“In der Kunst der Moderne ist der Blick auf das, was die religiöse Überlieferung des Christentums beschäftigt, sichtlich zurückgetreten, aber nicht vollends abhanden gekommen. Doch es geschieht auf eigene Rechnung und Gefahr. Aus binnenkirchlicher Perspektive liegt es nahe, solche Kunst, sofern man sie nicht geradewegs im Stand der Blasphemie und Häresie behaften will, als eine Art Exil anzusehen, aus dem das Zerstreute heimzuholen und in den alten vertrauten Zusammenhang wieder einzugemeinden ist. Aber das Exil ist hier die unaufgebbare Bedingung der Freiheit. Diese Freiheit anzuerkennen, heißt für die Theologie, die jeweils besondere Distanz eines Bildes zur Glaubenswelt des kirchlichen Christentums nicht zu unterlaufen, als ob dort doch schließlich, nur mit anderen, nunmehr modernen Mitteln dargestellt würde, was als Aussage des Glaubens eigentlich natürlich schon bekannt ist. Es heißt, sich mit Aufmerksamkeit der Welt eines neuen Bildes stellen. Darin liegt die Chance, eine neue, möglicherweise befremdliche, vielleicht aber auch erfreuliche Entdeckung zu machen, eine Entdeckung, die der Theologie – und den Christen – zu denken gibt, sie weiterbringt über den status quo ihrer seit langem angesammelten Erkenntnisbestände hinaus.”
Alex Stock, Gesicht – bekannt und fremd. Neue Wege zu Christus durch Bilder des 19. und 20. Jahrhunderts, München 1991, S. 9