Heilsbringer
Federleicht, einem Wolkenverband gleich, schweben die gut 500 Mullbinden wie ein riesiges Mobile im Raum. Mit jedem Windhauch bewegen und richten sie sich aus wie ein Schwarm. Das Kunstwerk wirkt filigran und schwingt anmutig leicht im Luftraum. Die weiße Taube symbolisiert in ihrer Reinheit die Friedensbotin par excellence.
Mit der Vielzahl an Mullbinden kommt eine Lebensdimension zur Sprache, welche unsere Anfälligkeit, Verletzlichkeit und Endlichkeit betont. Diese Schwächen machen die Kostbarkeit des Lebens aus. Das Heilen von Verletzungen, mögen sie durch innere Krankheiten oder äußere Gewaltanwendung entstanden sein, ist für das Überleben notwendig. Mit Mullbinden werden Wunden abgedeckt und schützend verbunden, so dass sie gut heilen können. Die dünnen, weißen, sterilen und saugfähigen Gewebebänder nehmen alles Überflüssige, Unreine und Ausgeschiedene auf und bieten temporären Schutz. Die Mullbinden stehen auch in Verbindung mit den Pflegenden, welche die Wunden versorgen und damit den Heilungsprozess unterstützen. Der Verband verbindet den Verletzten unsichtbar mit dem, der ihn verbunden hat. Der Heilsbringer ist in der Pflegeperson gegenwärtig.
Die Taube versinnbildlicht auch Heilige Geisteskraft, die vom ersten Schöpfungstag an alle Materie durchdringt und in vielfältiger Form zum Leben erweckt. So auch bei Maria, die durch „die Kraft des Höchsten“, häufig dargestellt als Verkündigungstaube, Gottes Sohn empfing (vgl. LK 1,35). In der Installation wird deutlich, wie der Heilige Geist das unsichtbare Band ist, das alles zusammen und in Bewegung hält.
Kaum wahrnehmbar und doch elementar schwingt noch eine weitere Dimension des Lebens in dem großen Taubenmobile mit: die Verbindung zum Nächsten und zur Umwelt. Mit unserer begrenzten Sicht sehen oder verstehen wir nie alles oder alle Zusammenhänge. Durch unsere verkürzte Wahrnehmung verletzen wir unentwegt unsere Mitmenschen, durch unser egoistisches Handeln gefährden wir die Lebensumstände oder nehmen ihnen gar die Lebensgrundlagen weg. Wir trennen Beziehungen, weil wir sie nicht in einem Zusammenhang oder in einer Abhängigkeit sehen. Als Heilsbringer verbindet der Heilige Geist im Sinne von Heilen und Wieder-Zusammenbringen zu einem respektvollen, liebevollen Miteinander: den Menschen mit seinem Körper und seiner Seele, Menschen untereinander über Generationen, Geschlechter und kulturelle Unterschiede hinweg, die Menschen mit den Lebewesen und Ressourcen der Natur und nicht zuletzt den Menschen mit Gott.
Übergroß bietet uns im Symbol der Taube und der Fülle an Mullbinden die Geisteskraft Gottes Heil, Versöhnung, Frieden und durch erneuerte Beziehungen eine tragende Gemeinschaft an. Insbesondere zwischen den Jahren, einem Zeitpunkt, an dem wie selten im Jahr das Vergangene mit dem Kommenden verbunden wird.
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