Begnadeter Ein-Klang

Gott zu loben und zu preisen muss König Davids zweite Natur gewesen sein. Von den gut 150 biblischen Psalmen werden knapp die Hälfte ihm zugeschrieben. In einem einfachen roten Gewand und einer Krone auf dem Kopf spielt er mit erhobenen Händen auf der geschulterten Harfe. Barfuß steht er im nächtlichen Mondschein vor Gott, demütig alles von Ihm erwartend. Er weiß als Geliebter Gottes (David bedeutet im Hebräischen: Geliebter), dass sein Königtum unverdient, reine Gnade, Geschenk ist.

Erich Schickling hat David als einen von Gott Ergriffenen, mit seinem Geist Beseelten, Beschenkten und Gesalbten dargestellt, der als Auserwählter nicht anders kann als in Seinem Auftrag zu handeln und Ihn zu verkünden.

Feuerszungen fallen hinter David vom Himmel, die Linien bis in die Beine fortführend, die Arme emporhebend, das Instrument ins Licht haltend, damit das Licht selbst die Saiten zum Klingen bringe im Einklang mit dem menschlichen Handeln. Der Mensch im Einklang mit Gott wird ganz durchsichtig auf Ihn und Er wiederum für uns Menschen. So geht ein sonnengleiches Leuchten von diesem Harfenspiel aus, eine Ausstrahlung mit großer Verwandlungskraft. David selbst ist das beste Beispiel dafür: sein rotes Kleid ist Ausdruck der Kraft Gottes, in der er selbst Feuer und Flamme für Gott ist.

„David weiß sich von der Melodie des Lebens, von Freude und Leid gleichermaßen geführt und getragen. Und er muß singen und danken und musizieren! Selbst als er in Sünde fällt, tief bereut und seinen ersten Sohn verliert, weil er sich die Bathscheba (hebräisch: „Tochter der Sieben“, d.h. Tochter der Schöpfung) genommen und deren Mann Uriach in den Tod geschickt hat, hört er nicht auf, Gott zu preisen. Und Gott schenkt ihm den Sohn Salomo, dessen Name heißt: der Vollkommene, der Friedensbringer.“ (Erich Schickling)

So wie der Anblick der „sehr schönen“ Batseba  (vgl. 2 Sam 11; 12,24) das Leben von David tiefgreifend verändert hat, geschah es auch mit der unerwarteten Salbung durch den Propheten Samuel. Schickling hat das Ereignis als drittes wichtiges Momentum im Leben Davids neben ihm im Hintergrund dargestellt. „Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn! Denn er ist es. Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David …“ (1 Sam 16,12f) Der von Gott geführte und deshalb rot gekleidete Samuel gießt das Öl über dem knienden und mit gekreuzten Armen seine Demut zeigenden David aus. Schafe deuten an, dass er von der Herde weg zu einer größeren Hirtentätigkeit berufen wurde. Schickling hat die Szene unter einen Baum wie in einer Grotte verortet, dessen Krone wie die Finger einer schützenden Hand über dem Geschehen wirkt: „Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.“ (1 Sam 16,13)

Erich Schickling hat die herausragende Gestalt nicht nur in bildfüllender Größe dargestellt, sondern auch als Menschen, der in der Gnade Gottes über sich hinauswachsen durfte zu einem ganz besonderen Menschen auf dieser Erde. So fließt der gelbe Lichtstrom der Gnade von Gott-Sonne-Mond aus über die „Segenshand“, das Horn und das Öl durch den knienden David und entfaltet als Spur seiner Schritte links unten auf dem Erdenrund, auf dem er steht, als auch im Handeln im Einklang mit Gott seine Wirkung. Die Gnade gemäß Gottes Wort „kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.“ (Jes 55,11)

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinen Namen.
Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
(GL 400, EG 272)

 

In der Zusammenschau dieses Hinterglasbildes mit Texten von und über Erich Schickling lässt sich erahnen, wie sehr sich auch der Künstler als Berufener, im Auftrag Gottes Stehender verstand. Deshalb gleich einem Nachklang folgende Zitate:

„Denn trotz seines Brennens für die Malerei in ihrer ganzen Sinneshaftigkeit und seines immensen Fleißes war eine „L‘art pour l‘art“ Erich Schicklings Sache nicht. Ihm ging es um den Inhalt, er hatte eine Botschaft. Und die wollte, ja musste er mit anderen teilen. Der hat er sich selbst unterstellt. Und dafür wollte er sich von den größten Geistern seiner Zeit wachrütteln lassen, diesen Hunger nach Erkenntnis zu nähren, nach oben zu blicken, sich am Wahrhaften und Göttlichen abzuarbeiten, dies war sein immerwährender Antrieb: im Malen, im Pflanzen, im Bauen, im Sprechen.“ (Ulrike Meyer, Katalog 5, S. 5)

„Wer immer ES begegnet, wird auf einen Menschen treffen, der in ungewöhnlicher Weise erfüllt ist vom Mysterium des Glaubens, dem Wunder der Schöpfung, dessen Herz davon voll ist und dessen Mund davon überfließt.“ (Lydia Maidl, Katalog 5, S. 8)

Seine Bilder seien „nicht ersonnen, nicht geschaffen, nicht komponiert, vielmehr ihm geschenkt worden“, pflegte Erich Schickling zu sagen. (Katalog 5, S. 32)

Link zur Erich-Schickling-Stiftung bei Ottobeuren im Allgäu

Das Geheimnis verhüllt andeuten

Fastentücher verhüllen in den Kirchen von alters her die Hochaltäre und damit das Allerheiligste. Im übertragenen Sinn nehmen sie die Sicht auf Gott und machen den Gläubigen zunächst mal haltlos, weil ihm die vertrauten Anhaltspunkte und -bilder genommen worden sind. Damit wird der Gläubige wieder zu einem Suchenden. Zu einem Suchenden nach Anhaltspunkten und Zeichen der Gegenwart Gottes. Durch das Bilderfasten rückt das Gewohnte vorübergehend in den Hintergrund und macht den Blick frei für Neues, für noch nicht da Gewesenes, ja sogar nie da Gewesenes. So trägt das Verhüllen durch Tücher dazu bei, seinen Glauben zu prüfen und Gott als Suchender neu in seinem Leben zu entdecken und zu erfahren.

Das Fastentuch von Lisa Huber beeindruckt durch seine Größe und helle Erscheinung (Gesamtansicht im Dom Klagenfurt). In der Mitte sind in elf Dreierreihen 33 gleich große Rechtecke aufgenäht. Sie beinhalten grafische Zeichnungen, die sich durch ihre abstrakten Linien und Flächen zur freien Interpretation anbieten. Links und rechts werden sie von drei hochformatigen Stofffeldern flankiert, die in ihrer Liniensprache ebenso mehr andeuten als definieren. Und doch verweist das Feld oben links auf König David, der als Psalmendichter oft mit der Harfe dargestellt wird. Unten links wird Abraham als der Stammvater der drei monotheistischen Religionen gezeigt, wie er sich über seinen liegenden Sohn Isaak beugt und ihn Gott opfern will. Im rechten Feld weisen beschwingte Linien auf Jakobs Kampf mit dem Engel hin. Im singulären Rechteck unten rechts sind hingegen Zitate des ersten und letzten Verses von Psalm 90 in der Rosenberg-Buber-Übersetzung zu sehen: „Mein Herr, du bist, du Hag uns gewesen in Geschlecht um Geschlecht. Das Tun unsrer Hände richte auf über uns, das Tun unsrer Hände, richte es auf.“ Diese 37 Applikationen heben sich durch ihre weiße Farbe vom blau-grauen Hintergrund ab, auf dem sich breitere Linien in zartem Rosa abzeichnen. Zwischen den 33 Bildfeldern sind zudem waagrechte und senkrechte rote Fäden zu erkennen, die am unteren Ende auf dem Boden in zwei Häufchen auslaufen.

Mit diesen vielen Andeutungen wird dem gläubigen Betrachter ein Weg zu Gott angeboten, auf dem er immer wieder Neues über Gott entdecken kann. So lässt die Zahl der 33 zentralen Bildelemente an die vermutete Lebenszeit Jesu denken, gleichzeitig steht sie für Vollkommenheit, für die Fülle des Lebens. Die roten Fäden, die zwischen den Feldern hindurch zum Boden führen, wirken wie Blutgerinnsel und erinnern das am Kreuz vergossene Blut Jesu, das sich am Boden sammelt. Als drittes Element verweisen die rosafarbenen Linien, die im Hintergrund durchschimmern, auf Jesus und sagen mit dem Alpha und dem Omega, dass er der Anfang und die Vollendung alles Geschaffenen ist (vgl. Offb 21,6). Das Omega ist mit seinen Rundungen gut erkennbar, das Alpha ist schmaler geformt und im oberen Teil erhöht. Sie werden erst in der österlichen Zeit, wenn das Tuch gedreht wird, zusammen mit den herunterhängenden „Fäden des Lebens“ vollständig sichtbar werden. Auf dem blauen Stoff der Rückseite, der symbolisch das Wasser des Lebens, die Taufe und damit verbundenen Heilszusagen darstellt, bringen die Silberfäden die Anknüpfungspunkte und Verbindungen zum Alpha und Omega zum Ausdruck, die „Re-ligio“ der auf seinen Namen Getauften (Silberfäden).

Mit den Darstellungen zu Abraham, Jakob und David kommt weiter der gelebte Glauben von drei Persönlichkeiten des ersten Testaments zur Sprache. Sie erzählen vom Glauben an die Führung Gottes, vom handfesten Kampf mit Gott und seinen Folgen als auch von der Zwiesprache mit Gott in Psalmen und Gebeten. Die drei glaubensstarken Männer lassen spüren, dass Gott nah ist und überraschend konkret erlebbar sein kann.

Die Darstellungen auf den 33 zentralen Feldern bilden dazu eine Art Kontrastprogramm, obwohl sie vom Psalm 90 inspiriert sind und auf ihn verweisen. In dem Mose zugeschriebenen Psalm bringt der Beter die Vergänglichkeit des Menschen vor Gott zur Sprache. Im ersten Teil macht er dies anklagend (V. 3-10), dann um Zuwendung, Huld und Gnade bittend (V. 13-17), damit wenigstens das Werk der Hände gedeihen möge. Doch die Darstellungen sind so abstrakt, dass sie sich dem Betrachter auf der Suche nach Gott fürs Erste rätselhaft und sperrig in den Weg stellen. Wohl mag man neben Davids Harfe eine Strichliste erkennen, die an das Zählen erinnert, vielleicht an die im Psalm 90 angesprochenen Lebensjahre . Alle anderen Felder erfordern jedoch einen persönlichen Zugang, der durch Parallelen zu Erlebnissen im eigenen Leben entsteht. Durch die leeren Felder mag man so auf Zeiten der Leere oder von Abwesenheiten stoßen. Die verschiedenen Zeichen dagegen können wie verdichtete Sinnbilder Situationen aus unserem Leben in Erinnerung rufen und sie vor Gott bringen. Gegebenheiten und Erlebnisse, die wir in ihrer Komplexität an Eindrücken und Gefühlen vielleicht selbst nicht richtig in Worte zu fassen vermögen.

So lädt das Fastentuch zum Verweilen vor Gott und zum Darbringen unseres eigenen Lebens ein. Inmitten des Betens und Glaubens großer Vorbilder lädt es zur geistigen Schau des Lebens Jesu als auch des eigenen Lebens ein, um in den rätselhaften Erinnerungsfragmenten die geheimnisvolle Gegenwart Gottes und die Fülle seiner Liebe zu entdecken.