Singend Gott loben

Die Nahaufnahme dieses Banjo-Spielers lässt die Inbrunst spüren, mit der er sein Instrument zum Klingen bringt. Übergroß sind seine Hände, es geht nicht um die Anatomie, es geht um das Gefühl, die Emotionen, um die Beseeltheit.

Er sitzt am Boden und doch suggeriert der blau-weiße Hintergrund ein Schweben im Himmel. Er befindet sich in einer anderen Welt: vertieft, versunken, in kontemplativer Konzentration nach innen. Obwohl er eingezwängt ist in sein Format, schallt seine Musik, wie es die differenzierten Farben andeuten, traurig-schön nach draußen.

Sein Körper ist kubisch angelegt, Fragmente, die zusammen ein Ganzes geben. Der Oberkörper ist mit den Armen auf ein irdisches Rechteck reduziert, auf dem der haarlose Kopf mit den großen, traurigen, aber auch staunenden Augen aufliegt. In ihnen scheint sich das tiefe, blaue Meer zu spiegeln. So wie der Kopf lauschend dem Banjo zugeneigt ist, weisen die beiden spitzen Fußsohlen nach oben. Damit liegt die Aufmerksamkeit auf dem Saiteninstrument und der Hand, die sich kontrastreich auf der weißen Trommel abzeichnet.

Der helle, runde Resonanzkörper des Banjos bringt unaufdringlich Gott ins Spiel. Das endlose Rund als auch die weiße Farbe sind beides Symbole für Gott. So vermittelt das Bild den Eindruck, dass der Musiker Gott zum Klingen bringt mit seinem Saiteninstrument und mit seiner Stimme. Er ist einfach da und geht auf in seinem spielerischen Tun und dem Ausdruck der innigen Verbundenheit mit den vibrierenden Tönen und Worten. Was er wohl spielt? Was er dazu singt? Das Bild verrät es nicht. Spontan erklingt in mir das Lied „Ich lobe meinen Gott“ aus dem Evangelischen Gesangbuch Nummer 272:

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinen Namen.
Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!

Singen befreit und erfreut. Gott singend und spielend zu loben verbindet Himmel und Erde (Symbolisch dargestellt durch das Viereck des Oberkörpers und das Rund des Banjos) und es vermag den vom Singen und Spielen Ergriffenen zum Schweben zu bringen. So kann der Banjo-Spieler eine Einladung sein, sein Gebet spielend und singend vor Gott zu bringen. Ganz nach dem geflügelten Wort des Heiligen Augustinus: „Wer singt, betet doppelt“ – wer dazu noch spielt, betet dreifach!

Begnadeter Ein-Klang

Gott zu loben und zu preisen muss König Davids zweite Natur gewesen sein. Von den gut 150 biblischen Psalmen werden knapp die Hälfte ihm zugeschrieben. In einem einfachen roten Gewand und einer Krone auf dem Kopf spielt er mit erhobenen Händen auf der geschulterten Harfe. Barfuß steht er im nächtlichen Mondschein vor Gott, demütig alles von Ihm erwartend. Er weiß als Geliebter Gottes (David bedeutet im Hebräischen: Geliebter), dass sein Königtum unverdient, reine Gnade, Geschenk ist.

Erich Schickling hat David als einen von Gott Ergriffenen, mit seinem Geist Beseelten, Beschenkten und Gesalbten dargestellt, der als Auserwählter nicht anders kann als in Seinem Auftrag zu handeln und Ihn zu verkünden.

Feuerszungen fallen hinter David vom Himmel, die Linien bis in die Beine fortführend, die Arme emporhebend, das Instrument ins Licht haltend, damit das Licht selbst die Saiten zum Klingen bringe im Einklang mit dem menschlichen Handeln. Der Mensch im Einklang mit Gott wird ganz durchsichtig auf Ihn und Er wiederum für uns Menschen. So geht ein sonnengleiches Leuchten von diesem Harfenspiel aus, eine Ausstrahlung mit großer Verwandlungskraft. David selbst ist das beste Beispiel dafür: sein rotes Kleid ist Ausdruck der Kraft Gottes, in der er selbst Feuer und Flamme für Gott ist.

„David weiß sich von der Melodie des Lebens, von Freude und Leid gleichermaßen geführt und getragen. Und er muß singen und danken und musizieren! Selbst als er in Sünde fällt, tief bereut und seinen ersten Sohn verliert, weil er sich die Bathscheba (hebräisch: „Tochter der Sieben“, d.h. Tochter der Schöpfung) genommen und deren Mann Uriach in den Tod geschickt hat, hört er nicht auf, Gott zu preisen. Und Gott schenkt ihm den Sohn Salomo, dessen Name heißt: der Vollkommene, der Friedensbringer.“ (Erich Schickling)

So wie der Anblick der „sehr schönen“ Batseba  (vgl. 2 Sam 11; 12,24) das Leben von David tiefgreifend verändert hat, geschah es auch mit der unerwarteten Salbung durch den Propheten Samuel. Schickling hat das Ereignis als drittes wichtiges Momentum im Leben Davids neben ihm im Hintergrund dargestellt. „Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn! Denn er ist es. Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David …“ (1 Sam 16,12f) Der von Gott geführte und deshalb rot gekleidete Samuel gießt das Öl über dem knienden und mit gekreuzten Armen seine Demut zeigenden David aus. Schafe deuten an, dass er von der Herde weg zu einer größeren Hirtentätigkeit berufen wurde. Schickling hat die Szene unter einen Baum wie in einer Grotte verortet, dessen Krone wie die Finger einer schützenden Hand über dem Geschehen wirkt: „Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.“ (1 Sam 16,13)

Erich Schickling hat die herausragende Gestalt nicht nur in bildfüllender Größe dargestellt, sondern auch als Menschen, der in der Gnade Gottes über sich hinauswachsen durfte zu einem ganz besonderen Menschen auf dieser Erde. So fließt der gelbe Lichtstrom der Gnade von Gott-Sonne-Mond aus über die „Segenshand“, das Horn und das Öl durch den knienden David und entfaltet als Spur seiner Schritte links unten auf dem Erdenrund, auf dem er steht, als auch im Handeln im Einklang mit Gott seine Wirkung. Die Gnade gemäß Gottes Wort „kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.“ (Jes 55,11)

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinen Namen.
Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
(GL 400, EG 272)

 

In der Zusammenschau dieses Hinterglasbildes mit Texten von und über Erich Schickling lässt sich erahnen, wie sehr sich auch der Künstler als Berufener, im Auftrag Gottes Stehender verstand. Deshalb gleich einem Nachklang folgende Zitate:

„Denn trotz seines Brennens für die Malerei in ihrer ganzen Sinneshaftigkeit und seines immensen Fleißes war eine „L‘art pour l‘art“ Erich Schicklings Sache nicht. Ihm ging es um den Inhalt, er hatte eine Botschaft. Und die wollte, ja musste er mit anderen teilen. Der hat er sich selbst unterstellt. Und dafür wollte er sich von den größten Geistern seiner Zeit wachrütteln lassen, diesen Hunger nach Erkenntnis zu nähren, nach oben zu blicken, sich am Wahrhaften und Göttlichen abzuarbeiten, dies war sein immerwährender Antrieb: im Malen, im Pflanzen, im Bauen, im Sprechen.“ (Ulrike Meyer, Katalog 5, S. 5)

„Wer immer ES begegnet, wird auf einen Menschen treffen, der in ungewöhnlicher Weise erfüllt ist vom Mysterium des Glaubens, dem Wunder der Schöpfung, dessen Herz davon voll ist und dessen Mund davon überfließt.“ (Lydia Maidl, Katalog 5, S. 8)

Seine Bilder seien „nicht ersonnen, nicht geschaffen, nicht komponiert, vielmehr ihm geschenkt worden“, pflegte Erich Schickling zu sagen. (Katalog 5, S. 32)

Link zur Erich-Schickling-Stiftung bei Ottobeuren im Allgäu