Der Schatz

Warme Farben als auch formale Kontraste ergeben eine faszinierende Spannung. Wie unter einer Brücke stehen fünf dunkle Gestalten am Fuße einer gewaltigen Rechteckkonstruktion. Helle Rechtecke heben Ihre Konturen hervor und schaffen zusammen mit den Lichtpunkten über ihnen eine geheimnisvolle Atmosphäre.

Die Menschengruppe scheint sich nicht zu verstecken, sondern ganz entspannt einen Überraschungsfund zu betrachten. Ein Licht funkelt in der Hand der Gestalt rechts vorne, als hätte sich ein Stern auf ihr niedergelassen. Ganz klein und im Vergleich mit der imposanten Kulisse unscheinbar ereignet sich in dem Bild das Wunder: in der Dunkelheit der Nacht und eher zufällig hat es sich in die Hand eines Menschen gelegt. Eines der vielen Lichter über der Gruppe hat sich in ihrer Mitte niedergelassen. Eine der großen Himmelssonnen hat sich greifbar klein und unbegreiflich nah gemacht. Es ist, als wäre inmitten der Menschen ein himmlisches Licht aufgeleuchtet.

Was für ein Schatz! Klein wie ein Edelstein, funkelnd wie ein Stern. Lichte Unfassbarkeit. Wie um von seiner Erhabenheit zu erzählen, entfaltet sich das Bild von ihm aus diagonal nach oben. Das große helle Rund symbolisiert eine göttliche Präsenz und bildet ein Pendant zu den in einem irdisch eckigen Raum sich befindlichen dunklen Personen. Wohlwollend gegenwärtig scheint die Lichtkugel vor der warmen Konstruktion des Hintergrundes. So ist sie ganz nahe und kann gleichsam „um die Ecke“ schauen, wie die fünf Menschenkinder mit dem ihnen anvertrauten Schatz umgehen werden. „Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ (Lk 12,34)

Der gelb-orange leuchtende Pfeiler und die stufenartigen Querverbindungen deuten ein tempelähnliches Gebäude an, das dazwischen den Raum füllende Rot und Purpur kündet von einer majestätischen Anwesenheit. So leuchtet im Kleinod die königlich-himmlische Herkunft auf.

Faszination, Staunen, Ehrfurcht und Glück, etwas Besonderes gefunden zu haben, muss die fünf Menschen beim Anblick dieser Kostbarkeit erfassen. Was für ein Geschenk, was für ein Schatz: sichtbar gewordene göttliche Gnade – durch ihre Herzen in ihre Mitte hineingetragen. „Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund“ und seine Hände. Denn „der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor“, indem er es mit den anderen teilt. (Lk 6,45) Dadurch wird der Schatz nicht kleiner, sondern größer und wertvoller.

Entfernt erinnert die Szene an den weisen Simeon, der „auf den Trost Israels“ wartete. Als die Eltern mit Jesus in den Tempel kamen, nahm er das Kind in die Arme und pries Gott mit folgenden Worten: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ (Lk 2,29-32) Vom Heiligen Geist geführt sah er in Jesus viel mehr als das kleine Kind. Das lange erwartete Licht (vgl. Jes 9,1) ist in seinen Armen aufgeleuchtet und erfüllt nun als bleibender Schatz sein Herz.