Herbstlich leuchten die Farben rund um die knorrigen Stämme und Äste dieses Baumes. Die dichte Krone ist mehrheitlich noch grün, doch einzelne Bereiche haben sich bereits kastanienbraun und weinrot gefärbt. Am Boden finden sich die gleichen Farben in den heruntergefallenen Blättern wieder, angereichert mit den Gelb- und Orangetönen aus dem Zwischenbereich.
Denn zwischen und seitlich der Stämme flutet von hinten warmes, gelbes Licht in das Bild, die Silhouette der Hölzer hervorhebend, die Krone erhebend, die Blätter am Boden erleuchtend. Die Verwandlung lässt die beiden Bäume tanzen, so dass sie auch wie ein sich einander zuneigendes, sich umarmendes Paar wirken. Von innen her leuchtend, nach außen hin strahlend. Die innere Glut lässt sie zu einer Einheit werden und ungeachtet der gebogenen Stämme Stärke und Stabilität ausstrahlen.
Verborgen im Bild bleiben die Wurzeln, welche die Bäume mit Lebenskraft versorgen und ihnen Halt geben. Sie sind entscheidend für die Aufnahme der Lebenswerte aus der Umgebung: dem Boden, der Luft, der umstehenden Vegetation. Dynamisch fließt die Energie durch die bizarren Stämme von den Wurzeln in die Krone.
Durch den Titel „Wurzeln des Lebens“ stellen sich die Fragen nach unseren Wurzeln, welche das Leben im Ganzen, aber auch unser ganz individuelles Leben ausmachen. Auf welche Art und Weise nehmen wir neben dem täglichen Essen und Trinken Lebensmittel und -werte zu uns, welche uns aufblühen lassen, die unser Leben stark machen und mit denen wir anderen Halt geben können?
Es geht nicht nur um die Kraft- und Lebensquellen, sondern um die Fähigkeiten, zu diesen zu gelangen, sie für uns zu erschließen und sie in Lebensenergie zu wandeln. Als Verbindungen nach außen graben sich Wurzeln in den Untergrund oder in unbekannte Gebiete vor auf der Suche nach Nahrungsmitteln aller Art. Je besser der Baum oder das Lebewesen dann vernetzt ist, desto besser ist seine Lebensqualität in guten Zeiten und seine Überlebenschance in schlechten Zeiten.
Das tief zwischen den Stämmen durchbrechende Licht erinnert an die ersten Strahlen der kraftvollen Morgensonne, das als Schöpfungslicht den Tag vollends zum Leben erweckt. Es macht auf die immateriellen Werte aufmerksam, die wir zum Leben brauchen. So wie Jesus sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ (Mt 4,4) Sein Wort bringt Licht in unsere Dunkelheit, es ist Zuspruch, Halt, Freude, Leben und vieles mehr. Jedes gute Wort motiviert, stärkt, belebt, verbindet. Deshalb sollen wir unser Herz und unseren Geist für es offen halten und danach dürsten.
Die Bäume von Bernd Zimmer sind bis zum 27. Januar 2024 in der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Thomas in München zu sehen.