Eine junge Frau kniet in sich zusammengesunken vor einem kleinen ovalen Spiegel. Die verschränkten Arme liegen auf dem runden Tisch auf, den Kopf hat sie vom Betrachter weggedreht. Sie ist nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet. Offenbar war sie gerade bei der Morgentoilette, als sie beim Blick in den Spiegel eine überraschende Entdeckung machte: in der Form eines Totenschädels saß ihr der Tod im Nacken.
Die Künstlerin Julia Krahn hat den Augen-Blick festgehalten, in dem die Frau sich vorsichtig vergewissert, ob der Tod ihr wirklich so nahe ist und dies auch bleibt. Kein Erschrecken ist an ihr festzustellen. Im Gegenteil scheint sie ruhig nachzudenken und sich die nächsten Schritte zu überlegen. Fragen wie diese könnten ihr durch den Kopf schießen: War er schon immer mein Begleiter? Wieso sehe ich ihn erst jetzt? Wird er mich mitnehmen? Ist jetzt meine letzte Stunde gekommen oder gibt er mir noch eine Gnadenzeit? Oder sitzt er nur stumm oben auf, um mir einen Schrecken einzujagen und ein bisschen Angst zu machen?
Gefasst schaut die junge Frau dem Tod in die leeren Augen. Nein, sie zeigt keine Angst, auch wenn sie zusammengekauert vor dem Spiegel kniet. Sie scheint ihn als ihren Begleiter angenommen zu haben und um die Vergänglichkeit ihrer Schönheit zu wissen. Anders als in vergleichbaren Vanitas-Darstellungen zeigt sie eine demütige Haltung. Auch wenn sie auf einem Sockel erhöht kniet, sind an ihr keine Eitelkeit und kein Stolz zu beobachten. Es ist vielmehr die Haltung des „Memento mori“ – Des Denkens an ihre Sterblichkeit.
Damit ist das Bild auch für uns ein Spiegelbild und eine Aufforderung zum Nachdenken über unsere eigene Einstellung zur Schönheit, Vergänglichkeit und Sterblichkeit unseres Körpers. Jedem von uns sitzt der Tod im Nacken. Jeden von uns mahnt er, umsichtig und barmherzig mit seinem Körper umzugehen. Er ist uns nur einmal geschenkt. Seine Unversehrtheit gehört zu den kostbarsten Dingen des Lebens. Deshalb ist wichtig, den Tod nicht im Nacken zu spüren, sondern ganz bewusst vor sich zu sehen.