HerEinbruch

Wuchtige Steinquader schieben sich durch eine irritierende Öffnung lawinenartig in den Kirchenraum. Die schwarze Schutzmauer aus geschichteten Stahlquadern – ein Pendant zur noch erhaltenen Steinmauer auf der rechten Seite – vermag den zerstörerischen Strom visuell umzulenken, aber nicht aufzuhalten (Detailansicht).

Die Installation wurde zu einer besonderen Zeit an einem symbolträchtigen Ort platziert. Anlass ist das von Papst Franziskus für 2025 ausgerufene Heilige Jahr mit dem Motto: „Pilger der Hoffnung“. Am Heiligabend wurde vom Papst die heilige Pforte des Petersdoms in Rom geöffnet. Diesem Beispiel folgend öffnen auch viele katholische Kirchen weltweit Türen, die normalerweise verschlossen sind. Mit der Installation an der Innenwand des Willigisportals des Mainzer Doms wird der Haupteingang zum Dom jedoch von innen unsichtbar und verschlossen bleiben. Stattdessen erinnert die großformatige Installation mit dem Mauerfall an den Zerfall gesellschaftlicher und staatlicher Ordnungen, die sich in gewaltsamen Auseinandersetzungen und Kriegen entladen und ohne Rücksicht bislang Festgefügtes und über viele Jahre Gewachsenes wie jahrhundertealte Kulturgüter, Infrastruktur oder die Zivilbevölkerung zerstören. Die Grausamkeit und das Leid der Zerstörung trägt Madeleine Dietz mit der Installation in den räumlich noch heilen Schutzraum der Kirche hinein.

Ein Ausweichen oder Flucht sind nicht möglich. Die Tür ist versperrt. Jeder muss sich den zerstörerischen Kräften dieser Welt stellen und bewusst Gedanken machen, wie er ihnen begegnen will. Wir können diese gewaltigen Kräfte mit unseren Gedanken und Handlungen stärker machen. Wir können uns ihnen aber auch abwehrend entgegenstellen und durch entschiedenes Handeln das Leid der betroffenen Menschen lindern oder sogar beim Bau von neuen haltgebenden Strukturen tatkräftig helfen.

Die vorgetäuschte Öffnung in der Kirchenwand und das Hereinbrechen der großen Steinquader lassen die Bedrohung auch für die scheinbar festgebaute Kirche spüren. Der Mitgliederschwund durch veränderte Lebensinhalte lässt die Kirchen nicht nur leerer werden, sondern durch Abbruch an vielen Orten auch aus dem Quartier oder dem Ort verschwinden. Missbrauchsskandale, unflexible und oft unmenschliche Kirchenstrukturen tragen dazu bei, dass die gewachsenen Strukturen der Kirche aus den Fugen geraten und einstürzen.

Jesus selbst hat sein ganzes Leben und darüber hinaus mit seiner Botschaft die Mächtigen erzittern lassen. Dadurch, dass seine Heimat im Himmel war und er sich als Gesandter seines Vaters verstand, konnte er in einer irdischen Ungebundenheit und Freiheit leben und predigen, wie sie uns Menschen nur selten möglich ist. Sehr deutlich hat Jesus das mit den Worten aus Jesaja 61,1f in seiner Antrittsrede in Nazareth zum Ausdruck gebracht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,18f)

Das Heilige Jahr ist ein Gnadenjahr der Besinnung und Neuausrichtung. Der Besinnung darauf, dass unsere Heimat im Himmel ist und unsere Kraft und Hilfe beim Herrn. Der Mauereinbruch im Dom zu Mainz ist somit ein Stein des Anstoßes, unser Vertrauen nicht auf irdische Sicherheiten zu bauen, sondern auf Gott allein (vgl. das Gleichnis vom Hausbau, Mt 7,24-28). Wie Jesus sind wir zu all jenen gesandt, bei denen das Leben aus welchem Grund auch immer zusammengebrochen ist und nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Durch uns will Gott das erlösende Geschehen gerade in die ruinöse Niedrigkeit des menschlichen Lebens hineinbringen.

weitere Informationen auf der Website des Bistums Mainz

Altarmauer

Eine aus aus getrockneter Erde errichtete Mauer verstellt im Münchner Mariendom während der Fastenzeit den Blick auf den Altar. Der Blick auf die eucharistische Mitte wird verwehrt, ebenso wird der unmittelbare Aufstieg durch aufgeschüttete Erde verunmöglicht. Wie ein Erdrutsch ergießt sie sich vor der lose aufgeschichteten Mauer, gleichsam auf ihre Anfälligkeit und Zerbrechlichkeit hinweisend.

In dem künstlerischen fein und wertvoll gestalteten Mariendom bilden diese Mauer und die aufgeschüttete Erde einen markanten Gegensatz. Die ursprüngliche, ungestaltete Erde erhält plötzlich einen zentralen Platz in diesem mit edlen Materialien umbauten Raum. Sie erinnert daran, dass wir aus der Erde genommen sind (Adamah = hebräisch „Erdboden“, Gen 2,7) und zur Erde zurückkehren (Ps 146,4). Anfang und Ende unserer Existenz werden zu bedenken gegeben, aber auch die Fruchtbarkeit der Erde, die uns ernährt und die mit ihren Rohstoffen die Grundlage für den technischen Fortschritt gibt. Wir sollen sie achten, wertschätzen und schützen, sie nicht als großen, billigen Mülleimer missbrauchen. Wir können auf und in ihr nichts wirklich entsorgen. Es wird uns irgendwann auf irgendeine Weise wieder begegnen und Sorge bereiten. Wenn wir nicht vorbeugen, werden uns die Altlasten wie ein Erdrutsch den Boden unter den Füßen wegziehen. Schnell und billig zahlt sich auf Dauer nicht aus. Umwege sind angesagt, neue Wege zu gehen ist die Herausforderung, ein Umdenken und Mehraufwand an Material und Zeit müssen erfolgen.

Die sorgfältig aufgeschichtete Mauer, die ohne Verbundstoff wie Zement oder Mörtel besteht, macht deutlich, wie fragil und unbeständig ihre Konstruktion, aber auch der Bau unserer Gesellschaft und Zivilisation ist. Ein herber Schlag, ein kräftiger Windstoß, eine überraschende Wasserflut oder ein unvorhergesehenes Beben genügen, um die Mauer zum Einsturz zu bringen und sie nach und nach wieder zu Erde zerfallen zu lassen. Insofern ist sie ein Sinnbild für unsere Anfälligkeit, Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, aber auch ein ermutigendes Symbol, achtsam miteinander umzugehen, um uns nicht gegenseitig zu gefährden und zum Einsturz zu bringen.

Andererseits lädt die lose Mauer ein, die trennenden Blockaden Stück für Stück wieder abzubauen, insbesondere zwischen uns und Gott. Mauern, die wir in Unwissenheit oder aus anderen Beweggründen vor oder um uns herum aufgebaut haben. So kann man die Installation wie ein Fastentuch betrachten, das den Altar eine Zeit verhüllt, um danach das wahre Wesen des Altargeschehens wieder neu sichtbar werden zu lassen. Neu begreifbar zu machen, warum sich die Eucharistie über den Kreislauf von Werden und Vergehen erhebt. Wahres und wirkliches Leben kann nur tod-loses, ewiges Leben sein.

Die Installation kann bis zum 16. März in der Frauenkirche / Dom in München besichtigt werden.