerahmt, öffnet sich hinter der rot-braunen Gestalt ein abgedunkelter Durchgang. Aus der Mitte dieser Gestalten steigen Linien auf, die gleichsam einen Weg durch diesen Türrahmen hindurch zeichnen, die angedeuteten Menschen und uns alle einladend, ihm zu folgen. Doch die Linien führen nicht wirklich weit, sie scheinen vielmehr vor dieser Tür auszulaufen! Könnte dieser Durchgang vielleicht eine Versuchung darstellen, den einfachen und bequemen Weg zu wählen, anstatt das Wagnis mit der Leiter einzugehen? Wer von uns hat nicht schon die Erfahrung gemacht, in der wir die Vernunft als Beistand zu gewinnen suchten, um die Sicherheit des Bekannten dem Ungewissen vorziehen zu können?

Aber auch zur Leiter führen Linien! Sie zeichnen keinen Weg vor, betonen allerdings, dass hier eine vielversprechende Gelegenheit steht , die ins Weite, die ins Licht führt. Was oben an der Leiter folgt, vermag uns auch das Bild nicht zu sagen. Aber es ermutigt, zuversichtlich in die Ungewissheit der Zukunft zu schauen. Sie zeigt sich uns verheißungsvoll licht und sonnig. Und wenn das helle Rot als Symbol für die Liebe gedeutet werden darf, dann wird auch alles, was mit Liebe getan wird, sich in lichte Freude wandeln und vor schlichter Schönheit erstrahlend zum Himmel erhoben werden.

 

Die “Himmelsleiter” und weitere 13 Bilder von Cornelia Patschorke sind im Buch “Befiehl du deine Wege und bleib nicht bei dir stehen” (ISBN 978-3-937896-25-0) als spirituelle Illustrationen zu 8 bekannten Liedern des Dichters Paul Gerhardt abgebildet. Ergänzt wird das sehr schöne Geschenk- und Meditationsbuch zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt mit einfühlsamen Gedichten von Werner May. Preis: Euro 14,90

Orientierung

Die Anordnung der gelben Linien identifizieren wir schnell als Straßennetz einer Großstadt. Der Ausschnitt könnte einem Stadtplan entnommen oder aus der Luft aufgenommen sein. Es ist kein Zentrum auszumachen. Doch im unteren Bereich ist eine Verdichtung des Straßennetzes zu beobachten. Zudem lassen rote Punkte und Flächen – wie wir es von Stadtplänen kennen – an wichtige Gebäude denken.

In Wirklichkeit sind hier die einzelnen Straßenzüge aber nicht mehr klar zu erkennen. Sie sind teilweise mit Farbe übermalt und signalisieren gerade das Gegenteil von Ordnung. Sie scheinen verstopft zu sein und stiften Verwirrung. Wie ein undurchdringliches Dickicht verhindern sie das Vorwärtskommen. Das kann Angst auslösen, eingesperrt zu werden oder den Weg nicht mehr zu finden.

Aus dem gestalterischen Unterschied zwischen den beiden Bildhälften ergibt sich die Sehnsucht nach einem übersichtlichen und sicheren Weg. Lieber keine äußeren Orientierungspunkte, wenn diese nur verwirren, und wie ihre rotbraune Farbe auch gedeutet werden kann, Verwundung und Schmerz bedeuten.

Doch worauf sollen wir vertrauen? Auf den Straßen kennen wir Navigationssysteme. Sie führen uns sicher ans Ziel, umfahren Baustellen und Staus. Für unser Leben gibt es kein solches System, bei dem das Ziel eingegeben wird und uns dann automatisch die schnellste und eine kürzeste Route vorgeschlagen wird.

Allerdings hat uns Gott seine Weisungen ins Herz gelegt, damit wir mit Seiner Hilfe den für uns besten Weg finden, der uns sicher zu einem inhaltlich wie zeitlich erfüllten Leben führt. Insbesondere die Psalmen sprechen davon: „Alle, die deine Weisung lieben, empfangen Heil in Fülle; es trifft sie kein Unheil.“ (119,165) „Er hat die Weisung seines Gottes im Herzen, seine Schritte wanken nicht.“ (37,31)

Mit dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe, dem Sinn für Gerechtigkeit und für Schuld hat uns Gott ein Navigations- oder Orientierungsinstrument ins Herz gelegt, das die eingeschlagenen Wege vertrauensvoll geht und das Kreuzungen zuerst als Ort der Begegnung sieht und erst dann als Ort der Entscheidungen und des Abschieds. In der Fülle der Möglichkeiten vertraut der Gläubige dem über ihm seienden Gott, dass ER ihn sicher durch die Gefahren jeden Weges führt, aus Sackgassen herausholt, an den Kreuzungen die richtige Entscheidung treffen lässt und zu stärkenden Rastplätzen führt. – Mit IHM werden alle Strassen, wie es das Bild andeutet, zu lichterfüllten Wegen des Lebens, in denen bereits das Ziel entgegenleuchtet.

Lebensweg

Drei künstlerische Arbeiten, die durch ihre Größe, Materialbeschaffenheit und Anordnung einander zugeordnet sind. Sparsam wurde mit verschiedenen Papieren, dem Stroh und der Farbe umgegangen. Material und Formen sollen für sich sprechen.

Links aus Stroh eine Ringform, darüber ein waagrechter schwarzer Balken, beide auf einem stark strukturierten, eingefalteten Papier. In der Mitte fällt das gerollte und vielfach eingerissene Papier auf, aus dem ein schwarzes T herausragt. Die Ringform des ersten Bildes ist als Rolle in die Höhe gewachsen. Strohreste sind an dieser Rolle sichtbar, die zerbrechlich geblieben ist, anfällig für Risse und Zerstörung. Im T wird die Waagrechte von links weitergeführt. Mit der in die Rolle hintauchenden Senkrechten aber gleichzeitig geerdet. Die T-Form könnte auch die Vereinfachung eines Kopfes sein, die Papierrolle der Mantel, der ein unfassbares Wesen umhüllt.

Eine weitere Steigerung ist beim dritten Bild zu beobachten. Rolle und Kreuz sind gewachsen und berühren fast den oberen Bildrand. Die vorher schmutzig anmutende Rolle strahlt nun in reinem Weiß, sie ist bis auf einen Riss im oberen Bereich unversehrt. Das Kreuz ist in beiden Richtungen breit und stark geworden, der waagrechte Balken nun golden verklärt.

Spannungsvoll und zurückhaltend erzählt die Künstlerin damit vom Leben. Wie es aus der göttlichen Ewigkeit heraus in unsere irdische Armut hineingeboren wird (Symbol dafür ist der Strohring) und sich auf dem senkrechten Trägerpapier entfaltet. Noch ist es nach hinten gefaltet. Es will Nährboden sein, damit etwas Schönes und Großes entstehen kann. Sieht der Strohring nicht auch wie eine Krone aus, die das Leben krönt?

Doch von Glanz ist keine Spur zu entdecken bei der ärmlichen Gestalt in der Mitte. Das Papier umschließt nun zwar einen eigenen Lebensraum, aber dieser erweckt den Eindruck von Leid, Tod und Vergänglichkeit.

Dem gegenüber wird im dritten Bild vom Leben die Auferstehung verkündet: Durch Leid und Tod hindurch ist das Leben nicht zerstört, sondern größer, stärker, schöner und ganzheitlicher geworden. Im Kreuz leuchtet die Herrlichkeit Gottes auf, die allen verheißen ist, die im Glauben, der Hoffnung und der Liebe auf ihn zuwachsen. Gott selbst ist es, der unsere Armut mit seinem Erbarmen krönt – mit der Vergebung der Sünden und der Aufnahme in den Himmel.

In diesem Triptyk leuchtet für mich die Überzeugung und Hoffnung des Apostels Paulus auf, wie er sie an die Gemeinde in Rom geschrieben hat: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. (…) Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. (..) Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei.“ (Röm 8,18.20f.28f)

Lebensnerv

Ein blauer Engel und ein grünes Band präsentieren sich unseren Augen. Der Engel hat die Hände gefaltet, die Augen in sich gekehrt geschlossen. Die lebendige Pinselführung und die verschiedenen Blautöne weisen aber darauf hin, dass in ihm einiges in Bewegung ist. Der Engel schwebt in dieser anbetenden Haltung vor dem gelben Hintergrund – Symbol der Herrlichkeit Gottes – , dem grünen Band zugewendet. Dieses durchquert das Bild in seiner ganzen Höhe und scheint ein Ausschnitt eines viel längeren Bandes zu sein, welches das Oben mit dem Unten miteinander verbindet.

Was es wohl zu bedeuten hat?

In seinem Innern sind waagrechte Elemente zu erkennen, welche an die Himmelsleiter erinnern, die Jakob im Traum gesehen hat, und auf der unaufhörlich Engel auf- und absteigen (Gen 28,12), um Botschaften von einer Welt in die andere zu tragen: Von Gott zu den Menschen – von den Menschen zu Gott. Nach dem Wörterbuch der Symbolik (Lurker, 267) ist die Farbe Grün als Farbe der Erwartung und der Hoffnung auch die Farbe des „Auf-dem-Wege-Seins!“

Für den Künstler Tobias Kammer erinnert jedoch „das Grün des Bandes an die Grünkraft der Hildegard von Bingen. Für sie war Grün Ausdruck reiner Lebensenergie, die aus Gottes Schöpferkraft und der Erneuerungskraft des Heiligen Geistes selber kommt.“

So gesehen wird die grüne Himmelsleiter zum Lebensnerv schlechthin für den Menschen, zur lebensnotwendigen Nabelschnur, welche das „Kind“ mit allem versorgt, was es zum Leben braucht. Das Grünband wird auch zur „Wirbelsäule“ des Glaubens, durch die der Körper aufrecht gehalten wird und durch die alle „Lebensenergien“ laufen, um diesen Körper mit  dem Kopf verbunden zu leiten.

Ein überraschendes Bild für die Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Doch schon der Apostel Paulus verwendet es in seinen Briefen, wenn er schreibt: „Er, Christus, ist das Haupt, von dem aus der ganze Leib durch Gelenke und Bänder versorgt und zusammengehalten wird und durch Gottes Wirken wächst.“ (Eph 4,15c; Kol 2,19b)

Über dieses Werk Gottes kann der Engel nur staunen und es durch sein Gebet bewachen. Dass nichts diese einmalig schöne und wertvolle Beziehung zerstöre – ja vielmehr durch eine vertrauensvolle Offenheit für Gottes Wirken durch die Menschen gefördert wird.

Pfad zu Gott

„Es gibt Worte, die uns, sobald wir sie nur aussprechen, in eine Welt entführen, von der wir annehmen, sie gehöre unumkehrbar der Vergangenheit an. Das Wort Pfad, welches im Titel dieser kurzen Bildbetrachtung vorkommt, stahlt etwas aus, als wäre es ein geheimnisvoller Findling, der sich ins verkehrstechnische Zeitalter der Autobahnen und Schnell strassen verirrt hat.“ (Joseph Bättig)

Auf dem Bild von Gielia Degonda deuten wir die vertikale Zickzack-Linie am schnellsten als Pfad. Durch den steilen Auf- oder Abstieg hat sich uns dieses mühsame Hin und Her beim Bergwandern tief in unsere Erinnerung eingeprägt. Vom Tal führen diese Pfade auf den Berg verbinden sie das Unten mit dem Oben, und führen wieder hinunter.

Unten auf dem Bild verwirren viele kurze, meist senkrechte Striche den Blick. Beim genauen Hinsehen sind jedoch Schriftspuren auszumachen, können wir mehrmals MENSCH lesen. Sind diese Wörter als Hinweis gedacht, dass es sich bei den Strichen um eine große Menschenmenge handelt, die auf der ebenen Horizontale am bequemsten und schnellsten vorwärts kommt – oder sind sie Anruf an die Menschen, in diesem rastlosen Unterwegssein innezuhalten, aufzuschauen in ihrem “dunklen Tal“ der Tätigkeiten?

Der Ruf scheint nicht ungehört verklungen zu sein. Die verdichteten Striche mögen ein Hinweis sein, dass viele Menschen aus ihrem gewohnten „Trott“ ausbrechen und sich auf Wege des Lebens begeben, auch wenn diese schmal und steil sind (vgl. Mt 7,14). Durch die Dunkelheit der Nacht führt der Pfad wie eine Leuchtspur leiterartig nach oben. Ist es der Pfad der Gerechten, der wie das Licht am Morgen ist, und immer heller wird bis zum vollen Tag? (vgl. Spr 4,18)

Oben auf dem „Berg“ – dessen Rundform an die Rundung der Erde erinnert – scheint über einer leichten Nebelschwade die Sonne aufzugehen. Wer oben ankommt, wird mit der Fülle des Lichts und ganz besonderen Gotteserfahrungen belohnt. Mose hat auf dem Berg Horeb die zehn Gebote erhalten (Ex 19,3 –24,18), an Elija zog Gott im sanften Säuseln des Windes vorbei (1Kö 19,11-13), Jesus wurde abseits der Menschenmenge auf dem Berg verklärt (Mt 17,1-9). Am Rand der Erde, in der Stille und der Abgeschiedenheit der Berge wird der Mensch an Grenzen geführt, wo er Gott sehr nahe erfährt. Einsame Pfade führen an diese Orte, bereiten den Gottsuchenden auf die Begegnung vor.

Diese Gedanken und diese Sehnsucht mögen den Psalmisten bewegen, wenn er betet: „Herr, lass mich deine Huld erfahren am frühen Morgen; denn ich vertraue auf dich. Zeig mir den Weg, den ich gehen soll; denn ich erhebe meine Seele zu dir.“ (Ps 143,8)

Fest auf der Erde und im Leben stehend, bittet er Gott um Hilfe, damit er auf den vielbevölkerten breiten Straßen des Lebens den schmalen Pfad der Gerechtigkeit, des Glücks und des Heils nicht übersieht.

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen

Achteck, Kreis, Quadrat.
Raumbildend durch Mauerreste und Stahlkörper. Spiegelbildlich einander gegenüber stehend, zusammen ein Ganzes bildend. Öffnungen frei lassend.

Eine Einladung, um sich auf das Kunstwerk einzulassen? Nicht nur intellektuell, sondern physisch, ganzheitlich, erfahrungsbezogen! Das Kunstwerk lädt mich ein, es durch mich zu erfahren.

Ich kann mich nur von außen nähern. Ich kann überschreiten oder durchschreiten. Beim Überschreiten der Elemente verwehrt sich das Kunstwerk mir und ich erfahre mich als Eindringling. Im Durchschreiten der schmalen Öffnungen fühle ich mich auf dem rechten Weg und gleich von der Mitte angezogen. Die Gassen bilden eine leere Kreuzform, die mich zur Mitte führt, wenn ich nicht in einen der beiden Umgänge einschwenke. Will ich der Mitte nicht fern bleiben, muss ich mich entscheiden, in einer der Gassen auf sie zu zugehen.

Und dann stehe ich in der Mitte, dem durch die drei geometrischen Grundformen archaisch geheiligten leeren Raum. Achteck, Kreis und Quadrat nun nicht mehr vor mir, sondern um mich herum. Ich spüre, wie dicht diese leere Mitte schon erfüllt war. Da war nicht „nichts“, sondern erfüllte Gegenwart des Unsichtbaren.

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen! Denn da ist Einer, der unsichtbar alles am Leben erhält und dadurch in der Mitte von allem Geschaffenen steht und es zusammenhält. Das Quadrat in der Mitte kann symbolisch für die Welt stehen, der Kreis für die sie umgebende und beschützende göttliche Gegenwart, das Achteck für die Taufe, die von der Kirche veranlasste Rück- und Verbindung der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt Gottes.

Quadrat, Kreis und Achteck können auch für verschiedene „Lebenswelten”, verschiedene Verhalten von uns Menschen stehen. Für das Eckige oder Runde in uns, das Abweisende oder Zulassende. Die Materialien der Installation sprechen Gegensätzlichkeiten an, die ich beide in mir wiederfinde. Die Tonsteine lassen die warme, lebendige Seite in mir anklingen, aber auch die Bruchstücke meines Lebens, die durch alle Lebenslagen hindurch trotz ihrer Zerbrechlichkeit eine schöne Gestalt ergeben. Der kühle, glatte und fast schwarze Stahl erinnert mich an die Lebensseiten (-zeiten), in denen die Leidenschaft erkaltet ist, in denen vielleicht durch Enttäuschungen, Angst oder Verletzungen Verhärtungen entstanden sind. Während ich Wesenszüge unter der „kalten Schulter“ verstecke, können andere sich an den harten Kanten verletzen. Meine Stahlseiten sind wohl belastbarer und dauerhafter als die offenherzige Seite, aber sie lassen auch weniger Leben – Einblicke und Austausch – zu.
Die Rauminstallation von Frau Dietz beginnt in seiner ganzen Einfachheit viele Fragen zu stellen. Einige seien nur angedeutet: Wie komme ich mit den so verschiedenen Seiten in mir klar? Kann ich Zu- und Ausgänge in mir zulassen, Freiräume respektieren, damit ER Platz hat? Es ergeht mir plötzlich wie in einem Labyrinth. Im Eingehen “auf“ das Kunstwerk bin ich in mich selbst gegangen – und habe vieles über mich erfahren.