Ins Zeitliche geboren

Das Wunder der Geburt geschieht in der liebenden Zuneigung der Eltern. Sie bilden in ihrer knienden und demütig sich vor dem Kind verneigenden Haltung eine bergende Krippe und ein beschützendes Haus. Der Freiraum zwischen Mutter und Vater ist des Kindes erster Lebensraum in der neuen Welt. Er erscheint als grauer Alltag. Die kurzlebige Tageszeitung als Hintergrund verortet die Geburt an einem bestimmten Tag und in der Armut der Obdachlosen, die Zeitungen als Isolation auf den Boden legen oder sich damit zudecken. Nur die Eltern können die lebensnotwendige Wärme schenken, die das Kind braucht.

Die drei Personen sind hauptsächlich durch die schwarzen, skizzenhaften Konturen definiert. Die sparsam verwendeten Farben deuten mit den braunen Farbtönen links Josef an, die rötlichen Farbspuren verweisen auf Maria und das lichte Gelb lässt das Göttliche im Kind aufleuchten. Jesus ist auf Zeitungen gebettet und in sie gewickelt.

Der Glanz der Heiligen Nacht entfaltet sich um das traute Paar herum. Die gelben Lichtblitze erhellen den Himmel und lassen gleichzeitig an die Engel der himmlischen Chöre denken. Am Boden verdichtet sich das himmlische Licht mit dem irdischen Stroh zu einer wahren Lichtflut, die warm und froh die Kunde der Geburt Gottes über die ganze Erde verbreitet.

Nun sind es nicht die Zeitungen, welche die Nachricht in alle Welt hinaustragen, sondern das Licht selbst, das im Denken, Sprechen und Handeln der Menschen vom Gottessohn kündet. Denn das Kind ist nicht arm, sondern reich an Liebe und Macht, um in allen Menschen den Glauben an Gott zu entzünden und in der Liebe zueinander zum Brennen zu bringen.

Geheimnisvolles Zusammenspiel

Rätselhaft gibt sich die Assemblage aus altem Holz, aufgesetzten Metallteilen und blauem Glas. Die Arbeit aus Fundstücken lebt von Gegensätzen wie rund – eckig, oben – unten, außen – innen, geschlossen – offen, aber auch durch Dreiklänge wie Metall – Holz – Glas oder die drei zentralen Rundformen aus verrostetem Eisenblech.

Bei der Annäherung an das Rätsel bildet die gestemmte Holztür die Grundlage und den Rahmen. Sie formt das rechteckige Pendant zu den drei Kreisformen im oberen Drittel. Im Zusammenspiel erscheinen sie wie ein Haus, bei dem die drei Metallteile das Dach bilden und sich vertraute Elemente wie die Öffnung oder der blaue Glasstein in der Türfüllung wiederfinden. Zwei sich gegenüberliegende flache Bogen betonen die sich nach unten öffnende Bewegung und formen gleichzeitig einen geschützten Innenraum.

Jedes einzelne Element des Werkes ist gleichsam energetisch aufgeladen mit seinem sinnlich-physischen Dasein und seiner Geschichte und weist doch im Zusammenhang darüber hinaus. Die drei Kreiselemente vermögen in ihrer runden Vollkommenheit die Unendlichkeit und die Dreifaltigkeit Gottes anzudeuten. Darunter findet sich in der rechteckigen Tür als Symbol für die Erde als viertes Kreiselement ein rundes Loch, das kreuzförmig mit Flacheisen versperrt wurde und deshalb an den Kreuzestod Jesu erinnert. So wie dieses Loch mit der Öffnung ganz oben korrespondiert, stehen die beiden blauen Glasstücke miteinander im Dialog. Während das obere im Kreis unzugänglich fern wirkt, erscheint das größere, herzförmige Glas näher und durch die offenen seitlichen Bogenformen greifbarer. Senkrecht von oben nach unten betrachtet thematisiert das Werk Entäußerung, Niederkunft, Gestaltwerdung im Herzen der Schöpfung und insbesondere des Menschen.

Denn die Assemblage kann auch als vereinfacht dargestellter menschlicher Oberkörper gelesen werden: Die oberste Kreisform als Kopf, die anderen beiden als Schulterpartie, die knochenartigen hellen Bogen als Rippen des Brustkorbs und gleichzeitig als bewahrende Arme oder große Hände vor dem rechteckigen Oberkörper. Bereits 2008 hat Jörgen Habedank eine ähnliche Assemblage geschaffen, die er „Heilige Umarmung der Welt“ genannt hat. Dieses Umarmende, Beschützende, Geborgenheit und Lebensraum Schenkende kulminiert in dem blauen Herz. Die Beleuchtung intensiviert seine Strahlkraft und lässt es noch lebendiger wirken.

In der Mitte der beiden „Rippenbogen“, die auch als offenbarende und verherrlichende Mandorla oder als symbolische Krippe gesehen werden können, gewinnt das himmelblaue Herz eine besondere Bedeutung: In seiner blauen Farbe schwingt die Symbolik des Saphirs mit, der als Edelstein mit der stärksten Energie gilt und für Reichtum und Weisheit steht. In ihm leuchtet die Weite des Himmels und die Tiefe der Ozeane, geheimnisvoll verborgen auch der Gottessohn.

So verwandeln sich die weggeworfenen Fundstücke durch den Künstler in Objets trouvés und erhalten im Zusammenspiel der Assemblage eine weitere Bedeutung und neues Leben: Die Geburt des Gottessohnes in der Welt und insbesondere in den Menschenherzen andeutend.

 

Die Assemblage war Teil der 82. Telgter Krippenausstellung “Mittendrin” im RELíGIO, dem Westfälischen Museum für religiöse Kultur in Telgte. Die Ausstellung war mit über 120 zeitgenössischen Ausstellungsstücken bis zum 22. Januar 2023 zu sehen.

Weitere Assemblagen des Künstlers

Die Antwort zur Frage

In einer sternförmigen Glasflasche schwebt mittig ein kleiner Schlüssel. Er hängt an einem feinen Faden am Korkpfropfen, der die Flasche verschließt. Die einfache Kombination regt zu vielfältigen Fragen an.

Wieso wurde der Schlüssel in diesen gläsernen Safe gehängt? Er ist wie ein Schaustück sichtbar und wird gleichzeitig hinter Glas unberührbar weggesperrt. Wozu ein Schlüssel und welches Schloss vermag er aufzusperren? Wer darf ihn aus der Flasche nehmen, um damit welche Tür zu welchem Raum zu öffnen? Auf welche Fragen wird er eine Antwort geben?

Die Sternform der Flasche lässt uns an dunkle Tages- und Jahreszeiten und vielleicht auch an die Advents- und Weihnachtszeit denken. Der Stern führte die drei Magier aus dem Osten zum menschgewordenen Gottessohn. Er weckte die Sehnsucht der drei Männer nach dem lebendigen Gott und offenbarte ihnen ein neugeborenes Kind.

Kann man den Schlüssel als Symbol für Jesus sehen und den Stern gleichsam als seine Krippe oder sogar als lichten Christusträger? Auch wenn der Glasstern nicht leuchtet, so verweist er doch auf eine vom Licht durchflutete, immaterielle Herkunft und der Schlüssel auf eine ihm innewohnende materielle, in Jesus menschgewordene Zukunft. Ist unser Herz die Antwort auf Seine Suche nach einer Herberge, so wie Angelus Silesius es auf den Punkt gebracht hat: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst doch ewiglich verloren“? Soll das Herz durch IHN wie ein Stern leuchten – weil ER der Schlüssel zu Gott, zur Erkenntnis, zum Glück, zum Seelenfrieden, zur Freude, zur Freiheit und vielem anderem Lebenswichtigem ist?

Fragen sind die Triebfedern der Suchenden: Die Leute haben Johannes den Täufer gefragt „Wer bist Du?“ (Joh 1,22), weil sie den Messias, den Retter ersehnt und gesucht haben. In der O-Antiphon des 21. Dezembers („Gott, send herab uns deinen Sohn“, 5. Strophe) wird Jesus besungen als „O Schlüssel Davids, dessen Kraft befreien kann aus ewger Haft: Komm, führ uns aus des Todes Nacht, wohin die Sünde uns gebracht.“ Die Schlüsselantwort Jesu auf die Frage der Suchenden ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,6)

Der einsame Schlüssel ruft in Erinnerung, dass Jesus der Türöffner zum Himmel, zum Vater ist. Der einsame Schlüssel möchte berühren, die Schlösser und Türen unserer Herzen aufsperren, damit sie weit offen für die Begegnung und die gelebte Gemeinschaft mit Gott, unserem Vater, werden. ER ist die Antwort, auf die Frage.

 

Der Stern von Bethlehem

Der Stern von Bethlehem
leuchtet hinein
in unsere Dunkelheit
der inneren Unruhe,
des Überfordert- Seins,
des Machtstreites
untereinander,
der Lieblosigkeit,
der Verzweiflung
und der Unfähigkeit
zum Handeln.
Du, Stern von Bethlehem,
laß dein Licht
unsere Seelen erhellen
und uns zu Taten
der Liebe bewegen.

© Gudrun Kropp

Das Objekt war Teil der 82. Telgter Krippenausstellung “Mittendrin” im RELíGIO, dem Westfälischen Museum für religiöse Kultur in Telgte. Die Ausstellung war mit über 120 zeitgenössischen Ausstellungsstücken bis zum 22. Januar 2023 zu sehen.

Hineingenommen

Die kreisrunde Installation bildet während der Advents- und Weihnachtszeit einen neuen Brennpunkt im Kirchenraum. Die großen, spielerisch angeordneten Kugeln aus massivem Holz ziehen die Besucher in ihren Bann und verwandeln sie durch ihre einzigartige Maserung und Schönheit zu Betrachtenden und Verweilenden.

Auf einer kargen Grundfläche umgeben zehn Kugeln scheinbar zufällig eine schalenförmig gewölbte Baumscheibe,  die auf dem Schnittpunkt zweier Fugen in der dunklen Grundplatte ruht. Doch schnell lassen sich drei Gruppen ausmachen: die beiden Kugeln links und rechts der Baumscheibe, fünf helle Kugeln auf der rechten und drei dunklere Kugeln auf der linken Seite. Durch das Material Holz sind sie irdisch individuell von der Baumart und den örtlichen und zeitlichen Wachstumsbedingungen geprägt, während ihre Form ohne Anfang und Ende auf Gott verweist und eine wie auch immer gelebte Gottverbundenheit nahelegt. So verdichten sich die Beobachtungen zur Entdeckung einer Krippendarstellung, bei der die Personen um die Krippe durch Kugeln repräsentiert werden: Beidseits der Baumscheibe „schauen“ Maria und Josef fürsorglich durch die Astaugen zur Mitte; die einfacheren hellen Hölzer in unterschiedlichen Größen mögen die Hirten und evtl. Schafe darstellen, während die drei prachtvoll maserierten Kugeln eine Repräsentation der Weisen oder Könige aus dem Morgenland nahelegen.

Doch wo ist der Neugeborene? Wo ist das Jesuskind? In der Dramaturgie dieser Krippe senkt sich für ihn vom 1. Advent an eine leuchtende Kugel Tag für Tag mehr vom Himmel zur Erde herab, um an Heiligabend als Licht der Welt in der Krippenschale seinen bescheidenen Thron unter den Menschen einzunehmen. „Jetzt umgeben die versammelten Gruppen den Einen zu zweit, zu dritt und zu fünft und bilden mit diesem Arrangement nicht zufällig den Beginn der Fibonacci Reihe für natürliches Wachstum. Die kleine Menschentraube an der Krippe wird zur Keimzelle des Wachstums.“

Damit niemand außen vor bleibt, sondern jedermann aktiver Teil des Geschehens werden und an der Krippe verweilen kann, sind die 30 bis 50 cm hohen Kugeln als Sitzgelegenheiten für die Besucher konzeptioniert. Sie laden gerade in unserer hektischen Zeit zum Verweilen ein, zum Schauen auf Jesus und Erleben seines Heils. Denn mit der Ankunft Jesu hat sich der harte Boden des „Erdenrunds“ geöffnet und ein leuchtendes Kreuz freigegeben, das dem ganzen Erdkreis verkündet, dass Jesus der Retter und Erlöser aller Menschen ist. „Das Kreuz markiert den Punkt der Menschwerdung Gottes, es kann aber auch als Vorbote der Passion gesehen werden, zu deren Ende sich ebenfalls die Felsen spalten (vgl. Mt 27,51).“ (Konzeption Institut für Inszenierung)

Die Installation lässt die Niederkunft von Gottes Sohn sinnlich erwarten und erfahren. Wie Franziskus von Assisi die Menschen seiner Zeit durch das Krippenspiel in das Geschehen eingebunden hat, so ist die Installation offen für eine interaktive Teilnahme und Teilhabe an der Geburt Jesu. Alle sollen ohne Barrieren an der Krippe verweilen können, sie betreten, begehen und sich in ihr niedersetzen können. In ihrer formalen Einfachheit strahlt die Krippe eine heilsame Ruhe und einen tiefen Frieden aus, die man aus den Perspektiven der einzelnen Krippenfiguren erfahren kann, wenn man deren Platz einnimmt.  In ihrer Sinnlichkeit trägt die Krippe dazu bei, die Geburt Jesu als gegenwärtiges Geschehen zu erleben, das uns alle betrifft und unser aller Leben zu verändern vermag. Im Verweilen an der Krippe entziehen wir uns der Eile (die sich im Wort „Verweilen“ versteckt) und schaffen die Möglichkeit, aus Gottes Fülle beschenkt zu werden mit “Gnade über Gnade” (Joh 1,17).

 

Die Installation ist in der kath. Kirche St. Agnes in Hamm zu sehen und zu erleben.

Ein Modell der Krippe von Marc von Reth / Institut für Inszenierung ist bis zum 13. Januar 2022 in der 81. Telgter Krippenausstellung “Geheimnis der Heiligen Nacht 2.0” im RELíGIO – dem Westfälischen Museum in Telgte zu sehen.

Verborgen

Suchend schweift der Blick über eine rote Landschaft mit einem hohen Horizont. Durch viele Schichten führt das Bild von oben nach unten. In der Mitte des blassblauen Himmels fällt ein intensiveres blaues Dreieck auf, das in der Tiefe der Erde mit einem ebenso blauen, liegenden Kreuz korrespondiert. Die Verbindung zwischen den beiden Elementen wird durch eine senkrechte weiße Linie gefördert, die wie eine Ader die verschiedenen Schichten durchquert.

Neben dem hohen Horizont wird durch die muldenförmige Ausbildung der roten Fläche und deren Abdunkelung zum Rand hin Tiefe suggeriert. Damit öffnet das Bild auch Assoziationen an einen fleischlichen Schoß, der allerdings mit einem verhüllenden Tuch bedeckt ist, ähnlich wie in den Kunstwerken von Christo.

Das Tuch von Gielia Degonda ist ganz fein, fast transparent. Es ist eine schöne Umkleidung, ganz einfach, aber fähig, ein Erstaunen zu bewirken. Das geknitterte und gezeichnete Gewebe ist hingehaucht wie kurz vor dem Ausbruch des Lichtes, eines sehr Schönen, vielleicht eines Herrlichen. Es ist wie das Ansummen eines Liedes, wie das Erwachen einer frohen Bewegung. Zart schwebt diese Hülle als ein himmlisches Zelt über der vergoldeten Zeichen-Markierung und taucht die ganze Umgebung in ein mystisches Licht.

Das alles lässt das Kreuz zur Krippe werden, zur Krippe des Höchsten, der sich in die Tiefen der menschlichen Abgründe hinein geschenkt hat wie ein Samenkorn, das aufgehen und reiche Frucht tragen will, wie eine Quelle, welche in uns sprudelt und unser wüstes Leben in fruchtbares Land verwandeln will. Dieses Bild lässt kein Christkind sehen. Es wird lediglich angedeutet als eine im Schoß der Maria verborgene Präsenz und in enger Verbindung mit dem Himmel Stehender, über den gesagt werden wird: „Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ (Mk 9,7)

Weihnachten wird hier nicht romantisch verklärt dargestellt, sondern als Fest der Enthüllung, des Aufgehens, der Erfüllung von Verheißung und Erwartung. Nicht protzend und gleißend – aber schön, atmend, hauchend, musizierend – wenigstens der Möglichkeit nach. Die Hirten sind dazu gerufen worden und die Weisen aus der Heidenferne. Viele Jahre später sollten es bei der Taufe die Menschen von Jerusalem sein, dann die berufenen Apostel und in der Folge alle Menschen. Wir alle sollen hinzukommen zum Gekommenen, der sich in der Menschenart entbirgt.

Das im Titel angesprochene „Verborgen“ ist im Kunstwerk durch und durch Realität. Das Kunstwerk selbst ist verhüllte Chance, es ist der Augenblick, da die Wirklichkeit des Fassens und Aufdeckens nahe und wirklich sein kann. Es ist als Zeichen und Zeugnis der Geburt des Menschensohnes tatsächlich als Weihnachtsbild sehbar. Es ist wie ein glaubendes Erkennen dessen, was in und hinter und unter den Bildern geschieht, ein Ergreifen dessen, der sich hinter dem Schleier schon andeutet und manchmal und manchem sich enthüllt.

Dann kann der ganze rote Bereich zu einer großen Krippe werden, in der das Licht zu leuchten beginnt, aber auch zu einem offenen Buch, bei dem die vielen Striche und Zeichen nicht mehr unverständliche Hieroglyphen bilden, sondern einen Sinn stiften, der über unsere Herzen und unseren Verstand hinweg die ganze Welt zu erhellen vermag.

Ein Lichtspalt Hoffnung

Inmitten der Dunkelheit strahlt ein Licht auf. Im Zentrum werden ein Neugeborenes und seine Mutter sichtbar, nach unten hin auch viele Schaulustige.

Ein kraftvoller Lichtstrahl hat dieses wunderbare Aufleuchten bewirkt. Von oben nach unten lässt er das gelbe Licht, welches das rote Rechteck umgibt – es mag ein Symbol für die Erde sein – in die Mitte eines dunklen und wirren Geschehens hineinfließen. Das Durcheinander mutet nach Zerstörung und Trümmern an, eine liegende Person ist zu sehen, ein Verletzter vielleicht. Ein schwarzes Kreuz ist neben der gelben Frau und ihrem Kind aufgerichtet und dem Geschehen zugewandt. Mit seinen Armen strahlt es Erbarmen aus, Zuwendung und Trost. Es identifiziert den Neugeborenen als Gottes Sohn, der sein Leben für uns Menschen hingegeben hat. Es bringt das Heil zum Ausdruck, das Jesus in und mit seinem Leben bewirkt hat.

So ist Jesus im Gegensatz zum schwarzen Kreuz als hellster Punkt im Bild weiß dargestellt. Wie das Innere einer Flamme erleuchtet er sein Umfeld mit warmem Licht. In die chaotisch-laute Umgebung bringt er ordnende Ruhe hinein, in der Bedrängnis werden er und seine Mutter zu einem Freiraum. Die Menschen strömen zu ihm und wollen ihn sehen. Ihn, der sie aus dem „Schatten des Todes“ herausholt, Ihn, der sie mit seinem Licht erfüllt und dadurch ihre Persönlichkeit zum Vorschein bringt und aufleuchten lässt, wie es die Künstlerin durch die unterschiedlichen Farben der Gestalten andeutet (Detailbild).

Gott wird in der Dunkelheit und in den Wirren unserer Welt Mensch, damit alle Menschen von seinem Licht erleuchtet und durchdrungen zu ihrem wahren Menschsein finden. In dem Sinne kann das rote Rechteck auch als Symbol für das menschliche Herz gesehen werden. Denn Gottes Gnade durchdringt wie ein Lichtstrahl alle zerstrittenen und leidenden Herzen, er dringt tief in ihre blutende Mitte, um zu heilen und zu erlösen und letztlich zum erfüllten Leben zu führen.

Ohne die vielfältigen Geschehnisse unserer Zeit zu verdrängen oder zu verharmlosen, hat die Künstlerin uns ein Hoffnungsbild gemalt. Sie bringt die Gewissheit des Paulus malerisch zum Ausdruck: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen, die er uns in Jesus Christus schenkt. Weder „Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, noch Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert“. „Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns?“ (vgl. Röm 8,31ff)

Der Lichterglanz von Weihnachten möchte die Kraft des göttlichen Lichtes spüren lassen. Er möchte ermutigen, dem neuen Leben zu vertrauen, das als Licht in die Krippe unserer Herzen gelegt wurde. Er möchte ermutigen, dem Licht zu folgen, welches das Dunkel aufzubrechen und am Ende zu besiegen vermag. Der Lichtspalt Hoffnung ist der Anfang – alles in seinem herrlichen Licht befreit zu sehen, und die Vollendung, da er die Schatten des Todes überwindet.

ein Spalt
in der Wand des unendlichen Alls
ein Lichtspalt
hinein in die finstern Verliese der Welt

Hoffnungsspalt
oder Illusion

geträumtes Erwachen
oder erwachtes Leben

schnelles Aufflammen
ein kurzer Augenblick
zur Zeit des Kaisers Augustus

nein heute

aufstrahlendes Licht aus der Höhe
um allen zu leuchten
die in Finsternis sitzen
und im Schatten des Todes

ein Hoffnungsstrahl

(Peter Stengele)

Die frohe Botschaft weitergeben

Mächtig erhebt sich die vergraute Eichenstele in die Höhe. In der oberen Hälfte sind drei Reihen Porzellanisolatoren von früheren Telegraphenmasten angebracht. Zusammen ergeben sie eine Art Baumkrone oder Dach. Eine leicht geschwungene Form verleiht der Skulptur zudem eine dynamische Eleganz.

Unterhalb der Isolatorenreihen, etwa in der Mitte der Eichenstele, ist eine quadratische Öffnung ausgenommen. Ihre Seiten sind vergoldet, auf ihrer Grundfläche liegt klein und unscheinbar eine kleine Menschengestalt, ein Kind, ein Neugeborenes. Sein Körper ist so in Leinen eingewickelt, dass er wie ein Laib Brot aussieht, sein Kopf ist dem Betrachter leicht zugewandt.

Als Lichtgestalt tritt das weiße Kind im goldenen Sch(r)ein und der dunklen Umgebung in Erscheinung. Sein Körper korrespondiert mit den weißen Porzellanelementen, die durch ihre vereinfachte Gestalt selbst Lichtwesen andeuten, eine symbolische Engelschar, die diesen Ort umgibt.

Die massive Holzstele ist zu einem irdischen Haus für den Gottessohn geworden. Sein „Brotleib“ erinnert seinen Geburtsort Bethlehem – der übersetzt „Haus des Brotes“ heißt. Und er erinnert auch, dass sich in Jesus Gott selbst den Menschen schenkt und ihnen sein Leib in der Gestalt des geteilten Brotes zum Essen gibt (vgl. 1Kor 11,24).

„Die Mitte des Christentums und seiner Botschaft ist die wirkliche Selbstmitteilung Gottes an die Kreatur.” (Karl Rahner) “Die große Eichenstele mit eingefügten Teilen alter Telegraphenmasten lässt das Übermaß dieser Botschaft auf die unscheinbare Gestalt des Kindes treffen. In ihm, dem Kind von Bethlehem, findet und verehrt der Glaube das unfassbare Geheimnis der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus.“ (Peter Klein)

Die Elemente der früheren Telegraphenmasten machen deutlich, dass die Botschaft von der Geburt des Gottessohnes in alle Welt hinausgetragen werden soll. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ (Lk 2,11-12)

Im Bild ist der „Telegraphenmast“ der Übermittler dieser Frohen Botschaft. Aber hat der aufgerichtete Eichenbalken nicht auch eine entfernte Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt? Würde die Skulptur dann nicht auch andeuten, dass Gott seinen Sohn in uns hineingelegt hat und wir ihn als Christusträger zu allen Menschen bringen sollen, zu denen wir gehen und denen wir begegnen? Und ihnen persönlich von unserem Glauben Zeugnis geben, dass Gott sich uns mitgeteilt hat und in uns lebt? – Durch die Geburt Jesu hat die Beziehung zwischen Gott und Mensch eine neue Qualität erhalten. Diese soll sich auch unter uns Menschen auswirken.

Im Herzen gebor(g)en

Auf einer gerundeten roten Fläche liegt ein Kind. Oder besser gesagt es liegt in einer von Leben pulsierenden Herzform. Wie eine vulkanische Eruption aus der Tiefe der Erde ergießt sich das warme Rot zu dieser Herzform. Die Wärme dieses Herzens wird gesteigert durch eine kalte Umgebung, die genauso an eine Winterlandschaft zu erinnern vermag wie an Tageszeitungen, in denen Neuigkeiten verbreitet werden. Denn auf den Papierfragmenten ist in blauen Großbuchstaben wiederholt JESUS zu lesen und in schwarzen Zahlen 24.12. Alle Welt soll von seiner Geburt hören, alle sollen seinen Namen kennenlernen.

Der Neugeborene ist diagonal in dieses Herz gebettet. Seine Arme und Beine sind angewinkelt, sein Gesicht ist halb verdeckt durch ein Sternfragment mit einem Schweif, das zugleich eine Krone anzudeuten vermag. Links neben ihm liegen weitere leuchtende Objekt, die möglicherweise Geschenke darstellen.

Das Kind wirkt verloren in diesem Herz. Es sind keine weiteren Menschen zu sehen, nicht einmal Maria oder Josef. Allerdings umgibt es auf der rechten Seite ein grau-weißes Band, das sich an drei Stellen zu Gesichtern ausformt. Zum einen auf der Höhe der Hand mit einer vertikalen und einer horizontalen Andeutung, zum anderen zu seinen Füßen in der Ausformung zu einem schwarzen Gesicht mit Knollennase. Dieses wirbelnde Band hat etwas Festliches. Es könnte die drei Weisen aus dem Osten darstellen, die zum Kind kamen, um ihm zu huldigen. Andererseits zieht sich diese grau-weiße Linie wie eine tragische Spur der Zerrissenheit durch das Herz und erinnert an all jene, die dem Neugeborenen nach dem Leben trachteten. Ein schwarzes „Loch“ links neben dem Kind verstärkt diesen unheilvollen Eindruck durch seine Verbindung mit den dunklen Stellen im Band.

Damit verbindet das ambivalente Band die beiden Bereiche des Hintergrundes, auf denen stilisierte braune Sterne bald zu hellen, bald zu dunklen Kreuzen werden. Unmissverständlich weist auch der weiße Judenstern unterhalb des Kindes auf seine Abstammung hin. Wie die Juden im Zweiten Weltkrieg ist dieses Kind gekennzeichnet und – so wie sein Name und das Datum ins Bild eingebracht worden sind – auch abgestempelt: Das ist er, das muss er sein, der neugeborene König der Juden, der Menschensohn, der Sohn Gottes, den der Vater als Kind zu uns Menschen geschickt hat.

Allein, hilflos, ausgesetzt, wie unerwünscht liegt das Kind inmitten dieser eisigen Landschaft. Doch das göttliche Kind ist uns ans Herz gelegt. Es ist uns ins Herz gelegt, damit wir ihm Geborgenheit schenken, es schützen und für es sorgen. Wir sollen Jesus in unser Herz aufnehmen, er will in uns und durch uns zur Welt kommen und Licht in der Welt sein.

Die Schriftzeichen wirken wie Nachrichtenfetzen: Heute ist euch der Heiland geboren. Im Herzen sollt ihr ihn tragen und verehren. Im Herzen sollt ihr ihn wärmen und mit Leben erfüllen, so dass er in euch groß werden kann und ihr durch ihn immer mehr zu Christenmenschen werdet.

Heilige Nacht

Punkte, wo man hinschaut. In dichten Reihen bedecken sie das Bild und legen eine bunte Schicht über den Bildgrund. Dennoch ist klar eine dunkelblaue Dreieckform zu erkennen, die von den unteren beiden Ecken bis zur Mitte des oberen Bildrandes aufsteigt. Vor dem helleren Hintergrund gleicht sie einer Pyramide oder einem Zelt, das in sich ein helles, längliches Element birgt.

Vor dem dunklen Hintergrund werden die Farbpunkte intensiver, leuchtender, und einzelne strahlen wie Sterne. Doch nur die weißen Punkte sind durchgehend gemalt. Die pinkfarbenen Punkte sind vor allem im Dreieck anzutreffen, überragen es aber wolkengleich im unteren und im oberen Bereich. Die gelben Farbtupfer sind bis auf die linke untere Ecke des Dreiecks überall anzutreffen. Zum einen umgeben sie das Dreieck wie eine Aura, zum anderen betont ein gelber Schatten das helle Element und lassen es als einen eigenständigen Körper wahrnehmen. Bei längerem Hinschauen meint man Füße und einen Kopf zu erkennen, eine hoch aufragende, menschliche Person zu sehen. In ihr scheinen die weißen Punkte Materie und Gestalt anzunehmen und eine Lichtgestalt zu formen.

Aber ist das möglich? Es sind doch nur das dunkelblaue Dreieck, die innenliegende weiße Form und die Farbtupfer in Weiß, Pink, Gelb und Blau zu sehen. – Doch all diese Elemente sind voller Symbolik! Kraft der ihnen innewohnenden Verbindungen vermögen sie ein weihnachtliches Geschehen anzusprechen. So haben die vielen Farbtupfer eine Ähnlichkeit mit einem Regenschauer und vermögen das Lied zu erinnern, in dem das Volk singt:

„Tauet, Himmel, den Gerechten!
Wolken! regnet ihn herab!
Rief sein Volk in bangen Nächten
Aus der Sünde finsterm Grab.
Und Er kam. – Mit Ihm kam Segen,
Wie ein milder Frühlingsregen
Wie des Himmels sanfter Tau
Rings erquicket Feld und Au.“
(nach Christoph von Schmid, 1811)

Gleichzeitig lassen die vielen gelben Farbtupfer an ein Lichtermeer denken, wie es an einem Christbaum oder auch in der Osternacht zu beobachten ist. In ihm vermeint man auch die göttliche Gnade und Herrlichkeit aufleuchten zu sehen, die sich auf die Erde niedersenkt und sich insbesondere auf bzw. im dunkelblauen Dreieck manifestiert, dem Symbol für Maria. Es verweist einerseits mit der Zeltform auf die temporäre und bewegliche Behausung, die jede Mutter ihrem Kind gibt, es beschützend und behütend. Andererseits mag sie die Glaubenshaltung Mariens zum Ausdruck bringen. Fest auf dem Boden der Erde stehend, ist sie doch mit ihrem ganzen Wesen auf den Himmel und auf Gott ausgerichtet. Dies so stark, dass sich ihr äußeres Erscheinen mit dem Symbol für den dreieinigen Gott deckt.

So wird deutlich, dass Gottes Sohn die göttliche Lebensgemeinschaft nie verlassen hat, um durch Maria Mensch zu werden. In Maria nimmt Gott Menschengestalt an, vor dem Hintergrund ihres Glaubens und ihrer Liebe hebt er sich als Licht vom unerschaffenen Lichte ab. Vor Maria oder in ihr vermag die Lichtgestalt damit einen Durchgang zum ewigen Licht zu bilden.

In einer ganz anderen Sichtweise kann das dunkelblaue Dreieck auch als eine sich in der Tiefe des Bildes verlierende Straße gesehen werden. Einsam steht dann die hochaufragende Lichtgestalt auf dem Weg. Als Licht in der Dunkelheit wie als Weg weist die Lichtgestalt auf Jesus hin. Er mag auf uns zuzugehen, aber genauso gut könnte er eine Einladung darstellen, ihm zu folgen. Vielleicht schwingt in der Darstellung aber auch beides mit und suggerieren die vielen Lichtpunkte, dass Begegnung und Nachfolge eins sind und zusammen mit unzähligen Menschen geschehen. Hin zu Mitmenschen, die auf unser Kommen und unsere Zuwendung warten, und durch sie zu Gott selber.

Durch die bunten Farbtupfer breitet sich Wärme über das Bild aus. Auch Freude schwingt mit. Außerdem ist eine neue Gemeinschaft zu spüren. Symbolisch zum Ausdruck gebracht durch die Farbtupfer untereinander, andererseits durch den Bezug zu den grundlegenden Farbelementen. Letztlich wird damit die neue Gemeinschaft unter den Menschen angesprochen, die durch Maria und die Geburt ihres Sohnes eine neue Basis erhielt – und weihnachtliche Dimensionen.

Der ganze Bild-Zyklus wird im Buch “CREDO” von Herausgeber Norbert Lammert präsentiert. Das Buch beinhaltet einen einführenden Text vom Herausgeber, eine Auswahl an Credotexten aus den frühen Jahrhunderten bis heute und die Abbildung des 19-teiligen Credo-Zyklus.

Hier können Sie den ganzen Zyklus auf der Website des Künstlers anschauen.

Weltentreffen

Im Zentrum dieser Weihnachtsdarstellung steht zweifelslos die Geburt Christi. Und auch wenn der Künstler ein Bildzitat des Meisters von Moulin (Ende 15. Jh.) verwendet, ist es durch seinen Hintergrund und die beiden quadratischen Elemente ein modernes Bild mit einem zeitlosen Inhalt: die Geburt Jesu.

Die Komposition konzentriert sich auf die Mittelachse. Das untere Rechteck ergibt sich aus dem Abdruck von zwei Hirnhölzern. Beim einen sind die Jahrringe umlaufend, beim anderen ist die Mitte ausgespart, um dem Jesuskind als Krippe zu dienen. Darüber öffnet sich wie ein Fenster in eine vergangene Zeit das Bildzitat des Meisters von Moulin und gibt den Blick frei auf Maria und Josef.

Bei Maria ist intensivste Hinwendung zu beobachten. Mit geneigtem Haupt schaut sie staunend auf das Kind, es mit offenen Händen anbetend und gleichzeitig beschützend segnend. Josef dagegen steht mit seinem Körper parallel zu Maria und erscheint dadurch vom Kind abgewendet. Allein durch den zum Kind gedrehten Kopf erhält es Beachtung. Seine Hände sind zum Gebet gefaltet. Hinter Maria und Josef sind zwei weitere Personen zu entdecken, auch weitet sich das Bild durch ein Fenster hindurch bis zum Himmel.

Dieser öffnet sich gleichsam in der Vision eines rechteckigen Farbfeldes, welches sich majestätisch hinter dem Bildzitat erhebt. Es ist von einem zentralen hellen Quadrat geprägt, welches sich seitlich und nach oben in violett-roten Farberscheinungen weitet, sodass der Eindruck von einem Kreuz entsteht, in dem Leiden und Auferstehung gleichermaßen schon gesehen werden können. Nach unten hinterfängt es zum einen das Bildzitat, zum anderen scheint es durch die Ausbildung des unteren Abschlusses zu einem gerissenen Segmentbogen seine Kraft gleichsam in das Bildzitat einfließen zu lassen, an dessen unterstem Punkt sich der Gottessohn befindet. So gesehen, kann man den Holzstoß auch als modernen Altar sehen, an dem der Geburt, dem Leben und Sterben und der Auferstehung Jesu gedacht wird.

Noch nackt, doch nicht schutzlos liegt er da. Neigt sich der Himmel durch das Wolkenband nicht gerade tief zur Erde, wo es sich an seinem tiefsten Punkt wie eine große Schale behutsam auf den Holzstapel senkt, sich mit ihm schneidet und so das Kind in den Zeichen des Himmels und des Holzes zweifache Geborgenheit erfährt? Immaterielle, geistige, göttliche Zuwendung von oben, irdisch materiellen Schutz von unten.

Christi Geburt: Gott schenkt uns Menschen seinen Sohn, damit wir durch ihn IHN selbst besser kennenlernen. Er legt sich uns zu Füßen, setzt sich uns schutzlos aus, damit wir über das Staunen und ehrfürchtige Anbeten hinaus Vertrauen fassen und glauben, dass ER ein guter und treuer Gott ist. Dabei vermag das Holz einen dreifachen Impuls zu vermitteln. Erstens, dass Gott ganz irdisch Mensch wird, um uns in unserem Elend zu besuchen, zweitens, dass Jesus Zimmermann wurde und drittens, dass er sich am Kreuz wie auf dem Altar hingibt, um uns aufzurichten und erneut den Weg zu ihm zu öffnen.

Lebensbogen

Im Zentrum dieser Bilderreihe steht offensichtlich der Mensch. Auf jeder Bildtafel ist er anders dargestellt, von anderen Farben umgeben und von anderen Symbolen begleitet. Hier wird eine Lebensgeschichte erzählt, in idealisierter Form ein Bogen über das ganze menschliche Leben gespannt: Geburt und Kindheit, Jugend, die Lebensmitte, das Alter und zuletzt das Lebensende.

Die Größe der Gestalten erzählt dabei von einem Auf- und einem Abstieg, einem Wachsen und einem Vergehen. Das Leben wird durch die Farben als ein Ganzes dargestellt, bei dessen Durchquerung alle Farben und Stimmungen des Lebens kennengelernt werden. Die Farben orientieren sich am Tages- und Jahresablauf, welche unserem Leben einen festen Rhythmus geben: Von der blauen Farbe des Morgens wird der Bogen über das warme Licht des Mittags zu den Farben der untergehenden Sonne und des dunkler werdenden Abends gespannt. Das sphärische Blau des Winters wird vom aufbrechenden Grün des Frühlings abgelöst, um im sommerlichen Gelb seinen hellsten Ausdruck zu finden und dann über das herbstliche Rot in die zurückhaltenden Farben des Jahresendes überzugehen.

Auf dem ersten Bild wird das neue Leben als Geschenk des Himmels sichtbar. Es wird von oben in diese Welt hineingegeben und ruht wie auf einem Thron in der Bildmitte, als sollte gesagt werden, dass es ein Zusammenwirken von irdischen und himmlischen Kräften für die Entstehung eines Menschenkindes braucht. Das Neugeborene ist beinahe weiß, verhüllt und in Vasenform dargestellt: Es ist noch ein unbeschriebenes Blatt, doch wurde – wie es die Sterne über ihm andeuten – unendlich viel in es hineingelegt für die Bewältigung des Lebensweges, als Wegzehrung und um damit die Mitmenschen beschenken zu können. Das in den Grund weisende Dreieck könnte für alles stehen, was im Kindesalter wachsen sollte als Grundlage für ein gelingendes Leben: Vertrauen, Verlässlichkeit, Sicherheit …

Aus dem zweiten Bild sprechen Wachstum, Aufbruch und Heiterkeit. Der jugendliche Mensch wendet sich von der Kindheit ab, er hat gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Er setzt sich kraftvoll in Bewegung, selbstbewusst mit dem Finger auf sich zeigend. Er hat das ganze Leben vor sich! Voller Tatendrang schaut er nach oben, scheint sich an Idealen und großen Vorbildern zu orientieren, um seinen eigenen Lebensweg zu finden. Das Symbol über ihm erfasst seine Situation: Das Leben steckt voller unendlicher Möglichkeiten. Und der Bogen unter seinen Füßen bringt zum Ausdruck: Was in der Kindheit grundgelegt wurde, begleitet und trägt ihn nun bei seinem Tanz ins Leben.

Im dritten Bild wird der Mensch in glutroter Farbe fest und aufrecht stehend gezeigt. Voller Energie und auf Expansion ausgerichtet steht er in der Fülle seines Lebens. Er hat seinen Weg und seine Mitte gefunden und vermag die Höhepunkte des Lebens zu erreichen, aber auch seine Tiefen auszuloten: Ein Arm weist nach oben, der andere nach unten. In der Mitte des Lebens hat er die Chance, Halt, Vorbild und Orientierung für die Menschen links und rechts von ihm zu sein, er kann führen, aber auch verführen. Gleichzeitig nimmt er den Wechsel zwischen der scheinbar unbegrenzten Jugend und den zunehmenden Begrenzungen des nahenden Alters wahr. Diese Festigkeit und Klarheit, aber auch die Begrenztheit in diesem Lebensabschnitt möchte das Quadrat über ihm symbolisch andeuten.

Das vierte Bild spricht vom Alter. Der Mensch steht da, wie in einer Form geprägt, festgelegt, ja beinahe starr. Es lässt die aufsteigende Angst des Abschieds im wieder enger werdenden Lebensraum durch hochgezogene Schultern spüren – aber hinter sich hat er den warmen Reichtum der Erfahrungen und Erlebnisse, die sich wie geologische Schichten im Laufe der Jahre abgelagert haben. Im Rot spiegelt sich die empfangene und gegebene Liebe, auf die der alternde Mensch als Kapital seines Lebens zurückblicken kann. In ihr öffnet sich ein gleißend heller Bogen, der in eine andere Wirklichkeit zu führen scheint. Das nach oben gerichtete Dreieck steht für die Umkehrung der Kräfte.

Im fünften Bild wird das Sterben und der Tod angesprochen. Der Mensch schaut auf das Leben und alle zurückbleibenden Menschen zurück. Er ist von einem Saphirblau umgeben, das bei der Betrachtung der Bilder nie aus dem Blick geraten ist und den Bogen zum ersten Bild schlägt, der Geburt. Der Kreis des irdischen Lebens hat sich geschlossen. Eine große Ruhe geht von der schwarzen und von beiden Seiten bedrängten Gestalt aus. Das saphirblaue Feld hinter ihr und das aus dem Kreis herausfließende Licht scheinen sie aus den Tiefen der Erde herauszuziehen in eine andere Wirklichkeit. Wir glauben, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern ein Übergang. Darauf weist auch die Form des umgekehrten T mit seinen aus dem Bild und ins Unendliche führenden roten Balken hin. Liebe und Unendlichkeit – unendliche Liebe – sind wir ihr nicht das ganze Leben nachgegangen, so dass wir auch im Tod auf sie als ganz andere und doch irgendwie vertraute Wirklichkeit hoffen?

Hochzeit mit dir, Mensch

Zuunterst im silbernen Wassergrund,
tief unterm Sehn und Verstehn,
ruht schon der Himmel in dir,
Mensch.
Spielt er sein Heilspiel mit dir,
Mensch.
Schliesst er die Hochzeit mit dir,
Mensch.
Zuunterst im Grund.

Zuunterst im silbernen Wassergrund,
tief unterm Sehn und Verstehn,
kommt der Erzengel zu dir,
Mensch.
Ist Gottes Geburt in dir,
Mensch.
Ist ewige Weihnacht in dir,
Mensch.
Zuunterst im Grund.

Schau in den Wasserspiegel hinein,
Mensch.
Du hast alles in dir:
den Hirten, den König, den Stern
und das Tier.
Hingerissen vom Kind,
deinem herrlichen Herrn;
von dem sie gezogen sind,
wollen sie hinknien in dir,
Mensch,
und
wie Maria es anschaun,
zuunterst im Grund.
Amen.

Silja Walter