Geborgenheit

Das Bild ist vertikal in einen weißen und einen rot-schwarzen Teil gegliedert. Beide Seiten lesen sich von oben nach unten: Links durch einige geschriebene Worte, rechts durch drei gleichgroße Rechtecke, die sich von oben nach unten aufhellen, als würden sie immer mehr von der sie umgebenden Farbe durchdrungen werden.

Der Schriftzug „Von guten Mächten wunderbar“ scheint wie von weit her auf der Leinwand aufzutauchen, um dann nach „wunderbar“ wortlos in eine lichtvoll gestaltete Fläche überzugehen. Ähnlich wie bei Jesus am Kreuz (Mt 27,46) sind hier nur die ersten Worte des tröstenden Liedes wiedergegeben, das Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Der Kehrvers allein zeugt schon von einem unerschütterlichen Glauben, einer tröstenden Gewissheit, dass Gott seine Treuen durch alle Not hindurch beschützt.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Es macht den Eindruck, als hätte die wunderbare Offenbarung der Größe Gottes im Elend des deutschen Theologen, als hätte dieser bis in unsere Zeit hinein ungebrochene Krafterweis aus der Höhe die Künstlerin so in Staunen versetzt, dass keine weiteren Worte mehr nötig waren. Eine zeit- und raumlose Fläche öffnet sich dem Schauenden und offenbart gleichsam das Licht, in dem Bonhoeffer den Text verfasst hat. Damit rückt die Künstlerin seine Situation in die Nähe der Steinigung des Stephanus, der nach seiner Rede und kurz vor seiner Steinigung rief: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7,56) Die angedeuteten Gestalten in der belebten hellen Fläche könnten Hinweise auf diese Parallele sein!

Was die Künstlerin mit den drei Rechtecken wohl zum Ausdruck bringen will? Spiegelt sich in ihnen die Schwere des bevorstehenden Todes? Weist die rote Farbe auf das Blut der Märtyrer hin, das sie aus Treue zu Gott vergossen haben und in deren Fußstapfen Bonhoeffer tritt? Oder vermitteln die schwarzen Rechtecke letztlich die gleiche Botschaft wie die linke Bildhälfte, nur auf eine andere Weise? Durch ihre rechteckige, klar definierte Form können die dunklen Flächen für den betenden Menschen stehen.

So dunkel es in ihm am Anfang auch war, durch das Singen des Liedes scheint der fast undurchdringliche und dadurch schwere Anblick des Todes immer leichter und transparenter zu werden. Durch seine wachsende Zuversicht in die Nähe und die Güte Gottes wurde es in ihm immer heller, wird im warmen Rot unter allem Unverständlichen tröstend die Liebe Gottes in ihm sichtbar. Er erfährt die guten Mächte sowohl als ihn umgebende wie als ihn erfüllende, haltgebende Kraft! Und je tiefer er sich in die Liebe Gottes hineinfallen lässt, um so mehr darf er wie der Psalmist die wunderbare Größe der göttlichen Liebe erfahren: „Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich. Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen.“ (Ps 139,5-6)

Gelobt sei mein Herr …

Um die neun Meter erheben sich die Fenster der gotischen Franziskanerkirche in Rothenburg ob der Tauber in die Höhe. Allein schon ihre Dimensionen erheben den Lobpreis der Gläubigen zu Gott. Mit dem Sonnengesang des Franziskus fügen sich die Fenster in diese Bewegung des Gebetes ein, es als Lobgesang aufnehmend und verstärkend. Dabei bleibt die Gestaltung mit den ruhigen Formen und den weiß-gelb-braunen Farbtönen zurückhaltend, um den Beter nicht abzulenken.

Im unteren Drittel geben drei dunklere Flächen der Fensterfront erdendes Gewicht. In der Mitte das Grab von Bruder leiblicher Tod, links der Herd von Bruder Feuer, rechts die waagrechten Schichten von Mutter Erde. Über die das Mittelfenster krönende Rosette fällt warmes gelbes Licht ein. Symbol und Ehrung von Schwester Sonne, die für Franziskus Gleichnis des erhabenen Gottes ist.

Zur Fenstermitte hin wird das gelbe Licht immer weißer und endet über dem Grab in einer mächtigen quadratischen Erscheinung. Weiß ist für Johannes Schreiter das Zentrum aller Farben und Synonym für Transzendenz, für Gott und vor allem für Jesus Christus, das Licht der Welt (Joh 1,4-5; 8,12). In dem dieses Licht groß über dem Grab aufleuchtet, kündet es von der göttlichen Kraft, die Toten zum Leben zu erwecken und – wie es das im Dunkeln des Grabes keimende Samenkorn verrät – zur Herrlichkeit Gottes zu führen.

Gleichzeitig zeigt die weiße Erscheinung in der Mitte des Sonnengesang-Fensters, dass Gott als Urheber des Lebens mitten in seiner Schöpfung gegenwärtig ist und sie erhaltend durchdringt, ja wie das breite weiße Band am Fuße des Fensters andeutet, auch trägt und verbindet.

Nur auf der Basis der göttlichen Liebe vermögen wir Menschen mit Franziskus den Lobgesang auf Gottes Werke anzustimmen. Der Künstler hat uns symbolisch in den gelben stimmgabelgleichen U-Formen auf diesem weißen Band dargestellt: In unserer Menschlichkeit geerdete, durch unsere Sehnsucht langgestreckte, mit unserem Durst nach Begegnung zutiefst offene Wesen. Im Mittelfenster ist die gleiche Form übergroß wiederzufinden, als wolle die Schöpfung mit gutem Beispiel vorangehen, Gott dort in sich aufzunehmen, wo wir am schwächsten und vergänglichsten sind, im Sterben und im Tod.

In den Seitenfenstern überall das Geflecht, welches das göttliche Licht durchscheinen lässt. Noch können wir Gott nur durch seine Spuren in der Schöpfung erkennen und von ihm in Bildern sprechen. Mit Bruder Feuer und Wind (Luft) zur Linken, und Schwester Wasser und Erde zur Rechten hat Johannes Schreiter die Urelemente der Schöpfung dargestellt. Sie singen Gottes Lob als Wärme spendende und verwandelnde Flammen, als der aus den Wolken hervorbrechende Sturm oder schlichtweg als der von oben kommende Atem Gottes, der Heilige Geist, der alles belebt. Sie preisen Gott als aus den dunklen Wolken heruntertropfende Wasserbäche, welche die Samen zum Keimen und Wachsen bringen, als verheißungsvolles Erdreich, in dem die Pflanzen tiefe Wurzeln schlagen können, um dann an der Oberfläche reiche Frucht zu bringen.

Auffallend ist, dass alle Elemente nur angedeutet sind. Sie sind in ihrer Sanftheit dargestellt, als den Menschen zu Diensten stehende, wohldosierte, nicht zerstörende Kräfte. Gleichzeitig kommt damit aber auch ihre Zerbrechlichkeit und Anfälligkeit zum Ausdruck. Wie der heilige Franziskus schon treffend zum Ausdruck brachte, sind alle Geschöpfe unsere Schwestern und Brüder, haben wir für Feuer, Luft, Wasser und Erde Sorge zu tragen, stehen wir in einer Mitverantwortung wie für unsere eigenen Geschwister!

 

Du höchster, mächtigster, guter Herr, Dir sind die Lieder des Lobes,
Ruhm und Ehre und jeglicher Dank geweiht; Dir nur gebühren sie,
Höchster, und keiner der Menschen ist würdig, Dich nur zu nennen.

Gelobt seist Du, Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen,
der edlen Herrin vor allem, Schwester Sonne,
die uns den Tag heraufführt und Licht mit ihren Strahlen,
die Schöne, spendet; gar prächtig in mächtigem Glanze:
Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Mond und die Sterne.
Durch Dich sie funkeln am Himmelsbogen
und leuchten köstlich und schön.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Wind und Luft
und Wolke und Wetter,
die sanft oder streng, nach Deinem Willen,
die Wesen leiten, die durch Dich sind.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Schwester Quelle:
Wie ist sie nütze in ihrer Demut,
wie köstlich und keusch!

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Feuer,
durch den Du zur Nacht uns leuchtest.
Schön und freundlich ist er am wohligen Herde,
mächtig als lodernden Brand.

Gelobt seist Du, Herr,
durch unsere Schwester, die Mutter Erde,
die gütig und stark uns trägt
und mancherlei Frucht uns bietet
mit farbigen Blumen und Matte.

Gelobt seist Du, Herr,
durch die, so vergeben um Deiner Liebe willen
Pein und Trübsal geduldig tragen.
Selig, die’s überwinden im Frieden:
Du, Höchster, wirst sie belohnen.

Gelobt seist Du, Herr,
durch unsern Bruder, den leiblichen Tod;
ihm kann kein lebender Mensch entrinnen.
Wehe denen, die sterben in schweren Sünden!

Selig, die er in Deinem heiligsten Willen findet!
Denn Sie versehrt nicht der zweite Tod.
Lobet und preiset den Herrn!
Danket und dient Ihm in großer Demut!

Befreiung

Drei geometrische Farbformen prägen dieses Glasbild: Das goldorange Rechteck, das ihm eingeschriebene rote, quadratförmige Band sowie das weiß-graue Rechteck in der Mitte. Mehrere  frei gezogene, die Farbflächen durchquerende Linien vervollständigen einen ersten Eindruck.

Den freien Glasbildern von Johannes Schreiter haftet etwas Spontanes, Bewegtes an. Ich vermute, dass dies von den frei gezogenen schwarzen Linien herrührt, die der Künstler mit großer Sicherheit um und durch die Farbflächen gezogen hat. Wie bei einer Skizze ragt die Linie mal über die Ecke hinaus oder ist sie wie korrigiert verdickt. Manchmal ist sie unterbrochen, mal fleckenartig konzentriert, dann löst sie sich in einem wunderbar feinen Verlauf im Nichts auf. In allen Ecken sind zudem auflockernde, die Strenge der Ecken brechende Elemente zu entdecken: Überragungen, Einbiegungen, Einrundungen, lochartige Verdoppelungen, Einbrüche, usw. Gekonnt hat hier ein Meister seines Faches mit den Linien gespielt, sie gleichsam zu Leben erweckt. Denn wo das Auge des Betrachters auch hinschaut, lassen die Linien ihn Leben, Lebendigkeit und Begegnungen erfahren.

Hintergrund für das Geschehen bildet ein goldgelbes Rechteck, dessen Fläche mit seinen sanften Farbverläufen ebenfalls voller Leben ist. Erdige Gelbtöne bewegen es unentwegt. Diese rechteckige Form trägt oder umfängt in ihrem Innern ein blutrotes, quadratisches Band. Zur linken Seite hin dunkler gestaltet, antwortet ihm auf der rechten Seite ein schmaler dunkler Streifen. Oben ist das Band zudem überdeckt (oder durchbrochen) durch eine grau-weiße Fläche, die sich durch den auslaufenden Farbübergang von oben her in den zentralen gelben Farbraum ergießt. Wie von der Macht dieses Einbruchs ausgelöst, bricht gelbe Farbe auch durch die Basislinie der roten Fassung hindurch, wird allerdings von zwei Linien aufgefangen.

Diese grau-weiße Fläche verändert die ganze Komposition: Die von oben her zentral in das Bild hereinbrechende Lichterscheinung lässt aus dem goldenen Rechteck eine U-Form werden, aus dem quadratförmigen Band zwei sich gegenüberstehende Klammern.

Aus dem bisher in sich selbst ruhenden und geschlossenen Raum ist nun durch die weiße Einsenkung plötzlich eine in ihrer Mitte und nach oben offene Form entstanden, bereit zu empfangen. Ob da der Künstler an den Menschen gedacht hat, der von Gottes Gnade überrascht sich staunend Gottes lichtvoller Gegenwart in seiner Lebensmitte öffnet? Das rote Band der Liebe hat durch das göttliche Du ein ihm entsprechendes menschliches Du in der Horizontale gefunden.

Die schattenhafte schwarze Figur, die federleicht am Ende einer Linie schwebt und mit ihrer untersten Ausformung mystisch den zentralen Spannungspunkt aller Linien und Formen berührt, kann nun zu einem symbolischen Samenkorn werden. Tot geglaubt, bricht es alles durch die Berührung von Oben auf und durchzieht es mit feinen Äderungen des Lebens.

Vom Licht ergriffen

In gelbes Licht gehüllt zeigt sich dem Betrachter ein mehr- schichtiges Geschehen auf dieser kleinen quadratischen Glasplatte.

Zentral changiert ein lateinisches Kreuz mit einer menschlichen Gestalt. Weder Beine noch Arme sind zu erkennen. Der Oberkörper ist lediglich durch eine breitere Strichführung zu erahnen. Eigentlich weist nur der von einem rötlichen Heiligenschein umgebene Kopf auf den Menschen hin, der durch seinen Erlösungstod untrennbar mit dem Kreuz verbunden wurde: Jesus!

Bei diesem Kreuz spricht nichts von den Leiden, die er durchmachen musste. Farben und Formen wie das alles durchdringende Licht sprechen vielmehr von der Überwindung des Kreuzes: der Auferstehung. Das vorherrschende Gelb kündet von der Verherrlichung Jesu (vgl. Joh 17,1) durch seinen Vater. Jesus ist das Licht der Welt, das alle Menschen erleuchtet und das nun durch seinen Kreuzestod offenbar geworden ist (vgl. Joh 8,12; 1,9).

Die ganze Darstellung ist weiter in die breite Form eines Taukreuzes (T) eingebettet, welches als Zeichen der von Gott Auserwählten und Beschützten (Ez 9,3-6) gesehen werden darf. Jesus ist der geliebte Sohn, an dem der Vater Gefallen gefunden hat. (vgl. Mt 3,17). Und Petrus verkündet in seiner Pfingstpredigt: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt …, er ist durch die rechte Hand Gottes erhöht worden.“ (Apg 2,32-33). Dieses Taukreuz erscheint mir wie ein Thron, von dem aus Jesus die Weisheit Gottes verkündet. Von Kindheit an hatte seine Weisheit zugenommen (vgl. Lk 2,52) und in ihm als Gekreuzigter offenbart sich „Gottes Kraft und Weisheit.“ (1 Kor 1,23-24)

Auch die untere Hälfte der Mandorla, die den Oberkörper von Jesus umfängt, weist über die Kreuzigung hinaus auf die Auferstehung. Der Gekreuzigte wird von einer Macht, die sich „vom Himmel her“ voller Erbarmen (blaue und rote Farbe) über ihn neigt, ergriffen und in sie aufgenommen. Die Mandorla ist hier als eine der archetypischen Formen des Weiblichen zu verstehen, als Hinweis, dass Jesus aus dem Geschehen der Kreuzigung heraus zu neuem, himmlischen Leben “wiedergeboren“ wurde.

Hat die Künstlerin vielleicht deshalb den Leib Jesu nur strichartig dargestellt? Weil nicht seine irdische Form für uns wichtig sind, sondern was dieser Leib durchgemacht hat, welche Worte und Erfahrungen sich in diesen Leib eingeschrieben haben? Insofern kann der Anblick dieses Auferstehungskreuzes dem Gläubigen frohe Erinnerung sein, dass er in der Taufe auf den Tod Jesu begraben, mit Christus aber auch durch Gott zu neuem Leben in seinem Geist auferweckt ist (vgl. Röm 6,4). Dieses Glasbild mag still daran erinnern, dass Himmel und Erde sich in jedem Menschen berühren und durchdringen – und dass es an uns ist, Gott für sein Geschenk der rettenden Zuneigung zu antworten: wie eine aufbrechende Blüte oder ein in den Himmel wachsender Baum!

Einsicht

Eine verwirrende Vielschichtigkeit kommt mir auf diesem Bild entgegen. Auf dem dunklen Hintergrund reflektieren Fenster, Gesichter, ein Buch und lichtes Blätterwerk um ein zentrales Kreuz mit klaren Konturen.

Wie eine Geschichte gruppieren sie sich um das Kreuz als Symbol für den Opfertod Jesu. Auf ihm ist allerdings nicht der Gekreuzigte zu sehen, sondern von rechts unten wächst grünes Blätterwerk ins Kreuz hinein und belebt es. Dadurch ist es nicht ein Kreuz des Todes – davon erzählt nur noch ein roter Fleck –, sondern vielmehr ein Zeichen der Auferstehung und des Lebens. Der dunkle Spalt rechts unten im Ockergelb des Lichtfensters, es könnten Felsbrocken sein, erinnert an das offene Grab, ohne welches das Verständnis vom Kreuz für immer verdunkelt bleiben würde.

Nachdenklich neigt sich der zur Hälfte gezeigte Frauenkopf dem Kreuz zu. Eine gedankliche Verbindung ist zu spüren, ein Anlehnen an diese Kreuzerfahrung, ein gegenseitiges Durchdringen und Austauschen in der Stille. Vom Rand zur Mitte und von der Mitte zum Rand alle Lebensbereiche auszuloten.

Auf der anderen Seite des Kreuzes sind nur schattenhafte Konturen auszumachen. Ein weiteres Gesicht ist nicht herauszusehen. Sind es schwache Erinnerungen an Menschen, mit den ich besonders durch das Kreuz und den Glauben verbunden bin? Hier könnte eine Verbindung mit dem Buch, vielleicht einem Tagebuch, bestehen, in dem diese Begegnungen über das lose Notizblatt hinaus festgehalten worden sind. Wie wir Menschen der Gegenwart ein Gesicht geben, erhält aus solchen Erzählungen die Vergangenheit ein Gesicht.
In Anlehnung an den „hortus conclusus“ – den von der Außenwelt abgeschlossenen Garten, in dem sich Maria mit dem Christuskind aufhält – hat die Künstlerin Käthe Haase Kornstein die Begegnung mit Gott in mystische Farben getaucht.

Wie Jesus seine Zeitgenossen beim Almosen geben, Beten und Fasten eingeladen hat, in der Stille des Herzens und in der Abgeschiedenheit vom hektischen Alltag die Zweisamkeit mit dem himmlischen Vater zu suchen (vgl. Mt 6,4.6.18), so lädt mich dieses Kunstwerk ein, die Stille aufzusuchen, um dort auf Gottes Wort zu hören.

Das Foto ist mir Anregung, meinen eigenen hortus conclusus zu suchen, den Ort der Einkehr, Besinnung und der mystischen Zwiesprache mit Gott. Ein Ort, wo geistliche Anregungen in mir auf fruchtbaren Boden fallen können, Neues in mir aufbrechen lassen, vielleicht auch tot Geglaubtes wiederbeleben, in neuer Kraft, wie das Grün des Kreuzes.

Die beiden Fenster im oberen Bildteil könnten dann als Lichtblicke interpretiert werden – oder als lichte Flügel, die uns durch die vertieften geistlichen Einsichten über die bisherigen Horizonte hinaustragen.

Erwartung

Ein zartes Grün und ein frisches Rosa prägen dieses Bild, das durch gelbe Lichtzonen eine gewisse Symmetrie erhält. Wie ein großes transparentes Segel füllt das rosa Quadrat den Raum, durch eine dunkle Mitte mit dem grünen Band verbunden, auf ihm ruhend.

Die Farben erinnern mich an eine Pflanze. Von der grünen Erde ausgehend hat sie eine einzige große Blüte in den Himmel ausgestreckt und da wie ein Segel oder Empfänger aufgespannt.

Die von oben nach unten durch die Mitte gehende und sich auf der grünen Ebene reflektierende Lichtspur weist auf die Sehnsucht nach genau diesem Licht hin.

Damit möglichst viel von diesem Licht eingefangen werden kann, füllt das „Segel“ praktisch den ganzen Bild-Raum. Das Licht ist die Kraft dieses Wesens, es scheint sein Antrieb zu sein. Sieht das rosa Quadrat mit der dunklen Basis nicht auch wie ein Schiff aus, das durchs grüne Wasser (der Hoffnung) zieht und eine goldene Spur hinterlässt?

Die Worte des bekannten Adventsliedes gehen mir durch den Kopf: „Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.“ (GL 114)

Pflanze oder Schiff, in beiden Bildern finde ich etwas von meiner weihnachtlichen Erwartung wieder. In der Pflanze sprechen mich die Sehnsucht nach dem Licht und die Offenheit dafür an. Im Bild vom Schiff spüre ich die Berufung, selber Lichtträger zu werden durch die Aufnahme von Gottes Sohn in mir.

Advent, unser Weg zu Gott. Advent, unser Weg zur Begegnung mit dem Gott, der auf uns Menschen zukommt., zu uns niedersteigt. Das Bild von Thalia Uehlein öffnet viele Zugänge. Nach längerem Betrachten wandelte sich bei mir das tiefrosafarbene Feld am Ende der Leuchtspur zu einer Hütte. Ist das eine Einladung, uns auf diesen Weg des Lichts zu begeben, um beim Eintreten in dieses unfassbar Größere ganz weihnachtlich – wie die Hirten vor Bethlehem – das „Geheimnis der Liebe“ zu erfahren? Dann wäre ja das rosa Quadrat so etwas wie ein großer Heiligenschein!

Lichteinbruch

Dunkelblau und Gelb bestimmen dieses quadratische Bild. Die leuchtend gelbe Fläche gleicht durch ihre Ausdehnungen einer Säule, welche die beiden blauen Flächen voneinander trennt. Dem Bildrand entlang finden sich kleine dunkelgelbe Flächen.

Mich fasziniert an diesem Bild der Lichteinbruch in den Bildraum, der durch seine quadratische Form durchaus Symbol für die Welt sein kann. Von oben scheint sich das Licht in diese vormals dunkle Welt zu ergießen.

Als erstes kommt mir die Schöpfungsgeschichte in den Sinn: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde … Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. (Gen 1,1-5a)

Dieses Zurückdrängen der Dunkelheit durch die Stärke des Lichtes prägt meines Erachtens das Bild. Kommt die Kraft vielleicht von der Menschengestalt, die sich im unteren Teil der Lichtsäule schemenhaft abzeichnet? Von der aufrecht stehenden Lichtgestalt?

So kommt mir als zweites Jesus in den Sinn, der von sich selbst sagte: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh 8,14) Aus dem Bild ist zu spüren, was Johannes im Prolog seines Evangeliums schrieb: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (1,5) Und etwas weiter spricht er das an, was die Künstlerin auch mit dem quadratischen Format ausdrückte: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“ (1,9)

Durch die Menschwerdung seines Sohnes erschafft Gott die Schöpfung gleichsam ein zweites Mal. Diesmal von innen, nicht materiell, sondern geistig und mit der Kraft des Herzens und der Liebe.

Wie Feuer will Seine Liebe in uns brennen (Lk 12,49), warm und hell in der Dunkelheit der Anonymität, der Ignoranz und aller Kaltherzigkeit. Sind die dunkelgelben „Feuer“ am unteren Bildrand vielleicht Platzhalter für alle, die „Feuer und Flamme“ für die Botschaft Jesu geworden sind und ihm nachfolgen? Heißt es doch: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,14)

Das bedeutet, dass wir am Licht Jesu Christi teilhaben werden. Wer sich dem „Licht der Welt“ öffnet, in dem wird Jesus in dem Maße leuchten und die Lebensfülle erfahren lassen, wie er oder sie sich Ihm zu öffnen vermag. Wahrscheinlich wird er oder sie nie so hell wie Er leuchten, aber auch die Finsternis verdrängend und durch das Licht neuen Raum für die Entfaltung des Lebens schaffend – die Erschaffung der Welt fortsetzend.

Sehnsucht nach Gott

Ein tiefes Grau umrahmt eine von schweren breiten Strichen durchkreuzte hellere Fläche. Wie in einer Höhle erkennt das Auge mit der Zeit die suchenden Spuren des Pinsels, die noch und noch die helle Mitte umkreisten. So wie der Künstler das Bild gemalt hat, sieht er sich selbst im Dunkeln stehen, in einem Raum, der von Nacht erfüllt ist. Er – und mit ihm der Betrachter – sieht das Licht, aber der Zugang ist durch querstehende Objekte, von denen das oberste eine Art Kreuz bildet, verstellt.

Dunkelheit und Licht, Innen und Außen, Eingesperrtsein und Freiheit werden hier angesprochen. Die Sehnsucht nach Licht und Freiheit kommt zum Ausdruck, letztlich die Suche nach Gott. Tatsächlich bewegten die Gedanken des spanischen Mystikers Johannes vom Kreuz den Maler Herbert Falken, genauer gesagt sein Gedicht: „In dunkler Nacht“.

In unzähligen Aquarellen rang der Künstler und Theologe um eine malerische „Übersetzung“ dieser Sehnsucht der Seele nach Vereinigung mit Gott. Um Gott im ewigen Licht wissend, sucht ihn die Seele tastend durch alle Schwierigkeiten dieser Welt hindurch. „Wo der Kleinglaube nur Finsternis sieht, erkennt das Auge des Glaubens die Rückseite von blendendem Licht: Gottesfinsternis als Gotteserscheinung, Gottes-Entzug als sein Da-Sein in der Gewalt-Welt mit ihrenKreuzigungen, Abwesenheit als Realpräsenz. Im bildlosen Raum des Bildes, im lichterfüllten Abgrund die Helle, im Verstummen das Wort.“ (Gerhard Fuchs, Zur Mystik der Nacht, in: Falken, DG München 1994, S. 6)

Den Schmerz und die Welt nicht fliehend, geht sie glaubend in dunkler Nacht einen kreuzwegähnlichen Weg des Leidens an Gott und der Welt. Dabei vergittert und versperrt das Kreuz den Zugang zur Freiheit und zum Licht nicht. Wie ein Schlüssel öffnet das Kreuz vielmehr den Weg zur Auferstehung. Paulus beschreibt diese Wandlung zum neuen Menschen kurz und bündig: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,19f)

Um so ein Mensch zu werden – ein für Gott und die Menschen ganz durchlässiger Mensch – genügen weder Taufe noch das Erfüllen vieler Riten und Gebote. Die Vollendung gleicht vielmehr einer Geburt zum Licht, der oft eine (lebens-) lange Zeit des Reifens, Werdens und Verwandelns in der „Gottferne“ vorausgeht.

Namenlos?

Die Kunstwerke mit dem Hinweis o. T. machen mich immer etwas ratlos. Worum ging es dem Künstler, wenn er dem Kunstwerk keinen Titel geben kann? Bei einem solchen Bild ohne Namen kommt es mir vor, als hätte der Künstler seine urmenschliche Aufgabe, seiner Umwelt Namen zu geben (vgl. Gen 2,20) nicht wahrgenommen.

Und dennoch hat er etwas zum Ausdruck gebracht, was ihn bewegt hat. Vielleicht wollte er, ähnlich wie Gott, als Schöpfer eines Werkes uns Betrachtern die Aufgabe nicht wegnehmen, dem Bild einen ganz persönlichen Titel, bzw. Namen zu geben. „o. T.“ verhindert demzufolge, dass nachfolgende Betrachter sich keine Gedanken mehr machen und das Bild einfach mit dem Lesen des Namens und einem bestätigenden Vergleich abhaken. Sind nicht wir Menschen und alle Geschöpfe Gottes solche Kunstwerke „o.T.“, die vom Betrachter entdeckt werden wollen?

Da sind Lichtdurchbrüche im schwarzen wie im dunkelgelben Feld, die das Bild in der ganzen Höhe queren. Der linke Spalt führt durch die Verengungen am Bildrand und das Licht im Bildinnern wie durch eine Schlucht in die Tiefe. Beim rechten Lichtdurchbruch scheint das Licht von oben zu kommen, von außerhalb des Bildes. Es fließt in die Farbe hinein und sammelt sich unten wieder, eine Leuchtspur hinterlassend.

Das Bild lebt von diesen schmalen Verbindungen. Zu den Seitenrändern hin, wie haltgebend, zwei schwarze Streifen. Zwischen dem Gelb und dem Schwarz ein transparentes hellblaues Band, mit dem linken Lichtdurchbruch und einem kleineren Durchblick am unteren Bildrand korrespondierend. Bis auf die kleine gelbe Fläche ist alles in der Vertikalen gemalt, lebt alles von dieser senkrechten Verbindung zwischen Oben und Unten und Unten und Oben. Und in dieser Beziehung wird Tiefe geschenkt.

Mir kommt es vor, als stünden all diese senkrechten Streifen, Spalten, Bänder und Flächen für unsere Beziehung zu Gott. Und weil diese Beziehung da ist, mal als undurchdringliche schwarze Wand des Unverständnisses und der Verlassenheit, mal als schmaler Lichtspalt der Hoffnung, mal als goldenes Tor, das sich dem Glück öffnet …, erhält unser Leben Tiefe und Sinn.

Weil dieses Bild ein Bild meines Lebens sein könnte, wie es gerade aus der Beziehung mit Gott lebt, wäre jede Bezeichnung dafür unzulänglich. Ist nicht das Leben an sich und erst recht die Beziehung zu Gott so wunderbar, dass einem die Worte fehlen und man nur noch staunen kann?

Dunkelheit und Licht

Zwei Quadrate, kleinformatig auf der großen Zimmerwand. Wie zwei Augen schauen sie mich an, fordern sie mich zur Auseinandersetzung mit ihnen heraus.

Beide Flächen sind in der Mitte senkrecht unterteilt, zum anderen Bild hin dunkler, gegen außen heller. Beim linken Bild hellt sich das Tiefdunkel- grün nur ganz leicht auf der einen Seite auf, während beim rechten Bild mit einem Sonnengelb ein kräftiger Kontrast gesetzt ist. Zweifelsohne ist dieses Diptychon eine abstrakte Malerei und will nichts Gegenständliches darstellen. Die Pinselführung und der unregelmäßige Farbauftrag lassen jedoch Annäherungen und individuelle Deutungen zu.

Das dunklere linke Bild fasziniert mich durch die schwache Aufhellung in der linken Bildhälfte. Obwohl so dunkel, bricht bei diesem „Schwarz“ das Licht durch und macht es zu einem dunklen Grün. Hinter allem Dunklen muss da ein Licht sein. Sogar ein starkes Licht, wenn es die Dunkelheit zu durchbrechen vermag. Es könnte das Morgenlicht sein, auf das die Seele mehr wartet als die Wächter der Stadt (vgl. Ps 130,6)
Das Bild lässt mich daran denken, dass Gott ein verborgener Gott ist, dass er immer anders sein wird als ich ihn mir vorstelle. Er ist der ganz Andere, der Unfassbare. Ich spüre meine Sehnsucht, Konkretes zu erfassen, doch das Einzige, was mir bleibt ist die Erfahrung, dass Er stärker ist als alles, was mein Leben dunkel und schwarz machen will. Und es bleibt mir die Gewissheit, dass ich Ihn nach dem Dunkel meines Lebens im Lichte seiner Herrlichkeit sehen werde und auch daran teilhaben darf (vgl. Röm 8,17; 2 Thess 2,14).

Das rechte Bild ist spiegelbildlich zum linken aufgebaut, doch insgesamt heller. Ich finde die wilden Pinselstriche sind in der dunklen Bildhälfte wunderschön, weil sie das Gelb über die wahrscheinlich ursprünglich tiefgrüne Fläche gebracht haben. Hier scheint das Dunkle nicht von hinten durchbrochen zu sein, sondern durch Übermalung aufgehellt worden zu sein und einen goldenen Lichtglanz erhalten zu haben. Das Gelb ist stark – und lebendig. Wer will, kann in den dunkleren Partien zwei stehende oder schreitende Personen erkennen, die ganz im Licht stehen, vielleicht auch ganz Licht sind. Ob sie schon der Herrlichkeit Gottes teilhaftig geworden sind?

Bei Celia Mendoza`s abstrakter Malerei scheinen die Übergänge wichtig zu sein. Das Dunkel, welches das Licht zurückdrängt und das Licht, welches das Dunkel überdeckt. Die beiden Bilder erinnern mich deswegen an den Abend mit dem entschwindenden Tageslicht und den Morgen mit dem alles überflutenden Sonnenlicht. Sie könnten ein Gleichnis meiner Seele sein, wo auf dunkle, kalte, fast hoffnungslose Zeiten immer wieder warme Zeiten der Erfüllung und der Liebe folgen.

Farbe bekennen – Spuren hinterlassen

Viele farbige, mehr oder weniger gleich große Punkte präsentieren sich unseren Augen. Meist kräftig in den Farben, rundlich in der Form und mit unscharfem Rand sind die bunten Farbtupfer über die Leinwand verstreut. Manchmal bildet ihre Aneinanderreihung so etwas wie eine Linie, aber es ist kein System der Verteilung oder Anordnung auszumachen. Die rundlichen Farbflächen sind einfach da, scheinen über dem braun-weiß verwischten Hintergrund zu schweben, auf dem Spuren horizontaler und vertikaler Pinselführung zu erkennen sind.

Was soll dieses Gemälde im Altarraum, was kann es zum Glauben sagen?

Vor dem eintönigen Hintergrund, auf dem nur noch verwischt Kreuzspuren zu erkennen sind, bilden die farbigen „Punkte“ eine neue, frische, frohe Wirklichkeit. Das Bild könnte eine Ostererfahrung zum Ausdruck bringen, wo es um die unfassbare Freude über die Auferstehung Jesu und den Sieg des Lebens über den Tod geht. Jeder Farbpunkt könnte ein Aspekt dieser Freude sein. Wie unser Auge versucht, alle Farbpunkte zu erfassen und es doch nicht kann, so unfassbar ist für uns das Geschehen der Auferstehung. Uns bleibt das teilweise Erfassen, das Wandern von einem Farbpunkt zum anderen. Darin erfahre ich schon Freude und Kraft, die ansteckt und in ihrer Frische gut tut.

Das Bild kann noch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Heißt „Farbe bekennen“ nicht, vor und gegenüber anderen zu seiner Einstellung, zu seiner Meinung, zu seinem Glauben stehen? So gesehen habe ich mit meiner Lebensgeschichte, meinen Fähig- keiten, meiner Persönlichkeit eine ganz eigene „Farbe“.  Wo ich mich in Gesellschaft und Kirche eingebe, bekenne ich Farbe, präge ich Situationen, Menschen, Orte – male ich gleichsam an dem großen Gemälde Kirche (oder Gesellschaft) mit. Je mehr ich mich mit meiner Farbe einbringe, engagiere, umso mehr Spuren hinterlasse ich und um so bunter, lebendiger und froher wird das Leben der Gemeinschaft.

„Ihr seid das Licht der Welt,“ sagt Jesus. „Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf einen Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure Werke sehen und euren Vater im Himmel  preisen. (Mt 5,14-16)

Noch ist Freiraum zwischen den Farbpunkten! – Fehlt vielleicht meine Farbe, weil ich mich nicht getraue, sie zu zeigen? Das Bild macht mir Mut, meine eigene Farbe zu bekennen, einzubringen und damit die Leuchtkraft und das Zeugnis der Gemeinschaft der Gläubigen zu erneuern.

Österlicher Auftrag

Hinter der schwarzen Silhouette des Kreuzes erhebt sich farbenfroh das lebendige Licht der Auferstehung. Ostern, Auferstehung des Herrn, Grundstein des christlichen Glaubens wird hier gestalterisch gefeiert.

Beeindruckend sind die geometrischen Formen, die sich farblich mit menschlichen Figuren und ihren Bewegungen verbinden. Alles ist auf Begegnung zwischen Himmel und Erde ausgelegt. Alles ist vom warmen „Licht aus der Höhe“ durchdrungen, welches seinen intensivsten Ausdruck in den weißen Steifen findet. Die Prophezeiung des Zacharias hat sich erfüllt: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes hat uns das aufstrahlende Licht aus der Höhe besucht, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken.“ (Lk 1,78-79)

In jedem Fenster bilden umlaufende Bahnen (blau, weiß, rosa), die nach oben hin offen sind, eine Art Gefäß oder Erfahrungsraum. Jeder ist mit einer österlichen Begegnung erfüllt, welche ihrerseits nach oben den Rahmen sprengt. Die Osterbotschaft und –freude kennt keine Grenzen!

Doch ganz unten – dem Betrachter am nächsten – weisen die in kühlem Blau gehaltenen Flächen und Menschen auf unsere Suche nach dem Auferstandenen hin. Am frühen Morgen des dritten Tages kommen die Frauen zum Grab (links) und finden es leer vor. Statt dessen begegnen sie einem Engel, der zu ihnen – und damit auch zu uns – vom Himmel her die tröstende Botschaft überbringt: „Fürchtet Euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ (Mt 28,5-6) Der Engel ist ganz rot, weil er im Dienste dessen steht, der ganz Liebe ist und dadurch die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken.

Das mittlere Fenster leuchtet in strahlenden Gelb- und Rottönen, in denen die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes ihren Ausdruck finden. Vom Zentrum der Komposition aus strebt ein Engelsreigen nach oben. Er beschreibt den himmlischen Chor der Seraphim, die in Liebe brennend (deshalb auch rot) in immerwährender Anbetung vor Gott stehen. Vollendung und Verherrlichung strahlt dieses Fenster aus – und lädt uns ein, über das Sanctus in der Eucharistiefeier hinaus ins Lob der Engel einzustimmen: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe!“

Das rechte Fenster erzählt von der Himmelfahrt Jesu. Inmitten des gelben Lichtstroms erscheint Jesus und neigt sich den Jüngern zu mit dem Auftrag: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,18-20) Im Element des Lichtes, das Himmel und Erde verbindet, offenbart sich Christus als das „Licht der Welt“ seinen Jüngern. In seinem Licht sehen sie ihre Aufgabe klar und erfahren sie sich, von Christus gesegnet und mit seinem Heiligen Geist erfüllt (orange), bereit, in aller Welt seine Zeugen zu sein und die frohe Botschaft seiner Auferstehung verkünden zu können.

Viele haben sich von ihrem Zeugnis begeistern lassen und sind selbst zu Zeugen Jesu Christi geworden. So hat Jesu Botschaft uns erreicht … damit auch wir zu seinen Jüngern und Zeugen werden. Wie sieht das bei mir aus? Was habe ich aus der Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes gemacht? Ist in meinem Alltag etwas davon zu spüren – auch durch meine „Nächsten“?

Auferstehung – Ostern

„Lumen Christi” ruft der Diakon beim Einzug der Osterkerze freudig dreimal dem im der dunklen Kirche wartenden Volk zu, worauf dieses mit dem Ruf antwortet: “Deo Gratias”!

In den Auferstehungsbildern von Jörg Länger dringt viel von dieser Liturgie und damit vom Geist der Auferstehung durch. Das von hinten durchscheinende Licht lässt die von Natur aus grauen Bilder in warmen Gelbtönen aufleuchten. Die verwandelnde Kraft der Auferstehung Christi vollzieht sich hier symbolisch im Material, eng verbunden mit dem Wachs, das ja wesentlich zur Osterkerze als Symbolträger für den auferstandenen Christus beiträgt.

Anschaulich zeigt uns der Künstler mit diesem Werk, dass wir durch die Auferstehung Christi die Welt in einem neuen Licht sehen – einem Licht, das die Welt und das Leben auf ganz neue Weise wahrnimmt – in neuen, verwandelten Farben sieht.

Was liturgisch an drei aufeinanderfolgenden Tagen gefeiert wird, schafft Jörg Länger mit großer Ausdruckskraft in einem Bild dazustellen: Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag – Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung.

Im unteren Drittel des Bildes ist Christus in der Kreuzigung nach dem Meister des Psalters Robert de Isle (vor 1339) dargestellt.  Eine waagrechte Linie erinnert an das Kreuz, trennt aber auch den unteren Bildbereich ab, als würde er zu einer anderen „Welt“ gehören, der Unterwelt. Unter der Herrschaft des Todes hat der menschliche Leib keinen Bestand. Der Körper scheint sich aufzulösen. Die Wachstropfen suggerieren aber andererseits ein Auseinanderfallen des Reiches des Todes – der Tod hat seinen Stachel verloren, wie es im Kirchenlied heißt!

Darüber in einer wunderbaren Kreisform zwei Gestalten, von denen die Obere aus dem berühmten Auferstehungsbild des Isenheimer Altars (um 1512-16) stammt. Wie bei Matthias Grünewald verschmilzt die Christusgestalt mit dem Licht. Hier wird das Bildwort Jesu „Ich bin das Licht der Welt“ verdeutlicht und unsere Hoffnung einleuchtender: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12).

Zwischen Tod und Auferstehung hat Jörg Länger die Jesusgestalt aus der Grablegung Christi (um 1438-43) von Fra Angelico platziert. Die drei übereinander angeordneten Jesus-Gestalten folgen dem Ablauf der drei österlichen Tage, dem Triduum pascale, und lenken die Augen in eine Aufwärtsbewegung. Die ganz unterschiedlichen künstlerischen Mittel wollen uns Betrachtende in das Ostergeheimnis hineinnehmen, uns etwas von seiner verwandelnden und das ganze Leben erneuernden Kraft erfahren lassen – ähnlich wie die Liturgie der Osternacht.