Farbe bekennen – Spuren hinterlassen

Viele farbige, mehr oder weniger gleich große Punkte präsentieren sich unseren Augen. Meist kräftig in den Farben, rundlich in der Form und mit unscharfem Rand sind die bunten Farbtupfer über die Leinwand verstreut. Manchmal bildet ihre Aneinanderreihung so etwas wie eine Linie, aber es ist kein System der Verteilung oder Anordnung auszumachen. Die rundlichen Farbflächen sind einfach da, scheinen über dem braun-weiß verwischten Hintergrund zu schweben, auf dem Spuren horizontaler und vertikaler Pinselführung zu erkennen sind.

Was soll dieses Gemälde im Altarraum, was kann es zum Glauben sagen?

Vor dem eintönigen Hintergrund, auf dem nur noch verwischt Kreuzspuren zu erkennen sind, bilden die farbigen „Punkte“ eine neue, frische, frohe Wirklichkeit. Das Bild könnte eine Ostererfahrung zum Ausdruck bringen, wo es um die unfassbare Freude über die Auferstehung Jesu und den Sieg des Lebens über den Tod geht. Jeder Farbpunkt könnte ein Aspekt dieser Freude sein. Wie unser Auge versucht, alle Farbpunkte zu erfassen und es doch nicht kann, so unfassbar ist für uns das Geschehen der Auferstehung. Uns bleibt das teilweise Erfassen, das Wandern von einem Farbpunkt zum anderen. Darin erfahre ich schon Freude und Kraft, die ansteckt und in ihrer Frische gut tut.

Das Bild kann noch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Heißt „Farbe bekennen“ nicht, vor und gegenüber anderen zu seiner Einstellung, zu seiner Meinung, zu seinem Glauben stehen? So gesehen habe ich mit meiner Lebensgeschichte, meinen Fähig- keiten, meiner Persönlichkeit eine ganz eigene „Farbe“.  Wo ich mich in Gesellschaft und Kirche eingebe, bekenne ich Farbe, präge ich Situationen, Menschen, Orte – male ich gleichsam an dem großen Gemälde Kirche (oder Gesellschaft) mit. Je mehr ich mich mit meiner Farbe einbringe, engagiere, umso mehr Spuren hinterlasse ich und um so bunter, lebendiger und froher wird das Leben der Gemeinschaft.

„Ihr seid das Licht der Welt,“ sagt Jesus. „Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf einen Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure Werke sehen und euren Vater im Himmel  preisen. (Mt 5,14-16)

Noch ist Freiraum zwischen den Farbpunkten! – Fehlt vielleicht meine Farbe, weil ich mich nicht getraue, sie zu zeigen? Das Bild macht mir Mut, meine eigene Farbe zu bekennen, einzubringen und damit die Leuchtkraft und das Zeugnis der Gemeinschaft der Gläubigen zu erneuern.

Österlicher Auftrag

Hinter der schwarzen Silhouette des Kreuzes erhebt sich farbenfroh das lebendige Licht der Auferstehung. Ostern, Auferstehung des Herrn, Grundstein des christlichen Glaubens wird hier gestalterisch gefeiert.

Beeindruckend sind die geometrischen Formen, die sich farblich mit menschlichen Figuren und ihren Bewegungen verbinden. Alles ist auf Begegnung zwischen Himmel und Erde ausgelegt. Alles ist vom warmen „Licht aus der Höhe“ durchdrungen, welches seinen intensivsten Ausdruck in den weißen Steifen findet. Die Prophezeiung des Zacharias hat sich erfüllt: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes hat uns das aufstrahlende Licht aus der Höhe besucht, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken.“ (Lk 1,78-79)

In jedem Fenster bilden umlaufende Bahnen (blau, weiß, rosa), die nach oben hin offen sind, eine Art Gefäß oder Erfahrungsraum. Jeder ist mit einer österlichen Begegnung erfüllt, welche ihrerseits nach oben den Rahmen sprengt. Die Osterbotschaft und –freude kennt keine Grenzen!

Doch ganz unten – dem Betrachter am nächsten – weisen die in kühlem Blau gehaltenen Flächen und Menschen auf unsere Suche nach dem Auferstandenen hin. Am frühen Morgen des dritten Tages kommen die Frauen zum Grab (links) und finden es leer vor. Statt dessen begegnen sie einem Engel, der zu ihnen – und damit auch zu uns – vom Himmel her die tröstende Botschaft überbringt: „Fürchtet Euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ (Mt 28,5-6) Der Engel ist ganz rot, weil er im Dienste dessen steht, der ganz Liebe ist und dadurch die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken.

Das mittlere Fenster leuchtet in strahlenden Gelb- und Rottönen, in denen die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes ihren Ausdruck finden. Vom Zentrum der Komposition aus strebt ein Engelsreigen nach oben. Er beschreibt den himmlischen Chor der Seraphim, die in Liebe brennend (deshalb auch rot) in immerwährender Anbetung vor Gott stehen. Vollendung und Verherrlichung strahlt dieses Fenster aus – und lädt uns ein, über das Sanctus in der Eucharistiefeier hinaus ins Lob der Engel einzustimmen: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe!“

Das rechte Fenster erzählt von der Himmelfahrt Jesu. Inmitten des gelben Lichtstroms erscheint Jesus und neigt sich den Jüngern zu mit dem Auftrag: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,18-20) Im Element des Lichtes, das Himmel und Erde verbindet, offenbart sich Christus als das „Licht der Welt“ seinen Jüngern. In seinem Licht sehen sie ihre Aufgabe klar und erfahren sie sich, von Christus gesegnet und mit seinem Heiligen Geist erfüllt (orange), bereit, in aller Welt seine Zeugen zu sein und die frohe Botschaft seiner Auferstehung verkünden zu können.

Viele haben sich von ihrem Zeugnis begeistern lassen und sind selbst zu Zeugen Jesu Christi geworden. So hat Jesu Botschaft uns erreicht … damit auch wir zu seinen Jüngern und Zeugen werden. Wie sieht das bei mir aus? Was habe ich aus der Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes gemacht? Ist in meinem Alltag etwas davon zu spüren – auch durch meine „Nächsten“?

Auferstehen

„Vor dem grünen Kreuz, das zum Lebensbaum wurde, steht der Auferstandene. Er ist die Frucht dieses Baumes, er gibt sich zur Speise – seinen Brüdern und Schwestern. Er teilt sein Wesen mit, sein verwandeltes, auferstandenes Leben. Nicht als philosophische Idee, sondern sich selbst – zu einem neuen Begegnen. In einer neuen Gegenwart, auf einer neuen Ebene. „Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, damit sie (die Menschen) das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 5,33-35; 10,10)

“Seine Arme sind ausgebreitet, sie sind nicht mehr ans Holz genagelt, sie sind frei. Es ist, als bewegen sie sich leicht im Tanze, uns einladend.
Damit wir es immer wieder erfahren: in diesem auferstandenen Jesus, dem Christus, haben wir Anteil: an der Erde, am ganzen Kosmos, am Himmel.“ (Maria Hafner)

Mit diesen meditativen Worten der Künstlerin ist das Wesentliche gesagt. Ergänzend möchte ich noch auf das Kreuz und die Farben eingehen.

Das grüne Kreuz hat eine lange Tradition (z.B. Glasfenster in Chartres) und will sagen, dass aus dem Kreuz des Todes ein Kreuz der Hoffnung geworden ist durch den Tod und die Auferstehung Jesu. In das Holz des Kreuzes ist Leben eingekehrt, so dass es wieder grünt. Die Arme des Kreuzes gehen von einem Bildrand zum anderen – Ausdruck für eine Hoffnung, die über alle Grenzen hinaus geht und alle Menschen erfassen soll.

Vor diesem Kreuz des Lebens steht der „Lebendige“, der von den Toten Auferstandene. Ganz in Rot: Zeichen seiner Liebe, in der er für uns und zur Vergebung der Sünden sein Blut vergossen hat. Wie Maria Hafner schreibt, lädt Jesus uns ein, zu ihm zu kommen. Eine Einladung, an seinem neuen Leben teilzuhaben. Die vielen Farben um Jesus herum suggerieren, dass er uns zur Freude einlädt, die diese innige Kommunion mit ihm beinhaltet. Eine Freude, wie sie beim Aufblühen eines Gartens und ein Verweilen in ihm empfunden wird. Das Paradies von Adam und Eva klingt hier an, als sie in unmittelbarer Gemeinschaft mit Gott wohnten (Gen 2,4-25; 3,8) wie das endzeitliche Jerusalem, das in allen Farben leuchtet und wo Gott lichtvoll in ihrer Mitte wohnt ( Offb 21,9 – 22,5).

Maria Hafner hat dieses Bild innerhalb einer Serie von acht Bildern geschaffen. Eine Bildmappe mit 8 Doppelkarten und Meditationstexten von Maria Hafner kann zum Preis von SFR 22,- (zzgl. Versandkosten) bezogen werden bei:

Margreta Camenzind
Weinbergstr. 7
CH-6330 Cham
Tel./Fax: (0041) 041 780 26 18
e-mail: ma.camenzind@bluewin.ch

Auferstehung – Ostern

„Lumen Christi” ruft der Diakon beim Einzug der Osterkerze freudig dreimal dem im der dunklen Kirche wartenden Volk zu, worauf dieses mit dem Ruf antwortet: “Deo Gratias”!

In den Auferstehungsbildern von Jörg Länger dringt viel von dieser Liturgie und damit vom Geist der Auferstehung durch. Das von hinten durchscheinende Licht lässt die von Natur aus grauen Bilder in warmen Gelbtönen aufleuchten. Die verwandelnde Kraft der Auferstehung Christi vollzieht sich hier symbolisch im Material, eng verbunden mit dem Wachs, das ja wesentlich zur Osterkerze als Symbolträger für den auferstandenen Christus beiträgt.

Anschaulich zeigt uns der Künstler mit diesem Werk, dass wir durch die Auferstehung Christi die Welt in einem neuen Licht sehen – einem Licht, das die Welt und das Leben auf ganz neue Weise wahrnimmt – in neuen, verwandelten Farben sieht.

Was liturgisch an drei aufeinanderfolgenden Tagen gefeiert wird, schafft Jörg Länger mit großer Ausdruckskraft in einem Bild dazustellen: Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag – Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung.

Im unteren Drittel des Bildes ist Christus in der Kreuzigung nach dem Meister des Psalters Robert de Isle (vor 1339) dargestellt.  Eine waagrechte Linie erinnert an das Kreuz, trennt aber auch den unteren Bildbereich ab, als würde er zu einer anderen „Welt“ gehören, der Unterwelt. Unter der Herrschaft des Todes hat der menschliche Leib keinen Bestand. Der Körper scheint sich aufzulösen. Die Wachstropfen suggerieren aber andererseits ein Auseinanderfallen des Reiches des Todes – der Tod hat seinen Stachel verloren, wie es im Kirchenlied heißt!

Darüber in einer wunderbaren Kreisform zwei Gestalten, von denen die Obere aus dem berühmten Auferstehungsbild des Isenheimer Altars (um 1512-16) stammt. Wie bei Matthias Grünewald verschmilzt die Christusgestalt mit dem Licht. Hier wird das Bildwort Jesu „Ich bin das Licht der Welt“ verdeutlicht und unsere Hoffnung einleuchtender: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12).

Zwischen Tod und Auferstehung hat Jörg Länger die Jesusgestalt aus der Grablegung Christi (um 1438-43) von Fra Angelico platziert. Die drei übereinander angeordneten Jesus-Gestalten folgen dem Ablauf der drei österlichen Tage, dem Triduum pascale, und lenken die Augen in eine Aufwärtsbewegung. Die ganz unterschiedlichen künstlerischen Mittel wollen uns Betrachtende in das Ostergeheimnis hineinnehmen, uns etwas von seiner verwandelnden und das ganze Leben erneuernden Kraft erfahren lassen – ähnlich wie die Liturgie der Osternacht.