… dazwischen …

Ein erdfarbener Kreis aus feinster Asche markiert einen beachtenswerten Ort. In ihm findet sich der Fußabdruck eines Menschen. Es ist ein golden leuchtender Freiraum in der Wüste, eine kostbare Hinterlassenschaft, eine fast unvergängliche Spur inmitten der alles beherrschenden Endlichkeit im irdischen Kreislauf. Wie eine staubige Aura umgibt die Asche die beiden goldenen Fußabdrücke, die Zeugen einer königlichen Existenz, eines wunderbaren Lebens. Sie erinnern an die Vergänglichkeit unseres Menschseins, von dem nur Asche und Fußabdrücke übrigbleiben.

Die Gegenüberstellung von Asche und Fußabdrücken bildet ein memento mori und regt an, über den Tod hinauszudenken. Was werde ich der Nachwelt hinterlassen? Etwas Leuchtendes, zu Bewahrendes – oder etwas Verbranntes, Zerstörtes? Leben oder Tod? Wie auch immer hinterlassen wir mit unserem luxuriösen Lebensstil auf der Erde Fußabdrücke, Schritt für Schritt zerstörte Erde, ausgebeutete Natur, Asche!

War das unser Ziel? Glanz und Herrlichkeit auf Kosten der Mitmenschen und des die Erde bevölkernden Lebens? Quo vadis? Wo wollen wir hin in Zeiten des Klimawandels und der sich zuspitzenden Umweltzerstörung?

Umkehr tut Not, Umkehr, wie Jesus sie den Menschen zugerufen hat, die ihm nachfolgten: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Eine radikale Lebenswende, die sich auf der Grundlage des Glaubens an den dreieinigen Gott im praktischen Leben auswirken muss. Dass die Fußabdrücke vom Altar wegführen und nicht auf ihn zu, deutet auf die vollzogene Wende hin. Eine von Gott herbeigeführte und bewirkte Wandlung des Lebens, weil die meisten von uns aus eigener Kraft nicht fähig sind, sich demütig klein zu machen und auf die anderen und die Natur Rücksicht zu nehmen.

„Bedenke Mensch, dass du aus Staub bist und zu Staub zurückkehrst“ wird den Gläubigen bei der Zeichnung mit der Asche am Aschermittwoch zugesprochen. „Geburt, Tod, dazwischen“ nennt der Künstler sein Werk. Geburt und Tod liegen nicht in unserer Hand, aber das „Dazwischen“. Nutzen wir es! Denn so vergänglich es auch ist, dieses Dazwischen ist das Leben und der Glanz der Ewigkeit.

Geht es nicht das ganze Leben hindurch darum, für andere Leben zu sein, ihnen Lebenswerte zu vermitteln? Das, was das Leben einzigartig, besonders und kostbar macht? Ist es da nicht naheliegend, in Jesu Fußspuren zu treten, seinem Lebenswandel zu folgen und als Abbild von IHM in meiner Zeit Vorbild ewigen Lebens zu sein?

ASCHENGOLD

Immer gibts Asche, es brennt ja in der Welt, die Welt brennt.
Sie wird also Asche und was nicht brennt, fällt zu Staub.
Aus Staub ist der Mensch und wird wieder zu Staub.
Und verweht. Dann, irgendwann, wie eben Staub.
Selbst wenn er glänzte im Gold.
Er verstaubt und verascht, Tod wird nicht Gold.
Aus Asche wird niemals das Gold.
Goldleer auch jene vom Mensch.
Der ist dann wertlos, heißt es sehr schnell.
Auch wenn er viel galt zu seiner Zeit
und im Fleisch voller Geist.

Man sagt, er ist Asche und Staub. Trotz massenhaft Gold.

Aber vielleicht liegt in der Asche noch Gold?
Und man scharrt´s aus.
Und hat Gold.
Und hat dennoch verspielt.
Man hat ja nur zeitkurz das Gold: Nur bis Asche aus Tod.

Denn keiner ist Gold. Wer wär schon goldwert und goldlang?

Gold ist brandzäh. Es bleibt liegen im Brand,
es hält die Glut aus,
es übersteht und glänzt auf und gilt neu,
es ist nicht zur Asche verhitzt.
Nicht Asche das Gold.
Es zeigt Spuren von dem, was einst war, das zur Asche verdarb.
Es bleibt Gold.

Gold verascht nicht. Und vergeht doch, es verbleicht.
Am Ende ist Nichts. Auch Gold nicht mehr da.
Selber weg. Ohne Spur. Wie verzischt.

Weg? Alles weg? Selbst das Gold und sein Wert. Und der Mensch?
Mehr wert als jegliches Gold ist der Mensch, heißt es auch:
Der Mensch, der viel eher verglüht als das Gold:
Er gilt mehr. Er ist Mensch und er lebt. Der Mensch liebt.
Er macht was aus Gold. Und verascht doch. Der Mensch stirbt.
Er ist tot – wie auch Gold.
Er ist nicht einmal Gold. Asche ist er. Und Asche wird nicht zu Gold.
Gold hält viel aus und glänzt lang. Es ist aber tot und verliert mal den Wert.

Doch der goldleere, tote Mensch lebt. Er bleibt anders als Gold. Noch im Tod.
Er ersteht. Verwandelt ist er in GOTT. Er setzt Spuren in aschigen Staub:
Gottes Spuren und Bild und Realität.

(Josef Roßmaier)

Lebensträger

Sparsame Linien und Grautöne bringen die Oberfläche dieses Blattes leise zum Sprechen. Eine tiefe Ruhe liegt in zwei der angedeuteten Formen: dem menschlichen Kopf links und dem rechts neben, über und hinter ihm sich entfaltenden Rechteck, das durch die hauchzarte Lilatönung Weite andeutet und sich durch die auslaufende Farbe nach unten offen gibt. Seiner Darstellung nach ist der Kopf nach hinten geneigt. So ist er dem rechteckigen Feld zugewandt und erscheint in einem engen Austausch mit diesem Gegenüber, das durch seine Proportionen auch an ein Fenster oder eine Türe denken lässt, beides Raumöffnungen, durch die ein Austausch stattfindet zwischen Außen und Innen …

Kopf und Rechteck überlagernd und verbindend hat die Künstlerin als drittes Element langgezogene Kreise in die Komposition eingezeichnet. Ihre diagonale Anordnung auf Mundhöhe bringt Dynamik in die Komposition hinein. Damit wird eine intensive und lebendige Beziehung zwischen menschlichem Innen- und Außenraum suggeriert, wie sie etwa dem Atem zukommt. Aber auch dem Wort, dem Gedanken, der Empfindung …

Mit feinen Mitteln wird hier Existenzielles angesprochen. Der Mensch lebt nicht aus sich heraus, sondern im Austausch mit dem ihn umgebenden Licht, der Luft, der Wärme, dem Wasser, den Nahrungsmitteln, den umgebenden Menschen, ja der gesamten Natur. Diesbezüglich sind wir wie alle Geschöpfe abhängige Wesen, deren Leben sich auf einer sehr schmalen Basis bewegt. Wenn die Künstlerin der Arbeit den Titel “Das Wasser nimmt die Form des Wassers an“ gibt, schwingt etwas von dieser existenziellen Abhängigkeit mit. Im Gegensatz zum Aschekreuz am Aschermittwoch, das die Menschen zeichenhaft an ihre allzu gern verdrängte Vergänglichkeit erinnert, wird hier der Mensch als Lebensträger dargestellt, der zu dem wird, was er aus seiner Umgebung in sich aufnimmt. Beispielhaft wird durch die Künstlerin das Wasser angesprochen, das auch im Körper des Menschen seine Form beibehält. Und ebenso verändert und formt der Einzelne seine Umwelt, seine Mitmenschen.

Keine leichte Aufgabe. Die Unterscheidung zwischen dem, was gut tut, und dem, was uns schadet, ist beim undurchschaubaren Angebot schwer. Hat der angedeutete Mensch vielleicht deshalb den Kopf nach hinten geneigt, weil er sich erwartungs- und hoffnungsvoll Hilfe und Beistand erhofft?

Metapher zu Leben und Tod

Luftballone erinnern mit ihren leuchtenden Farben und ihrer Leichtigkeit an kindliche Freude und ausgelassenes Leben. Wir verbinden sie mit Jahrmarktstimmung oder einem Fest. Solche farbigen Luftballone während der Fastenzeit in einer Kirche anzutreffen, erscheint auf den ersten Blick deplatziert. Ob sie aus der Faschings- oder Karnevalszeit oder von einem Kindergottesdienst hängen geblieben sind? Auffallend viele violette Ballone verweisen allerdings auf die vorösterliche Zeit der Besinnung und Umkehr.

In wolkenähnlichen Gebilden hängen, ja schweben die Ballone über dem Altar und verdecken das barocke Hochaltarbild. Was für ein Kontrast zur bestehenden Einrichtung: Hier leuchtend bunte, dort gedämpfte Farben, die einen erfüllt Leichtigkeit, die anderen bodenständige Schwere. Die Luftigkeit steht im Gegensatz zum fassbaren Material des Hochaltars, ebenso sind den beiden die Zeit und damit die Vergänglichkeit ganz unterschiedlich eingeschrieben.

Die Ballone stechen ins Auge, fordern zur Betrachtung heraus. Noch sind sie prall mit Luft gefüllt, glänzen und leuchten verzaubert im Licht. Sie vermitteln das Bild von erfülltem Leben. Aus Erfahrung wissen wir, dass ein winziger Nadelstich oder eine Berührung dieses aufgeblasene Wunderwerk zum Platzen bringen kann. Dann ist die Luft weg – ein paar Plastikfetzen bleiben übrig. Im besseren Fall entweicht ihre Luft langsam, lässt die dünne Plastikhaut schrumpfen und Falten bilden. Der Ballon wird dadurch immer kleiner, seine Farben matter, er unansehnlicher.

Parallelen zum menschlichen Leben werden offensichtlich. Straffe Haut, glänzendes Aussehen sind auch bei uns ein Thema. Früher oder später durchziehen Falten die individuelle Schönheit und das sichtliche Nachlassen der Körperkräfte lässt das Alter spüren. Nach und nach bleibt die Luft weg, die Atemreserven für große Leistungen schwinden. Langsamtreten ist angesagt, Haushalten mit den verbleibenden Kräften. Nicht nur im Alter. Unsere Leistungsgesellschaft fordert von uns oft derart viel, dass wir uns bis zur Erschöpfung verausgaben.

Dann kann es uns wie den Ballonen gehen und wir machen die Erfahrung, dass unser Leben oft an einem seidenen Faden hängt. So bringen die vielfarbigen Luftballone auf ungewöhnliche Weise unsere zerbrechlichen und vergänglichen Lebensbedingungen ins Blickfeld. Im Verlauf der Fastenzeit zeigen sie verkürzt den Lebenslauf des erfüllten Lebens, dem zu Beginn noch große Sprünge möglich sind, dann jedoch immer mehr die Luft ausgeht. Die Installation macht klar, dass dies ein ganz individueller Prozess ist. Und sie betont durch ihre Platzierung im Chorbereich, dass Schrumpfen und Kleinwerden nicht nur Verlust bedeutet, sondern auch Gewinn. Denn nun entstehen Durchsichten auf das Dahinterliegende, das vorher Verborgene, den Hintergrund.

Einkehr-Impuls

Nur ein Stein, könnte man leichtfertig denken, wenn man den runden Stein von der Rückseite her in die Hand nimmt. Er wird aus irgendeinem Fluss stammen, durch dessen Wasser er rund geschliffen worden ist.

Von vorne gesehen offenbart sich der Stein aber als Kunstwerk – zum einen als künstlicher Stein, zum anderen als künstlerisch gestaltetes Werk: Denn in einer kreisförmigen Vertiefung liegt eine goldene Kugel. Bilder tauchen auf. Vergleiche werden angestellt. Ist es ein Auge oder etwa eine Muschel mit einer goldenen Perle?

Von der Skulptur geht etwas Behütendes, Beschützendes aus. Der weiße Stein erscheint in Bezug zur zentralen Kugel wie ein dicker Mantel, der die kostbare Mitte beschützt. Dieses Offenlegen des in der Steintiefe normalerweise Verborgenen macht das Besondere dieses Steins aus. Die Einsicht regt zum Nachdenken an. Die Skulptur ermöglicht Parallelen zu uns Menschen. Sie bringt Verborgenes zum Vorschein und Sehnsüchte zum Sprechen und lädt damit zum Besinnen auf die zentralen Werte in unserem Leben ein.

Durch die vielen Anforderungen und Aktivitäten des Alltags gerät das Ureigenste und damit Kostbarste schnell aus den Augen und aus dem Sinn. Wie bei Kalkablagerungen legt sich eine steinerne Schicht nach der anderen um unsere seelische Mitte und verhindert damit gleich einem Panzer, dass wir ihre Empfindungen wahrnehmen und hören.

Die große runde Vertiefung erinnert daran, dass wir regelmäßig Zeiten-Räume der Einkehr, des Zurückziehens und des Verzichts brauchen, in denen wir uns auf die Suche nach der persönlichen Mitte machen können. Durch die vielen Ablenkungen des Alltags sind wir (ohne Gegenmaßnahmen) unmerklich von ihr getrennt und damit uns selbst fremd geworden. Uns selbst, ja, aber auch dem göttlich Wertvollen, dem Goldenen, das still in jeder und jedem von uns schlummert.

Die goldene Mitte ermutigt und gibt Orientierung auf dem Weg der Wert-Schätzung der Lebens-Wichtigkeiten. Das Zeichen des künstlichen Steins mahnt uns, dass die schönen und selbst geschaffenen Bequemlichkeiten des Alltags das wirkliche Leben oft mehr behindern und lähmen als fördern. Der Verzicht auf sie öffnet neue Zugänge zu den Quellen des Lebens, lässt Wesentliches neu entdecken. Die Heilige Schrift mit den Gotteserfahrungen von Jesus und anderen Gläubigen vor und nach ihm kann bei dieser „Schatzsuche“ wertvolle und hilfreiche Anregungen vermitteln, damit wieder wesenstiefe und damit herzliche und nachhaltig beglückende Begegnungen möglich sind, die von Lebendigkeit nur so sprühen.

Erledigt! – Umkehr!

Zwischen hohen Wellen und Hochhäusern, zwischen dem Meer und einer Weltstadt liegt die große blaue Gestalt da. Mit dem langen Bart und der von Denkerfalten gezeichneten Stirn ist es ein älterer Mann. Er hält die Hand vor sein Gesicht, als wolle er nichts sehen. Er dreht der Stadt hinter sich so demonstrativ den Rücken zu, als wolle er von ihr nichts wissen.

Dabei heben ihn die Meereswogen, in denen sich sein Gesicht wiederholt spiegelt, förmlich zur Stadt hinauf – dorthin, wo sie sich am schwärzesten gibt. Dahinter und daneben weitere Quartiere dieser den ganzen oberen Bildraum einnehmenden Skyline. Mit ihren dicht gedrängten und zum Himmel ragenden Bürotürmen vermittelt sie den Eindruck einer endlosen Metropole, in der Karriere, Besitz und Kapital den ganzen Lebensraum einnehmen.

Durch den ungewöhnlich roten Himmel kommt eine frohe Morgenstimmung auf. Leuchten nicht einzelne Gebäude in der aufgehenden Sonne? Noch stehen die Hochhäuser hinter der blauen Gestalt im Schatten und vermitteln den Eindruck von verbrannten, verkohlten Häusern, aus denen jegliches Leben gewichen ist. Aber dahinter kündigt sich etwas Neues an, das der dem Meer zugewandte Mann nicht wahrhaben will, das ihn zornig klagend bewegt.

Nach dem ersten Fluchtversuch vor der großen Aufgabe, mit der Gott ihn betraut hatte, fand Jona sich im Bauch eines großen Fisches wieder. In der Isolationshaft auf dem Meeresgrund lernte er aus der Tiefe seiner Seele erneut mit Gott zu reden und seine Aufgabe anzunehmen: Wieder an Land verkündete er den Menschen von Ninive die Androhung der Vernichtung, weil sie sich von Unrecht und Schlechtigkeit leiten ließen. Doch die Bewohner von Ninive hörten auf Jona und kehrten um: Sie riefen ein Fasten aus und hüllten sich in Bußgewänder, um zu zeigen, dass sie einen neuen Weg beschreiten wollten. Daraufhin führte Gott die angekündigte Drohung nicht aus.

Mit der Figur des Jona aus einer norditalienischen Miniaturmalerei des 13. Jahrhunderts führt uns die Künstlerin einen verzweifelten und klagenden Jona vor Augen. Eigentlich dürfte er stolz sein und sich über seinen Erfolg freuen. Stattdessen hadert er mit Gott, weil dieser ihn wegen seiner Barmherzigkeit als Propheten unglaubwürdig erschienen ließ: das angekündigte Unheil blieb aus!

Nach der Umkehr der Bewohner ist es nun an Jona umzukehren. Es ist einfacher, den anderen Ratschläge zu geben, als sie selber zu beherzigen und in die Tat umzusetzen – geht es uns nicht oft auch so? Ganz im Blick auf die anderen vergessen wir auf uns zu schauen und merken nicht, dass wir durch unsere Gewohnheiten wie gelähmt sind und nicht einmal den kleinsten Schritt der Veränderung zulassen können. Fastenzeiten, Auszeiten, Zeiten des Zurücknehmens und des Besinnens sind dann notwendig, damit ein Wertewandel eine Neugestaltung des Lebens ermöglicht.