Christi Himmelfahrt und das Pfingstereignis stehen zeitlich und inhaltlich nahe. Jesus kehrt zum Vater heim, der Heilige Geist wird wie angekündigt gesandt (vgl. Joh 15,26). Die entstandene Leerstelle füllt der Heilige Geist durch seine Präsenz.
Im Bild von Christi Himmelfahrt bildet eine Gruppe von zwölf Personen einen Bogen um ein atmosphärisches Lichtereignis, das sie übersteigt. Staunend und emotional betroffen stehen die Menschen mit erhobenen Armen und einander zugewandt da. Eben noch hat der Auferstandene sie gesegnet und schon wurde er vor ihren Augen zum Himmel emporgehoben (Lk 24,50f). Die am unteren Bildrand stehende Gruppe und die auffällig unterschiedlichen, mit Sand vermengten Gewandfarben lassen uns die Jünger Jesu als erdbezogene Individuen sehen, die traurig und befangen auf sich selbst und ihre kleine Gemeinschaft bezogen sind.
Die bunte Gruppe bildet eine Art Mauer, welche dem Betrachter zu sehen verwehrt, was sie selbst sahen. Das Wie und Wohin bleibt ein Geheimnis. Der Maler übersetzt das Gehen Jesu mit einer warmen, lichtdurchwirkten Wolke in ihrer Mitte. Sie ist der hellste Bereich im Bild und deutet damit verhüllt seine Gegenwart an. In ihrer Größe klingt das Emporgehoben-Werden an, bei längerer Betrachtung meint man seine ausgebreiteten und segnenden Arme und Hände zu erkennen. Durch die ohne Sand gemalte Wolke hat der Künstler die irdische Gestalt Jesu gleichsam entmaterialisiert ins Geistige gehoben. Zarte Blautöne deuten darüber auf den Himmel, in den er aufgenommen wurde.
Als Gegensatz zur vereinsamten Personengruppe, die am unteren Bildrand zurückgelassen wurde, sprengt die bis an den oberen Bildrand hochgezogene Menschenmenge auf dem Pfingstbild das begrenzende Format. Der Kreis der Jünger ist zu einer großen, sich um das Geistereignis kreisförmig scharenden Gemeinschaft geworden, bei dem sich Farben und Formen, Himmel und Erde, Oben und Unten in einem grenzenlosen Gewebe auflösen. Mitten in dieser unzählbar großen Ansammlung von Menschen manifestiert und offenbart sich etwas Neues und genauso unfassbar Großes wie die Volksmenge. In Form einer Mandorla und doch feingliedrig wie jeder einzelne dargestellte Kopf offenbart sich Gott im Heiligen Geist in der Mitte der Anwesenden und durch sie in der Mitte aller Menschen und allen Lebens.
Der Heilige Geist ist nunmehr die Form der Anwesenheit Gottes in der Welt (vgl. Joh 16,7). Pfingsten wird als das Ereignis dargestellt, in dem Gottes Geist die versammelte Gemeinde und in der Folge alle Menschen erfasst. Dadurch wird der exklusive Kreis der Adressaten erstmals auf ALLE ausgeweitet. Diese durch den Heiligen Geist bewirkte Verbundenheit und Einheit erhält in der gelb-roten Farbe, in der alle Menschen gemalt sind, ihre Gestalt. Gottes Geist brennt in den Menschen und lässt sie Feuer und Flamme für Gott sein. Durch den Heiligen Geist wird Gott auch nach der Himmelfahrt Jesu für uns und alle Zeit hörbar und erfahrbar.