Erwartungen an die Kunst

Die souveräne Beherrschung einer zeitgenössischen Ästhetik ist zweifellos das Metier, in dem die Kunst zuhause ist. Allein schon diese Kompetenz macht die Kunst für die Religion interessant. Die Erwartungen, welche die Religion an die Kunst richtet, gehen jedoch darüber hinaus. Kunst hat spätestens seit der Renaissance immer auch mit Erkenntnis zu tun. Sie will Dinge auf neue Weise zeigen, dabei deren Oberfläche durchdringen und gerade dadurch das Verborgene sichtbar machen. In eben dieser intensivierten Sinnlichkeit wird die Kunst für die Religion zu einer unschätzbaren Partnerin. Niemand geht heute noch davon aus, dass die Religion die fertigen Antworten entwickelt und die Kunst diese nur noch schick zu verpacken hat. Die Kunst darf und muss heute eindeutig mehr sein als nur die Werbegrafikerin der kirchlichen Verkündigung. Die Religion billigt der Kunst zu, dass sie über einen eigenen Zugang zum Lebensgefühl ihrer Zeit verfügt und die Suche nach einer tragfähigen Sinnantwort deshalb durch eigene Erkenntnisse bereichern kann.

Regina Radlbeck-Ossmann, Kunst und Religion – zwei Schwestern. Zwei Zugänge zu Transzendenz und Religion, in: Regina Radlbeck-Ossmann/Wulf Diepenbrock, Meisterwerk, Lebenskunst, Spiritualität. Vier Werke Emil Noldes in der Begegnung von Kunst und Religion, Halle-Wittenberg, 2012, S. 50.

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