zu gast mahl

Ein dreifacher Dreiklang klingt durch das von geometrischen Formen geprägte Bild. Farblich ertönt er durch den gelben Hintergrund, die dunklen Balken und die roten Dreiecke. Formal finden sich Quadrat, Rechteck und Dreieck wieder und jedes Element ist mehr oder weniger mit der Zahl Drei verbunden.

Ein warmes Gelb bildet den haltgebenden Rahmen für die nach innen und nach unten führenden farblichen Abstufungen, die im zentralen Freiraum des Quadrates ihre Ruhe finden. Diese „Mitte“ befindet sich über dem von links eingerückten waagrechten schwarzblauen Rechteck, welches die Basis für diese unsichtbare Gegenwart darstellt.

Die vertikalen Rechtecke sind schlanker und länger geformt als die Basis. Aber die gleiche Fläche und Farbe verbindet die drei Rechtecke und lässt eine von der linken Seite der liegenden Form ausgehende und über das äußere Rechteck aufsteigende Bewegung entstehen, die am oberen Ende des erhöhten und genau in der senkrechten Bildmitte angeordneten Rechtecks endet.

So überlagert sich die absteigende Bewegung der gelben Elemente mit der aufsteigenden Bewegung der dunkelblauen Elemente. Gleichsam als Symbol für diese Begegnung können die beiden roten Dreiecke gesehen werden, die sich auf der linken Seite des Quadrates mit der rechtwinkligen Spitze berühren. Das große Dreieck zeigt nach unten, das kleine Dreieck nach oben. Zusammen bilden sie eine stilisierte Kelchform, die neben der „freien Mitte“ über dem altarähnlichen Rechteck schwebt. Der Künstler erweist damit eine Referenz an die „Dreifaltigkeitsikone“ von Andrei Rubljow und weitet gleichzeitig die Symbolik der beiden Dreiecke, so dass sie auch als lebendiges Miteinander von Himmel und Erde oder als herzliche Zuneigung von Gott und Mensch gesehen werden können.

Die dreistufige Lichtmanifestation erinnert in Verbindung mit den drei tiefdunkelblauen Figuren und dem roten Kelch an Abrahams Begegnung mit Gott bei den Eichen von Mamre (vgl. Gen 18,1-15). In der „Hitze des Tages“ hat er in den drei Männern Gott erkannt und ihnen ein Gastmahl bereitet. In der Symbolik des modernen Meditationsbildes schwingt der Geist und die Bewegung dieser einzigartigen Begegnung mit: Im mehrfachen Dreiklang atmend, Gottes Anwesenheit und Abwesenheit gleichzeitig vergegenwärtigend (vgl. Jer 23,23), sie offenbarend im Licht und im Kelch, sie partiell verdeckend und verhüllend durch die schwarzblauen Rechtecke bzw. sie verbergend im unergründlichen Dunkel des Nachtblaus selbst.

Werke von Thomas Lauer waren bis zum 18. Oktober 2020 in der “Kunst am Berg”-Ausstellung “Wann reißt der Himmel auf?” in der Feldbergkirche zu sehen.

Fortschritt

Ein Mensch – tendenziell eine Frau – verlässt mit einem großen Schritt eine quadratische Platte. Sie trägt einen langen Mantel mit großen Taschen und einem breiten Kragen gegen die Nässe. Einzig der mit krausem Haar bedeckte Kopf ragt ungeschützt und andersförmig aus der geradezu geometrisch geformten Gestalt heraus. Obwohl der Blick nach innen gerichtet ist, deutet die Kopfhaltung eine Sicht in die Ferne.

Es ist spürbar, dass etwas Fernes diesen Menschen aus seinem gewohnten Bereich herausholt und ihn bewusst den Schritt ins Niemandsland machen lässt. Was dem einen ein Wagnis, ist dem anderen ein ganz normales Bedürfnis. Neuland beschreiten, neue, unsichtbare Wege gehen. Wege sind zuerst immer ein Weggehen, ein Verlassen des Bekannten, Vertrauten und Gewohnten, vielleicht sogar der Heimat. Etwas Verlassen bedeutet zuerst immer einmal in die Fremde ziehen und zu einem Fremden zu werden.

Die quadratische Platte deutet das Verlassen der Erdenbühne an. Es sieht wie ein Übergang ins Nichts, ins Niemandsland, ins Ungewisse aus. Doch in der menschlichen Gestalt ist eine innere Gewissheit zu spüren, diesen Schritt gehen zu müssen. Aufrecht geht sie den Schritt von der sichtbaren Welt in die unsichtbare Welt. Dieser alles verändernde Schritt ist bei ihr nicht mit Angst oder einem Zögern verbunden, sondern mit einer geheimnisvollen Gelassenheit und Selbstverständlichkeit.

Es muss nicht immer der letzte Schritt sein. Wer sich weiterentwickeln will, muss Fort-Schritte machen. Wer Neues kennenlernen will, muss seinen Blick visionär auf das Zukünftige ausrichten. Er oder sie muss bereit sein, lieb gewonnenes zurückzulassen bzw. es als verinnerlichte Erfahrungen, eben Erinnerungen und Beziehungen, mit auf die Reise zu nehmen. Ohne Rucksack, ohne Gepäck oder Proviant. Es geht um mehr. Es geht um die Reise in das unfassbare Jenseits. Es ist kein Schritt ins Nichts, sondern in die unendliche Weite Gottes. Seine unsichtbare Gegenwart hält die Gestalt aufrecht, sein Geist führt.

Die schreitende Gestalt erinnert an die Weisung Gottes an Abram: „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen. Da ging Abram, wie der Herr ihm gesagt hatte.“ (Gen 12,1-4a)

Auch hier ist der Fortschritt eine positiv bewertete Weiterentwicklung, ein innovativer, also erneuernder Prozess, der mit Gottes Hilfe das Leben in einer neuen Dimension erleben lässt.

Unter dem Ausstellungstitel “bewegt, beflügelt, bewahrt” waren Werke von Annette Zappe in natura vom 05.06. – 13.09.2020 im Münster und im Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn ausgeststellt.  >>> Flyer

zu Gott führen

Das Gesicht eines alten Mannes begegnet uns in der Mitte des Bildes. Hell tauchen von unten nach oben immer breiter werdend sein Kinn, seine Nase, seine Augen, seine Stirn und vor allem sein Turban aus dem blauen Farbenspiel auf. Übergroß erscheint das Gesicht inmitten der vielen Menschen, die von unten her aus dem Dunkel zum Licht aufzusteigen scheinen. Ob dieser Mann für sie eine zentrale Bedeutung einnimmt?

Der Turban lässt vermuten, dass der Mann aus dem Mittleren Osten stammt oder wegen der Herkunft der Künstlerin sogar aus Afghanistan. Mit großen Augen blickt er aus dem Bild heraus, fragend, durchdringend, Zeit und Raum überwindend. Wer ist der Mann mit diesem geheimnisvollen Blick? Er mutet wie eine charismatische Führerpersönlichkeit an, inmitten der vielen Leute wie ein Menschensammler oder -fischer.

Da Blau die dominierende Farbe der Menschenmenge zwischen Schwarz und Weiß ist, könnte sie symbolisch für den Glauben und die Treue stehen. Die von unten nach oben aufsteigenden Menschen würden also Menschen darstellen, die zum Glauben kommen und ihm bis ans Lebensende treu bleiben. Davon ausgehend lässt sich in dem Männergesicht Abraham sehen, dem Gott eine Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sterne am Himmel verheißen hat (Gen 15,5). Weil er geglaubt hat, sind viele durch ihn zum Glauben gelangt und wird er „Vater des Glaubens“ genannt (Mt 3,9). Denn „Abraham glaubte Gott und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Erkennt also: Die aus dem Glauben leben, sind Söhne Abrahams.“ (Gal 4,6-7)

Das Gesicht könnte aber auch dasjenige von Moses sein, der sein Volk durch das Rote Meer aus der Gefangenschaft bei den Ägyptern in die Freiheit geführt hat. Die blaue Farbe stünde dann für das Meer zu beiden Seiten des durchziehenden Volkes.

Nochmals einige Generationen später könnte das Gesicht auch Jesus gehören. Auch er vermochte aus seiner innigen Verbindung mit dem Vater heraus zu seiner Zeit und bis heute unzählige Menschen für den Glauben an Gott zu begeistern und ihnen einen Weg zu weisen in eine lebendige Gemeinschaft mit ihm. In Bezug auf Jesus könnte die blaue Farbe auch für die Taufe stehen, für das Mit-Jesus-Sterben und -Auferstehen zum neuen ewigen Leben.

Wem auch immer dieses Gesicht gehört, es mag uns Betrachtern Ansporn sein, transparent auf Gott hin zu sein, eben ein Mann oder eine Frau Gottes. Dies ist eine Art und Weise, in der sich Gott in unserer Zeit offenbart und Menschen Gott in ihrer Nähe erleben können, in ihrem Leben, hier und jetzt.

Das Geheimnis verhüllt andeuten

Fastentücher verhüllen in den Kirchen von alters her die Hochaltäre und damit das Allerheiligste. Im übertragenen Sinn nehmen sie die Sicht auf Gott und machen den Gläubigen zunächst mal haltlos, weil ihm die vertrauten Anhaltspunkte und -bilder genommen worden sind. Damit wird der Gläubige wieder zu einem Suchenden. Zu einem Suchenden nach Anhaltspunkten und Zeichen der Gegenwart Gottes. Durch das Bilderfasten rückt das Gewohnte vorübergehend in den Hintergrund und macht den Blick frei für Neues, für noch nicht da Gewesenes, ja sogar nie da Gewesenes. So trägt das Verhüllen durch Tücher dazu bei, seinen Glauben zu prüfen und Gott als Suchender neu in seinem Leben zu entdecken und zu erfahren.

Das Fastentuch von Lisa Huber beeindruckt durch seine Größe und helle Erscheinung (Gesamtansicht im Dom Klagenfurt). In der Mitte sind in elf Dreierreihen 33 gleich große Rechtecke aufgenäht. Sie beinhalten grafische Zeichnungen, die sich durch ihre abstrakten Linien und Flächen zur freien Interpretation anbieten. Links und rechts werden sie von drei hochformatigen Stofffeldern flankiert, die in ihrer Liniensprache ebenso mehr andeuten als definieren. Und doch verweist das Feld oben links auf König David, der als Psalmendichter oft mit der Harfe dargestellt wird. Unten links wird Abraham als der Stammvater der drei monotheistischen Religionen gezeigt, wie er sich über seinen liegenden Sohn Isaak beugt und ihn Gott opfern will. Im rechten Feld weisen beschwingte Linien auf Jakobs Kampf mit dem Engel hin. Im singulären Rechteck unten rechts sind hingegen Zitate des ersten und letzten Verses von Psalm 90 in der Rosenberg-Buber-Übersetzung zu sehen: „Mein Herr, du bist, du Hag uns gewesen in Geschlecht um Geschlecht. Das Tun unsrer Hände richte auf über uns, das Tun unsrer Hände, richte es auf.“ Diese 37 Applikationen heben sich durch ihre weiße Farbe vom blau-grauen Hintergrund ab, auf dem sich breitere Linien in zartem Rosa abzeichnen. Zwischen den 33 Bildfeldern sind zudem waagrechte und senkrechte rote Fäden zu erkennen, die am unteren Ende auf dem Boden in zwei Häufchen auslaufen.

Mit diesen vielen Andeutungen wird dem gläubigen Betrachter ein Weg zu Gott angeboten, auf dem er immer wieder Neues über Gott entdecken kann. So lässt die Zahl der 33 zentralen Bildelemente an die vermutete Lebenszeit Jesu denken, gleichzeitig steht sie für Vollkommenheit, für die Fülle des Lebens. Die roten Fäden, die zwischen den Feldern hindurch zum Boden führen, wirken wie Blutgerinnsel und erinnern das am Kreuz vergossene Blut Jesu, das sich am Boden sammelt. Als drittes Element verweisen die rosafarbenen Linien, die im Hintergrund durchschimmern, auf Jesus und sagen mit dem Alpha und dem Omega, dass er der Anfang und die Vollendung alles Geschaffenen ist (vgl. Offb 21,6). Das Omega ist mit seinen Rundungen gut erkennbar, das Alpha ist schmaler geformt und im oberen Teil erhöht. Sie werden erst in der österlichen Zeit, wenn das Tuch gedreht wird, zusammen mit den herunterhängenden „Fäden des Lebens“ vollständig sichtbar werden. Auf dem blauen Stoff der Rückseite, der symbolisch das Wasser des Lebens, die Taufe und damit verbundenen Heilszusagen darstellt, bringen die Silberfäden die Anknüpfungspunkte und Verbindungen zum Alpha und Omega zum Ausdruck, die „Re-ligio“ der auf seinen Namen Getauften (Silberfäden).

Mit den Darstellungen zu Abraham, Jakob und David kommt weiter der gelebte Glauben von drei Persönlichkeiten des ersten Testaments zur Sprache. Sie erzählen vom Glauben an die Führung Gottes, vom handfesten Kampf mit Gott und seinen Folgen als auch von der Zwiesprache mit Gott in Psalmen und Gebeten. Die drei glaubensstarken Männer lassen spüren, dass Gott nah ist und überraschend konkret erlebbar sein kann.

Die Darstellungen auf den 33 zentralen Feldern bilden dazu eine Art Kontrastprogramm, obwohl sie vom Psalm 90 inspiriert sind und auf ihn verweisen. In dem Mose zugeschriebenen Psalm bringt der Beter die Vergänglichkeit des Menschen vor Gott zur Sprache. Im ersten Teil macht er dies anklagend (V. 3-10), dann um Zuwendung, Huld und Gnade bittend (V. 13-17), damit wenigstens das Werk der Hände gedeihen möge. Doch die Darstellungen sind so abstrakt, dass sie sich dem Betrachter auf der Suche nach Gott fürs Erste rätselhaft und sperrig in den Weg stellen. Wohl mag man neben Davids Harfe eine Strichliste erkennen, die an das Zählen erinnert, vielleicht an die im Psalm 90 angesprochenen Lebensjahre . Alle anderen Felder erfordern jedoch einen persönlichen Zugang, der durch Parallelen zu Erlebnissen im eigenen Leben entsteht. Durch die leeren Felder mag man so auf Zeiten der Leere oder von Abwesenheiten stoßen. Die verschiedenen Zeichen dagegen können wie verdichtete Sinnbilder Situationen aus unserem Leben in Erinnerung rufen und sie vor Gott bringen. Gegebenheiten und Erlebnisse, die wir in ihrer Komplexität an Eindrücken und Gefühlen vielleicht selbst nicht richtig in Worte zu fassen vermögen.

So lädt das Fastentuch zum Verweilen vor Gott und zum Darbringen unseres eigenen Lebens ein. Inmitten des Betens und Glaubens großer Vorbilder lädt es zur geistigen Schau des Lebens Jesu als auch des eigenen Lebens ein, um in den rätselhaften Erinnerungsfragmenten die geheimnisvolle Gegenwart Gottes und die Fülle seiner Liebe zu entdecken.

Abraham

Einsam stünde dieser Mensch in der leeren Wüsten- oder Steppenlandschaft, wäre ihm am Himmel nicht der Mond zugewandt und ginge am Boden nicht ein Flammenteppich von ihm aus, würde er nicht links und rechts von Symbolen flankiert.

Geerdet ragt dieser Mensch mit seiner aufrechten Haltung in den Himmel hinein. Doch sein Geist scheint von den himmlischen Sphären derart berührt und inspiriert, dass er sich in der Weite der Landschaft nicht mehr allein erfährt. Da ist ein Du, das ihn wie der blau-rote Mantel umgibt und segnet. Ein personales Du, das zu ihm spricht und ihm das Potential eines Weizenkorns offenbart. Ein Du, das ihn mit Leben erfüllt und wie ein brennendes Feuer führt.

Er scheint in Gedanken versunken vorwärtszuschreiten. Was er in der Begegnung mit seinem Gott erfahren hat, bewegt ihn vom Kopf übers Herz bis zu den Füssen und weist ihm seinen Weg. Vielleicht denkt er gerade über die Verheißung nach, dass er, der Kinderlose, Vater einer unzählig großen Menschenmenge werden wird. Ob das Flammenmotiv zu seinen Füßen auf diese Vielzahl hinweisen will? Wie ein Feuer breitet es sich, von ihm ausgehend, wegweisend vor ihm aus. Unwillkürlich mag der eine oder andere auch an den brennenden Dornbusch denken, in dem sich der gleiche Gott in einer anderen Zeit dem Moses in der Wüste offenbart und erfahrbar gemacht hat.

Abraham hat der Zusage Gottes Vertrauen geschenkt, trotz des Unfassbaren. Er hat das Gehörte als Wahrheit geglaubt und danach gehandelt. Das hat ihn zum Vater aller Glaubenden gemacht und lässt die Vertreter der drei großen monotheistischen Religionen sich auf ihn berufen. Deshalb steht er im Bild in der Mitte von Menora, Halbmond und Kreuz, der Symbole für das Judentum, den Islam und die Christenheit. Er schreitet vor dem nächtlichen Himmel, der als Zeichen für Gott gedeutet werden darf, der ihn gesandt hat, im Vertrauen zu gehen.

Abraham schreitet auch vor unseren Augen – als Vorbild des Glaubens und als Gesegneter mit einer großen Ausstrahlung. Umgeben von den Symbolen der drei großen monotheistischen Weltreligionen, ihre Glaubensgemeinschaften und -traditionen gleichsam im Rücken habend, scheint er uns zu ermutigen, auch in der heutigen Zeit, ja heute – im Hören und Vertrauen auf Gottes Stimme in uns – aufzubrechen, uns von alten Bindungen zu lösen und unseren Weg in die Zukunft zu gehen. Um unsererseits zu einem Glaubenszeugen für Gott und einem Segen für eine Vielzahl von Menschen zu werden.