Rampenlicht der Gnade

Eine Frau steht dem Betrachter zugewandt in gelblich-weißem Licht. Ihre Silhouette zeichnet sich klar vom Hintergrund ab. Der Blick folgt den Konturen ihrer Haare, dem Zweiteiler, den sie trägt. Ihre Arme sind leicht angehoben, die Hände in lockerer Haltung. Ihre Gestalt ist erdig braun, um anzudeuten, dass sie von der Erde geschaffen und irdischer Natur ist.

Sie steht in einem gegenstandsfreien offenen Raum. Unter ihr breitet sich eine bläuliche Wolke aus, darüber ist nur Licht, das sich durch die hellere Mitte bühnenartig nach hinten öffnet. Vertikale Farbverläufe deuten ein herabkommendes Geschehen an, das sich insbesondere in der Mitte über und um die Frau herum konzentriert.

Ohne sichtbaren äußeren Halt über den Wolken zu gehen braucht ein gesundes Maß an Selbstvertrauen. Sie sieht nicht wie eine Seiltänzerin aus oder dass sie mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hätte. Im Gegenteil, es scheint für sie eine Selbstverständlichkeit zu sein (man beachte, dass in einem Wort drei wesentliche Wörter vereinigt sind: selbst, verstehen und stehen), vom Licht umgeben zu sein, in ihm zu stehen und zu leben.

Da die Künstlerin das Bild durch ihr Bibelzitat aus Röm 5,5b „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ eindeutig in einen christlichen Kontext stellt, darf das Licht als eine Kraft gesehen werden, die von Gott ausgeht und für den Menschen gedacht ist.

So kann man das fließende Licht als Symbol für die Liebe Gottes sehen. Durch den Heiligen Geist umgibt sie jeden Menschen, der Gott als seinen Vater angenommen hat. Durch den Heiligen Geist pulsiert sie mit dem Blut in unseren Herzen und unseren Adern, um uns und alles, was wir tun, zu durchdringen und mit seinem Geist zu erfüllen.

Das Licht ist ein Ausdruck seiner Gnade, die er allen Menschen zukommen lässt, die offen für sein Wirken sind, ob sie ihn kennen oder nicht. Gott ist da – stark wie das Tageslicht, wärmend wie die Sonne, darüber hinaus am Tag und in der Nacht und auch im Innern von uns. Gottes liebende Gegenwart durch den Heiligen Geist gibt von unseren Herzen ausgehend einen Halt, der alle anderen Sicherheiten überflüssig macht. Seine Liebe ist wie eine Boje, die im Sturm am Ort und über Wasser hält. Sie ist wie ein Heißluftballon, der seine Passagiere sicher durch die Luft trägt, wenn es einem den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Seine Liebe ist das Licht, das auch dann scheint, tröstet und gegen allen Anschein Halt und Orientierung gibt, wenn sich überall Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit breit gemacht hat.

In Seinem Licht zu stehen bedeutet für Christen die Selbstverständlichkeit, dass Gott durch seinen Heiligen Geist da ist: immer, überall, in allen Lebenslagen. Das Licht symbolisiert von Gott her die Gnade und vom Menschen her das Vertrauen, dass er da ist und handelt, auch wenn es nicht danach aussieht (vgl. Ps 23). Es ist ein heiliges Miteinander, das wie das Licht weit über sich hinaus segensreich Gutes bewirken kann.

Pfingstfeuer – Geistes-Gegenwart

Raumfüllend und menschenbewegend durchweht ein feuriges Geschehen das Bild. Es wird von einer Person am unteren Bildrand wie von einem Docht gehalten. Diese Person steht zwischen Leben und Tod, denn links liegen Menschen in der bogenförmig angelegten Dunkelheit, rechts stehen die Menschen als Auferstandene in einem Bereich, in dem sich das Dunkle bereits aufzulösen beginnt. Der Mann steht schief, aber stark zwischen diesen beiden Existenzformen. Die gelbe und die rote Farbe zeichnen ihn als Auferstandenen, als alle überragenden Mann des Lichts und der Liebe, als Vermittler zwischen Himmel und Erde.

Über seinem Haupt steht eine weitere malerisch nur angedeutete Menschengruppe dicht beisammen. Sie bildet im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen eine neue Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die durch einen gemeinsamen Geist geeint zusammensteht in guten und in schlechten Zeiten. Das über diesen Menschen lodernde Feuer tragen sie wie einen in Flammen stehenden hohen Hut. Die vom Wind angetriebene Feuersbrunst brennt lichterloh und scheint wie ein tobender Waldbrand alles zu verzehren. Das kraftvolle Rot und Gelb zeugt von der ungeheuren Dynamik des Geschehens, doch dazwischen sind blaue und grüne Stellen auszumachen: Zeichen der Hoffnung, des Wachstums, der Verwandlung und des Neuanfangs.

„Wenn der Geist sich regt“, wird uns Menschen eine Kraft zugesprochen, die das Menschenmögliche übersteigt und in göttliche Dimensionen führt. Durch den Titel verbindet die Künstlerin ihr Bild mit dem jungen geistlichen Lied von Norbert Weidinger:

Wenn der Geist sich regt, der Leben schafft,
unverständlich noch, doch voller Kraft.
Überwindet mutig die Distanz,
stehet auf und reicht die Hand zum Tanz.

Kv: Füllt den neuen Wein nicht in die alten Schläuche,
zwängt die junge Kirche nicht in alte Bräuche.

Öffnet Herz und Ohren weit dem neuen Klang,
schöpfet Mut für euren Glauben, seid nicht bang.

Wenn der Geist sich regt und Feuer legt
und verbrennen will, was ihr noch pflegt,
gebt ihm Raum, errichtet nichts, was trennt
Feuer warf er auf die Erde, dass es brennt.

Wenn der Geist sich regt, ein Sturm aufzieht,
in die Segel bläst, reißt alles mit,
springt ins Boot und helft dem Steuermann,
dass mit voller Kraft es vorwärts gehen kann.

Das Lied fordert zu einer Erneuerungsbewegung auf, welche bereit ist, das Alte zurückzulassen, um mit dem Steuermann Jesus zu neuen Ufern aufzubrechen. So kann das feurige Geistgeschehen auch als Segel des bogenförmigen Bootes gesehen werden, in dem Jesus Mast und Steuermann zugleich ist. Wir sind aufgerufen, zu ihm ins Boot zu springen, ihm zu helfen, indem wir uns Gottes Geist öffnen und dank seiner Geistes-Gegenwart in bislang verfahrenen Lagen situativ das Richtige tun. So kann Gott durch uns wirken und Großes vollbringen. So kann Gott das Wirken seines Sohnes durch uns fortsetzen (vgl. Joh 14,26), weiter an seiner Kirche bauen und über sie hinaus von seiner Geistes-Gegenwart Zeugnis ablegen.

Licht der Seele

Ein Sonnenbild mit Ausstrahlung. Nichts Ungewöhnliches, dass das Sonnenlicht gleich einem Tropfen, der ins Wasser fällt, Kreise zieht oder sich spiegelt in einem Gewässer.

Und doch ist es immer wieder staunenswert, was die Sonne alles bewegt und bewirkt (vgl. Sonnengesang des Echnaton). Relativ klein, doch strahlend weiß leuchtet sie über einem großen sonnengelben Pendant unter ihr. Striche in ihrem Innern und um sie herum deuten an, dass sie voll überschießender Energie ist. Sie kann nicht anders, als ihre überbordende Lebenskraft an ihr Umfeld weiterzugeben.

Der weiße Strahlenkranz ist nur der Anfang. Warm breitet sich um die Sonne herum ein dunkles Gelb aus, das nach unten zuerst in ein helles Rot, dann in ein Rotbraun und zuletzt in ein Braunschwarz wechselt. So durchdringt ihr Licht alles um sie herum. Es lässt jede Materie in der ihr eigenen Farbe leuchten und so eine Antwort auf das himmlische Geschenk geben.

In der Mitte erhebt sich übergroß ein weiterer Sonnenball. Er scheint näher dem Betrachter und vom braunroten Band gehalten. Das Energiefeld in diesem Sonnenkreis ist anders gestaltet. Nicht autonom, sondern spiegelbildlich andeutend. So ist in dem innenliegenden Feld die weiße Sonne und ihr Lichtkranz zu sehen, darauf hinweisend, dass das gelbe Sonnenrund seine Energie und seinen Bestand ganz aus der himmlischen Kraftquelle bezieht. Schön wie ein Edelstein und stark wie ein Kraftwerk ruht und leuchtet der himmlische Glanz in seinem Innern. Er verleiht dem Sonnenrund selbst einen roten Strahlenkranz, der zur weißen Sonne hin zärtlich im Austausch mit deren Ausstrahlung steht.

Ob die weiße Sonne als Antwort auf diese irdische Zuwendung eine hellrote „Krone“ trägt? So als wäre die freudige Aufnahme ihrer Kraft der Platz in unserer Mitte und das wie sie Leuchten und Strahlen ihr größtes Glück.

Das Bild regt zur Meditation unseres Gottesbildes und unserer Berufung an, sein Abbild zu sein, Licht in der Welt zu sein, das von ihm Zeugnis ablegt und die uns anvertraute Schöpfung zum Leuchten bringt. Immer wieder ist in der Bibel vom leuchtenden Antlitz des Herrn die Rede und insbesondere in den Psalmen wird die Bitte laut, dass Gott sein Antlitz über seinem Knecht oder seiner Magd leuchten lasse und mit seiner Huld helfe (vgl Ps 31,17). In Psalm 67,2 ruft der Beter: „Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse sein Angesicht über uns leuchten.“

In dem Sinne ist es nur konsequent, wenn Gott Aaron und seinen Nachkommen den Auftrag gibt, die Gläubigen mit diesen Worten Seine Nähe und Zuwendung spüren zu lassen, sie zu segnen und zu stärken:

„Der HERR segne dich und behüte dich.
Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
 Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“
(Num 6,24-26)

 

Weitere Bilder aus dieser Serie von Sonnen-Koronen als Gegenbilder zum Corona-Virus Covid-19. Auf Anfrage mailt Ihnen der Künstler gerne diese Übersicht als große Datei zu. Auch Posterbestellungen sind auf Anfrage möglich.

Es werde Licht

Aufstehen können, sich bewegen dürfen, frei sein – diese Ostertage lassen uns erleben, wie fragil unsere sonst scheinbar so selbstverständlichen Alltagsgeschenke sind. Wie kann ich das Lähmende all der beängstigenden und traurigen Nachrichten überwinden und mein Leben und das anderer Menschen verändern? Wie kann wieder neues Leben entstehen, wie kann es weitergehen?

Tom Kristen gelingt es in seinem Entwurf für ein Altarbild, die große Botschaft von Ostern mitten hinein in unseren Alltag zu setzen. Auferstehung: Wie soll ein Moment dargestellt werden, der unsere menschliche Vorstellungskraft komplett überfordert und der nur geglaubt werden kann?

Der in Straubing aufgewachsene Künstler schöpft aus einer Kindheitserinnerung: „Ich war krank und hatte nach mehreren Fiebertagen eine Grippe überstanden. und ein langer Schlaf brachte wohl die Lebensgeister zurück. Meine Mutter ging durch das dunkle Zimmer zum Fenster und öffnete den Vorhang. Licht flutete ins Zimmer und durch das geöffnete Fenster flossen Geräusche und Gerüche.“

Die einfache Geste weckt heilsame Assoziationen. Aus dem abgeschlossenen Raum tut sich eine neue helle Aussicht auf, der Ausblick in einen lebensvollen Morgen. Die Schwäche kann überwunden werden mit der Kraft des Neubeginns. Die achtsame Fürsorge eines liebenden Menschen stärkt uns, der eigenen Lebendigkeit zu vertrauen.

Tom Kristen gestaltet vor diesem Hintergrund eine ganz eigene Darstellung der Auferstehung. Es ist Christus selbst, der den Vorhang und damit eine neue Perspektive aufmacht. Das Wechselspiel zwischen Verbergen und Zeigen, Verhüllen und Enthüllen ist ein frühes und bedeutendes Motiv der christlichen Kunst  wie des kirchlichen Brauchtums. Damit das Wesentliche sichtbar wird, wurde am fünften Fastensonntag das Kreuz bis zum Ende der Karfreitagsliturgie verhüllt.

Der Künstler stellt in der weiten Geste des Öffnens Jesus dar als aufrecht stehenden „Christus Triumphans“, als den Gottessohn, der den Tod besiegt hat. Die ausgebreiteten Arme erinnern an das überwundene Kreuz. Ein hoch am Bildrand aufragender Baum deutet symbolisch noch den Kreuzesstamm an. Das abgefallene, auf dem Boden verstreute winterfahle Laub im Gegenüber zur verlassenen Ruhestätte des Schlafes zeugt vom Werden und Vergehen im ewigen Kreislauf der Natur.

Vor dem Fenster zeigt sich flächig aufgetragenes zartes Frühlings- und kräftiges Bergesgrün als Hoffnung auf neues Wachstum. Das christliche Osterfest ist in seinem Sinngehalt eingebettet in das Naturgeschehen im Jahreslauf, in den Rhythmus des Lebens. Die Wiederkehr der Vegetation, das Wiederaufsprießen des Korns, nachdem es in der Erde starb, erfüllt nicht nur die Sehnsucht des Menschen nach dem leuchtenden Aufblühen der Schöpfung, sondern ist existenziell. Doch Ostern erschöpft sich nicht in einer allegorischen Darstellung der Jahreszeiten. Der Sohn stirbt am Kreuz für einen Neuanfang der Menschen mit Gott. Christus verspricht als „Licht der Welt“ (Joh 8,12) eine lebensrettende Orientierung für alle zu sein, die ihm nachfolgen.

Christus selbst ist es, der im Auferstehungsbild von Tom Kristen das Licht herein lässt, die Dunkelheit vertreibt. “Ex oriente lux”, aus dem Osten kommt das Licht: Die Ausstrahlung des Auferstehungsortes Jesu bietet Christen eine neue Orientierung, wörtlich abgeleitet von „Orient“, die Richtung, wo die Sonne aufgeht. Mit Jesus ist eine neue Sonne aufgegangen, die ihre Strahlen in unseren Alltag schickt und Erstarrtes aufbrechen lässt.

Ostern lädt ein, diesen Aufbruch zu wagen, jeden Tag neu. Jesus macht dazu Mut: “Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh 10,10). Eine Fülle, die nicht immer mehr vom Selben bedeutet, sondern sich in jedem Moment zeigt, in dem wir neu aufstehen, für uns, für den Nächsten, in dem wir an das Leben glauben – in seiner ganzen Weite von Schmerz und Trauer, Freude und Liebe.

Gehalten und erfüllt

In diesen bewegten Zeiten der Corona-Pandemie erschrecken mich die rasend schnell steigenden Zahlen an Infizierten und Toten. Dieses Leid und diese Not wirbeln unser Leben durcheinander. Unweigerlich muss ich auch an die Worte aus Psalm 91,7 denken: „Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag. Fallen auch tausend an deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es dich nicht treffen.“ – Was für eine Zusage all denjenigen, die an Gott hängen, die seinen Namen kennen und zu ihm rufen!

Die Menschengestalt bringt die Verunsicherung durch die äußeren Ereignisse als auch ihren Glauben treffend zum Ausdruck. Die Person steht inmitten eines aufgewühlten und unruhigen Hintergrundes. Stürmische Zeiten, welche sich auch im Innern der Person fortsetzen. Sie kann sich dem Ganzen nicht entziehen, ist bis ins Innerste erschüttert, verunsichert, destabilisiert. Zu groß und unbeschreiblich ist das Leid und die Not um sie herum. Wieso soll gerade sie überleben, wenn 11.000 Menschen um sie herum sterben?

Die Bewegungen im Innern der Gestalt sind nicht mehr so wirr und diffus wie um sie herum. Eine rhythmisch geordnete Bewegung gleich einem Tanz durchzieht die Menschengestalt und gibt ihr eine eigene Dynamik. Sie ist dem Sturm nicht wehrlos ausgesetzt, sondern vermag sich mit einer ihr innewohnenden Kraft zu widersetzen. Diese Kraft wird mit runden Pinselstrichen charakterisiert, mit weißen, gelben und roten Kreisbewegungen. In den Rundungen klingt Gottes unendliche Größe und Kraft an. Im farblichen Dreiklang Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, die gemeinsam den Menschen schützen, beleben, aufbauen. So ist eine innere Freude zu spüren, ein Wandel von der Bewegtheit hin zur Beschwingtheit, von der Verunsicherung hin zur Stärke, von der Angst, den Boden zu verlieren hin zur Standfestigkeit.

Gott selbst bewegt und stärkt den Glaubenden in seinen Zweifeln, Abgründen und seinem Unglauben, wenn dieser ruft: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ (Mt 9,24) oder steh mir bei „in meiner Not“ (vgl. Ps 18,7; Est 4,17r). Doch die Hinwendung zu Gott, das Vertrauen und die Hingabe, das muss von uns kommen.

“Wer im Schutz des Höchsten wohnt, der ruht im Schatten des Allmächtigen.
Ich sage zum HERRN: Du meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich vertraue.
Denn er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus der Pest des Verderbens.
Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht,
Schild und Schutz ist seine Treue.
Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten,
noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt,
nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag.
Fallen auch tausend an deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es dich nicht treffen.
Mit deinen Augen wirst du es schauen, wirst sehen, wie den Frevlern vergolten wird.
Ja, du, HERR, bist meine Zuflucht. Den Höchsten hast du zu deinem Schutz gemacht.

Dir begegnet kein Unheil, deinem Zelt naht keine Plage.
Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.
Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt;
du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf junge Löwen und Drachen.
Weil er an mir hängt, will ich ihn retten. Ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen.
Ruft er zu mir, gebe ich ihm Antwort.
In der Bedrängnis bin ich bei ihm, ich reiße ihn heraus und bring ihn zu Ehren.
Ich sättige ihn mit langem Leben, mein Heil lass ich ihn schauen.”

Psalm 91

Gottes Liebe ist ausgegossen

Visionär ist die Schau, in der sich das Licht aus der Höhe in die menschliche Dunkelheit ergießt und sternförmig über einer winzigen Menschengruppe aufstrahlt. Denn dass ein Gott, der per se überirdisch, ewig und damit transzendent ist, sich entäußert und Menschengestalt annimmt, ist schlichtweg unvorstellbar.

Doch weil bei Gott nichts unmöglich ist, kam er in Jesus Christus zu uns auf die Erde und wurde durch Maria Mensch. Diesem Wunder nähert sich die Künstlerin ebenso wie die Heilige Schrift in Symbolen.

Gott ist Licht. Seine Ewigkeit wird durch die Kreisform, die keinen Anfang und kein Ende hat, beschrieben. Im Innern dieses Kreises erzählen wunderbar bewegte rote und gelbe Linien, dass Gott die Quelle des Lebens ist. Im weißen Herz kommt zum Ausdruck, dass Er reine schöpferische Liebe ist, die über sich hinauswachsen will. Davon erzählt die Schöpfungsgeschichte, die mit der Erschaffung des Lichts begann und mit der der Menschen endet (Gen 1,1-31).

Jesus ist das Licht der Welt, weil er aus dem Licht kommt. Durch die Parallelen zur Schöpfungsgeschichte verankert der Evangelist Johannes im Prolog seines Evangeliums Jesus in Gott, wenn er schreibt: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,1-4)

Mit Jesus schenkt Gott seiner Schöpfung einen Neuanfang. Doch dieses Mal geht es nicht um die Erschaffung einer materiellen Welt, sondern um die Erneuerung des Menschen. Deshalb schreibt Johannes: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. […] Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut […], sondern aus Gott geboren sind.“ (Joh 1,9.12.13d)

Jesus ist der Erstgeborene dieser neuen Schöpfung. Im Bild ergießt sich das Licht in die Dunkelheit hinein. Es bahnt sich einen bleibenden Weg durch die Dunkelheit und explodiert förmlich in einem großen leuchtenden Stern über der kleinen Menschengruppe. Diese ist aus Wachs geformt und vor dem unteren Bildrand auf einer Zündholzschachtel erhöht angeordnet. Maria im blau-roten Kleid kniet anbetend vor der Krippe ihres Neugeborenen, Josef steht als Hirte gekleidet daneben.

Die Künstlerin hat mit dem gekneteten Wachs symbolisch den neuen Adam geschaffen. Indem sie ihn figürlich geschaffen hat, ließ sie das (gemalte) Licht Materie annehmen. Sie bildet damit ab, wie „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14a).

Die Streichholzschachtel ist ein Hinweis, dass wir uns aufmachen, uns begeistern und anzünden lassen, und so Licht werden sollen. Sein Licht will wie der Stern im Bild in uns leuchten. Denn die schwarze Fläche im Bild ist mehr als ein effektvoller Hintergrund. Sie ist die symbolische Darstellung alles Dunklen in unserem Leben. Sie ist Ausdruck unserer Verlorenheit ohne Retter. Sie zeigt unsere Sehnsucht nach Licht, nach Erleuchtung und Orientierung, letztlich nach Gott.

Carola Wedell führt uns mit ihrer visionären Schau erneut die großen Zusammenhänge der Geburt Jesu vor Augen. Und alle, die von seinem Licht erleuchtet sind, die sein Wort in sich aufnehmen und ihm Wohnung geben, können staunend in das Bekenntnis des Johannes einstimmen: „Wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14b).

Die Arbeit von Carola Wedell war in der 79. Telgter Krippenausstellung “Auf der Suche nach dem Licht der Welt” im RELíGIO – dem Westfälischen Museum in Telgte zu sehen. 

Erwartung neuen Lebens

Von links unten wächst ein karger Strauch oder Baum mit vier dünnen Ästen zur Bildmitte. Bis auf wenige Blätter ist er nackt. Trockenheit lässt er spüren, Sehnsucht nach Leben. Wie Fühler hat er seine Äste in den Himmel gestreckt, denn der Boden gibt nichts mehr her. Er erwartet alles vom Himmel.

In der rechten Bildhälfte werden diese Äste von breiten Farbbögen erfasst: dunkelblau, gelb, rot in verschiedenen Helligkeitsstufen – fast ein vertikaler Regenbogen. Mit ihren seitlichen Farbverläufen muten sie wie die Wassermaßen eines heftigen Platzregens an. Dicht und stark stehen die breiten Farberscheinungen dem feinen Baumskelett gegenüber. Sie verbinden das Oben mit dem Unten, den Himmel mit der Erde. Sie sehen wie eine Antwort des Himmels aus und können als himmlisches Erbarmen gedeutet werden. Kraftvoll tragen sie in sich das Leben über das Land.

Perspektivisch sieht es so aus, als würden die Regenschauer in weiter Ferne am Strauch vorüberziehen. Doch die ausladenden Äste strecken sich nicht nur nach diesem himmlischen Segen aus – sie werden auch von ihm erfasst und mit seiner Fülle beschenkt. Die Erwartung – das Warten und Ausharren – ist belohnt worden. Das Hören und Lauschen sind erhört worden. Neues Leben kehrt ein.

Viele bisher unveröffentlichte Arbeiten von Arnulf Rainer waren bis zum 23. Februar 2020 im Museum Moderner Kunst Wörlen in Passau in der Ausstellung „Arnulf Rainer und Karl Schleinkofer“ zu sehen.

mir geschehe

In einer blau-weißen Fläche sind zwei ausgebreitete Flügel oberhalb von zwei gekreuzten Händen zu sehen. Totale Offenheit und Fülle stehen so einer ebenso grenzenlosen Hingabe und Verfügbarkeit gegenüber. Als drittes Element führen von unten sich erhebende Falten wie Felsklippen aus der grünen Ebene aufsteigend zu den ebenfalls nach oben weisenden Händen. Alle Elemente sind Öffnungen oder Durchblicke auf das unter der Übermalung liegende Geschehen der Verkündigung des Engels Gabriel an Maria, dass sie den Sohn Gottes empfangen und gebären werde.

Reinhild Gerum hat dazu eine Postkarte mit der Abbildung der Verkündung an Maria im Genter Altar von Jan van Eyck mit Wachsstiften so übermalt, dass diese Übermalung (mit Kratzstrukturen) wie ein Vorhang das meiste verdeckt und die auf wenige Elemente reduzierte Darstellung das Geschehen verdichten. Der „Vorhang“ mit dem schönen symbolischen Farbverlauf (von oben nach unten) rot (Liebe) – blau (Himmel) – weiß (Vergeistigung) – grün (fruchtbare Erde) bringt die Worte des Engels zum Ausdruck: „Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“ (Lk1,35)

Im Zentrum des Geschehens bewegen die Hände den Betrachter. Die Haltung der beiden Hände bildet zugleich eine Herzform, um damit das darunter liegende unsichtbare Herz anzudeuten, aus dessen Regung und Hingabe heraus Maria geantwortet hat: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie Du gesagt hast.“ (Lk 1,38)

Diese Antwort erscheint zudem in kaum lesbaren Schriftbild links über den Händen. Die gotische Schrift, die lateinische Sprache, eine auf dem Kopf stehende Schrift und die partielle Übermalung machen es dem Betrachter schwer, das „Ecce ancilla domini“ – „Siehe [ich bin] die Magd des Herrn“ lesen zu können. Aber gerade dadurch wird die Antwort Mariens stärker und aussagekräftiger: Was für den Menschen rätselhaft und unverständlich bleibt, soll für Gott, hier für den Heiligen Geist symbolisch in der Gestalt einer Taube dargestellt, gut lesbar und verständlich sein.

Ansichtskarten waren lange Zeit das Medium zum Versenden von Urlaubs- und Reisegrüßen von Orten mit Sehenswürdigkeiten. Reinhild Gerum greift diese Funktion in doppelter Hinsicht auf. Durch die Verwendung einer Postkarte als auch durch das Verkündigungsmotiv trägt sie die sensationelle Botschaft weiter. Durch die Übermalung des tradierten Bildmotivs hat sie es zudem personalisiert und aktualisiert. Sie hat die gegenständliche Darstellung von Jan van Eyck, die in manchen Bereichen noch leicht durchschimmert, durch die Übermalung in den Hintergrund rücken lassen und durch die Konzentration auf wenige Elemente spirituellen Freiraum für den Betrachter geschaffen, damit Gedanken und Visualisierung zur eigenen Berufungserfahrung aufsteigen können.

Diese und 999 weitere Postkarten von Reinhold Gerum waren bis zum 6. Januar 2020 im Kultum, dem Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz in der Ausstellung Fein bist du, Sicht! – 1000 Kunstkarten zu sehen. Zur Ausstellung erschien ein Katalog, der im Kulturzentrum für 15 Euro bezogen werden kann.

mehr als acht Frauen …

Eine Maueröffnung gibt den Blick auf acht Frauen frei, die rege miteinander im Gespräch sind. Offensichtlich haben sich drei Gesprächsgruppen gebildet. Auf der linken Hälfte blicken drei Frauen erwartungsvoll auf die dunkelhäutige Frau am linken Rand, auf der rechten Seite sind je zwei Frauen miteinander im Gespräch. Sie hören einander zu, sie diskutieren miteinander, es scheint ihnen um die gleiche Sache zu gehen.

Die acht Frauen sitzen um einen mit einem weißen Tuch (das faltige Leinentuch lässt an frühchristliche Darstellungen von mit Leinenbinden umwickelten Verstorbenen denken) bedeckten langen Tisch und teilen miteinander Brot und Wein. Die Gesprächsrunde erinnert an das Letzte Abendmahl, ohne dass es in irgendeiner Weise einen Verweis auf eine traditionelle Darstellung gibt. Keine der Frauen nimmt die Position von Jesus oder des einen oder anderen Jüngers ein. Die Frauen sind modern gekleidet, unserer Zeit zugehörig. Und dennoch vertritt jede dieser Frauen auf eine ihr eigene Art und Weise charismatisch die Sache Jesu.

Denn der goldfarbene Hintergrund ist nicht einfach Dekoration, sondern er lässt sie eindeutig als Gesandte Gottes auftreten. Schlicht und einfach, sympathisch, engagiert. So eben, wie in der Kirche über Jahrhunderte hinweg von engagierten Frauen der christliche Glaube als etwas Kostbares an die nächste Generation weitergegeben und in die jeweilige Zeit hinein tradiert bzw. übersetzt worden ist.

Auch die Zahl Acht wird diesbezüglich kein Zufall sein, sondern kann als Hinweis interpretiert werden, dass die Frauen es – so wie die Zahl Acht keinen Anfang und kein Ende hat – von Generation zu Generation tun. Eine zweite Interpretationslinie geht vom christlichen Symbolverständnis der Zahl Acht aus: Wie Sieben die Zahl des Vollständigen, Vollkommenen ist, so ist Acht die Zahl der Erneuerung, des neuen Anfanges, der Fülle. Der achte Tag ist der Tag der Auferstehung Jesu Christi und aller auf seinen Namen getauften Menschen, er ist der Tag der Ausgießung des Heiligen Geistes. Im Gegensatz zu dem, was alt und vergangen ist, verbindet die Schrift den achten Tag in besonderer Weise mit dem Anfang des Neuen und mit dem, was JETZT ist. Gerade durch das Zeugnis der Frauen erneuert sich der Glaube unentwegt.

Die Maueröffnung suggeriert, dass mit dem Fresko etwas, das jahrhundertelang verdeckt war, wiederentdeckt wurde: Dass Amtsträgerinnen in der frühchristlichen Kirche ganz selbstverständlich zum neuen Lebensentwurf und sozialen Miteinander dazugehörten und letztlich im „Untergrund“ der Amtskirche bis in unsere Zeit wesentlich zur Glaubensverkündigung und -weitergabe beigetragen haben. Ihnen wird im Fresko ein Gesicht gegeben – typischerweise wieder ganz hinten in der Kirche. Aber sind sie nicht die „Türsteherinnen“, welche wo, wie und wann auch immer ihren Mitmenschen von ihrem Glauben erzählen und sie mit in die Kirche hineinnehmen?

Das Fresko erinnert an die ungebrochene Bedeutung der Frauen für die Kirche, an den den Rückhalt, die Basis, die sie durch die Frauen erhält. Auf der Brüstung der Chor-Empore haben die Namen der Amtsträgerinnen, an die das Gemälde erinnern soll, sichtbar einen Platz erhalten: Maria Magdalena, Martha, Phoebe, Junia, Lydia, Thekla, Priska und Die Namenlose. Diese Apostelinnen, Diakoninnen und Prophetinnen waren zu Jesu Zeiten und in seiner Nachfolge hoch angesehen und übernahmen mit Autorität verantwortungsvolle Führungspositionen in den ersten christlichen Gemeinden. Ohne ihr Engagement und ihren Mut hätte sich die damals neue Religion nicht entwickeln können. Ohne das (un)glaubliche Engagement der Frauen zu allen Zeiten wäre die Kirche nicht das, was sie ist. Ja, die Kirche hätte wahrscheinlich heute ein ganz anderes Gesicht, wenn die Männer den Frauen mehr zutrauen und ihre Leistung mehr achten würden. Die Katholische Kirche sähe wahrscheinlich sehr viel humaner aus. Das Fresko in der Rückwand der Kirche von Therwil ist diesbezüglich ein weiterer leiser Hinweis, den Frauen in der Katholischen Kirche endlich den Platz zu geben, der ihnen gebührt.

Bibelstellennachweis: Maria aus Magdala (Lk 8,3; Mt 27,55f; Mk 16,1-5; Joh 20,11-18), Martha (Lk 10,38–42; Joh 11,17-44), Phoebe (Röm 16,1), Junia (Röm 16,7), Lydia (Apg 16,14), Thekla (Paulusakten), Priska (Röm 16,3-4)

Bericht auf der Website der Kirchgemeinde

Glaubensgeheimnis

Flüchtig bewegt umgeben die goldenen Flächen einen relativ kleinen Christuskorpus im weiten Chorraum der Kirche Maria Rosenkranz in Osnabrück. Er schwebt vor einem weißen Kreuz, das seinem Körper in der Senkrechten eine Richtung gibt, ihn mit den kurzen Querbalken aber nicht zu halten vermag.

Als viertes Element verbindet eine dünne graue Linie mit roten Enden den ungegenständlichen goldenen Hintergrund mit der geradlinig strengen Form des Kreuzes. Sie verstärkt mit dem angedeuteten Kreis die Präsenz einer haltgebenden größeren oder höheren Macht. Denn der Kreis umgibt den Gekreuzigten und gibt ihm einen schützenden Raum. Wie eine Lupe lenkt er den Fokus auf den Mann mit den ausgebreiteten Armen und das immateriell weiß leuchtende Kreuz hinter ihm. Die geometrische Form verbindet den Kreis mit dem Kreuz, gleichzeitig bildet seine Rundung einen feinen Kontrast zu den Geraden des Kreuzes.

Zu diesen beiden linearen Elementen bilden die gestische Hintergrundmalerei und der zentrale Christuskorpus zwei organische Gegenpole. Sie stehen für das Leben, das Lebendige.

Der goldene Hintergrund erzählt von der schöpferisch dynamischen Kraft Gottes, von seiner Unbegreiflichkeit, von seiner Gegenwart und von seiner Schönheit. Im freundlichen Goldgrund können Anklänge an die Sonne wiedergefunden werden – Gott ist Licht, er ist das Licht der Welt. Im warmen Goldgrund kommt Gottes Größe zum Ausdruck und können seine Liebe und Güte gespürt werden.

In Jesus Christus ist er Mensch geworden, wegen uns gekreuzigt und für uns gestorben. Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten. Symbol dafür ist das verwandelte Kreuz hinter dem Christuskorpus: anstelle von Holz ist es eine immaterielle Aussparung in der Mauer. Das Kreuz ist eine Vertiefung, die indirekt beleuchtet zu einem Lichtblick in die Ewigkeit wird. Durch Jesus hat der Tod seine Macht verloren und wurde uns der Weg zum ewigen Leben geöffnet. Aus der Ferne betrachtet scheint das Kreuz jedoch nicht in die Wand eingelassen, sondern von allem Materiellen befreit davor zu stehen. So ist es das leuchtende Zeichen des Sieges. 

Der vom Kreuz befreite schwebende Christuskorpus veranschaulicht, dass Jesus am dritten Tag auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist.

In den Kreis Gottes zurückgekehrt, sitzt er nun zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Das Kreuz bildet gleichsam den Thron, von dem aus Jesus die Lebenden und die Toten richtet. Er ist uns zugewandt, denn er ist der Kommende, der uns zu sich holen wird, in die Wohnung seines Vaters.

 

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.

Gekreuzigt, gestorben und begraben,

hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tag auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
(Glaubensbekenntnis)

voll Kommen

Licht durchdringt die Mitte eines dicht gebundenen Astkranzes, der von seiner Erdenschwere befreit im Bildraum schwebt. Immaterielles begegnet Materiellem, das Unfassbare dem Fassbaren.

Von hinten unten überstrahlt das Licht den oberen Teil des Kranzes und löst ihn partiell auf. In der unteren Hälfte geschieht das Entmaterialisieren durch Absprengen von kleinen Astteilen oder Dornen. Das Licht nimmt dem Kranz die einengende Kraft, überwältigt ihn loszulassen und aus der Starre in die Bewegung zu gehen.

Durch das aufstrahlende und überstrahlende Licht von hinten wird der Dornenkranz zu einem Fenster in die Ewigkeit, einem Durchbruch, einem Durchgang für die Begegnung mit Gott.

Der geflochtene Kranz erinnert mit seinen spitzen Enden an die Dornenkrone Jesu und das damit verbundene Leiden. Der Kranz vermag darüber hinaus Symbol für das irdische Leben mit seinem Wachstum zu sein. Zum einen waren die Äste einmal Teil aufstrebender und blühender Pflanzen, die dann geschnitten und in eine neue Form gezwungen worden sind. Zum anderen steht das Kranzgeflecht für das Wiederkehrende in unserem Leben, das sich Jahreskreis um Jahreskreis zu einem festeren Gebilde fügt.

Hier, mitten drin, leuchtet nun dieses neue Licht auf, das fähig ist, das oft dornige und festgefahrene Leben in eine neue Dimension zu überführen. Nicht von vorne, sondern von hinten, aus dem Verborgenen heraus, von der Schattenseite her. Es kommt von außerhalb, und doch von innen her. Was für eine Botschaft: Das österliche Licht strahlt mitten in unserem Leben auf, es verwandelt uns von innen. Von unseren inneren Freiräumen her schenkt uns Gott Erlösung von allem Bindenden, die Gnade, ganz zu Ihm zu kommen und in der vollkommenen, allumfassenden Gemeinschaft mit ihm zu leben.

Österliche Kraft

Explosiv verbreitet sich die lichte Energie von der Mitte ausgehend über das Bild. Von innen her bekleidet dieses strahlende Licht die ganze Bildfläche. Seine Mitte liegt hinter einem kleinen gelben Rechteck, das von einem Kreuz gezeichnet ist. Das Kreuz ist noch zentral da, aber es hat seine Macht verloren.

Denn hinter diesem gelben Rechteck ereignet sich eine unaufhörliche Lichtexplosion, die zwei rechteckige Formen überstrahlt. Der innere Rahmen ist gelb und eher quadratisch, der äußere Rahmen schwarz und gleicht von den Dimensionen her einer Tür. Es ist, als wolle die starke Lichterscheinung alles Bisherige und Dagewesene sprengen und neue Dimensionen eröffnen.

Eine erste Auswirkung ist in der unteren Bildhälfte zu beobachten. Schwarze Dunkelheit ist förmlich an den Rand gedrängt worden. Das Licht hat sich tief in den Bereich aller lebensbedrohenden Machenschaften (Dornen links und rechts) und auch des Todes (schwarzes Kreuz) eingesenkt, um alle zu erleuchten, die im Schatten des Todes verloren sind.

Auf eine moderne Weise bringt der Künstler das Hinabsteigen Jesu in das Reich des Todes und seine Auferweckung durch eine lichte Kraft zum Ausdruck, die alles verändert. So heißt es im Osterlob des „Exsultet“ zu Beginn der Osternachtfeier: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. […] Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude.“

Durch die Auferstehung Jesu ist zudem eine Tür in die Ewigkeit geöffnet worden. Es kommt nicht nur Licht in unsere Welt hinein, sondern es wird auch offenbar, dass es nach dem irdischen Tod lichtvoll weitergeht. Endete das Leben bislang mit dem Tod, so ist das irdische Leben seit Jesu Auferstehung bereits der erste Teil eines unfassbar längeren Lebens in der Gemeinschaft mit Gott.

Sehr schön wird das in einem österlichen Kirchenlied (GL 337) besungen:
4. „Die Seite, die geöffnet war, / freu dich und singe, / zeigt sich als Himmelspforte dar, Halleluja. Sing fröhlich Halleluja!
5. O Christ, nun feste Hoffnung hab, freu dich …
    auch du wirst gehn aus deinem Grab. Halleluja! Sing fröhlich …
7. So wirst zum Leben du erstehn, / freu dich …
    und deinen Heiland ewig sehn, Halleluja. Sing fröhlich Halleluja.

Als Zeichen der Liebe und des Dankes scheint jemand die rote Rose oben an den Lichtkranz „geheftet“ zu haben. Es ist, als wolle sie sagen, dass die Liebe stärker als der Tod ist, weil Gott selbst Liebe ist und darin den Tod überwunden hat.

Durst nach Gott

 

Kreuzwegmeditation von Sr. Edith M. Senn, Kloster Hegne, zum 12. Bild des Kreuzwegs der Migranten

Ich will schauen, hören, aushalten, einfühlen, mitgehen, den letzten Weg mitgehen und in das Leben finden, das stärker ist als der Tod. Der Kreuzweg Jesu ist auch heute in der Welt tausendfach Wirklichkeit.

Gedanken zum Bild und zur Kreuzwegsituation:

Es ist vollbracht. Jesu Schrei vom Kreuz ist der Schrei des ertrinkenden Flüchtlings. Die Schiffsplanken, auf welchen der Migrant liegt,  sind zum Kreuz gefügt. Im Meerschwimmend wirken sie wie ein Rettungsanker, der vor dem Untergehen und Ertrinken Halt geben soll. Doch das täuscht: Der Leib des Flüchtlings ist gekrümmt, vom Verdursten bedroht, von der Hitze versengt, dem Sturm der Wellen ausgeliefert, die Kehle ist vor Angst zugeschnürt, haltlos treibend, wohin? Der Sterbende schreit gegen alle Todesangst an: Mich dürstet. In dieser Bedrohung ist er den Naturgewalten und den Schleusern ausgeliefert, weil kein Hafen im Mittelmeer dem Rettungsschiff Erlaubnis zum Anlegen signalisiert. Wie aktuell ist diese Tatsache gerade in diesen Tagen. Der Migrant schaut dem Tod ausgeliefert hilfesuchend in den Himmel. Kann der Lichtblick zum geöffneten Himmel die Botschaft sein: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist?

Durch Karl Rahners Wort wachse ich immer mehr in die Wahrheit hinein, wie das Geheimnis seines Kreuzweges und seines Sterbens zu verstehen ist: „Das Sterben Jesu am Kreuz sind die Sünden, die Intrigen der Menschen, die Jesus ausgeliefert und getötet haben. Wir sind nicht durch Jesu Tod am Kreuz erlöst, sondern wir sind erlöst, weil Gott vergibt, weil Gott GOTT ist. Am Kreuz wird die vergebende Liebe Gottes sichtbar. Jesus musste nicht sterben, damit Gott vergibt. “

Persönliche Impulse:

  • Der Blick auf das Kreuz kann mir helfen, an die vergebende Liebe Gottes zu glauben, jeden Tag neu.
  • Ich möchte mit J. Sudbrak beten: „Lass meine Liebe hineinwachsen in deine Liebe, meinen Lebensbaum in dein Leben, dass mein Kreuzweg einmünde in den Weg, den du gegangen bist“.
  • Jesu Gebet: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist, ist auch mein Gebet. Vater, ich lege mein Leben in deine Hände, im Vertrauen, dass alle Liebe aufgehoben ist in deiner Liebe. Denn du schenkst uns die Zusage: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt und dich an mein Herz gezogen“. Jeremia 31, 3

Jesus, du sagst zu mir:  „Mir nach, hinauf nach Jerusalem (es hat viele Namen) hinauf ans Kreuz, (es gibt viele Weisen zu sterben) hinüber zum Vater, er ergreift deine Rechte, in Liebe streckt er seine Rechte dir entgegen. Du bist im Schlepptau deiner Vollendung, wenn du deinem Bruder, deiner Schwester die Hände reichst, dann wächst eine Kette ins Ostern. Die Kette muss halten, bis auch der Letztgeborene am jüngsten Tag endgültig ankommt im Ostern“.  Nach Kyrilla Spieker

Alle Bilder des Kreuzwegs der Migranten

 

Seit 2014 ertrinken Monat für Monat etwa 250 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer (2014-2018 lt. UNHCR 15.562 Personen). „Diese humanitäre, von Menschen und durch politisches Versagen verursachte Katastrophe lässt sich nur schwer in Worte fassen und ist durch nichts zu entschuldigen. Der Bildhauer und Graphiker Joachim Sauter hat sich von diesem Skandal bewegen lassen, als er im Jahr 2016 bei einer Wettbewerbsbeteiligung eine alte kirchliche Gebets- und Meditationsform aufgriff und sie – angereichert durch eigene Erfahrungen in Ostafrika – in diesem Kreuzweg der Migranten aktualisierte. Die Betroffenheit, die diese Kreuzwegstationen auslösen können, ist für uns als Betrachtende zunächst einmal eine Anfrage an unsere humane Solidarität und menschliche Empathie. Darüber hinaus berührt Joachim Sauter durch seine zeitgenössische Umsetzung einer alten christlichen Bildtradition ein zentrales Thema menschlichen Lebens und christlichen Glaubens: Leiden – Tod – Erlösung.“ (Sr. Regina Lehmann / Peter Stengele)

Der Kreuzweg der Migranten war im Frühjahr 2019 im Haus St. Elisabeth im Kloster Hegne ausgestellt.

Ecce homo

 

Gastbeitrag von Marleen Hengelaar-Rookmaaker

Die zeitgenössische Kunst besteht nicht nur aus Installationen, sondern auch die figurative Kunst ist reichlich vorhanden. Paul van Dongens Werk – mit seiner handwerklichen Verarbeitung und den klassischen Neigungen mit einem Hauch von Barockdrama – fällt in eine seltene Untergruppe der figurativen Darstellung. Zwei seiner Zeichnungen sind nun in Amsterdam Teil eines künstlerischen Kreuzwegs (6. März – 22. April 2019). Nach den sechs vorangehenden Stationen verlagern sie die Aufmerksamkeit vom Leid der Welt auf unser eigenes Leid und unseren eigenen Anteil an den Problemen der Welt. Sie bilden eine Station oder einen Stopp, um buchstäblich für einen Moment stillzustehen und über unser eigenes Leben nachzudenken.

Nach langer Suche fanden die beiden Federzeichnungen auf der Fassade des Paradiso ein vorübergehendes Zuhause. Das Paradiso ist allen Niederländern bestens als die Kirche bekannt, die in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Rockkonzertsaal von Amsterdam umgewandelt wurde. Eine der Zeichnungen hängt im Kleinen Museum, das sich im ehemaligen Kabinett der Freien Kongregation befindet. Die zweite Zeichnung hängt in einem ähnlichen Schrank, der für die Poster und Anzeigen von Paradiso verwendet wird. Man könnte diesen Pop-Tempel als einen waghalsigen Ort für diese besonderen Werke bezeichnen, während unter der linken Arbeit der Titel Judgement (Urteil), und unter dem anderen Rising (Aufgang/Auferstehung) steht. Kein Wunder, dass diese Arbeiten bei Mitarbeitern und „Pilgern“ gleichermaßen zu vielen Diskussionen führen.

Zusammen bilden diese beiden Werke die siebte Station, an der Jesus nach der Tradition zum zweiten Mal fällt. “Fallen” ist denn auch das Thema der linken Zeichnung. Wir sehen ein Gewirr von fallenden nackten Männern, aber keine fallenden Frauen. Eigentlich spielt das Geschlecht hier keine Rolle. Die Arbeit betrifft das menschliche Wesen an sich. Jesus fiel unter der Last seines Kreuzes, diese Männer fallen unter der konfliktreichen Last ihres eigenen Egos. Wir sehen Männer, die stoßen, greifen und zur Seite schieben. Wir sehen eine Hand, die in ein Vakuum greift. Rechts sehen wir Figuren, die versuchen, sich nach oben zu kämpfen, aber von dem Mann an der Spitze nach unten gedrückt werden. Es ist die einsame Hölle jedes Mannes für sich und keiner für den anderen. Paul van Dongen bemerkt: „Diese Zeichnung ist Teil einer Serie, deren Hauptthema der Fall des Menschen ist. Ich wollte den Fall nicht buchstäblich wie in Genesis darstellen, sondern als Choreograf eine Komposition mit nackten männlichen Figuren erstellen, die zusammen den Fall ausdrücken, eine Existenz ohne festen Grund, verloren, ohne Erlösung. In einem verschnörkelten Wirbeln drehen sich die Männer, fallen und stürzen aufeinander.“

Wir sehen Männer in ihrer ganzen Nacktheit, ohne eine verdeckende Bekleidung. Nackt ist hier nicht nackt. Es geht nicht um beleidigende oder erotische Nacktheit. Nackt wird symbolisch für die nicht zu verbergende Wahrheit über die menschliche Natur verwendet. Das richtende Element ist weniger in einem anmaßenden Richter vertreten, der die Gefallenen in die Hölle lenkt, sondern vielmehr in Menschen, die sich ihre eigene Hölle schaffen durch das, was sie tun und unterlassen. Daher geht es bei der Zeichnung zunächst nicht um die böse Welt der Gottlosen, sondern um Sie und mich.

Aber, dank sei Gott, gibt es auch einen Weg nach oben, so wie Jesus nach seinem zweiten Fall aufgestanden ist. Das erkennen wir in der rechten Zeichnung. Links unten sehen wir einen Mann auf den Knien, einen bedrückenden Haufen von Dunkelheit. Mit den Figuren über und rechts von ihm setzt eine Aufwärtsbewegung ein, in der Mitte der Zeichnung ein Mann, der seine Arme hilfesuchend nach oben hält (oder ist es eine Geste der Anbetung?). An der Spitze schwebt ein Mann in der Haltung eines Gekreuzigten. Er erinnert in der völligen Hingabe und totalen Verwundbarkeit an Jesus selbst. Der Künstler: „Diese Zeichnung handelt von menschlichen Figuren, die, nachdem sie in die Tiefe gefallen sind, von einer einzelnen Person hochgezogen werden, die die Aufwärtsbewegung initiiert. Es geht darum, wieder aufzustehen und hochgezogen zu werden.“ In dieser Zeichnung greifen auch die Männer nacheinander, sie suchen jenseits der Einsamkeit nach Verbindung. Hier geht es nicht mehr um unseren eigenen Gewinn, sondern – wie die Figur ganz oben – um unsere Bereitschaft, unser Kreuz zum Wohle anderer auf uns zu nehmen.

Unser Kreuz auf uns zu nehmen klingt nicht sehr zeitgemäß. Für einige klingt das wie etwas aus vergangenen Zeiten. Jedoch ist es der Ausweg aus dem menschlichen Elend. Es bedeutet, dass wir veranlagt sind, andere zu lieben. Genau wie Jesus. Dank seiner Bereitschaft, sein Kreuz zu tragen, vergibt Gott all unsere Verfehlungen und eröffnet neue Perspektiven. Damit ist die Fastenzeit neben einer Zeit der Reue und Buße auch eine Zeit, in der mit Freude Gottes Gnade gefeiert wird.

Dieser Beitrag wurde auf der Website von artway.eu erstveröffentlicht und wird hier mit dem Einverständnis des Künstlers und der Autorin wiedergegeben.

“Suche Frieden und jage ihm nach”

Sehnsucht nach Frieden
Jeder von uns trägt in sich die tiefe Sehnsucht und Hoffnung, sein Leben in Frieden leben zu können. Das bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Streit und Krieg. Dazu gehören auch wirtschaftliche Stabilität, tragende mitmenschliche Beziehungen, sinnerfüllende Tätigkeiten, Anerkennung. Diese und weitere Faktoren tragen zu einem inneren Frieden bei, den man auch als innere Ruhe oder satte Zufriedenheit bezeichnen könnte.

Doch jeder von uns weiß, wie zerbrechlich und flüchtig Frieden in unserem Leben ist. Schon eine Kleinigkeit wie ein Wort vermag uns aus der Ruhe zu bringen. Oder ein unerfüllter Wunsch lässt Unzufriedenheit in uns aufkeimen. Streit vermag Beziehungen zu zerstören, Neid und Missgunst schwächen die Arbeitskraft, Machtgelüste bringt Unfrieden übers Land. Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen.

Gerade weil Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und schnell seine Tragfähigkeit verliert, ist der unaufhörliche Aufruf zu seiner Bewahrung im wahrsten Sinne des Wortes notwendig. David fordert deshalb im Psalm 34,15 auf: „Meide das Böse und tu das Gute, suche Frieden und jage ihm nach.“ Er betet diese Worte auf der Flucht vor König Saul, der ihm voller Neid über seine Erfolge nach dem Leben trachtet.

Frieden suchen
Aus der Lebenssituation Davids geht hervor, dass die Suche nach Frieden aus der Verbundenheit mit Gott, im Gespräch mit ihm, dem Gebet, beginnt, dann daraus heraus mit einer aktiven Entscheidung für das Gute zu tun haben und wie bei einer Jagd mit einer außerordentlichen Anstrengung verbunden sind. Frieden ist nicht einfach da, er muss mit allen Kräften und Fähigkeiten gesucht werden, er will entdeckt und festgehalten werden. Denn Frieden ist kein materielles Gut, sondern entsteht aus dem respekt- und rücksichtsvollen Umgang mit sich selbst, dem Nächsten und der Schöpfung.

Im Bild ist diese Suche oder diese Jagd als etwas Dynamisches dargestellt. Als eine lichte Öffnung in der vordergründigen Gegenwart, die in die Tiefe führt. Dies lässt erahnen, dass Frieden immer etwas Göttliches in sich hat. Am tiefsten Punkt des diagonalen Lichteinbruchs und steht ein Kreuz wie ein Anker in der stürmischen See. Es bildet den Fixpunkt und Ruhepol in einer unruhig bewegten Umgebung aus dunklen Bereichen, mattem Gelb und unklaren Strukturen. Es verweist auf Jesus, den Gott in die Tiefen unseres Lebens hineingegeben hat, damit er auch dort, wo wir nicht hinkommen, Vergebung und Versöhnung schenken kann. Durch sein friedenstiftendes Wirken wird es heller und friedvoller in der Welt unserer Herzen. Das erkannte auch der Schweizer Mystiker Nikolaus von der Flüe, der Gott als Urgrund des Friedens sah und über ihn sagte: „Fried ist allweg in Gott, denn Gott ist der Fried.“ Leuchtend gelb strahlt das Kreuz Licht und Hoffnung aus und in den gelben Farbelementen wird eine von ihm ausgehende Gnadenfülle spürbar. Im oberen Bereich des Lichtstrahls gliedern waagrechte Farbstriche wie Treppenstufen die helle Fläche. Ihre Farben erinnern an den Regenbogen als Zeichen des Friedensbundes zwischen Gott und den Menschen (Gen 9,8-17).

Frieden stiften
Gleichzeitig führen die Treppenstufen über das Bildformat hinaus in den Himmel. Damit verweisen sie auf den Traum Jakobs, der den Himmel offen und Engel auf einer Treppe auf- und niedersteigen sah (Gen 28,12). Diese farbenfrohen Stufen laden auch uns ein, aktiv zu werden und Zeichen zu setzen, damit Frieden in dieser Welt werden kann. Sie laden ein und machen deutlich, dass Frieden bewahren oder bewirken mit Anstrengungen und Bemühungen verbunden ist, die an unsere Grenzen, aber auch in den Himmel hinaufführen. „Selig die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“, ruft Jesus seinen Zuhörern in den Seligpreisungen am Anfang der Bergpredigt zu. Hier gibt er auch ganz konkrete Beispiele, wie aus der innigen Verbundenheit mit Gott heraus Frieden gestiftet und damit jedes Mal etwas mehr vom Himmelreich mitten unter uns sichtbar werden kann: Bei mir angefangen heißt das, mich nicht so wichtig zu nehmen, meine Ansprüche maßvoll zu gestalten, bescheiden und ressourcenorientiert zu leben, damit alle genug haben. In Bezug auf die Mitmenschen bedeutet dies, empathisch den Nächsten zu sehen und mich selbstlos einzusetzen und einzumischen, wo er in Not ist oder ungerecht behandelt wird. Im Weiteren gilt es die Schöpfung in ihrer Artenvielfalt und ihrem Reichtum zu respektieren und zu bewahren. Denn auch sie braucht ihren Frieden, um uns nachhaltig versorgen zu können.

„Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9)

Dieses Bild kann mit dem eingedrucktem Text der Jahreslosung 2019 als Karte, Poster, usw. HIER bezogen werden.

Licht im Herzen

Das Dargestellte konzentriert sich auf das Wesentliche. Eine weiße Reitergruppe befindet sich unter einem Sternenhimmel. Zwei der Reiter zeigen mit ausgestreckten Händen zu den Sternen. Fünf feine weiße Strahlen, die von den Köpfen und Händen der Reiter ausgehen, verstärken die intensive Beziehung zwischen dem hellen Element unten und dem dunklen Element oben. Neben ihrer Körperhaltung und den erwähnten Strahlen verbindet jeden Reiter ein goldener Punkt auf der Brust mit den vielen leuchtenden Punkten am Firmament. Die Bodenhaftung und ihr Weg werden durch eine einfache waagrechte Linie zum Ausdruck gebracht.

Durch die verschiedenen Zeichen wird deutlich, dass die drei Reiter wachsame und suchende Zeitreisende sind, die im Sternenmeer den Stern ausgemacht haben, dem es lohnt zu folgen. Sie sind Menschen, die dem himmlischen Zeichen zugetraut haben, sie zum Gottessohn als Ursprung und Vollendung des Lebens zu führen. Das wird ihnen als Weisheit angerechnet, ebenso, dass sie ihrer inneren Sehnsucht, dem Feuer und dem Licht, das in ihnen brennt, gefolgt sind.

Lebhaftes Gestikulieren, ja Begeisterung ist den Reitern anzusehen. Begeisterung, dass Gott mit ihnen ist und sie führt. Denn das Kreissegment und die Tiefe des Weltalls künden von der Unendlichkeit Gottes. Der aufgespannte Sternenhimmel wölbt sich zudem schützend wie ein Dach über die Reitergruppe, gleichzeitig scheint er sie wie ein Gleitschirm zu tragen, damit sie ihr Ziel, Gott mit eigenen Augen zu sehen und ihn mit ihren Gaben beschenken zu können, erreichen.

Die drei Weisen aus dem Osten können uns ein Vorbild sein, wie wir Seine Zeichen suchen und ihnen folgen sollen, damit wir Gottes Sohn auch in unserem Leben finden, bestaunen und beschenken können in den Kleinen und Bedürftigen dieser Welt.

Vielleicht stellt die Arbeit aber auch die drei Weisen bereits auf dem Heimweg dar? Der goldene Punkt auf ihrer Brust könnte dann als Symbol für die Erfüllung ihrer Sehnsucht gedeutet werden, als Zeichen, dass sie Gott gesehen und in sich aufgenommen haben. Im Bild erzählen sie gerade lebhaft, wie sie seinem Stern gefolgt sind und er sie völlig unerwartet in einem Stall das göttliche Kind habe entdecken und anbeten lassen. Glückselig bringen sie IHN nun als „Bethlehemlicht“ nach Hause, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen, damit auch sie Sein Licht und Seine beglückende Gegenwart erfahren können. Ob nun Hin- oder Rückweg, die drei Weisen können uns helfen, uns auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren und danach zu handeln.

Gestaltwerdung des Geistigen

Ein Kristallmeer scheint im Raum zu schweben und aus dem Bild auf den Betrachter zuzufliegen. So dicht und undurchlässig sich die kristalline Fläche im unteren Teil des Bildes gibt, oben bricht sie auf und lässt den Blick auf einen vergoldeten Hintergrund zu. Gleichzeitig können kleine Kristalle ausgemacht werden, welche dem Bild eine außerordentliche Tiefenwirkung verleihen.

Die Raumtiefe wird durch die violette Farbe der kristallinen Formen gesteigert. In den dunklen Kristallen erscheint die Farbe verdichtet, was sie aus der Masse hervorhebt. Dies führt dazu, dass der Endpunkt des Bildes nicht die Spitzen der kristallinen Formen sind, sondern der Betrachter. Der dreifache (!) Rahmen intensiviert den Eindruck, wie durch ein Fenster hindurch in eine andere Welt zu schauen und Zeuge der Gestaltwerdung von etwas Kostbarem zu sein.

Der Goldgrund – technisch gesehen ist er als letztes auf das am Computer generierte Bild aufgetragen worden – erinnert an mittelalterliche Heiligenbilder und byzantinische  Ikonen, bei denen das Gold symbolisch für Gottes Gegenwart und Erhabenheit steht. So vermittelt das Gold auch in der Arbeit von Rainer Eisch einen kostbaren Urgrund und Ausgangspunkt. Von ihm ausgehend materialisiert und verdichtet sich das Geistige in einer neuen Gestalt, die wie ihr Ursprung von unvergleichlicher Schönheit und großem Wert ist.

Hier wird die biblische Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1-2,2) auf eine andere, symbolische Weise erzählt. Dabei ist Gott zuallererst der lichte abstrakte Grund, aus dem sich eine wunderbare, kaum zu begreifende Ordnung herauskristallisiert, deren Ziel der Mensch ist. Eine Ordnung, die im Computer aus fast nichts geschaffen wurde, nämlich aus einem Schwarm von unendlich vielen Triakisikosaedern (aus der Familie der Catalanischen Körper), einem komplexen Polyeder aus 60 gleichschenkligen Dreiecken. Damit ist das Gold paradoxerweise das einzig Echte in der künstlichen Kristallwelt.

Immer wieder neu lässt diese Arbeit die Gedanken um das Wunderbare und Unfassbare kreisen, das wie aus kosmischer Ferne zu uns kommt und von uns bildhaft eingegrenzt versucht wird fassbar und begreiflich zu machen. Gedanken über die Undarstellbarkeit und die Größe Gottes, der von Anfang an diese Welt in einer bestaunenswerten Genialität erschaffen hat – allein und mit und durch uns Menschen.

Diese Arbeit war vom 12.9. bis 10.11.2018 in der Ausstellung Über das Geistige in der Kunst – 100 Jahre nach Kandinsky und Malewitsch in der DG in München zu sehen.

Ein himmlischer Augenblick

Die Haltung der hochgewachsenen Frau im Sommerkleid und des sich an sie schmiegenden Mädchens laden zum Verweilen ein. Bildfüllend und im Verhältnis zum Kind fast übergroß ist die Mutter dargestellt. Barfuß steht sie auf dem Boden, die rechte Hand so in die Hüfte gestemmt, dass diese zum Kind hin kippt und von hinten den Stuhl stützt, damit dieser unter dem Gewicht ihrer Tochter nicht kippt. Mit der anderen Hand hält sie locker die Stuhllehne. Ihren Kopf hat sie ihrer Tochter zugeneigt und schaut sie aus den Augenwinkeln liebevoll an, als wollte sie sagen: „Seht mal, meine Tochter!“

Diese sitzt im weißen Kleid keck auf der Rückenlehne des Stuhls. Sie lehnt sich in kindlicher Versunkenheit an die mütterliche Schulter, sich nur mit der rechten Hand am Arm der Mutter festhaltend. In der anderen Hand hält sie eine gelbe Frucht. Mit freundlichem Blick schaut das Mädchen den Betrachter an.

Eine gelöste Zufriedenheit geht von dieser innigen Zweisamkeit aus. Ihre Verbundenheit und Zuneigung zueinander hat die Künstlerin zum einen durch einen cyanfarbigen Farbfluss verstärkt, der von der rechten Hand der Mutter ausgehend sich über ihren Gürtel und die andere Hand auf die Schienbeine des Kindes und einen Teil des Stuhls ergießt. Zum anderen bildet der angewinkelte Unterarm der Tochter mit dem Gürtel der Mutter zusammen die Horizontale eines Pluszeichens, dessen Vertikale die vereinten Arme von Mutter und Tochter sind. Denn eins und eins geben durch den tiefen Frieden und die Herzenseinheit eben mehr als zwei.

Faszinierend ist auch die Transparenz, welche die Künstlerin durch Überzeichnungen und übermalte Zeichnungen (Pentimenti) erreicht. Diese bringen eine spielerische Ungezwungenheit ins Bild, deuten frühere Positionen (wie die andere Position des Fußes) an und lassen andere Welten durchscheinen. So kann im blauen Hintergrund die kindliche Zeichnung eines Tieres entdeckt werden, das einen Stab mit einem rechteckigen Gegenstand am oberen Ende vor sich hält. Ob es einen Seelöwen, einen übergroßen Vogel oder gar ein Fabelwesen darstellt, ist der Fantasie des Betrachters überlassen.

Räumlich sind Mutter und Kind in einem zeitlosen Ambiente dargestellt. Das einzige Requisit ist der Stuhl, auf dem die Tochter in erhöhter Position thront. Durch die Andeutung von Brettern und den hellblauen Hintergrund gleicht der Bildraum einer Freiluftbühne mit Blick in den Himmel. Dadurch wirken die wortlose Übereinstimmung, die Harmonie und Vertrautheit  zwischen Mutter und Tochter  paradiesischer oder auch in einen anderen Kontext entrückt, der weitere Assoziationen ermöglicht.

So fürsorglich stark wie die Mutter an der Seite ihrer Tochter steht, ihr Halt und Schutz gibt, sie aber auch ihre Eigenständigkeit ausprobieren lässt, könnte die Mutter symbolisch auch für Gott Vater stehen, der wohlwollend auf seinen Sohn schauend sagt: „Seht, das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ (Mt 3,17) Auf dem Stuhl erhöht mag man auch an den zwölfjährigen Jesus denken, der im Tempel durch sein Zuhören und Fragenstellen die Gelehrten Gottes Weisheit erfahren ließ. Der Gedanke an eine moderne Darstellung der Sedes sapientie, des Stuhls der Weisheit, den Maria für ihren Sohn bildet, mag auf den ersten Blick vielleicht abwegig erscheinen, aber die Reduktion der Bildelemente legt eine Verbindung nahe. Ikonografisch erinnert die Haltung des Kindes durch viele Vorbilder zudem an den Jesusknaben, wie er auf dem Schoß Mariens thront und die Frucht der Versuchung Evas in der Hand hält als Hinweis auf die Erlösung von allen Sünden durch seinen Tod.

Die träumerisch-selbstvergessene Darstellung der beiden vermag also weit über sich hinauszuweisen. Sie zeigen uns einen himmlischen Augenblick, weil sie einen tiefen Frieden, eine stille Freude, ein inniges Glück, eine selbstverständliche  Hingabe und einen unerschütterlichen Glauben an den Anderen ausstrahlen, die nicht alltäglich sind und auch nicht für viel Geld gekauft werden können. So künden sie von der unsichtbaren Gegenwart eines Dritten, dem sie sich geöffnet haben und der sich ihnen mit seinen Gaben schenkt.

Diese Arbeit von Isabelle Roth war 2018 in der Galerie der Stiftung S BC – pro arte in ihrer Ausstellung “Bemuttert – Die Darstellung von Mutter und Kind in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts” zu sehen. Spannend ist dabei der Blick über die traditionellen Darstellungen von Maria mit Jesuskind hinaus, bzw. wie sich das Erbe dieser religiösen Tradition in der Jetztkunst manifestiert.

Das Leben nicht vorbeiziehen lassen

Eine kunterbunte Menschengruppe ist in der Nacht unterwegs. Ihre leuchtenden Farben und außergewöhnlichen Kleider erinnern vielleicht an Karneval, doch der Stacheldraht im Vordergrund passt nicht zu diesem Gedanken.

Diese Frauen, Männer und Kinder, die hier in scheinbar endloser Reihe vorbeiziehen, haben sich nicht zum Spaß verkleidet, sie kommen von woanders her, sie sind in anderen Kulturkreisen aufgewachsen und vom Leben dort geprägt. So lassen ihre Kleider auf eine afrikanische Herkunft oder muslimische Religion schließen, der Totenkopf und die Zielscheibe, dass sie vom Tod begleitet werden und im Fokus vieler Menschen stehen. Die Linienführung ihrer Kleider oder deren Musterung lässt zudem an lange und vielfältige Erfahrungen denken, die sie mitbringen.

Weil sie anders sind, fremd, nicht dazugehörend, müssen sie vorbeiziehen, ausgesperrt durch eine Stacheldrahtrolle. Die Fremden sollen auf der anderen Seite bleiben und vorüberziehen. Sie sind unerwünscht und sollen nicht hereinkommen. Weshalb sollen sie auch ein Gesicht haben, wenn sie von unserer Seite her gar nicht gesehen werden wollen?

Doch vor dem Hintergrund der dunklen Nacht und hinter dem winterlich kalten Stacheldraht sind diese Menschen der einzige Lichtblick im Bild und erfüllen es mit Wärme. Sie sind Symbol für das Leben und seine Vielfalt und machen deutlich: Wer Menschen ausgrenzt, grenzt das Leben aus.

Dabei haben wir nicht erst seit Jesus den Auftrag, das Leben zu schützen und zu fördern. Wir machen das in der Familie, vielleicht zeigen wir auch Nachbarn oder sogar Landsleuten diese Solidarität. Aber bei Fremden stoßen viele von uns an Grenzen und wir tun uns schwer, sehr schwer sogar.

Wahrscheinlich hat gerade deswegen Jesus in der Bergpredigt sein Augenmerk auch darauf gelegt, wenn er sagt: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Gib jedem, der dich bittet! Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen! Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden. (Lk 6,27, 30a,31-33,36-37a,38)

Den ersten Satz könnte man leicht abgewandelt auch auf die Fremden beziehen, ohne aus ihnen gleich Feinde zu machen: Liebt die Fremden, tut denen Gutes, die ihr nicht kennt. Und in Anlehnung an Mt 25 „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Als ich fremd war, habt ihr mich aufgenommen; ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben. (nach V. 40 und 35)

Wir sollten das Leben nicht vorbeiziehen lassen und erst recht nicht Jesus, wenn er uns als Fremder unverhofft besuchen möchte!

Trost in jedem Leiden

Gastbeitrag von Wilma Wagenaar

Beim Wort „Ikone“ kam mir bei meinen protestantischen Wurzeln erst vor etwa zehn Jahren ein uraltes Bild in den Sinn, auf dem ein Ereignis oder eine Person aus einer fernen Vergangenheit dargestellt wird. Es rief Assoziationen an dunkle, kerzenbeleuchtete Gewölbe, Kirchen, die nach altem Holz riechen, und antike Innenräume hervor. Alles sehr beachtlich, aber aus einer anderen Zeit und Tradition von mir.

In der Zwischenzeit habe ich die Funktion einer Ikone, wie sie von vielen erfahren wird, besser verstanden. Eine Ikone kann Menschen helfen, sich der Gegenwart des Heiligen und des einen Heiligen bewusst zu werden, nicht nur in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort, sondern auch in dieser Zeit und an diesem Ort, im Hier und Jetzt. Als ein Spiegelbild des Namens Gottes: Ich bin, der ich bin, und ich bin bei dir.

In dieser Meditation möchte ich mit Ihnen teilen, wie ich diese zeitgenössische Ikone erlebt habe. Diese Ikone ist den heiligen Märtyrern Libyens gewidmet, die von der koptisch-orthodoxen Kirche zu Heiligen erklärt wurden. 21 koptischen Christen, die im Februar 2015 am Strand von Libyen von ISIS enthauptet wurden (siehe times), waren vor ihrem Tod vierzig Tage lang gefangen gehalten worden. Sie haben ihren Glauben bewahrt, ohne Christus zu leugnen. Was wir auf der Ikone sehen, ist der Höhepunkt dieser vierzig Tage, das Ende ihres Leidens. Wenige würden jemals das Bild der Männerreihen vergessen, die in orangefarbenen Overalls am Wasser knieten, hinter jedem von ihnen ein schwarz maskierter IS-Scharfrichter.

Die Komposition der Ikone erinnert an einen Tisch mit Jesus an der Spitze und den Märtyrern um ihn herum. Die IS-Henker stehen mit ihren Messern im Anschlag wie Lakaien oder Kellner hinter den Märtyrern. Worte aus Psalm 23 kommen mir in den Sinn: „Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde“ (V. 5).

Jesus hält den Kopf des Mannes auf seiner rechten Seite in einer Geste der Behaglichkeit. Seine linke Hand segnet den Kopf eines Mannes auf der anderen Seite. Ich höre das Echo seiner Worte aus dem Evangelium: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid“ (Mt 25,34).

Die meisten Märtyrer blicken auf Jesus. Genauso wie Stephanus Momente vor seinem Tod, sehen IHN diese Männer an der Schwelle ihres Todes bereits in seiner Herrlichkeit gegenwärtig. „Stephanus aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7,55)

Die Henker haben kein Gesicht; sie sind entmenschlicht. Ihre Hingabe an den IS hat sie ihrer Persönlichkeit beraubt, der einzigartigen Schönheit, die jeder von ihnen zum Zeitpunkt seiner Geburt vom himmlischen Vater empfing. Mitleid für diese geistig verstümmelten Kreaturen rieselt in mein Bewusstsein. Ganz gegen meine menschlichen Abscheulichkeiten höre ich das Mitgefühl Jesu: „Bete für die, die dich verfolgen“ ; „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34)

Blut strömt von den Knien der Märtyrer zu den Wellen, die die Darstellung umgeben. Der IS rühmte sich, dass das Blut dieser Märtyrer in Rom an Land gespült würde, in Europa. Blut auf den Wellen. Vielleicht ist es das Blut Christi, das sie hier umgibt?

Diese Ikone ermutigt und tröstet mich. Sie bestätigt die Gegenwart Christi im Leiden und Tod seiner Brüder und Schwestern. So wie er bald nach seiner Himmelfahrt mit offenen Armen auf Stephanus wartete, so wie er bei den lebenden Fackeln im Garten des Kaisers Nero und im 17. Jahrhundert bei den Pfählen der spanischen Inquisition und den Märtyrern Kyotos da war, so wartete er im Februar 2015 auf diese Männer am Strand in Libyen. In gleicher Weise ist er heute bei den Gräueltaten in den Gefangenenlagern in Nordkorea anwesend. Wir glauben, dass er in jedem möglichen gegenwärtigen und zukünftigen Leiden seiner Geliebten anwesend sein wird.

Erstveröffentlicht am 8.7.2018 auf artway.eu