Totentanz

Stramm steht es da, das weiße Skelett eines Menschen. Die Füße berühren sich wie in Habachtungstellung, die Arme liegen am Oberkörper an, der Kopf ist über die Schulter rechts nach hinten gedreht. Es steht auf einer silbergrauen Kreisfläche, oder besser gesagt es dreht sich leicht erhöht um seine eigene Achse (Video anschauen).

Die ruckartigen Bewegungen lassen alle Knochen zittern und das Skelett bescheiden tanzen. Runde um Runde, im Sekundentakt, Minute um Minute, Stunde um Stunde … ein einsamer Totentanz. Nicht nur dass der Kopf weggedreht ist, das Gesicht ist zudem mit einer Maske bedeckt. Die Identität dieses Toten bleibt damit verborgen, sein wahres Gesicht verhüllt.

Es stellt sich die Frage, ob hier einfach ein Menschenskelett oder der Tod selber dargestellt ist. Gegen den Gevatter Tod spricht, dass das Skelett keine Sense trägt. Aber aus der Kopfhaltung spricht Stolz. „Schaut nur, mir kann keiner etwas anhaben. Ich drehe mich unaufhörlich und werde jeden von euch zu seiner Zeit holen.“ Es sieht zwar aus, als schäme er sich, als würde er es nicht wagen, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen in die Augen zu schauen. – Aber kommt der Tod nicht oft genug überraschend? Dazu würde auch die Totenmaske passen. Er kommt oft heimtückisch, unerwartet. – Aber der Tod mit einer Totenmaske?! Das macht ihn absurd! Und man ahnt: hinter dem Tod lauert der andere Tod!

Die Skulptur reiht sich in die vielen Vanitas-Darstellungen ein, die seit der Renaissance daran erinnern, dass unser Leben vergänglich und nichtig ist und wir keine Gewalt über das Leben haben. Schädel und Sanduhr waren in der Kunst dafür aussagekräftige Symbole. Die Zeit vergeht und entgleitet wie der Sand. Bei Hans Thomann stehen dafür das Skelett, seine Drehungen um sich selbst und im Sekundentakt unserer Uhren und Zeitmessung.

Doch die Frage bleibt, ob es sich bei diesem Totentanz nicht um mehr als den Tod oder ein Vanitas-Motiv handeln kann. In früheren Totentanzdarstellungen tanzte der Tod immer mit einem Menschen. Ein Zeichen, dass er ohne Rücksicht auf Rang, Alter oder Geschlecht alle Menschen oft mitten aus dem Leben zu sich holt. Hier tanzt der Tod allein. – Haben wir ihm mit unserer modernen Medizintechnik ein Schnippchen geschlagen?

Eine andere Sichtweise wäre, dass das tanzende Skelett möglicherweise gar nicht den Tod darstellt, sondern auf den Glauben vieler Religionen hinweist, dass die Verstorbenen nicht im Tod bleiben, sondern in einer für uns unsichtbaren Realität weiterleben. Denn wenn Tote tanzen, dann heißt das doch, dass sie leben, dass sie voller Lebensfreude sind. – Dreht das Skelett vielleicht deswegen den Kopf nach hinten, weil da eine größere Macht ist, die es hält? Eine Macht, die auch uns nach dem Tod, nach dem Zerfall bis auf die Knochen stehen, bestehen lässt, ja über die Zeit hinaus uns drehen, tanzen, freuen, leben lässt?

 

Im Sekundentakt zittern seine Glieder im Kreis
holt der Tod die Menschen aus dem irdischen Leben
entreißt er sie dem Kreislauf der Zeit
dem nie endenden menschlichen Taumel und Stressfaktor.

Doch was soll er mit all den Menschen nur machen
als sie – als Gottes Geschöpf – IHM weitergeben
damit ER allen Menschen
in seiner nie endenden Ruhe Frieden und ewiges Leben geben kann?

Video nochmals anschauen

Grace: Gnade + Dank

49 weiße Körper, die an Kokons erinnern, liegen wie ausgeschüttet auf dem Boden. Alle haben eine rissartige oder rundliche Öffnung. Innen sind sie leer. Ähnliche Formen kennen wir von Schmetterlingen. Kokons sind beim Verwandlungsprozess von Raupen in Schmetterlinge nötig und bleiben quasi als Zeugen übrig.

Diese Kokonform wird in der Installation aufgegriffen und übergroß mit Materialien aus dem medizinischen Bereich dargestellt. Gips- und Mullbinden verweisen auf Zeiten, in denen unser Leben gefährdet war. Sie verweisen auf Krisenzeiten, in denen wir auf Grund von Unfällen etwas gebrochen oder uns verletzt hatten und zur Heilung einen zusätzlichen Halt und Schutz brauchten. Sie verweisen auf Verbände nach Operationen, die durch Krankheiten oder Versagen von Körperorganen nötig wurden. Die Kokonformen lassen an Lebenshüllen denken für Zeiten, in denen wir besondere Ruhe und Schutz benötigten, an einen Rückzugsort, aus dem man gestärkt und verwandelt hervorgehen kann.

Die fast transparenten und fragilen Hüllen machen bewusst, wie prekär der Aufenthalt darin war. Was wir hier sehen, sind die zurückgebliebenen Spuren geglückten Lebens. Die Kokons sind leer, weil das in ihren herangereifte Leben stark genug war, in die Welt aufzubrechen. Sie sind zurückgelassen, weil sie kein Nest sind, sondern vergängliche Notwendigkeit, darin zu reifen und fit zu werden für die vielfachen Anforderungen des Lebens, für die (fast) grenzenlose Freiheit, die wir wie Schmetterlinge entfalten dürfen.

Solche Gedanken lassen Staunen und Dankbarkeit aufkommen. Ist das nicht wunderbar? Es ist doch keine Selbstverständlichkeit, dass das Leben gelingt oder in Übergangszeiten die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt. Dass in der STille und Verborgenheit die Kraft für ein Comeback heranreift. Es könnte auch anders sein, wenn wir wieder einmal haarscharf an einer gefährlichen Situation vorbeigeschlittert sind, das Neugeborene vollkommen gesund, die Ernte reichlich, das Leben gut zu uns ist.

Eigentlich haben wir dieses ästhetische wie schöpferische Wunder nicht verdient. Es wird uns einfach zuteil, still und leise geschenkt. Es ist Gnade, grenzenlose Güte, unverdientes Glück! Gläubige sehen es als Geschenk Gottes. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Darauf möchte auch die Anzahl der Kokons hinweisen. Die Wurzel der Zahl 49 ist die Sieben, die Zahl der Fülle. 49 ist die Fülle im Quadrat – unfassbarer Überfluss!

„Grace“ hat die Künstlerin ihre Arbeit benannt. Nicht weil englisch immer besser klingt, sondern weil das Wort „Grace“ weitere Bedeutungen hat, die eng mit dem Begriff der Gnade verbunden sind. „Grace“ bedeutet auch Anmut und Schönheit, wie wir es ja auch im deutschen Wort „Grazie“ kennen. Und „to say grace“ meint, das Tischgebet zu sprechen, Dank zu sagen. Mille grazie!

Gnade und Schönheit werden uns geschenkt, unsere Antwort ist schlicht der Dank.

Sehnsucht der Seele

Zwei längliche Objekte stehen parallel nebeneinander. Sie sind von der Größe her ähnlich und geben sich doch ganz unterschiedlich. Während das linke Objekt als Behälter genutzt wird, erscheint das rechte verschlossen, unzugänglich, geheimnisvoll. Der kantige, dunkelgraue Quader aus Stahl wäre nur ein monolithischer Block, stände er nicht in Beziehung zu seinem linken Pendant und ließe sich daraus die Geschichte konstruieren, dass er als Deckel abgehoben und daneben abgesetzt wurde. Die kantige Spur in der Erde könnte daher rühren, dass er beim Öffnen kurz abgesetzt wurde und dabei einen bleibenden Eindruck in der Erde hinterließ. Merkwürdig ist allerdings, dass diese rechtwinklige Linie als feine Lichtspur die Erde zeichnet. Denn ein solches Phänomen kennen wir – abgesehen von Vulkanausbrüchen oder Lichtreflexen auf Wasseroberflächen – nicht in unseren Alltagserfahrungen. „Hier aber haben wir eine geradezu künstliche Spur von Licht, eine Art Riss in der Wirklichkeit, zugleich ein Freiraum …“ (Andreas Mertin in „Gegenüberstellung“, 2014, S. 90)

Dieser spannungsvolle Freiraum lädt ein, selbst nach Bedeutungen zu suchen, diesen „Riss in der Wirklichkeit“ zu nutzen, um zu hinterfragen und neue oder andere Welten kennenzulernen. Denn so sehr der rechte Quader verbirgt, offenbart der linke Kasten. Der Kontrast zwischen den beiden Objekten verstärkt und fördert diese Bewegung. Das Spiel mit den Texturen regt an, haptisch zu begreifen und mit allen Sinnen zu erfahren: Das dunkle, glatte, stahlharte Metall auf der einen Seite, die warme, körnige, griffige Erde mit der Lichtspur auf der anderen Seite.

Werden hier nicht Tod und Leben thematisiert? Haben die beiden Quader nicht menschenähnliche Dimensionen? Erinnern sie durch ihre Kastenform nicht an Särge, in denen wir unsere Lieben begraben, der Mutter Erde zurückgeben? – Die Erde im Behälter mag erstaunen, erinnert aber, dass wir aus „Staub sind und zu Staub zurückkehren“. Sie symbolisiert unsere Vergänglichkeit, aber auch unsere Fruchtbarkeit und das Potential, das in uns steckt. Vor allem das Potential, Licht zu werden.

Die feine Lichtspur signalisiert, dass wir es in unserem Innern schon sind. Aber dieses ungeschaffene Licht ist unter einer irdischen Hülle verborgen. Die gute Nachricht: Es ist nicht unzugänglich weggesperrt, wie es der rechte Block suggerieren könnte, sondern wird schon durch geringe Veränderungen, oft sind es gerade Verletzungen, zugänglich und sichtbar. Die feine Lichtspur sagt damit: In dir steckt mehr! Ihre leichte Hakenform: Das ist gut so! Du musst dich nicht verstecken!

Die Lichtlinie offenbart damit und verweist auf eine immaterielle Gegenwart in allem Geschaffenen. Sie vermag die Seele anzudeuten und ihre Sehnsucht, im Leben Licht zu werden und nach dem Tod ins ewige Licht einzugehen. Damit deutet sie auch Gottes Gegenwart in uns an, die Quelle und das Ziel unserer Sehnsucht.

Diese Arbeit ist abgebildet in: Gegenüberstellung – Brücke zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem und wird von Andreas Mertin auf den Seiten 90-92 hervorragend beschrieben und gedeutet. Das Buch wurde herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat Regensburg anlässlich der Ausstellungen zum 99. Deutschen Katholikentag 2014 in Regensburg. Erschienen bei Schnell & Steiner Regensburg, 112 Seiten, 88 farbige Illustrationen, 21 x 26 cm, Hardcover, ISBN: 978-3-7954-2895-2, 19,95 Euro

Das ganz Andere

Die Arbeit ist extrem schmal. Sie konzentriert sich auf die Vertikale, auf den langen und mit unendlich vielen Stacheln bewehrten Corpus, dem oben eine scheinbar natürliche Gesteinsformation entwächst. Darüber erhebt sich eine kleine runde vergoldete Scheibe. Die dreiteilige Skulptur erinnert von ihrem formalen Äußeren an ein Schwert. Und doch wollen die ungewöhnlich kombinierten Materialien nicht richtig dazu passen. Was können sie bedeuten?

Der lange Corpus hat etwas Unberührbares an sich. Er stammt von der „Madagaskar-Palme“, deren Stamm wie bei einem Kaktus mit Stacheln besetzt ist. Dadurch wird das Innere geschützt und verborgen gehalten. Gleichzeitig konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den verhältnismäßig kleinen oberen Teil, der dem Innern zu entwachsen scheint. Oder bildet der unförmige Stein eher einen Pfropfen, der die Öffnung verschließen möchte? (Detailansicht)

Die rostbraune Oberfläche erinnert an sich zersetzendes Eisen, an Korrosion und Verwitterung, die dem scheinbar festen Stein zusetzen. Der Stein kann damit trotz seiner Härte gegen Verwitterung und Vergänglichkeit für langsamen Zerfall, für Krankheit, Vergänglichkeit und Tod stehen. Insofern zeigt dieses Element ähnliche Eigenschaften wie das stachelbewehrte Holz der Madagaskar-Palme, das sich auch groß und unangreifbar gibt und doch der Vergänglichkeit preisgegeben ist.

Im Verhältnis zur Skulptur klein, ja sehr klein, schwebt über dem stachelbewehrten Holz und dem verwitternden Stein die kleine goldene Scheibe. In ihrer goldenen Beschaffenheit, der glatten Oberfläche und dem perfekten Rund repräsentiert sie das ganz Andere in dieser Arbeit. Sie ist geradezu ein Fremdkörper.

Sie hebt sich ab vom Irdisch-Vergänglichen. Sie symbolisiert das unerwartet Neue, den Sieg über ein langes, aber dennoch der Verwitterung preisgegebenes Leben. Ein Leben, das von viel Sonne, aber auch vom Kampf um das lebensnotwendige Wasser gekennzeichnet ist.

So gibt sich die kleine goldene Schreibe gegenüber den matten Farben von Holz und Stein glänzend, perfekt und schön. Sie wirkt wie eine aufgehende Sonne, wie ein kleines Licht auf einer großen Kerze. Immer wieder schweift der Blick nach oben, geradezu ungläubig: Gehört das dazu? Kann dieses ganz Andere in dieser stacheligen Hülle bereits angelegt sein?

Wissen können wir es nicht, vielleicht erahnen, dass sich unser endliches Leben eines Tages aus Gnade in unendliches Leben wandelt. Derzeit bleibt das ewige Leben eine Verheißung, die uns wie die Krönung eines oft mühsamen Lebensweges mit vielen Entbehrungen vorkommt. Dass sich diese Verheißung erfüllt, darauf hoffen wir, daran glauben wir. – So klein dieses ganz Andere jetzt über dem Vergänglichen thront, einst wird es alles umfassen und mit seinem Glanz alles zur Vollendung führen.

Tod und Leben

Der Totenkopf ist wahrscheinlich das Erste, das wir beim Betrachten des Bildes erfassen. Mit großen runden, doch leeren Augenhöhlen „schaut“ er aus dem Bild heraus und grinst uns an. Sein Schädel ist aschgrau. Bezeichnenderweise ist er mit Kohle gezeichnet, einem pflanzlichen Material, das bereits einen Verwandlungsprozess durchgemacht hat. Auch formal wird die Vergänglichkeit sichtbar: Zum einen durch das fehlende bzw. wie ersetzte Stück Schädeldecke, zum anderen durch die Verformung zur rechten Bildecke hin.

Etwas kleiner, doch auch in rundlicher Form, ist dem Totenkopf auf der anderen Bildseite eine lichtgelbe Erscheinung mit feinen Zacken gegenübergestellt. Von ihrer Form her erinnert sie an eine Sonnenblume, von der Farbe her mehr an die Sonne selbst. Die hellgelbe Farbe wirkt kraftvoll und lichtdurchdrungen, der Pinselstrich bewegt. Somit stehen mit Sonne und Totenschädel Ursprung und Ende des Lebens einander gegenüber, Licht und Dunkelheit, Wärme und Kälte, unendliche Bewegung und Erstarrung.

Zwischen und über den beiden Bildprotagonisten befinden sich grüne Elemente auf schwarzem Untergrund. Zuerst scheinen sie einfach einen ornamentalen Hintergrund für diese Gegenüberstellung zu bilden. Doch mit der Zeit werden Assoziationen an ein Blätterwerk wach, erinnert die T-Form an einen Baum voller Blätter und Leben, ja lässt sich sogar ein Lebensbaum in symbolischer Kreuzform sehen. Noch einen Schritt weiter meint man den Gekreuzigten selbst zu erkennen, wie er mit weit ausgestreckten Armen schützend Sonne und Schädel umarmt und ihnen links und rechts von seinem Kreuz einen Platz gibt.

Damit wird der Lebensbaum zum zentralen und entscheidenden Bildelement. Flächenmäßig etwa gleich groß wie die Sonne und der Totenkopf, jedoch dunkler von der Gestalt her, verbindet er die beiden und gibt ihnen Halt. Dieses zum Lebensbaum erweckte Kreuz steht primär für Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist und dem vom Vater das neue, unvergängliche Leben geschenkt wurde. Gleichzeitig verweist das lebendige Kreuz auf das Paradies, auf den „Baum des Lebens“ in seiner Mitte (Gen 2,9).

Das Kreuz ist der neue Baum des Lebens und, wie die blauen Stellen im unteren Bereich andeuten, auch die Quelle ewigen Lebens. Aus der Seitenwunde von Jesus floss Wasser und Blut (Joh 19,34). Er selbst hat gesagt, „wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,14)

Auch der Totenschädel darf in Verbindung mit dem Paradies gesehen werden. Am Fuße des Kreuzes bezieht er sich auf den alten Adam, durch den die Sünde in die Welt gekommen ist, während Jesus, der die Welt von der Sünde erlöst hat und das ewige Leben brachte, als neuer Adam bezeichnet wird.

So markant der Totenschädel also die menschliche Endlichkeit zur Sprache bringt, so erzählen das Kreuz und die Sonne von der Überwindung dieser Grenze. Die Künstlerin hat diesen Prozess nicht in Leserichtung, sondern von rechts nach links dargestellt. So ist es, als würde der Tod rückgängig gemacht. Jesu Tod und Auferstehung haben den Tod entmachtet und den Gläubigen unvergängliches, ewiges Leben geschenkt. Dafür stehen die Sonne und ihr Licht. Und sie erinnern jeden Tag neu: Auferstehung ist jetzt. Das Licht hat gesiegt, die Erstarrung ist vorbei! – LEBE!

Auferstehen in die Herrlichkeit Gottes

Aufstrebende Dynamik und kraftvolles Licht prägen diese Arbeit aus farbigem Glas. Weite goldgelbe Flächen, versetzt mit braunen Nuancen, bestimmen den Grundton des Bildes und vermitteln Freude und ein wunderbares, unfassbar kostbares Geschehen voller Leben.

Es scheint seinen Ursprung im schwarzen, höhlenartigen Bereich am unteren Bildrand zu haben, in dem vor unförmigem Gestein auch zwölf kleinere, rundliche Bälle zu sehen sind. Sie leuchten wie kostbarstes Gold und muten wie Samenkörner an, die tief unter dem Boden darauf warten, zum Leben auferweckt zu werden und ihr verborgenes Potential entfalten zu können. Die Zahl Zwölf symbolisiert dabei Vollkommenheit und Vollständigkeit alles Geschaffenen, das zum Leben erweckt wird, hier aber noch im Machtbereich des Todes ruht.

Als starkes Gegenüber zum geschlossenen Raum des Todes hat die Künstlerin einen offenen Himmel gestaltet. Kräftiges, blau-weißes Wehen erfüllt den oberen Bereich des nahezu quadratischen Bildes und zeugt von Bewegung und Leben. Durch das Symbol des Auges wird dieses Leben Gott zugeordnet, dem Lebendigen, der Quelle des Lebens par excellence, dem Dreifaltigen, wie es das rötliche Dreieck anzudeuten vermag.

Direkt unter dem Auge ragt eine „Himmels-Zunge“ tief in den Bildraum hinein. Aus ihr scheint kostbares Wasser des Lebens zu fließen, zuerst ein Strom (vgl. Ez 47,9a: „Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können …“), der dann wie feiner Regen in der Tiefe die einzelnen Samen berührt (vgl. Jes 45,8: „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, will es vollbringen.“). Der offene Himmel streckt sich einem aufsteigenden Menschenwesen wie eine einladende Hand entgegen, auf dass der der Mensch sie annehme und ins Reich Gottes eintrete.

Die Auferstehung oder Auferweckung von den Toten wird hier eindeutig als ein Werk Gottes beschrieben, als ein Wirken voller Gnade und wunderbarer Herrlichkeit. Und es macht auch deutlich, dass Auferweckung von den Toten gleichzeitig Himmelfahrt und Heimkehr zum Vater bedeuten, ganz wie Jesus zu Maria nach seiner Auferstehung gesagt hat: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17)

In der Bewegung des Bildes, seiner Dynamik, Kraft und seinen Farben darf jede Auferstehung zudem als ein ausgesprochen pfingstliches Geschehen verstanden werden. Das Wehen des Geistes ist allgegenwärtig spürbar. Er erfüllt mit neuem Atem, neuer Kraft und führt in die unfassbare Weite des von Gott erneuerten, ewigen Lebens. – Uns allen ist der Heilige Geist zugesagt, versprochen! Wir brauchen uns seinem Wirken nur zu öffnen, seine Auferweckung zum Leben nur zuzulassen!

> Video in einer Präsentation der Arbeit von Gabi Weiss in der Schwäbischen Zeitung 2017

Entbindung

Der eiförmige Körper ist in zwei Teile auseinandergebrochen, als wäre ihm gerade ein Lebewesen entschlüpft. Dieser Eindruck wird durch die zwischen Öffnung und Deckel am Boden liegenden Binden verstärkt. Nun liegen Schalen und Binden verlassen da. Niemand ist zu sehen. Die hinterlassenen Teile bezeugen jedoch ein Geschehen der Verwundung, der Verwandlung und auch der Offenbarung. Denn was einst verborgen war, ist nun erkennbar, auch wenn niemand zu sehen ist.

Von Verwundungen erzählen die verschiedenen Narben und die blutrote Stelle im Verband. Sie sind offensichtlich zu verschiedenen Zeiten zugefügt worden, denn zwei sind vernarbt, wobei bei der einen noch die Fäden, mit der die Wunde zugenäht worden ist, zu sehen sind, und die blutende Wunde so frisch ist, dass sie durch die Kompresse blutet (weitere Ansicht). Ebenso ist eine sechsstellige blaue Zahl zu sehen. Ob sie auch mit einer Verletzung zu tun hat? Möglich ist es schon, denn nur eine Zahl zu sein oder abgestempelt zu werden ist nichts Angenehmes, auch wenn für uns Zahlencodes auf Eiern sehr vertraut sind.

Doch geht es hier nur um einen geschlüpften Vogel? Die Hohlform gleicht wohl einem Vogelei, ist mit einem Durchmesser von 34 cm allerdings sehr groß. Die wächserne Oberfläche erinnert zudem in Farbe und Aussehen an menschliche Haut. Auch den Verband bringen wir eher mit einem Menschen in Zusammenhang als mit einem Ei.

So sprechen die aufgebrochene Schale und die abgelösten Binden das Thema „Geburt“ an. Das Ei ist verlassen, der Verband teilweise gelöst worden. Letzterer schützte wohl primär den verletzten Körper, verweist sekundär jedoch auf die Ent-Bindung des Kindes von seiner Mutter bei der Geburt. Entbindung meint ja im übertragenen Sinn das Lösen von Bindungen, die neues Leben verhindern.

Spontan mag man an die Auferweckung des Lazarus denken, von dem es in Joh 11,44 heißt: „Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!“

Auch Jesu Auferstehung wird parallel zu den biblischen Berichten aufgenommen. Die Künstlerin schreibt dazu: „Die leere Hülle zeigt noch die Spuren erlittener Gewalt und entspricht gleichzeitig dem leeren Grab. Die Binden wurden wie beim Leichnam Jesu von außen gelöst. Der Raum, in dem das Leben herangereift ist, wurde gesprengt und verlassen.“ An die Stelle von Dunkelheit und Gefangenschaft sind Licht und Bewegungsfreiheit getreten, weil Gott ihn nicht verlassen hat, weil er Ihm nahe geblieben war.

Durst nach Leben

Dynamisch geschwungene Liniengebilde schweben durch einen neutralen Bildraum. Alle haben mehr oder weniger die gleiche Strichstärke, sie unterscheiden sich nur in ihrer Intensität. Während die dunkleren Linien sich kraftvoll in den Vordergrund drängen, verschwinden die weniger stark betonten Linien im Hintergrund. Durch die auslaufenden Striche und offenen Formen entschwinden sie gleichsam in der unfassbaren Tiefe des Bildraumes.

Auf den ersten Blick mag dieses Spiel der Linien einfach faszinieren: Der Rhythmus von weiten Bögen und engen Kurven, der sich in der unteren Bildhälfte verdichtet und von diesem Zentrum aus in drei einzelnen Formen aufsteigt. Der luftige Tanz von Linien, der Assoziationen an eine Feuerstelle und den daraus aufsteigenden Rauch auslösen mag.

Bei längerer Betrachtung schließen sich die luftigen Gebilde jedoch zu Umrissen von Knochen mit langem Schaft (Diaphyse) und breiteren Knochenenden (Epiphysen). Noch sind sie zu erkennen, noch sind mit den Strichen Spurenelemente von ihnen übrig geblieben. Von wem sie wohl stammen mögen?

Ihre Ähnlichkeiten mit Arm-, Finger- und Beinknochen lassen auf den Menschen schließen. Aber jeglicher Anhaltspunkt für die Bestimmung einer Größe fehlt. So sind es einfach Knochen, die durch die Überlagerungen zum einen körperliche Zusammengehörigkeit signalisieren, durch die teils offenen Formen und erst recht durch den Umstand, dass sie sich über den Bildrand hinaus auflösen, auch Vergänglichkeit und Übergang in eine ungegenständliche und letztlich unsichtbare Wirklichkeit andeuten.

So sind die Knochen in ästhetisierender Transparenz von jeder menschlichen Nähe entfremdet. Einst zu Menschen wie du und ich gehörend, von Fleisch und Sehnen überzogen, waren sie das unsichtbare Gerüst für den aufrechten Gang und das Leben. Nun sind sie nur noch eine Ansammlung substanzloser Knochen, nicht viel mehr als eine Erinnerung, dass da einmal etwas war.

Diesen Zustand der äußersten Armut und Beziehungslosigkeit, der Abwesenheit von jeglichem Leben, verbindet die Künstlerin mit Jesu Sterben am Kreuz. Insbesondere bewegten sie bei der Ausführung dieser Werkreihe seine letzten Worte: „Mich dürstest.“ Dabei meint sie nicht seinen “Durst nach Wasser, sondern nach Trost, Hoffnung, Liebe von Mensch zu Mensch”. Damit setzt sie mit diesen Arbeiten (weitere Werke aus dieser Reihe) den Ruf Jesu am Kreuz fort. Die ihrer Substanz und ihrer Zuordnung beraubten Knochen bringen diese Sehnsucht nach Zuwendung, stabiler Beziehung und Erfüllung zum Ausdruck.

Doch diesen an Knochen erinnernden Linien hat Lilian Moreno Sánchez nicht nur die Sehnsucht nach Trost, Hoffnung und Liebe mitgegeben, sondern auch eine Bewegung, die Überwindung des trostlosen Zustandes andeutet. Scheint nicht ein Windhauch die Gebeine an einem Ort zusammenzuwehen und einige sogar hochzuwirbeln? Die Intervention einer äußeren Kraft wird damit sichtbar. Auferstehung zu einer neuen Lebensgestalt, die sich durch Auferweckung und liebevolle Zuwendung Gottes ergibt.

Das erinnert über die Auferstehung Jesu hinaus an die Weissagung des Propheten Ezechiel, bei dem er wiederholt den Geist Gottes über ein großes Feld mit Knochen herabrufen musste, damit diese sich zu Skeletten sammelten und letztlich mit neuem Leben erfüllt wurden (Ez 37,1-14). Eine wunderbare Erzählung, mit der Gott den im Exil verzweifelten Israeliten seinen Beistand kund tat und ihnen Mut machte, aus ihrer Hoffnungslosigkeit aufzustehen.

Heute ermutigt uns Lilian Moreno Sánchez auf ihre Weise auf Menschen zuzugehen, die sich hoffnungslos wie damals die Israeliten oder durstig wie Jesus am Kreuz fühlen.

Ganze Werkreihe “Tengo Sed – Mich dürstet”

Ausführliches Interview mit Lilian Moreno Sánchez anlässlich ihrer Ausstellung zum “Aschermittwoch der Künstler” 2013 in Hildesheim

Leben erhalten und schützen

Gegensätze formulieren dieses horizontal geteilte Bild. Leuchtende Gelbtöne bilden das Oben, undurchdringliches Schwarz das Unten. Sie sind als heller und dunkler Bildbereich dargestellt. Allein die Menschendarstellungen in je zwei Erzählungsreihen verbinden die beiden Bildhälften. Doch auch sie sind unterschiedlich dargestellt. Oben bilden die Menschen Zweier- oder Dreiergruppen, einander zugewandt, während sie im unteren Bereich allein oder einander gegenüber dargestellt sind.

Die hellen und warmen Farben ziehen den Blick zuerst in die obere Bildhälfte. Links oben sind eine Frau und ein Kind einem sitzenden, vornüber geneigten Menschen zugewandt. Er scheint verzweifelt zu sein, die beiden versuchen ihn zu trösten. Daneben liegt ein Mensch im Krankenbett, an medizinische Geräte angeschlossen. Eine Frau steht an seinem Krankenbett im Dialog mit ihm. In der Reihe darunter hält links ein Mann ein Neugeborenes in seinen Armen. Sein Kopf ist geneigt, das Kind betrachtend, liebend. Daneben drei frontal dargestellte Kinder oder Jugendliche. Ihre Köpfe und Kopfhaltungen signalisieren ein ungewöhnliches Denk- und Körperverhalten. Sie halten sich an der Hand, sie stehen zusammen, geben einander Halt.

Die vier Menschengruppen bilden eine Aussage: Niemand wird allein gelassen, niemand ausgestoßen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Dieses Leben ist die Grundlage der Gemeinschaft, der Freude. Aus der Zuneigung entsteht Vertrauen, Freude wächst, Frieden folgt.

Im schwarzen Bereich sind die Menschen nur mit weißen Konturen dargestellt. Oben links steht ein Jugendlicher geknickt und mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor zwei Männern. Der eine zeigt auf ihn. Die offenen Münder machen deutlich, dass die beiden anklagend über ihn reden. Daneben stehen sich zwei Soldaten in Schutzmasken und mit erhobenen Waffen gegenüber. Krieg … unter Umständen werden beide sterben. Ganz rechts ein Mensch, der seinem Leben bewusst ein Ende gesetzt hat – Selbstmord durch Erhängen. Links unten gibt eine Frau einem darniederliegenden Mann eine Spritze. Aus dem Kontext ergibt sich, dass er den Wunsch zum Sterben hat und sie ihm dabei hilft. In der mittleren Darstellung wird ein Embryo durch einen stabähnlichen Gegenstand von außen bedroht. Damit wird auf die gängigste Abtreibungsmethode durch Absaugen hingewiesen. Rechts davon sitzt ein Mann auf dem elektrischen Stuhl. Er ist wegen seiner Verbrechen zum Tode verurteilt worden.

Diese sechs Einzelbilder führen erschreckend vor Augen, dass auch in unserer Zeit täglich Tausende von Menschen umgebracht werden oder sich selbst das Leben nehmen. Es ist die dunkle, bedrohliche Seite des Lebens, die deutlich macht, wozu wir Menschen fähig sind. Dies geschieht trotz des Jahrtausende alten Gebotes „Du sollst nicht töten“ (Dtn 5,17), auf das Gott das Volk Israel und seine Nachkommen in den Zehn Geboten verpflichtet hatte. Dies geschieht trotz des im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankerten Grundrechts auf Leben Art. 2 Abs. 2: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“

Doch gerade weil das menschliche Leben so verletzlich ist, muss es geschützt werden. Die Zehn Gebote erinnern immer wieder an die wesentlichen Werte, die jedem menschlichen Miteinander zu Grunde liegen und an denen sich unser Tun messen und beurteilen lassen muss. Das Verbot zu töten ist letztlich ein Gebot, das Leben in jeder Form zu achten, zu schützen und zu erhalten. Es ist ein Angebot zum Glück.

Gabi Weiss hat zu allen zehn Geboten Bildtafeln geschaffen, die mit Texten von Theresia Hafen zusammen wertvolle Grundlagen für Überlegungen zur gegenseitigen Wertschätzung und Rücksichtnahme bilden und ein gutes Zusammenleben ermöglichen. Das Kartenensemble im Format Din A 5 kann auf der Website der Künstlerin angeschaut und zum Setpreis von 8.- € bestellt (Bestellformular) werden.

Trinität

Ganz hell präsentiert sich dieses dreiteilige Bild. Bis auf drei dunklere Bereiche sind alle Farben so stark aufgehellt, dass das Dargestellte nur wie durch einen Nebelschleier hindurch zu erkennen ist.

Irgendwann assoziieren wir das Dargestellte vielleicht mit drei menschenähnlichen Gestalten, die sich um eine gelbe Mitte versammeln, denn der Bildaufbau verwendet die gleichen Hauptelemente wie Andrej Rubljow am Anfang des 15. Jahrhunderts in seiner berühmten Dreifaltigkeitsikone. Doch während dieser die drei göttlichen Personen durch Engelsgestalten darstellte, deutet Bernd Zimmer sie als energiegeladene Außerirdische in einer transzendenten Atmosphäre an. Beim einen sind sie um den Tisch (Altar) mit Schale und Brot versammelt, beim anderen um ein lichtes Ereignis in ihrer Mitte. Sind die drei göttlichen Personen in der Ikone als solche klar erkennbar, steht man beim Triptyk eher einem Rätsel gegenüber. Hier wird zweifelsfrei eine Trinität dargestellt, die im Wesen eins ist, aber sie entspricht nicht unseren Vorstellungen, sondern ist anders als wir. Es bestehen wohl Ähnlichkeiten, so dass wir bei ihnen von einem Körper und einer Art Kopf sprechen können, aber Gott bleibt der Nicht-Darstellbare, der ganz Andere.

Wie hat sich Bernd Zimmer nun dennoch bildlich ihm angenähert? Als erstes wählte er drei gleich große Leinwände, die er durch die Farben und das gleiche Motiv zu einem Triptyk vereint. Dann stellt er die drei Gestalten in ein blendend helles Licht, so dass sie wie auf einem überbelichteten Foto nur ganz schwach zu erkennen sind. Je nach Lichteinfall sind sie mehr zu erahnen als zu sehen. Ihre Körper bestehen aus weißen Energieströmen, die von einer gelben Mitte auszugehen scheinen und individuell zu drei aufrechten Gestalten aufsteigen und je in einem kopfähnlichen Gebilde enden. Diese bestehen stets aus einer dunkleren, grünlicheren Innenform (rechts am wenigsten), bräunlichen Strichzeichnungen, in denen Kopfformen ausgemacht und Gesichtszüge gesehen werden können sowie mit etwas Abstand dazu einer rundlicheren Umrisslinie, die an die Außenform einer Glühbirne oder gar an einen Heiligenschein denken lässt.

So wie die „Köpfe“ eine dreiteilige Erscheinung haben, so durchzieht das Thema „Trinität/Triade“ die Arbeit in immer neuen Variationen. Wir haben ein dreiteiliges Bild mit drei gleichbedeutenden Gestalten, deren Einheit nur durch die Trennung der Leinwände unterbrochen wird. Jede Gestalt besteht im Wesentlichen durch eine grau-weiße, bzw. in der Mitte durch eine gelb-weiße körperliche Abgrenzung vom lindgrünen Hintergrund (je drei Farben) und dem dreifach ausgeformten einen „Kopf“.

Die drei Gestalten sind um das leuchtend gelbe Ereignis versammelt, das wiederum von einer kreisrunden Mitte auszugehen scheint. Etwas Spritziges wohnt diesem Ereignis inne, ebenso etwas Leichtes im schwebenden Überlagern der anderen Farben, etwas Vereinendes im Übergreifen auf die seitlichen Bildteile. Wie von einer gemeinsamen Energiequelle scheinen die Drei aus diesem einen Wesen zu leben.

Der Künstler bleibt in seiner Darstellung der Trinität offen. Er hat mit den „schemenhaften weißen Phantasmen“ … „eine Figuration, die aber ohne Identität ist“ geschaffen, eine Präsenz, „die eine kultische Assoziation zulässt, ohne sie zu definieren“ (Walter Grasskamp im Gespräch mit Bernd Zimmer in: Das menschliche Format, S. 41/43, München 2010). Für den Künstler muss das Bild „als strahlende Erkenntnis erscheinen, die Nichtfarbe Weiß, fast neutral in ihrer Erscheinungsform, muss den Bildraum bestimmen. Eine weiße Leinwand, gleich einer durchbrochenen Nebelwand, symbolisiert die Anwesenheit des Undarstellbaren“ (ebda.).

So kann das Bild durch die drei Gestalten mit der Erscheinung Gottes an Abraham bei den Eichen von Mamre (Gen 18,1-15) verbunden werden, durch das feurige Ereignis in der Mitte aber genauso gut mit der Erscheinung Gottes an Mose im brennenden Dornbusch, bei der er sich als „Ich-bin-da“ offenbarte (Ex 3,14). Er ist der Lebendige, der aus seiner Mitte heraus der ganzen Schöpfung Leben schenkt. Nicht nur den Menschen hat er als sein Abbild geschaffen (Gen 1,27), sondern auch des Menschen Familie, die traditionell aus Vater, Mutter und Kind besteht. Vielleicht verbinden wir gerade wegen dieser ursprünglichen Erfahrung so viel mit der Zahl Drei. So kann eine dreifache Manifestation kein Zufall mehr sein und steht somit für ein glaubwürdiges Zeugnis. Gleichzeitig deutet sie auf Vollkommenheit hin. In dem Sinne hat die Zahl Drei als eine allumfassende Zahl in vielen Religionen vielseitige Anwendung gefunden (u.a. z.B. Erde, Himmel, Hölle; Glaube, Hoffnung, Liebe), im Christentum ganz ausgeprägt im dreieinigen Gott. Er ist die Fülle des Lebens, aus der alle leben, in ihm findet auch alles Leben seine Vollendung. Und ist es nicht so, dass das Leben gerade in den Beziehungen seine Vollkommenheit erfährt, in der gelebten Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen? – Auch da ist uns die Trinität Vorbild.

Aufbruch zum Leben

Acht Skelette bilden auf den zwei großen Bildtafeln (Zoom) eine Art Totentanz quer durch den Chor der katholischen Kirche St. Peter und Paul in Dürbheim. Sie liegen nicht, sondern sitzen, stehen, hängen, trommeln, blasen die Fanfare. Aus dem Staub des sandigen Bodens haben sie sich erhoben, wieder menschliche Gestalt angenommen. Während die einen noch mit verschränkten Armen im Dunkeln kauern, stehen andere schon aktiv im Licht, blasen und schlagen zum Aufbruch. Sie scheinen nicht nur die im „Schatten des Todes“ Sitzenden zum Aufstehen bewegen, sondern auch alle im Kirchenraum Anwesenden wecken und aktivieren zu wollen. Damit steht die künstlerische Intervention in einer Linie mit der biblischen Erzählung von der Auferweckung der Toten im Buch Ezechiel 37,1-14. Damals stärkte Gott durch die großartige Vision sein in langjähriger Gefangenschaft entmutigtes Volk und gab ihm neue Kraft, seiner alles erneuernden Geisteskraft zu vertrauen.

Von außen nach innen bauen sich die beiden Bildtafeln auf und entwickeln über eine imaginäre Kopflinie hinweg eine ungeheure Kraft, die letztlich über die Fanfaren hinaus den Bildrand quert: Alle sollen von dieser Auferstehung hören, alle sollen von dieser Hoffnung leben. Im Gottesdienst bilden die beiden Fanfaren spielenden Skelette ein Spalier für den, der durch die Öffnung in ihrer Mitte geht: den Leiter des Gottesdienstes, den Pfarrer oder den Diakon, der den lebendigen Gott verkündet und das Brot des Lebens reicht. Und wenn der Priester am Altar steht, wird erst recht deutlich, dass die Fanfarenstöße und Trommelwirbel Christus gelten. Denn gerade während der sakramentalen Handlung am Altar handelt der Priester in „persona Christi“.

Die Bildtafeln sind eigens für diesen Chorraum gemacht. Wie eine Chorschranke trennen sie den Altarraum: vorne der aktuelle Volksaltar, hinten der barocke Hochaltar mit dem Allerheiligsten (Choransicht). Obwohl die Platten auf den ersten Blick wie eine Mauer wirken, lassen sie unzählige Durchblicke auf den Hintergrund zu. Die meisten Linien sind mit der Motorsäge „gezeichnet“ bzw. aus der Spanplatte herausgeschnitten worden. Sie finden sich bei den Schattenbereichen genauso wie bei den stern- und kreuzförmigen Gebilden, die dunkel den hellen Hintergrund strukturieren. Insbesondere fallen sie aber bei den Skeletten und der Zeichnung ihrer Knochen auf (Detailansicht). Was dem lebenden Menschen Halt gibt, ist hier Freiraum, Leere, Nichts. Durch die Schnitte wurde gleich in zweifacher Weise Trägermaterial (Spanplatte und Knochen) entfernt, was die Verwandlung zu immateriellen Wesen noch hervorhebt.

Geisterhaft, unwirklich erscheinen die Skelette so im Material der Spanplatte als skelettierte Lichtgestalten. Von den Knochen her, von ihrer tragenden Körperstruktur her löst sich ihre Körperlichkeit in Luft und Licht auf. Vollzieht sich an ihnen Auferstehung? Umgekehrt wurde die Spanplatte mit jedem Schnitt geschwächt, mit jeder Materialentfernung mehr zum Skelett ihrer selbst. Dabei hatte sie als Recyclingprodukt von Holzspänen selbst schon eine Verwandlung zu einer neuen Form erfahren. Aber diese Verwandlung von Material spielt sich in unserer Wirklichkeit ab und ist absolut verständlich und beobachtbar. Ganz anders ist es bei den Gestalten. Deren Rückkehr in bewegtes Leben, ihre Auferstehung entzieht sich unserer Beobachtung, unseren Sinneskräften und der Künstler muss zu Symbolen greifen, wenn er „anschaubar” machen möchte, was in einer anderen Dimension stattfindet. Hier kann es die Teilung des Chorraums sein, die eine Ahnung von dem vermittelt, was eigentlich verborgen ist. Der vordere Teil ist unser Lebensraum. Die Verwendung des Alltagsmaterials Holz unterstreicht das. Und dahinter, verbunden durch einen schmalen Gang, ist das Andere, das Sakrale, Auferstehung, ewiges Leben, Gott, zu dem nur Glauben und Hoffen gelangen können. Aber das Geschehen am Altar kann ein Wegweiser in diese andere Dimension sein.

Diese Installation von Hans-Jürgen Kossack wurde 2011 im Rahmen der Ausstellung malhalten – Gegenwartskunst in einundzwanzig Kirchen in der katholischen Kirche St. Peter und Paul in Dürbheim gezeigt.

Neues Leben

Ruhig geben sich die Farben und Formen dem Auge des Betrachters. Oben und als Hintergrund dominieren warme Gelb- und frische Grüntöne, unten und näher beim Betrachter rotbraune Farben mit weißen Farbtupfern. Filigran und vergänglich wie farbige Blätter im Herbst bilden sie den Boden des Bildes. Aus drei verschwommen dargestellten Basen steigt ein Dickicht von braunen Strichen bis in die farbigen Spitzen empor. Sie suggerieren geknickte Hölzer. Und das Ganze ist zusammengefügt zu einer Krone, einer Dornenkrone.

Das Gebilde ist nicht erhaben und ziert auch keinen Kopf. Die „Krone“ liegt vielmehr wie niedergelegt am Boden, Niederlage und Tod gleichzeitig symbolisierend. Wenn da nicht die vielen kleinen weißen Blüten wären, die in diesem Dickicht von Zerbrochenem von Leben zeugen und es wunderbar verkünden.

Ein Auferstehungsbild? Die blühende Dornenkrone vermag genauso von der verspottenden Dornenkrönung Jesu während seiner Passion zu erzählen wie von seiner wahren Königswürde als Sohn Gottes. Sie spricht im dreiteiligen Fundament die drei Tage der Grabesruhe an, in den weißen Blüten seine Auferweckung von den Toten. So wächst das Bild von unten nach oben dem Licht entgegen, bildet links stellvertretend für die ganze Schöpfung ein Ahornblatt und streckt sich nach dem Licht rechts oben.

Das ganze Bild strömt eine wohltuende Wärme aus. Von Vergänglichkeit oder Tod ist nicht mehr viel zu spüren. Übermächtig wirken das Aufstrebende und die Fülle des Lebens. Doch die verdorrten Zweige sind die Grundlage für das neue Wachstum. An und auf diesem Dornengebilde treiben die siebzehn weißen Blüten. In ihnen ist keine farbliche Altlast zu sehen, sondern kindliche Reinheit und Neuschöpfung. Sie künden von der Größe ihres Schöpfers, der sie nach dem Winterschlaf durch die Wärme der Sonne ans Licht gerufen hat. Auferweckung durch und durch.

Sieg des Lichts

Licht und Dunkel stehen sich in diesem Bild gegenüber. Nicht mehr im Kampf, sondern in entspannter Ruhe und Ordnung zeigen sie sich. Mittig und erhaben leuchtet weißes Licht, welches die dunklen Elemente in die Ecken verdrängt. Über allem schwebt ein vertikaler Balken, der weder Licht noch Dunkel ist, sondern ganz aus Gold.

Alle Symbole sprechen von einer finalen Auseinandersetzung zwischen Leben und Tod, ja vom Sieg des Lebens über den Tod! Wie aus einer anderen, immateriellen Welt dringt das Licht durch die türartige Öffnung in den diesseitigen Lebensraum hinein; an seinen Rändern sich in sonnengelbe, dann orange Farben wandelnd und Wärme ausstrahlend. Alles soll licht und warm werden. Das Angstmachende, Einengende, Lähmende, Verschließende und zum Tod Führende muss endgültig weichen. Links unten lösen sich die rechteckig erstarrten Elemente auf, rechts ist das Wegrollen einer schweren Kreisform zu spüren.

Licht und Dunkel stehen sich nicht nur farblich, sondern auch in den beiden Kreisformen im Bild gegenüber. Während der dunkle Kreis das Bild verlassen muss, scheint die helle Kreisform von oben hereinzukommen. Ihr Wesen ist mit Transparenz, Zuneigung und, wie es das goldene Element in sich aufnimmt, mit Offenheit zu beschreiben. Diese Kreisform steht für das unendliche Leben, für das Transzendente, für Gott.

Hier wird mit gestalterisch formalen Mitteln Auferstehung gefeiert. Im senkrechten Rechteck begegnet uns der von den Toten Auferweckte. Mit der goldenen Farbe wird auf seine göttliche Herkunft hingewiesen, mit seiner erhöhten Position auf seine Rückkehr zum Vater und die Verherrlichung zu seiner Rechten. Die drei gelben Waagrechten muten wie Stufen an und mögen an sein Hinabsteigen in das Reich des Todes erinnern, gleichzeitig aber auch sein Heraufsteigen nach drei Tagen Grabesruhe.

Ob es so geschehen ist? Keiner weiß es. Es ist ein Bild des Glaubens. Ein Glaubensbild, das von der unzerstörbaren Kraft des Lebens erzählt. Es ist ein Bild, das alle einlädt, dem einst Geschehenen zu trauen, über die gelben Stufen gleichsam ins Licht zu steigen und sich so in das Werk der Erlösung hineinnehmen zu lassen.

Wucht des Todes noch
schwarz hingesetzt
verfügt der Tod
hingerollt der Stein aus Angst
tot-sicher
Ende
aller Herrlichkeit.
Weggewälzt
die dunkle Last
frei der Blick
das Tor zum Licht.
Das Grab hielt ihn nicht mehr
unfassbar leer
der Schreckens-Freude Raum:
„Er ist nicht mehr hier.
Auferstanden ist der Herr.“
Ausgestreckt am Kreuze einst
zum Himmel auf der Schrei
Abstiegsweg ins Totenreich
erhoben aus dem Grabe, hell
eint Erd und Himmel – ER.
Lebendiger der eine Weg zum Vater hin
SEINE Liebe, grenzenlos.
Umfasst du ihre „Länge und Breite,
Höhe und Tiefe“ geformt in der Geschichte des Abstiegs?
Auferstanden von den Toten ist der Herr,
lebt das WORT:
„Ich lebe – und auch ihr werdet leben.“

(Lyrik von P. Meinulf Blechschmidt in: Sehen – Glauben – Leben. Gedanken zum Glaubensbekenntnis, Beuroner Kunstverlag, Beuron 2007, S. 39f, ISBN 978-3-87071-166-5)

Bild des Lebens

Kirchenfenster aus geschnittenen Achatsteinen bilden einen Teil der Neuverglasung von Sigmar Polke im Grossmünster in Zürich. Unter ihnen lockt ein halbrundes Oberlichtfenster zur näheren Betrachtung. Die Querschnitte sind hier kleiner und wirken deshalb bunter und voller als bei den Längsfenstern, aber genauso rätselhaft.

Der Achat spielt kultur- und religionsgeschichtlich eine uralte Rolle. Er ist einer der zwölf Edelsteine auf dem Brustschild der israelitischen Hohenpriester (Ex 28,19). Jeder der 12 Steine war Symbol für einen der Stämme Israels. Seine vielfarbigen Streifen in der Schnittfläche wurden mit dem Regenbogen und damit dem Bund Gottes mit den Menschen, dass kein Wassergericht (Sintflut) mehr über die Erde kommen werde, in Verbindung gebracht. Darum genoss der Achat hohe Wertschätzung, auch als Amulett gegen Blitz, Sturm und Durst. Heute gilt er wegen seiner frühen Entstehungszeit als Symbol für ein reiches und langes Leben, für Mut und Freude, Kraft und Gesundheit, ein ruhiges Herz und einen festen Blick.

Entstanden ist er in Hohlräumen oder Blasen von vulkanischem Gestein. Daraus muss er befreit, dann gereinigt, geschnitten und schließlich geschliffen werden, um seine je eigene Ausbildungsform zu zeigen, die durch die Kristallisation entstandenen Streifen, Bänder, Schichten, Farben und Formen. In unserem Fenster sind viele Querschnitte dieser Achatsteine zu einem bunten Mosaik zusammengefügt worden. Die leuchtenden Farben erzählen von der Schönheit der Natur. Einst verborgen in den Tiefen der Erde und im Innern der Steine, offenbaren sie nun – angeordnet in einer vagen Symmetrie – im hellen Licht ihre Pracht. Die vielen Farben und Formen vermitteln den Eindruck, als wäre mit ihnen ein Querschnitt durch eine unbekannte, fremde Welt gezogen worden.

Dieser Eindruck ist sicher nicht falsch. Das Innere der Schöpfung und alles Geschaffenen bleibt uns in den meisten Fällen verborgen und damit unbekannt. Die geschnittenen Achatsteine könnten deshalb auch als Symbolbilder für unser Inneres gesehen werden. Für das, was uns bewegt, was wir denken und empfinden und trotz allem Austausch oft ein Geheimnis bleibt. Dann würde das Fenster eine kunterbunte und lebendige Gemeinschaft zeigen, in der die Einzelnen ohne Kontaktscheu eng zusammenstehen und zusammenarbeiten. Achatsteine werden geteilt, damit sie im Tageslicht leuchten können. Wir hingegen müssen das Licht, das von außerhalb unserer Welt zu uns kommen will, bewusst annehmen und in unser Innerstes einlassen, damit seine geheimnisvolle Schönheit für alle sichtbar zum Leuchten und Strahlen kommt.

Rücken an Rücken

Zwei ungewöhnliche Kunstwerke begegnen uns in diesen beiden Arbeiten von Klaus Simon. Abstrakte Formen auf Kaseln gedruckt, überhangartige Gewänder für den liturgischen Gebrauch. Selbst für häufige Kirchgänger ungewohnte Motive, die zu genauerem Schauen anregen.

Für jede Kasel scheint nur ein Druckstock verwendet worden zu sein. Unterschiedlich eingefärbt, wurde das gleiche Motiv je dreimal verwendet – zweimal in Rot bzw. Grün auf Vorder- (Detailbild) und Rückseite, sowie auf letzterer ein weiteres Mal um 180 Grad gedreht in einem dunklen Farbton. Dadurch ergaben sich zwei gegensätzliche Bewegungen, die sich in der Mitte überlagern und verdichten. Innige Begegnung wird spürbar, wobei die Farbgebung andeutet, dass die obere Farbschicht, die von oben her sich verjüngende Form der gebende und den anderen durchdringende und erfüllende Teil ist.

Als gemeinsamer Anhaltspunkt für die maßgenaue Überlagerung ist in beiden Werken ein vertikaler Freiraum zu erkennen. In der grünen Kasel ist er durchgehend, in der roten unterbrochen und seitlich verschoben. Eine unsichtbare Mitte wird spürbar, die verbindet und sammelt, aber auch trennt, wie in der für die Messfeiern im Jahreskreis gedachten grünen Kasel. Eine Mitte, die, wie in der roten Kasel, aber auch Gewalt erfahren, einen Bruch erleiden kann: Diese Kasel ist für Palmsonntag, Karfreitag, Pfingsten, die Feste der Apostel, Evangelisten und Märtyrer vorgesehen.

Die beiden Messgewänder werden zum Gottesdienst getragen, zum Dienst Gottes an den Menschen, zur Eucharistiefeier, der Danksagung der Menschen an Gott. Die aufgedruckten Motive wollen eine zweifache Erinnerung wachrufen. Zum einen: an zwei große Ulmen, die jahrzehntelang eng nebeneinander im Park der Katholischen Akademie in Bayern gewachsen sind. Wegen Käferbefall mussten die beiden Bäume 2003 gefällt werden (Detailbild). Ihr Holz wurde dann von Klaus Simon einfühlsam – indem er der Spur des Lebens dieser Bäume nachging – zur zweiteiligen Skulptur „Rücken an Rücken“ gestaltet (Detailbild). Die Abdrücke ihrer Innenseiten auf den beiden Kaseln erzählen nun wie Ikonen von ihrer ehemaligen Existenz. „Die Kaseln sind wie Fingerabdrücke der Skulptur, einmalig und nicht wiederholbar spiegeln sie unser Eingebundensein in die Schöpfung. Die Gewänder zeigen im Abdruck die Wachstumsgeschichte des Baumes und den Werkprozess, die Spuren, die die Kettensäge auf der Oberfläche der Skulptur hinterließ.“ (Klaus Simon in „Rücken an Rücken“, Hrsg. Katholische Akademie in Bayern 2003, S. 14)

Die zweite Erinnerung betrifft Jesus und sein Leben in unserer Welt und entsteht durch den Einzug der Bäume in den liturgischen Raum. Als Abbild einer neuen Wirklichkeit, die aus der alten herausgewachsen ist und einen neuen Platz gefunden hat, erinnern die sich überlagernden Baumzeichen an Jesu Abdruck in dieser Welt, an das, was er uns in Wort und Leben hinterlassen hat. In den beiden weißen Balken begegnen sich die Sehnsucht der Menschen und das Entgegenkommen Gottes: als Lichteinbruch, als vereinigenden Freiraum, der wie die rote Kasel darstellt, auch gestört und unterbrochen werden kann.

„Bei dieser Arbeit von Klaus Simon kommt etwas zur Sprache, was verloren scheint. Klaus Simon hält die Zeit an, gibt ihr eine neue Qualität. Die Zeit des Baumes ist vorüber, als Skulptur und als Träger von Farben lebt er weiter. Die Farben als Ausdruck liturgisch geprägter Zeit überführen den gefällten Baum in eine neue, andere Dimension. Klaus Simon gibt uns Seh- und Lesehilfen mit auf den Weg, auf unserer Suche nach einer sinnvollen Welt: einer Welt, die im Ausgleich von Natur und Kultur lebt; einer Welt, die um ein Getragensein durch ein Größeres weiß oder zumindest darauf hofft.“ (Walter Zahner, ebd., S.16)

 

Zu dieser Arbeit ist 2003 von der Katholischen Akademie in Bayern in München die Broschüre “Rücken an Rücken” mit 20 Seiten und 12 Bildern herausgegeben worden und kann ebenda bezogen werden.

Erholung

Große Einfachheit zeichnet dieses Bild aus. Abstraktion, denn die Farbfelder lassen die Erkennung eines konkreten Gegenstandes nicht zu. Ist es deswegen ein geistiges Bild? Seine Struktur ist uns nicht unbekannt. Nicht nur von Mark Rothko, der als erster in dieser Weise große Arbeiten malte. Im Bild können sich vielfache Erfahrungen aus unserem Leben spiegeln.

Da ist eine markante, waagrechte Trennung zwischen Unten und Oben, wie wir sie auch in der Natur in der Trennung von Erde und Himmel erfahren. Die Horizontale erinnert an flache Landschaften wie große Ebenen, Wüsten oder den Meeresstrand. Ihnen wohnt eine besondere Weite und Ruhe inne. Es sind für Körper und Seele erholsame Orte, weil wir an ihnen Freiheit erfahren und tief durchatmen können. Da ist von der kleingliedrigen und ermüdenden Alltagsstruktur nichts mehr zu spüren.

Die horizontale Linie, sie ist selbst dreigeteilt, lässt auch die Erfahrung des Liegens, des Entspannens und Ausruhens spüren, die wir täglich brauchen. Sie findet ursprünglich auf dem Horizont statt, an der Grenze zwischen Erde und Himmel. Aber im Schlaf geben wir uns ganz der Erdkraft hin, und öffnen uns doch der Unendlichkeit über uns. Im Urlaub suchen wir oft ähnliche Erfahrungen: Orte und Situationen, in denen wir dem Alltag entfliehen, dabei Körper und Seele hängen lassen und gleichzeitig auftanken können.

Die helle Linie spricht weiter eine Dualität an: eine Dies- und Jenseitigkeit, ein Hier und Dort, ein Jetzt und ein Danach. Beide sind voll und ganz gegenwärtig, gehören zusammen. Mal mag der eine Teil größer sein oder mehr Raum im Leben einnehmen, mal der andere. Aber so wie die Horizontale proportional im goldenen Schnitt des Bildes liegt, suchen wir bei der Erholung – egal, wie sie umgesetzt wird – das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen zu stärken, ihre Harmonie wiederherzustellen.

Wie der obere Bereich mehr Platz im Bild einnimmt, gibt man bei der Erholung dem Ersehnten, dem Wohltuenden mehr Raum und Zeit. Seine goldene Farbe mag andeuten, dass Erholung in jeder Form (Urlaub, Auszeit, Feierabend, Pause) eine heilige Zeit ist. Sie ist kostbar und verlangt einen wertschätzenden Umgang. Ebenso ist das Geheimnis dieser ganz anderen Zeit- und Lebenserfahrung spürbar, das Göttliche in ihr.

Dieser obere, lichte Farbraum, in dessen Zeichnung man auch eine Kreuzform, ein Gesicht, ja göttliches Leben ahnen kann, lässt den unteren, sich vom Hintergrund nur schwach abhebenden roten Bereich, der für uns Menschen und unseren Lebensraum stehen mag, ganz anders wahrnehmen. Geerdet strahlt er eine wohltuende Ruhe aus. Nicht nur in der Vision des ganz anderen, sondern in seiner gegenwärtigen Erfahrung spricht lebendige Stärke aus ihm, Lebenskraft.

Lebenstreppe

Auf dem Foto kann man nur eine Treppe erkennen. Sie ist aus Stein und trägt Spuren der Verwitterung: abgesplitterte Treppenkanten und schwarzen Schimmel. Es kann keine stark frequentierte oder öffentliche Treppe sein, denn die seitlichen Handläufe und Geländer zur Gewährung der Sicherheit fehlen.

Wozu mag sie wohl dienen? Wohin mag sie führen? Der Bildausschnitt gibt keine klare Auskunft über die Umgebung, den Zweck und das Ziel der Treppe. Sie führt von einer durch den dunklen (gemalten) Balken angedeuteten Waagrechten am unteren Bildrand hinauf zu einer durch eine starke Diagonale angedeuteten Ebene, die über dem Horizont des Betrachters liegt. Ob diese Ebene eine Brücke oder ein Balkon ist, lässt sich nicht erkennen. Die dunkle Unterseite suggeriert aber einen Blick wie aus der Öffnung einer Höhle heraus in die Weite eines klaren Himmels.

Diese Öffnung wird von der Treppe diagonal durchquert und lässt den Eindruck entstehen, dass die Treppe durch den Himmel oder sogar in den Himmel führt. – Ein verrückter Gedanke! – Jetzt verstellt die Treppe noch den Ausblick, doch bereits die Treppe selbst und die Plattform an ihrem Ende verheißen eine ungehinderte Sicht auf die himmlische Weite.

Wer diese Treppe hinaufgehen will, braucht Vertrauen: Vertrauen in die luftige und schon etwas in die Jahre gekommene Konstruktion, sowie Vertrauen in sich selbst, da er oder sie sich weder links noch rechts abstützen kann. Einziger Halt ist – im Bild mit dem blauen Himmel angedeutet – der Glaube, dass sich dieses Wagnis lohnen wird und sinnvoll ist.

Diese Treppe könnte ein Sinnbild für unser Leben sein. Aus der Horizontalen suchen wir den Aufstieg, den Erfolg. Körperlich helfen uns Rolltreppen, Fahrstühle, Autos und Seilbahnen und andere moderne Verkehrsmittel, schnell und bequem Höhen zu überwinden. Wer will, kann ganz leicht „hoch hinaus“. Aber das ist nicht das wirkliche Leben. Letztlich müssen wir doch alle die Erfahrung der Anstrengung machen, dass man nicht überallhin kann, wo man gerne sein möchte, dass man nicht alles auf einmal haben kann, dass sich das Leben – glücklicherweise – nur Stufe für Stufe realisieren lässt. Erst am Ende werden wir vollumfänglich sehen, was „oben“ ist. Erst am Ende der Treppe werden wir den Aufstieg mit seinen verschiedenen Etappen bewerten können und erfahren, ob er zu einem lohnenden Ziel geführt hat.

Lebenszeichen

Nur Striche auf einer weißen Leinwand!
Nur?

Vor allem vertikal durchziehen sie die leere Fläche, eine bewegte Lebensspur hinterlassend durch den von Künstlerhand geführten Kohlestift.

Suchende Bewegung spricht aus den Linien, die sich manchmal kreuzen, überlagern, verdichten. Vorwärts-, Rückwärts-, ausgreifende Seitwärtsbewegungen und jähe Abbrüche sind zu erkennen. Zeiten des Fortschritts wechseln mit Kehrtwendungen, die Scheitern und Neuorientierung signalisieren.

Gestaltgebend dringt die vertikale Bewegung durch, die Verbindung zwischen dem Oben und Unten. Gottsuche? – Menschensuche?

Ein gegenseitiges Wagnis, eine Beziehung, die oft nur an einem seidenen Faden zu hängen scheint, der jederzeit reißen kann. Wie der Künstler Mut braucht, die große weiße Fläche mit dem schwarzen Stift intuitiv zu durchqueren, verfolgt auch der Suchende, auf eine innere Stimme hörend, horchend und tastend seinen Weg zum Mitmenschen, zu Gott.

Scheinbar haltlos, verbunden mit vielen Irrungen, vielem Scheitern, aber auch geführt, gehalten wirkend geben diese Linien ein Lebens-Diagramm.

Und die weiße Fläche suggeriert, dass all dieses Suchen von Licht umgeben ist. Gott bildet gleichsam den kontrastgebenden Hintergrund, auf dem sich der Mensch nach und nach erkennt und sich sein wahres Wesen in ganz eigener Gestalt abbildet.

Aus der Mitte heraus

Bekannte Elemente wie die sitzende Christusgestalt oder die altmeisterlich vollendete Malweise vermitteln den Eindruck, vor dem Werk eines alten Meisters zu stehen. Der fliegende Fischschwarm zur Linken oder die fallende Skulptur des Gekreuzigten zur Rechten verwirren jedoch und geben Rätsel auf. Auch die beiden Messer und die Lanze, die auf den Sitzenden zufliegen, sind ungewöhnlich und wecken die Sinne, sich intensiver mit diesem Bild auseinander zu setzen, um seiner Geschichte vielleicht etwas auf die Spur zu kommen.

In der Mitte meinen wir unserer Wahrnehmung noch trauen zu können. Der Thronende lässt sich aufgrund der Wundmale als der auferstandene Christus identifizieren. Als Salvator mundi, als Retter der Welt, segnet er die Schöpfung zu beiden Seiten. Dass er nicht wirklich sitzt, sondern vielmehr als Weltenrichter zwischen Tag und Nacht vor dieser mit geheimnisvollen Zeichen versehenen Rückwand und auf diesem erhebenden Sockel erscheint, stört noch nicht weiter. ER steht im Mittelpunkt – in der Mitte des Bildes und betont auf dem roten Kreis des Podests. Dass Christus allerdings die Gesichtszüge des Künstlers trägt, bringt einiges durcheinander. Die Gott zugesprochenen Attribute werden nun gewissermaßen vom Künstler vereinnahmt und machen deutlich, dass auch er die Macht hat, Welten zu erschaffen.

Dabei ist sein Schaffen kein Erschaffen aus dem Nichts. Das Zusammenfügen und Anordnen der verschiedenen Bildzitate stellt vielmehr eine Ordnung dar, die neuen, eigenen Gesetzen gehorcht. Der Bildtitel weist in Anlehnung an das gleichnamige Gedicht von Eduard Mörike auf die schiedsrichterliche Funktion des Künstlers hin. Er steht immer zwischen zwei Zeiten und hat es in der Hand zu entscheiden, was er aus dem Fundus der Vergangenheit nehmen will, um die Zukunft zu gestalten. Was durch ihn geschieht, hat durchaus Auferstehungscharakter, wie die drei sich öffnenden, weißen Blüten der sogenannten Osterlilien in Anspielung auf die drei österlichen Tage andeuten. Nicht nur die Macht der Nacht wird gebrochen – links überflutet schon das Licht der Morgensonne die Berggipfel –, auch die Macht des Todes. Am Fuße des Baumstammes, der durch die herabfallende Figur des Gekreuzigten zum Kreuzesstamm wird, wächst wie in der Geborgenheit einer Bauchhöhle, dem Uterus, ein Kind heran – neues Leben. Die stürzende Jesusgestalt muss dabei nicht blasphemisch gemeint sein, sondern kann Zeichen sein, dass er nicht am Kreuz geblieben, sondern von seinen Freunden begraben worden ist. In diesem schwebenden Dazwischen ist er einerseits mit der Kopfneigung in einem eindrücklichen Dialog mit dem Embryo, über den er wie schützend den Arm auszubreiten und ihn zu umarmen scheint, andererseits steht er mit dem linken Arm und dem wehenden Lendentuch in direkter Verbindung zum Auferstandenen. Darauf, dass der Leib des irdischen Lebens der Vergänglichkeit anheimfällt und etwas Neues an seine Stelle getreten ist, können die wie abgehackt wirkenden Armstümpfe und der fehlende Unterleib hinweisen.

Auf der linken Bildseite schweift der Blick in die Weite, aber auch in die Tiefe auf einen Fluss mit starker Strömung, der durch das Tauwasser (gut über und unter der Speerspitze zu sehen) des ewigen Schnees gespeist wird. Was lange Zeit gefroren war, wird durch die Wärme des „neuen Tages“ lebendig und zu einem Quell des Lebens. Die Fleischmesser und die Lanze stehen dazu im Widerspruch. In ihrer Ausrichtung auf „Christus“ und die unmittelbare Nähe zu ihm fühlen sie sich eher bedrohlich an, tragen den Tod in sich. Indirekt haben aber auch sie mit der Auferstehung zu tun. So bat der Auferstandene den ungläubigen Thomas, seine Hand in die durch eine Lanze geöffnete Seite zu legen, um sich zu überzeugen und gläubig zu werden (Joh 19,34; 20,27). Die Bedeutung der Messer erschließt sich mir noch nicht wirklich, sie könnten aber ein Hinweis sein, dass Christus als Lamm Gottes sein Blut für die Vergebung der Sünden vieler vergossen hat.

Zuletzt bleibt uns noch die Deutung der wunderbar gemalten und ganz unterschiedlichen Fische. Dass sie nicht im Wasser schwimmen, stört uns in der neuen Ordnung des Künstlers nicht mehr. Auffallend ist ihre Christus-Orientierung, ihre Ausrichtung auf den Auferstandenen. Ob der Künstler hier die Erzählung vom wunderbaren Fischfang nach einer ergebnislosen Nacht neu ins Bild bringen wollte (Joh 21,1-14)? Die Hundertdreiundfünfzig Fische wurden in der Bibelauslegung immer wieder als Symbol für die gesamte Menschheit gedeutet. Sie könnten aber auch zeichenhaft für die an Christus Glaubenden stehen, diejenigen Menschen, die sich im Glauben Christus zugewandt, ihr Leben aus dem Glauben heraus auf ihn ausgerichtet haben.

Nun könnte die Frage auftauchen, ob der Künstler durch sein Bild vielleicht beabsichtigte, dass ihm eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil würde wie dem Auferstandenen. Das wäre anmaßend. Aber seine Mittlerfunktion, auf die dieses Stilmittel hinweist, hat uns die Auferstehung Christi und ihre Bedeutung durch die verschiedenen Symbole hindurch neu erfahren lassen. Nach der anfänglichen Irritation ist der Künstler im Verlaufe der Betrachtung wieder hinter sein Vorbild zurückgetreten, damit Er aus der Mitte heraus für alle Menschen auch Quelle des Lebens sein kann.

 

Gelassen stieg die Nacht an Land,
lehnt träumend an der Berge Wand;
ihr Auge sieht die goldne Waage nun
der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
vom Tage, vom heute gewesenen Tage.

Das uralt alte Schlummerlied –
sie achtet’s nicht, sie ist es müd;
ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
der flücht’gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
es singen die Wasser im Schlafe noch fort
vom Tage, vom heute gewesenen Tage.
(Eduard Mörike)

Aufnahme in den Himmel

In einer wunderbar starken Bewegung senkt sich der blaue Raum auf den dunkelgrauen Figurenkomplex nieder und berührt beinahe die stehende Gestalt. Sie trägt ein Kind auf ihren Armen und steht an einem Bett. Der Silhouette nach beugt sich links eine weitere Person über die im Bett Liegende. Ob sie schläft, krank oder gar gestorben ist, lässt sich aus den wenigen Hinweisen nicht ableiten.

Allerdings erscheint die Figurengruppe zwischen zwei Welten dargestellt. Bröckelt nicht die Erde unter dem Bett weg, verweigert sie nicht den nötigen Halt, um sicher darauf stehen und leben zu können? Durch diese feinen gestalterischen Veränderungen des Hintergrundes befindet sich die Figurengruppe in einer Übergangszone zwischen Erde und Himmel, die sich grau und gegenstandslos gibt. An seiner engsten Stelle scheint das Bett mit den Personen zu schweben und wenn sich der Himmel weiter herunterneigt, bald von ihm umgeben zu sein.

Diese Hinweise deuten darauf hin, dass die im Bett liegende Person gestorben sein muss. Die intensive blaue Farbe und die Herkunft der Figurengruppe aus dem Marientod von Giotto di Bondone (1310) verbinden das Bildgeschehen letztlich mit Maria und ihrer Himmelfahrt, wie in der Umgangssprache ihre Aufnahme in den Himmel bezeichnet wird.

In diesem Bild wird nicht mit Engelscharen, Pauken und Trompeten ihre glorreiche Himmelfahrt gefeiert. Still neigt sich der Himmel wie in einer großen ehrenden Verneigung über das Sterbebett Mariens, um ihr ewige Heimat bei Gott zu geben. In Christus ist Gott selbst an das Sterbebett Mariens herangetreten, um sie persönlich zu sich zu holen. Bildhaft ist dies bereits mit dem Kind auf seinen Armen geschehen, welches die Seele von Maria darstellt, die bereits bei Gott weilt.

Was für eine gewaltige Vision, dass Gott uns Menschen im Tod nahe ist und diejenigen zu sich holt, die während ihrer Erdenzeit mit ihm gelebt haben, ja ihn aufgenommen und ihm das Leben und ihre liebende Zuwendung geschenkt haben.

Die kraftvolle und blauschwere Weite des Himmels laden zum Meditieren dieses Glaubensgeheimnisses ein. Wenn die Erde uns ihren nährenden Boden entzieht, dann bietet die Weite des Himmels einen neuen Halt. Oder bildlich gesprochen, wenn die Kräfte der Erde schwinden und sie austrocknet, wird der Himmel sich öffnen und lebenspendende Wasser regnen lassen.

Diesbezüglich erinnert das Bild an das adventliche Kirchenlied „Tauet, Himmel, aus den Höhn, tauet den Gerechten, … Wolken regnet ihn herab!“ (GL 104; KG 313) Was verdorrt ist, soll unter seinem Segen aufblühen, heißt es da. Und in der dritten Strophe wird sehnsüchtig gerufen: „Komm, du Trost der ganzen Welt, rette uns vom Tode. Komm aus deiner Herrlichkeit, komm uns zu erlösen.“

An Maria hat sich die Verheißung Gottes, „den Mittler selbst zu sehen und zum Himmel einzugehen“ (KG 303,1) bereits erfüllt! Als Glaubende leben wir in der Hoffnung, dass Gottes Verheißung auch uns gilt und unser irdisches Leben durch sein Kommen vollendet.