Sanfte Rundungen geben dieser Skulptur eine faszinierende Eleganz und gleichzeitig durch die leichte Unregelmäßigkeit den Charakter von Handgefertigtem. Die Öffnung mit der halsartigen Ausformung identifiziert sie als Vase. Doch der durchgehende Spalt auf der einen Seite lässt Zweifel aufkommen. Kann solch ein Gefäß noch seine Aufgabe erfüllen und Wasser oder andere Inhalte aufnehmen ohne diese seitlich wieder zu verlieren?
Normalerweise entsorgen wir Gefäße mit einem Sprung, denn sie sind undicht. Sie sind dann nicht mehr wirklich zu gebrauchen – höchstens zur Dekoration oder zum Aufstellen von Trocken- oder Kunstblumen. Wie um dem vorschnellen Beseitigen vorzubeugen, hat der Künstler „sinnvoll“ neben den fingerbreiten Spannungsriss geschrieben. Die goldenen Buchstaben machen den Betrachter darauf aufmerksam, dass die Vase durch den Spalt nicht wert- oder sinnlos wurde, sondern nach wie vor wert- und sinnvoll ist, ja vielleicht gerade durch diese klaffende Wunde, die Einblicke in das Innere der Skulptur ermöglicht, noch mehr Sinn erlangt.
Durch den Spalt wird erst deutlich, wie das Innere kostbar mit Blattgold ausgekleidet ist und im Gegensatz zur bunt bemalten, matten Außenseite goldgelb leuchtet. Zwei Welten begegnen sich in dieser Vase aus Eichenholz, dessen Wesen letztlich nur in dem (dem Holz eigenen) Spannungsriss sichtbar wird. Ansonsten scheinen sich auf seiner Außenseite die vielen Farben seiner Umwelt zu „spiegeln“, im Innern jedoch mit der Blattgoldbeschichtung etwas Fremdes und doch Wunderbares aufzuleuchten. Wunderbar auch, weil Vasen innen meistens dunkel und weniger kostbar ausgestattet sind als außen.
Die Sinnfülle dieses Objektes scheint also mit seinem inneren „Kleid“ im Zusammenhang zu stehen und erinnert an ein Wort des Apostels Paulus: „Christus ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi. Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.“ (2 Kor 4,6b-7)
Für den Künstler Udo Mathee steht die Vase tatsächlich für uns Menschen. Wir sind „aus hartem Holz geschnitzt“ und doch anfällig für Verletzungen. Wie das Holz können innere Spannungen unseren Körper verspannen und ihn bei Überforderungen auch „zerreißen“. Gerade diese „Wunden“ können tiefe Einblicke in unsere persönliche Mitte zulassen und dazu beitragen, die göttliche Gegenwart in unseren Herzen zu schauen. So ein „Riss“ im Leben macht sicher nicht alles sinnlos. Er macht vielmehr Sinn, weil in dieser Schwäche Gottes begleitende und stärkende Gegenwart erfahrbar wird. Sinnstiftende Gegenwart in der Kraft des Heiligen Geistes, der von innen heraus wirkt und alle Unzulänglichkeit mit neuem Sinn erfüllt und so den Menschen eine neue Ganzheit und geradezu übermenschliche Fülle schenkt.
Von dieser Skulptur ist eine Kunstkarte (Nr. 6020) zum Preis von 1 Euro + Porto erhältlich, die beim Künstler bestellt werden kann: Mailadresse