Ecce homo

 

Gastbeitrag von Marleen Hengelaar-Rookmaaker

Die zeitgenössische Kunst besteht nicht nur aus Installationen, sondern auch die figurative Kunst ist reichlich vorhanden. Paul van Dongens Werk – mit seiner handwerklichen Verarbeitung und den klassischen Neigungen mit einem Hauch von Barockdrama – fällt in eine seltene Untergruppe der figurativen Darstellung. Zwei seiner Zeichnungen sind nun in Amsterdam Teil eines künstlerischen Kreuzwegs (6. März – 22. April 2019). Nach den sechs vorangehenden Stationen verlagern sie die Aufmerksamkeit vom Leid der Welt auf unser eigenes Leid und unseren eigenen Anteil an den Problemen der Welt. Sie bilden eine Station oder einen Stopp, um buchstäblich für einen Moment stillzustehen und über unser eigenes Leben nachzudenken.

Nach langer Suche fanden die beiden Federzeichnungen auf der Fassade des Paradiso ein vorübergehendes Zuhause. Das Paradiso ist allen Niederländern bestens als die Kirche bekannt, die in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Rockkonzertsaal von Amsterdam umgewandelt wurde. Eine der Zeichnungen hängt im Kleinen Museum, das sich im ehemaligen Kabinett der Freien Kongregation befindet. Die zweite Zeichnung hängt in einem ähnlichen Schrank, der für die Poster und Anzeigen von Paradiso verwendet wird. Man könnte diesen Pop-Tempel als einen waghalsigen Ort für diese besonderen Werke bezeichnen, während unter der linken Arbeit der Titel Judgement (Urteil), und unter dem anderen Rising (Aufgang/Auferstehung) steht. Kein Wunder, dass diese Arbeiten bei Mitarbeitern und „Pilgern“ gleichermaßen zu vielen Diskussionen führen.

Zusammen bilden diese beiden Werke die siebte Station, an der Jesus nach der Tradition zum zweiten Mal fällt. „Fallen“ ist denn auch das Thema der linken Zeichnung. Wir sehen ein Gewirr von fallenden nackten Männern, aber keine fallenden Frauen. Eigentlich spielt das Geschlecht hier keine Rolle. Die Arbeit betrifft das menschliche Wesen an sich. Jesus fiel unter der Last seines Kreuzes, diese Männer fallen unter der konfliktreichen Last ihres eigenen Egos. Wir sehen Männer, die stoßen, greifen und zur Seite schieben. Wir sehen eine Hand, die in ein Vakuum greift. Rechts sehen wir Figuren, die versuchen, sich nach oben zu kämpfen, aber von dem Mann an der Spitze nach unten gedrückt werden. Es ist die einsame Hölle jedes Mannes für sich und keiner für den anderen. Paul van Dongen bemerkt: „Diese Zeichnung ist Teil einer Serie, deren Hauptthema der Fall des Menschen ist. Ich wollte den Fall nicht buchstäblich wie in Genesis darstellen, sondern als Choreograf eine Komposition mit nackten männlichen Figuren erstellen, die zusammen den Fall ausdrücken, eine Existenz ohne festen Grund, verloren, ohne Erlösung. In einem verschnörkelten Wirbeln drehen sich die Männer, fallen und stürzen aufeinander.“

Wir sehen Männer in ihrer ganzen Nacktheit, ohne eine verdeckende Bekleidung. Nackt ist hier nicht nackt. Es geht nicht um beleidigende oder erotische Nacktheit. Nackt wird symbolisch für die nicht zu verbergende Wahrheit über die menschliche Natur verwendet. Das richtende Element ist weniger in einem anmaßenden Richter vertreten, der die Gefallenen in die Hölle lenkt, sondern vielmehr in Menschen, die sich ihre eigene Hölle schaffen durch das, was sie tun und unterlassen. Daher geht es bei der Zeichnung zunächst nicht um die böse Welt der Gottlosen, sondern um Sie und mich.

Aber, dank sei Gott, gibt es auch einen Weg nach oben, so wie Jesus nach seinem zweiten Fall aufgestanden ist. Das erkennen wir in der rechten Zeichnung. Links unten sehen wir einen Mann auf den Knien, einen bedrückenden Haufen von Dunkelheit. Mit den Figuren über und rechts von ihm setzt eine Aufwärtsbewegung ein, in der Mitte der Zeichnung ein Mann, der seine Arme hilfesuchend nach oben hält (oder ist es eine Geste der Anbetung?). An der Spitze schwebt ein Mann in der Haltung eines Gekreuzigten. Er erinnert in der völligen Hingabe und totalen Verwundbarkeit an Jesus selbst. Der Künstler: „Diese Zeichnung handelt von menschlichen Figuren, die, nachdem sie in die Tiefe gefallen sind, von einer einzelnen Person hochgezogen werden, die die Aufwärtsbewegung initiiert. Es geht darum, wieder aufzustehen und hochgezogen zu werden.“ In dieser Zeichnung greifen auch die Männer nacheinander, sie suchen jenseits der Einsamkeit nach Verbindung. Hier geht es nicht mehr um unseren eigenen Gewinn, sondern – wie die Figur ganz oben – um unsere Bereitschaft, unser Kreuz zum Wohle anderer auf uns zu nehmen.

Unser Kreuz auf uns zu nehmen klingt nicht sehr zeitgemäß. Für einige klingt das wie etwas aus vergangenen Zeiten. Jedoch ist es der Ausweg aus dem menschlichen Elend. Es bedeutet, dass wir veranlagt sind, andere zu lieben. Genau wie Jesus. Dank seiner Bereitschaft, sein Kreuz zu tragen, vergibt Gott all unsere Verfehlungen und eröffnet neue Perspektiven. Damit ist die Fastenzeit neben einer Zeit der Reue und Buße auch eine Zeit, in der mit Freude Gottes Gnade gefeiert wird.

Dieser Beitrag wurde auf der Website von artway.eu erstveröffentlicht und wird hier mit dem Einverständnis des Künstlers und der Autorin wiedergegeben.

ER reißt die Welt empor

Immer wieder lodern Diskussionen auf, ob das christliche Symbol des Kreuzes in öffentlichen Räumen präsent sein soll beziehungsweise sein darf? Vor allem Kreuze mit Kruzifixus, also mit einer Darstellung des Leibes Christi am Kreuz, stehen im Verdacht, Leid und Gewalt zu verherrlichen. Der Kärntner Künstler Werner Hofmeister hat sich mit einer neuen Arbeit wieder einmal diesem großen Thema gestellt.

Hofmeister hat die Kopie eines Christuskorpus aus dem 17. Jahrhundert – das Original aus der Pfarrkirche Maria Hilf in Ebenthal ist in der Schatzkammer Gurk zu bestaunen – mit einer Zugabe ergänzt, wie es für sein Werk typisch ist. Die nach oben gestreckten Arme sind nicht mehr an einem Kreuz fixiert. Die durchbohrten Hände halten eine Stange, an deren Enden jeweils in einer mandelförmigen Gloriole ein Buchstabe zu sehen ist: auf der einen Seite ein A, auf der anderen ein O. Der erste und der letzte Buchstabe im griechischen Alphabet, gemeint sind hier wohl Anfang und Ende der Welt. Gleich schweren Gewichten sie werden von Christus gehalten und in die Höhe gestemmt. Die Verbindungsstange, der zeitliche Ablauf alles Irdischen, bildet den Querbalken eines imaginären Kreuzes. Diese Horizontale steht für die weltbezogene Ausrichtung des geheimnisvollen Geschehens am Kreuz. Die vertikale Verbindung von unten und oben, von Erde (Unterwelt) und Himmel, ist hier nicht ein in die Erde gerammter Pfahl, sondern der Corpus Christi selbst. Jesus Christus verbindet Himmel und Erde, er ist „der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen“, wie im 1. Brief an Timotheus zu lesen ist.

In seiner ursprünglichen Form ist dieser Christuskorpus eine Momentaufnahme der Todesstunde Jesu. Sein Haupt ist nach unten geneigt, seine Seite mit der Lanze durchbohrt, deutlich zu sehen sind auch die Drei-Nagel-Wunden. In seiner Be- und Überarbeitung legt der Künstler nun dem Gekreuzigten die ganze Welt in seine Hände. Er zeigt, dass der Tod Jesu am Kreuz nicht das Ende von allem ist, sondern der Beginn der Rettung von allem aus der Macht des Todes.

Jesus der Retter reißt die Welt empor
Im Johannesevangelium lesen wir von der Anziehungskraft des am Kreuz Erhöhten, zu dem wir emporblicken. Und im Credo beten und bekennen Christen: „ … gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, …“  Die heilsame Aktionsfolge der Heiligen Drei Tage, diese Ab- und Aufwärtsbewegung ist auch in Hofmeisters Arbeit gut zu erkennen. Das Werk heißt bezeichnenderweise „ER-reißt-die-Welt-empor“ und weckt assoziativ Erinnerungen an Darstellungen christlicher Kunst, wo Jesus Christus Adam und Eva, also die Menschheit überhaupt, an den Händen fasst und aus dem Reich der Dunkelheit und des Todes herausreißt und emporhebt in die neue Dimension des ewigen Lebens bei Gott. Jesus Christus wird mit vielen Namen angesprochen und verehrt. Er ist ein Freund, Heiland und Arzt, Retter und Erlöser, er ist auch einer, der uns Menschen herausreißt aus den Bedrängnissen und Notlagen des Lebens.

Der Sieg des Lebens über den Tod
Diese neue Arbeit von Werner Hofmeister, die im goldenen Licht der Auferstehung glänzt, ist ein österlicher Blick auf das Kreuz und eine Hoffnungsbotschaft an die Betrachter. „Tod, wo ist dein Sieg? / Tod, wo ist dein Stachel?“, schreibt Paulus im 1. Korintherbrief. Das Ostergeschehen von Tod und Auferstehung verwandelt das dürre Holz des Kreuzes in einen Lebensbaum. Frühe christliche Kreuzesdarstellungen, wie z. B. das bekannte große Lebensbaum-Kreuz in der römischen Kirche San Clemente, stellen den österlichen Sieg des Lebens über den Tod beeindruckend dar. Aus dem toten Holz des Kreuzes ist ein blühender und Früchte tragender Lebensbaum geworden.

„ER-reißt-die-Welt-empor“ von Werner Hofmeister ist eine beeindruckende zeitgenössische Kreuzesdarstellung, die zugleich den Tod Jesu am Karfreitag und den endgültigen Tod seines Todes am Osterfest zum Ausdruck bringt. Das Marterholz wird zum Siegeszeichen. Der leblos Hängende wird zum kraftvoll Stehenden, zum Hoffnungsträger der ganzen Welt von A bis Z.

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Erstveröffentlichung am 30.03.2018 auf der Website der Internetredaktion der Diözese Gurk. Die Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Osterfreude

Warme Farben in sanften Gelb- und Rottönen sowie geschwungene graue Linien bewegen dieses Bild. Bis auf die graue Kreisform lässt sich aus dem Kunstwerk nichts Konkretes oder Bestimmtes aus unserer visuellen Erfahrungswelt herauslesen. Doch dieser eine Kreis gibt dem Bild eine Mitte. Und  er vermag mit seiner nach innen scharf abgegrenzten, aber nach außen sich weitenden endlosen Form dezent auf Gott hinzuweisen als Ursprung und Mitte der ganzen Schöpfung. Die geschwungenen grauen Linien stehen durch die gleiche Farbe mit dem Kreis in Verbindung. Sie gehen gleichsam von ihm aus und beleben mit ihren freien Formen das Umfeld. In schwereloser Leichtigkeit schweben, ja tanzen sie über dem Farbgrund, der seinerseits mal intensiver, mal schwächer mit seinen wechselnden gelben und rötlichen Farbtönen eine Art Reigen bildet.

Auf diese Weise vermittelt das Bild Licht und Leben, bewegte Freude und entfesselte Freiheit, die gut zu Ostern passen. Gott Vater hat seinen Sohn aus den Fesseln des Todes befreit und zum ewigen Leben erweckt. Durch ihn hat die Schöpfung einen Neuanfang mit viel Potential erhalten. Dieses lichtvolle Neue ist im Bild zu sehen und verweist auf die Größe und Herrlichkeit Gottes. Das Schauen dieser Vision mit Gott im Zentrum tun dem Auge und dem Herz einfach gut. Sie lassen vielleicht auch an die Worte aus der Offenbarung 21,1-5a denken:

Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr.
Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.
Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.
Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.

 

Von diesem Bild ist eine Klappkarte beim Künstler erhältlich, innen weiß und beschreibbar, Postkartenkarton 290 g, hohe Steifigkeit, L 148 x H 105 mm, Querformat geklappt. Bei Abnahme von 50 Stück kostet die Karte je 1.50 EUR, bei 100 Karten kostet das Stück 1,- EUR zzgl. Versand.

dazwischen

Zwischen Stoffbahnen, die längs um ihn gewickelt sind, liegt entspannt der muskulöse Körper eines Mannes. Von der Seite ist er an seinen Hand- und Fußwunden als Gekreuzigter erkennbar, als Jesus. Er wird hier als Verstorbener in seiner Grabesruhe dargestellt, zum einen respektvoll verhüllt, zum anderen doch so viel offenbarend, dass seine Person zweifelsfrei identifiziert werden kann.

Straff zieht sich das Tuch auf der Oberseite von Kopf bis Fuß über den leblosen Körper. Bis auf die Stirn, die Nase und die Augenhöhlen zeichnen sich keine Körperdetails im Tuch ab. Nur das Gesicht scheint leicht durch, so als sähe es durch das dünne Leinen hindurch die nahe Auferweckung.

Damit wird angedeutet, dass der Verstorbene nicht nur zwischen den Stoffbahnen liegt, sondern sich auch zwischen Tod und Auferstehung befindet. Dass das über den Leichnam gelegte Tuch gestreckt ist, mag ein Zufall sein, aber es vermittelt auch die Spannung zwischen tot und noch nicht auferweckt. Es lässt erahnen, dass das Leben noch nicht zu Ende ist. Denn da ist eine stille Kraft am Werk, die alles zu ändern vermag.

Eine weitere Dimension des Kunstwerkes erschließt sich nicht aus der Betrachtung, sondern aus seiner Geschichte. Denn das Holz stammt vom alten Dachstuhl des Klosters Wettenhausen zwischen Ulm und Augsburg. Das Holz ist vielleicht in der Zeit der Romanik gewachsen und in der späten Gotik oder im frühen Barock geschlagen worden und hat dann über Jahrhunderte den Dachstuhl verstärkt. Bei der letzten Renovierung des Dachstuhls sind wurmstichige und morsche Teile entfernt, aber gelagert worden, so dass der Bildhauer Franz Hämmerle die alten Balkenteile wieder verwenden und aus ihnen etwas Neues schaffen konnte zu Gunsten des heutigen Klosters. Dadurch erzählt auch das Holz vom Tod und der Auferweckung zu neuem Leben, von der langen Wartezeit dazwischen, von der wunderbaren Verwandlung der äußeren Gestalt in ein unbeschreiblich schöneres und größeres Mehr, das uns nach unserem Tod durch die Auferweckung erwartet.

Kreuzüberwinder

In einer kräftigen Bewegung erhebt sich die Lichtgestalt nach oben. Ihre weiße, luftige Darstellung bildet einen starken Gegenpol zum schweren Schwarz am unteren Bildrand. Die Bild-Botschaft ist eindeutig: der vom Tod befreite Mensch wird von seinem Erlöser in den Himmel aufgenommen. Der Tod hat seine Macht verloren, den Menschen in dunkler Gottesferne festzuhalten.

Die aufstrebende Bewegung wird durch den Hintergrund und die beiden zentralen Kreuzzeichen unterstützt. Denn auch die Farbabstufung führt von unten nach oben ins Licht. Von Schwarz über Lila und einen Streifen Orange führen die Farbschichten zu warmem Rot, das ganz oben ins Gelb übergeht. Letzteres bringt in seinem freien Auftrag im Gegensatz zu den festen Konturen des Schwarz kontrastreich die Befreiung von allen Gebundenheiten zum Ausdruck. Die leichten Bogenformen der Farbübergänge lassen zudem weit außerhalb des Bildes eine unsichtbare Mitte erahnen, zu der die Gestalt in der Mitte aufsteigt.

Diese weiße Gestalt bildet wie eingangs erwähnt den Höhepunkt eines zentralen Geschehens, das seinen Ausgangspunkt im quadratischen Block hat, der in den schwarzen Grund eingesenkt ist. Wie ein sich weitender Lichtstrahl bricht aus diesem Fels das Leben hervor und strebt zu seinem Ursprung, zu seiner Kraftquelle zurück.

Ein mit Blut getränktes Kreuzzeichen durchkreuzt die Machenschaften des Todes und entmachtet ihn und seinen Wirkungsort. Durch die Auferstehung wird das Kreuz zu einem hellen Heilszeichen, wandelt sich das Durchkreuzende zum Pluszeichen mit Mehrwert. Der Tod wird den Menschen nicht mehr im Grab festhalten können, es wird keinen ewigen Tod mehr geben, vielmehr dürfen wir auf Auferstehung hoffen, auf ein entgrenztes, freies Leben bei Gott.

Das weiße Kreuz ist zudem Mittelpunkt und Auslöser einer kreisförmigen Bewegung. Sie lässt an die Schallwellen eines Erdbebens denken, an einen Stein, der ins Wasser fällt und an der Oberfläche Kreise zieht oder auch an eine Botschaft, die in alle Welt getragen wird. So wie das überwältigende Wort von der Auferstehung von den Toten. Das Wort von der unverbrüchlichen Liebe Gottes, die seinen Sohn und seine Kinder durch den irdischen Tod hindurch ins ewige Leben begleitet.

Neu sehen lernen

Sicher haben Sie auch schon die Erfahrung gemacht, dass Sie Menschen, Landschaften oder Dinge, die Ihnen durchaus vertraut sind, eines Tages wie mit neuen Augen gesehen haben. Auch Ostern verändert unsere Sicht auf das Leben und damit unsere Lebensweise selbst. Die Tatsache, dass Gott durch Jesu Auferweckung von den Toten sein und unser Leben neu geschaffen hat, verändert unsere Wahrnehmung. Von nun an sehen wir alles in einem neuen Licht, mit einem neuen Verständnis. Es ist ein Sehen und Verstehen aus einem Geist und Glauben heraus, die alles verändern: Der Tote lebt, der Liegende geht herum, der Gekreuzigte ist frei, der Gedemütigte und Erniedrigte ist im Himmel erhöht und erhält den Platz zur Rechten Gottes.

Das Bild verkörpert dieses neue Sehen der veränderten Wirklichkeit. In den gelben Farben sind aufgelöste Körperstrukturen wahrnehmbar. Am deutlichsten ist ein gelber Kreis sichtbar, der einen Kopf oder eine Sonne andeuten kann. Letztere ist ja auch ein Symbol für den Auferstehenden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Gestalt im Bild mehr einer Lichterscheinung als einem leibhaftigen Menschen gleicht. Denn darum geht es: Um das Spüren, dass Jesus nach seiner Auferstehung in neuer Gestalt, mit einer Präsenz, die nicht festzuhalten ist – wie bei Maria aus Magdala – mitten unter uns gegenwärtig ist. Eine geistige Gegenwart, die künstlerisch am besten mit Licht ausgedrückt werden kann.

Lichtblitze bilden also die neue Gestalt des Auferstandenen, der von einem blauen rechteckigen Wolkenband umgeben ist, als würde er darauf in den Himmel auffahren oder schon in den Himmel eingegangen sein. Je nach Proportion wecken die zackigen Striche Assoziationen an die Krippe Jesu und das weihnachtliche Aufleuchten des göttlichen Lichtes in der Dunkelheit dieser Welt. Mit der Auferstehung von den Toten wird hier der Übergang zum ewigen Leben verbildlicht, die Fortsetzung des bereits in der Taufe anlegten neuen Lebens. Auf jeden Fall ist der Auferstehende ein in den Himmel Eingehender und von nun an dort Wohnender. Ein im Himmel Geborgener. Dies ganz im Sinne von Gerettetem und eine neue Heimat Erfahrenden.

Im Licht von Ostern erfahren wir Gläubigen etwas von dieser Glaubenswahrheit. Das Leiden und der Schmerz, der Abschied und der Tod haben nicht das letzte Wort. Es geht weiter! Er-weitert, größer, wunderbarer als wir es uns vorstellen können. Im Glauben erhalten wir eine Vorahnung dessen, was uns einst erwarten wird. Die Osterzeit ist das Einüben in das Sehen dieses neuen Lebens, das der Auferstandene ausgelöst hat. Die Osterzeit ist die Einübung in das Leben mit und in dieser neuen Lebenswirklichkeit.

In der Herzgegend des Auferstandenen ist eine Verdichtung festzustellen. Will sie auf das Herz hinweisen? – Dass man nur mit dem Herzen gut sieht? – Dass das dem Auge Verborgene dem sichtbar wird, dem geschenkt wurde, in der Liebe und der Freude Gottes zu sehen?

Das wahre Licht kam in die Welt.

Es gibt viele Arten von Licht. Hier wird das Licht als warme Erscheinung thematisiert, gehalten von einer braun-roten Fassung, die nach oben bis auf die Andeutung einer Eiform offen ist. Das zentrale Licht ist sanft und atmet zwischen weiß und zitronengelb.

Die helle Mitte und die feurige Schale bilden eine immaterielle Einheit, die in einem grauen, eckigen Gefäß ruht, das nach oben ebenfalls offen ist. Größer gesehen kann die geometrische Form auch als einfachste Konstruktion einer Behausung gesehen werden, in der sich das übergroße Licht niedergelassen hat. Man könnte sagen: Das Unfassbare hat sich in die irdische Offenheit eingelassen und lebt nun in ihr als göttliches Licht.

Wie der brennende Dornbusch Mose angelockt hat (Ex 3,2f), lädt das warme Licht den Betrachter ein, näher zu treten und es zu schauen, zu staunen und sich an ihm zu wärmen. Es macht keine Angst, verbrennt und zerstört nicht. Es sind vielmehr Leben und Freude in ihm, die Frieden verkünden, Nähe und Gegenwart, ja Erfüllung präsentieren. In diesem symbolischen Bild ist vieles über die Menschwerdung Gottes erkennbar. Der Evangelist Johannes fasst es in dem kurzen Satz zusammen: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Denn für ihn ist Jesus das göttliche Licht, das Herz und Verstand mit Weisheit erhellt und befähigt, Jesu Wort aufzunehmen und zu befolgen. In seiner Geburt wird lichtvoll das Kommen des Retters gefeiert, der durch seinen Tod unsere Sünden getragen und in seiner Auferstehung den ewigen Tod besiegt hat. Im Bild mögen das lilafarbene Rechteck ganz unten und die diagonalen Elemente, welche es durchbrechen und einen Aufbruch, einen Neuanfang spüren lassen, auf den Tod und die Auferstehung Jesu hinweisen. Gleichzeitig lassen die x-förmigen Linien an eine Krippe im Stall denken, in der sich das göttliche Licht offenbart.

Mit seinen einfachen Elementen spannt das Bild aber nicht nur den Bogen von der Geburt bis zur Auferstehung Jesu, sondern auch vom Anfang der Schöpfung zum Bild ihrer Vollendung. Denn in der Geburt Christi erhält mit dem Menschen die ganze Schöpfung die Grundlage für einen Neuanfang. Die Referenz an den ersten Schöpfungstag, an dem Gott als erstes das Licht schuf, in dem er es von der Finsternis trennte (vgl. Gen 1,1-5), ist offensichtlich in den Worten des Johannes. Ebenso kann von der Geburt aus ein inhaltlicher Licht-Bogen ans Ende der Bibel gespannt werden, wo im Buch der Offenbarung der Autor berichtet, wie er „die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen“ sieht. Sie wird als „die Wohnung Gottes unter den Menschen“ beschrieben (Offb 21,2f), die kein Licht braucht. „Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm.“ (21,23)

Wo und wie auch immer wir Gottes Licht betrachten, in Jesus hat es ein Gesicht erhalten. Und „aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.“ (Joh 1,16)

Glaubenszeugnis

Das Bildgeschehen gruppiert sich um eine breite rötliche Senkrechte, auf der im oberen Drittel der Gekreuzigte schwebt. Er ist vom Kreuzbalken abgenommen und wird optisch nur von diesem starken Band gehalten, das für die Liebe Gottes steht, die bis in die menschlichen Abgründe geht und dort mit den Menschen leidet (violette Verfärbung am unteren Ende). Dadurch und in Verbindung mit dem Holz des Corpus Christi ist das Leiden durchaus gegenwärtig. Viel stärker jedoch wirken durch die Abwesenheit des Kreuzes, die Freistellung der Hände und die erhöhte Position der Skulptur die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu auf den Betrachter.

Im gelben Licht wird seine Himmelfahrt von Engeln begleitet. Sie schweben auf der intensiv-roten Linie, die von ganz unten in die Höhe führt und durch ihr Pendant diagonal gegenüber (links neben Jesus) auch mit Gott Vater in Verbindung gebracht werden darf, der seinen Sohn von den Toten auferweckt und zu sich geholt hat. Die Gestalt der gelben Fläche lässt zudem an einen Baum, durch Jesus an einen goldenen Lebensbaum denken oder auch an einen Kelch, in dem sein Blut aufgefangen und zu seinem Gedächtnis und zur Vergebung der Sünden zum Trinken gegeben wird.

Von Jesus, der seinen Kopf den Engeln zuneigt, geht die Bildbewegung über die Engel auf der Zwischenhöhe auf die andere Seite hinunter zu den Menschen. Das waagrechte Element dieser Figurengruppe bildet das Gegengewicht zum Geschehen auf der anderen Seite. In Blau gemalt bedeutet, in der Farbe des Glaubens dargestellt zu sein, des Wassers, in dem sie getauft wurden, dem Himmel, in den Jesus sie aufzunehmen versprochen hat. Sie sind als Pilgernde unterwegs, als Menschen auf dem Weg zu Gott, bereit in seinen Strahl der Liebe einzutreten, von seiner Barmherzigkeit umarmt und wie Christus erhoben zu werden. Spiegelbild der im Kirchenraum versammelten Gemeinde.

Dieses Bildgeschehen richtet auf und ermutigt. Es gibt die Bewegung der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu wieder, in der er ganz der den Menschen Zugewandte bleibt und ihre Sehnsüchte aufnimmt. Es ist kein endgültiges Entschwinden oder sich Verabschieden, sondern die Wandlung seiner Gegenwart durch die Kraft des Heiligen Geistes. Dieser ist im Bild nicht explizit zu sehen, aber in der von Jesus ausgehenden Abwärtsbewegung, welche in die vertikale Menschengruppe einmündet, spürbar am wirken.

Im Weiteren macht die Bildkomposition deutlich, dass Gott in seiner unverbrüchlichen Liebe hinter seinem Sohn steht … und auch hinter allen Menschen, die an ihn glauben (Gesamtansicht).

Zahlreiche weitere Arbeiten in Kirchen finden sich im Buch Zeitgemäße Wand- und Deckenfassungen für Sakralbauten, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 2015, 304 Stein, > 350 Abb., 19,80 Euro.

Auferweckt von den Toten

Jesus wird hier in der Haltung des Gekreuzigten wiedergegeben. Doch das Kreuz kann ihn nicht mehr halten, die Nacht umgibt ihn nicht mehr. Stattdessen schwebt Jesus als Befreiter im Raum. Der Schatten hinter ihm deutet auf ein Licht hin, das ihn beleuchtet. Ob es die Morgensonne war, die ihn geweckt hat? Geweckt aus dem Schlaf der Toten? Seine ausgestreckten Arme wirken wie das erste Strecken nach dem Schlaf, wie das freudige Erspüren des neuen Tages, einer neuen Lebenswirklichkeit.

Fremd und befremdend sind allerdings die roten Plastikteile zu seinen Füßen. Sie stehen in auffälligem Gegensatz zur natürlichen Wiedergabe des auferstehenden Gekreuzigten und erinnern in ihrer vierteiligen Struktur an Raketenleitwerke. Ihrer Größe nach stammen sie jedoch von Dartpfeilen. Sie dienen dort als Flights der Flugstabilisierung. Hier werden sie ohne die Pfeilspitzen zum Tragwerk Jesu und scheinen ihm Auftrieb zu geben bei seiner Himmelfahrt.

Dabei wird Jesus selber zum Pfeil. Die Darstellung lässt das Ziel offen. Es mag der Himmel sein, in den er aufgenommen wurde. Aber die Auferstehungserzählungen lehren uns, dass sein Ziel unsere Herzen sind – wenn wir es zulassen können. Sagten nicht die Jünger von Emmaus nach der Begegnung mit dem Auferstandenen zueinander: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24,32)

Zugegeben, die Darstellung ist gewöhnungsbedürftig. Auch stellt sie eine Verkürzung der Ereignisse zwischen dem Tod und der Auferstehung dar. Denn die Verwendung der Figur des Gekreuzigten suggeriert, dass er möglicherweise direkt vom Kreuz weg auferstanden ist und nicht drei Tage Grabesruhe dazwischen lagen. Durch die Verwendung der gleichen Figur wird der Kreuzabnahme, Jesu Grablegung, seinem Hinabsteigen in das Reich der Toten und seiner Erlösung der irdisch-zeitliche Raum der Veränderung oder Verwandlung genommen, die traditionell in die Darstellung des Auferstandenen einfließen.

Andererseits bringt die Plastik die Kernaussagen von Ostern auf den Punkt: „Denn unser Tod ist durch seinen Tod überwunden, in seiner Auferstehung das Leben für alle erstanden“, betet die katholische Kirche in der zweiten Präfation für die Osterzeit. – Wie wir die Sache auch drehen und wenden, wir sind seine Zielscheibe!

Aufnahme in den Himmel

Die menschenähnliche Gestalt erinnert an Vielerlei. Sie lässt vor allem den Menschen dahinter suchen. Denn Größe und Gestalt stimmen mit einem Menschen überein, aber es sind nicht eindeutig Beine oder Arme auszumachen. Vielmehr fallen acht oder sind es gar neun blätter- oder flügelartige Ausformungen im Bereich des Oberkörpers auf. Zusammen mit dem spitz zulaufenden unteren Körperende verleihen sie der Gestalt etwas Schwebendes, das sowohl mit tierischen als auch himmlischen Wesen in Verbindung gebracht werden kann.

Auch das Material des Objektes verhüllt den Menschen viel mehr als es ihn enthüllt, vermitteln die Stoffbahnen doch den Eindruck einer mit Leinenbinden umwickelten Gestalt. So wie man es früher mit Verstorbenen gemacht hatte. Doch die geschwungenen Umrisse, die bewegten Ausformungen erzählen nicht von einer toten, sondern von einer lebenden Person. Hier liegt keine Mumie, sondern steht jemand, der dem Betrachter die Botschaft vom Leben verkündet.

Der Untertitel bringt das Kunstwerk in Verbindung mit Maria und den „sieben“ Schmerzen, die sie in Jesu Kindheit und bei seiner Passion mitdurchlitten hat.

1. Darstellung Jesu im Tempel mit Weissagung Simeons (Lk 2,34-35)
2. Flucht nach Ägypten vor dem Kindermörder Herodes (Mt 2,13-15)
3. Verlust des zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,43-45)
4. Jesus begegnet seiner Mutter am Kreuzweg
5. Kreuzigung und Sterben Christi (Joh 19,17-39)
6. Kreuzabnahme / Beweinung Christi (Mt 27,57-59)
7. Grablegung Jesu (Joh 19,40-42)

In der Kunst wurden die sieben Schmerzen Mariens gerne mit Schwertern oder Messern dargestellt, die ihr Herz durchbohrten. Formal ist eine gewisse Ähnlichkeit durchaus gegeben, aber die Ausformungen weisen darüber hinaus. Der Schmerz und das Mitleiden sind wunderbar gewandelt worden in ein größeres Ganzes, so wie beim Schmetterling alle Mühen der Raupe in Anbetracht seiner neuen Lebensform und Schönheit in den Hintergrund treten. Diese Erfahrung dürfen auch wir Menschen glücklicherweise immer wieder – wenn auch leider nicht immer – machen. Diesbezüglich kann die Plastik über Maria hinaus jeden Menschen ansprechen und ihm Trost und Hoffnung schenken. Schmerz, Leid und Trauer nicht ewig, sondern werden einst gewandelt in himmlische Freude, wie es auch die Aufnahme Mariens in den Himmel vorbildhaft zum Ausdruck bringt.

Im gleichen Sinn lassen sich bei der beflügelten Gestalt auch trefflich die Worte Jesu aus der Bergpredigt hören und meditieren. Denn auch sie künden von einer unvorstellbaren Wandlung zum Guten, Ganzen, Vollendeten, welche eine endgültige Nähe zu Gott beinhalten.

Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
(Mt 5,3-12)

Neue Schöpfung

Das Bildgeschehen konzentriert sich auf die vertikale Bildachse. Vor einem hellgrauen Hintergrund erhebt sich unten ein Mensch mit ausgebreiteten Armen über den Horizont der Landschaft. Wie in einem gläsernen Fahrstuhl scheint er aus der Tiefe der Erde zu kommen und in den weiten Himmel aufzufahren. In ihm wird gleichzeitig der gekreuzigte, der verstorbene und begrabene, der auferstandene als auch der in den Himmel erhobene Jesus dargestellt.

Über seinen ausgebreiteten Armen erhebt sich ein großes weißes Rund – Symbol für das Himmelreich, für Gott. Unaufdringlich und schön ist seine Gegenwart, kontrastreich verstärkt durch die Lichtbrechung in den Spektralfarben. Wie eine aufgehende Sonne, die den Morgennebel durchbricht, leuchtet die Lichterscheinung in der gräulichen Umgebung.

Schemenhaft sind darin grüne Baumzeichen zu erkennen. Sie sind Symbole des Wachstums und des Lebens und bilden von der Erde emporstrebend gleichsam eine Allee in die sphärischen Höhen. Insofern erinnern sie an die Bäume des Lebens, wie sie der Seher Johannes in der Vision des himmlischen Jerusalems beschreibt:

Der Engel „zeigte mir einen Strom, das Wasser des Lebens, klar wie Kristall; er geht vom Thron Gottes und des Lammes aus. Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, hüben und drüben, stehen Bäume des Lebens. Zwölfmal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal; und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker. […] Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (vgl. Offb 22,1-3.5)

Gottes lebensspendende und heilende Gegenwart wird nicht nur im Gegensatzpaar Licht – Dunkel erfahrbar. Auch die beiden waagrechten Elemente des Bildes – unten die dunkle Erde, oben der bunte Farbbalken – erzählen davon, dass Gott alles neu macht (vgl. Offb 21,5) und die „verbrannte“ Erde in eine neue und leuchtende Daseinsebene zu überführen vermag. Der Dialog zwischen dem wie eine Glut in den Tiefen der Erde versteckten Rot mit dem in die Mitte geholten Rot im himmlischen Farbbalken ist ein weiterer Hinweis, wie Gott die ganze Schöpfung mit der Auferstehung Jesu neu ordnet und wesentlichen Lebenselementen wie der Liebe ihren ursprünglichen zentralen Platz zurückgibt. So wird auch die Kreuzform neu definiert. Im Gegensatz zur menschlichen Kreuzform und den beiden kleinen Kreuzen daneben, die den Tod Jesu und der beiden mit ihm gekreuzigten Männer erinnern, bilden das vertikale Element des Auferstehenden und das horizontale Farbelement eine rettende Zuordnung. Die Gegensätze kreuzen sich nicht, sondern bilden in einem spannungsvollen Miteinander ein Tau-Zeichen, in dem das Leben eingeschrieben ist.

Vom Auferstehenden ausgehend führt das Bild in die Höhe, in die Bildtiefe und Weite, womit es sehr gut eine Visualisierung des Psalms 18 sein könnte. Bilden die runde Lichterscheinung und das darunterliegende Element, das die Erde berührt und sich auf der Höhe des Auferstehenden befindet, nicht eine Art Schlüsselloch und deuten damit einen Zugang zu einem hinter der sichtbaren Welt liegenden Raum an? Jesus ist der Schlüssel zu jener neuen Welt, er ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen und Gott, allem Geschaffenen und Ungeschaffenen. Er ist der „Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), der zum Vater führt, in das Leben, das kein Ende hat.

Gekreuzigt – auferstanden – in den Himmel aufgefahren

Eine nackte männliche Person befindet sich im Schoß einer Frau mit blauem Gewand. Er schaut zu ihr hoch, während sie dem Betrachter in die Augen schaut. Ihre beiden großen Hände sind nach vorne gekehrt. Sie sind leer, als wollte sie damit sagen: Seht, das ist mein geliebter Sohn!

Auch ohne die traditionelle Ikonografie lassen sich in den beiden Personen Maria und Jesus erkennen. Sie, die ihn in der Geburt einst in die Welt entlassen hat, muss ihn nun erneut loslassen – in den Tod. Dabei liegt er nicht wie in bekannten Pietà-Darstellungen horizontal über ihren Knien, sondern steht in seiner Mutter. Der Künstler hat Jesus ganz materiell in ihren Mutterschoss zurückkehren lassen, so dass er nicht nur durch ihren Mantel, sondern auch durch ihren Körper geschützt wird. So wird Maria gleichzeitig als Schutzmantelmadonna wiedergegeben. Jesus war der Erste, der ihren Schutz erfahren durfte. Nackt wie er geboren wurde, liegt er nun wieder in ihrem Schoß, an ihrem Herzen.

Durch seine senkrechte Gestalt ist seine Auferstehung vorweggenommmen, auch wenn sein Körper mit Mariens loslassenden Händen zusammen noch auf das Kreuz und seinen Tod hinweisen. Deutlich sind seine Wundmale an den Füssen zu sehen.

Seine Gestalt ist eher jämmerlich zu bezeichnen. Sie erinnert an den im Buch Jesaja beschriebenen Gottesknecht (Jes 42,1-4; Jes 49,1-6; Jes 50,4-11; Jes 52,13-53,12), aber auch an von Krankheit, Not und Sterben gezeichnete Körper.

Damit kann sich jeder Mensch in Elend und Not in Jesu Gestalt wiederfinden und darf sich von Maria in seiner Not und gegebenenfalls auch in seinem Sterben gehalten und geborgen fühlen.

So sehr der blaue Mantel das Zeichen Mariens ist, wird die blaue Farbe in dieser Darstellung auch zur Farbe des Himmels. Maria wird zur Himmelspforte, durch die Jesus mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wird. Maria wird dadurch auch zum Sinnbild für den barmherzigen Vater selbst, der seinen toten Sohn in sich aufnimmt, um ihm an seinem Herzen und zu seiner Rechten neues, ewiges, herrliches Leben zu geben.

MARIA

Ohnmächtig
vor Trauer

Machtlos
gegenüber dem Tod

Loslassen
wie bei der Geburt

Lassen
was unfassbar ist

GOTT

 

Marianne Oettl

Auferstehende

Goldbraun wendet sich die angewinkelte Figur dem Betrachter zu. Ihre Gestalt scheint nur mit den Fingern bearbeitet, bzw. aus dem Ton herausgearbeitet. So ist wohl eine Menschenähnlichkeit entstanden, aber in Ermangelung von Details eine eindeutige Zuordnung unmöglich.

Dennoch lässt sich im Vergleich zu uns Bekanntem andeutungsweise von einem Menschen sprechen. Allerdings wirkt die Figur dann unförmig, ungelenk, unfertig. Auch ihre angewinkelte, halb gebeugte, ein Stück weit auch verdrehte Erscheinung entspricht nicht unserem Schönheitsideal. Sie erinnert – genauso wie ihre Beschaffenheit aus Ton – vielmehr an unsere Gebrechlichkeit und Vergänglichkeit.

Nur der goldene Glanz, der die goldbraune Glasur überall durchdringt und die Gestalt gleichsam in ein festliches Gewand kleidet, bringt eine andere Wirklichkeit ins Gespräch und bewegt, die Gestalt mit anderen Augen zu betrachten. Denn der Kontrast könnte nicht größer sein: das Erbärmliche wird durch das Erhabene bedeckt und in eine andere Sphäre erhoben.

Damit ist diese nur grob gestaltete Figur auf besondere Weise vollendet worden. Sie befindet sich mitten in der Bewegung des Aufrichtens und Drehens. Im Dazwischen: dem Tod entrissen bereits stehend, am Oberkörper aber noch vom waagrechten Liegen gezeichnet; auf eigenen Beinen und doch noch das Gleichgewicht suchend; materiell noch im Hier, aber vergeistigt nicht mehr hier gebunden.

So könnte die angewinkelte oder gebeugte Haltung auch als Schwingen oder Tanzen gedeutet werden. Als Ausdruck der Freude: Der Herr hat sich meiner erbarmt, mich gerettet, mich aus der irdischen Endlichkeit in seine himmlische Unendlichkeit geholt! Und sie könnte bei demjenigen, der es am eigenen Leib erfährt wie beim Betrachter Ausdruck des Staunens, der Freude und der Zuversicht sein, dass nach dem schmerzvollen Abnehmen der Lebenskraft von anderer Seite das Leben in unbeschreiblicher Weise und Fülle neu geschenkt bzw. weitergehen wird.

Pespektive der Hoffnung

Es ist schwer etwas zu erkennen. Weiß dominiert die Bildfläche. Ein nebeliges Weiß, mit Blau durchsetzt. Es könnten Nebelschwaden am frühen Morgen sein? Aber auch Erinnerungen an kalte Wintertage werden wach. An gefrorene Scheiben, welche die Sicht nach draußen verwehren, an Schnee, der alles uniform zudeckt und somit der Farben beraubt, an die eisigen Temperaturen, welche das Leben extrem verlangsamen oder sogar zum Erstarren bringen. Ohne das Farbfenster in der Bildmitte wäre nur von Isolation, Kälte und Tod die Sprache.

Doch die „Nebelwand“ ist durchbrochen und gibt die Sicht auf eine überraschend andere „Welt“ frei. Es ist, wie wenn der weiße Vorhang in der Mitte von einer geheimnisvollen Macht aufgerissen wird, die Eisfläche schwindet und das frei gewordene Loch Blicke auf ein farbiges Dahinter offenbart.

Was zu sehen ist, sind nicht mehr als Andeutungen. Die Farbflächen lassen keine konkreten Gegenstände oder Gestalten erkennen. Aber es sind warme, kräftige Farben, die Lebenskraft und -fülle ausstrahlen. Und diese Perspektive verändert alles. Alles! So wie die Auferstehung Jesu von den Toten!

Noch besser lässt sich das Bild verstehen, wenn es im Vergleich zum Bild zum Karfreitag betrachtet wird.

Kristina Dittert, Karfreitag, 2012

Auffallend ist der ähnliche Bildaufbau. Doch im Gegensatz zum beinahe schwarzen Hauptteil im Karfreitagsbild, der von Dunkelheit und Nacht erzählt, ist das Auferstehungsbild von Licht durchdrungen und kündigt einen neuen Morgen, einen neuen Tag an. Und im Bildzentrum wechselt der schmerzhafte Einblick in das feurig-rote, sich hingebende Herz Jesu zu einem freudigen Ausblick auf das Leben nach dem Tod.

Das kalte Weiß mag vielleicht noch stören. Aber symbolisiert Auferstehung nicht den Anfang einer radikalen Veränderung im menschlichen Leben? Der Tod wird nicht das Ende sein, das Leben wird weitergehen … Dank Jesus! So bezeichnet die Auferstehung einen Durchbruch, ein Aufbrechen aus einer festgefahrenen, hoffnungslosen Situation; eine initiale Bewegung in eine neue Wirklichkeit. Diese Perspektive erfüllt mit Freude. Denn die neue Wirklichkeit ist wie ein neuer Tag nach der Nacht, sie ist so bunt und warm wie es die Fülle des Lebens nur sein kann.

Das ganz Andere

Die Arbeit ist extrem schmal. Sie konzentriert sich auf die Vertikale, auf den langen und mit unendlich vielen Stacheln bewehrten Corpus, dem oben eine scheinbar natürliche Gesteinsformation entwächst. Darüber erhebt sich eine kleine runde vergoldete Scheibe. Die dreiteilige Skulptur erinnert von ihrem formalen Äußeren an ein Schwert. Und doch wollen die ungewöhnlich kombinierten Materialien nicht richtig dazu passen. Was können sie bedeuten?

Der lange Corpus hat etwas Unberührbares an sich. Er stammt von der „Madagaskar-Palme“, deren Stamm wie bei einem Kaktus mit Stacheln besetzt ist. Dadurch wird das Innere geschützt und verborgen gehalten. Gleichzeitig konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den verhältnismäßig kleinen oberen Teil, der dem Innern zu entwachsen scheint. Oder bildet der unförmige Stein eher einen Pfropfen, der die Öffnung verschließen möchte? (Detailansicht)

Die rostbraune Oberfläche erinnert an sich zersetzendes Eisen, an Korrosion und Verwitterung, die dem scheinbar festen Stein zusetzen. Der Stein kann damit trotz seiner Härte gegen Verwitterung und Vergänglichkeit für langsamen Zerfall, für Krankheit, Vergänglichkeit und Tod stehen. Insofern zeigt dieses Element ähnliche Eigenschaften wie das stachelbewehrte Holz der Madagaskar-Palme, das sich auch groß und unangreifbar gibt und doch der Vergänglichkeit preisgegeben ist.

Im Verhältnis zur Skulptur klein, ja sehr klein, schwebt über dem stachelbewehrten Holz und dem verwitternden Stein die kleine goldene Scheibe. In ihrer goldenen Beschaffenheit, der glatten Oberfläche und dem perfekten Rund repräsentiert sie das ganz Andere in dieser Arbeit. Sie ist geradezu ein Fremdkörper.

Sie hebt sich ab vom Irdisch-Vergänglichen. Sie symbolisiert das unerwartet Neue, den Sieg über ein langes, aber dennoch der Verwitterung preisgegebenes Leben. Ein Leben, das von viel Sonne, aber auch vom Kampf um das lebensnotwendige Wasser gekennzeichnet ist.

So gibt sich die kleine goldene Schreibe gegenüber den matten Farben von Holz und Stein glänzend, perfekt und schön. Sie wirkt wie eine aufgehende Sonne, wie ein kleines Licht auf einer großen Kerze. Immer wieder schweift der Blick nach oben, geradezu ungläubig: Gehört das dazu? Kann dieses ganz Andere in dieser stacheligen Hülle bereits angelegt sein?

Wissen können wir es nicht, vielleicht erahnen, dass sich unser endliches Leben eines Tages aus Gnade in unendliches Leben wandelt. Derzeit bleibt das ewige Leben eine Verheißung, die uns wie die Krönung eines oft mühsamen Lebensweges mit vielen Entbehrungen vorkommt. Dass sich diese Verheißung erfüllt, darauf hoffen wir, daran glauben wir. – So klein dieses ganz Andere jetzt über dem Vergänglichen thront, einst wird es alles umfassen und mit seinem Glanz alles zur Vollendung führen.

Tod und Leben

Der Totenkopf ist wahrscheinlich das Erste, das wir beim Betrachten des Bildes erfassen. Mit großen runden, doch leeren Augenhöhlen „schaut“ er aus dem Bild heraus und grinst uns an. Sein Schädel ist aschgrau. Bezeichnenderweise ist er mit Kohle gezeichnet, einem pflanzlichen Material, das bereits einen Verwandlungsprozess durchgemacht hat. Auch formal wird die Vergänglichkeit sichtbar: Zum einen durch das fehlende bzw. wie ersetzte Stück Schädeldecke, zum anderen durch die Verformung zur rechten Bildecke hin.

Etwas kleiner, doch auch in rundlicher Form, ist dem Totenkopf auf der anderen Bildseite eine lichtgelbe Erscheinung mit feinen Zacken gegenübergestellt. Von ihrer Form her erinnert sie an eine Sonnenblume, von der Farbe her mehr an die Sonne selbst. Die hellgelbe Farbe wirkt kraftvoll und lichtdurchdrungen, der Pinselstrich bewegt. Somit stehen mit Sonne und Totenschädel Ursprung und Ende des Lebens einander gegenüber, Licht und Dunkelheit, Wärme und Kälte, unendliche Bewegung und Erstarrung.

Zwischen und über den beiden Bildprotagonisten befinden sich grüne Elemente auf schwarzem Untergrund. Zuerst scheinen sie einfach einen ornamentalen Hintergrund für diese Gegenüberstellung zu bilden. Doch mit der Zeit werden Assoziationen an ein Blätterwerk wach, erinnert die T-Form an einen Baum voller Blätter und Leben, ja lässt sich sogar ein Lebensbaum in symbolischer Kreuzform sehen. Noch einen Schritt weiter meint man den Gekreuzigten selbst zu erkennen, wie er mit weit ausgestreckten Armen schützend Sonne und Schädel umarmt und ihnen links und rechts von seinem Kreuz einen Platz gibt.

Damit wird der Lebensbaum zum zentralen und entscheidenden Bildelement. Flächenmäßig etwa gleich groß wie die Sonne und der Totenkopf, jedoch dunkler von der Gestalt her, verbindet er die beiden und gibt ihnen Halt. Dieses zum Lebensbaum erweckte Kreuz steht primär für Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist und dem vom Vater das neue, unvergängliche Leben geschenkt wurde. Gleichzeitig verweist das lebendige Kreuz auf das Paradies, auf den „Baum des Lebens“ in seiner Mitte (Gen 2,9).

Das Kreuz ist der neue Baum des Lebens und, wie die blauen Stellen im unteren Bereich andeuten, auch die Quelle ewigen Lebens. Aus der Seitenwunde von Jesus floss Wasser und Blut (Joh 19,34). Er selbst hat gesagt, „wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,14)

Auch der Totenschädel darf in Verbindung mit dem Paradies gesehen werden. Am Fuße des Kreuzes bezieht er sich auf den alten Adam, durch den die Sünde in die Welt gekommen ist, während Jesus, der die Welt von der Sünde erlöst hat und das ewige Leben brachte, als neuer Adam bezeichnet wird.

So markant der Totenschädel also die menschliche Endlichkeit zur Sprache bringt, so erzählen das Kreuz und die Sonne von der Überwindung dieser Grenze. Die Künstlerin hat diesen Prozess nicht in Leserichtung, sondern von rechts nach links dargestellt. So ist es, als würde der Tod rückgängig gemacht. Jesu Tod und Auferstehung haben den Tod entmachtet und den Gläubigen unvergängliches, ewiges Leben geschenkt. Dafür stehen die Sonne und ihr Licht. Und sie erinnern jeden Tag neu: Auferstehung ist jetzt. Das Licht hat gesiegt, die Erstarrung ist vorbei! – LEBE!

Auferstehen in die Herrlichkeit Gottes

Aufstrebende Dynamik und kraftvolles Licht prägen diese Arbeit aus farbigem Glas. Weite goldgelbe Flächen, versetzt mit braunen Nuancen, bestimmen den Grundton des Bildes und vermitteln Freude und ein wunderbares, unfassbar kostbares Geschehen voller Leben.

Es scheint seinen Ursprung im schwarzen, höhlenartigen Bereich am unteren Bildrand zu haben, in dem vor unförmigem Gestein auch zwölf kleinere, rundliche Bälle zu sehen sind. Sie leuchten wie kostbarstes Gold und muten wie Samenkörner an, die tief unter dem Boden darauf warten, zum Leben auferweckt zu werden und ihr verborgenes Potential entfalten zu können. Die Zahl Zwölf symbolisiert dabei Vollkommenheit und Vollständigkeit alles Geschaffenen, das zum Leben erweckt wird, hier aber noch im Machtbereich des Todes ruht.

Als starkes Gegenüber zum geschlossenen Raum des Todes hat die Künstlerin einen offenen Himmel gestaltet. Kräftiges, blau-weißes Wehen erfüllt den oberen Bereich des nahezu quadratischen Bildes und zeugt von Bewegung und Leben. Durch das Symbol des Auges wird dieses Leben Gott zugeordnet, dem Lebendigen, der Quelle des Lebens par excellence, dem Dreifaltigen, wie es das rötliche Dreieck anzudeuten vermag.

Direkt unter dem Auge ragt eine „Himmels-Zunge“ tief in den Bildraum hinein. Aus ihr scheint kostbares Wasser des Lebens zu fließen, zuerst ein Strom (vgl. Ez 47,9a: „Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können …“), der dann wie feiner Regen in der Tiefe die einzelnen Samen berührt (vgl. Jes 45,8: „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, will es vollbringen.“). Der offene Himmel streckt sich einem aufsteigenden Menschenwesen wie eine einladende Hand entgegen, auf dass der der Mensch sie annehme und ins Reich Gottes eintrete.

Die Auferstehung oder Auferweckung von den Toten wird hier eindeutig als ein Werk Gottes beschrieben, als ein Wirken voller Gnade und wunderbarer Herrlichkeit. Und es macht auch deutlich, dass Auferweckung von den Toten gleichzeitig Himmelfahrt und Heimkehr zum Vater bedeuten, ganz wie Jesus zu Maria nach seiner Auferstehung gesagt hat: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17)

In der Bewegung des Bildes, seiner Dynamik, Kraft und seinen Farben darf jede Auferstehung zudem als ein ausgesprochen pfingstliches Geschehen verstanden werden. Das Wehen des Geistes ist allgegenwärtig spürbar. Er erfüllt mit neuem Atem, neuer Kraft und führt in die unfassbare Weite des von Gott erneuerten, ewigen Lebens. – Uns allen ist der Heilige Geist zugesagt, versprochen! Wir brauchen uns seinem Wirken nur zu öffnen, seine Auferweckung zum Leben nur zuzulassen!

Entbindung

Der eiförmige Körper ist in zwei Teile auseinandergebrochen, als wäre ihm gerade ein Lebewesen entschlüpft. Dieser Eindruck wird durch die zwischen Öffnung und Deckel am Boden liegenden Binden verstärkt. Nun liegen Schalen und Binden verlassen da. Niemand ist zu sehen. Die hinterlassenen Teile bezeugen jedoch ein Geschehen der Verwundung, der Verwandlung und auch der Offenbarung. Denn was einst verborgen war, ist nun erkennbar, auch wenn niemand zu sehen ist.

Von Verwundungen erzählen die verschiedenen Narben und die blutrote Stelle im Verband. Sie sind offensichtlich zu verschiedenen Zeiten zugefügt worden, denn zwei sind vernarbt, wobei bei der einen noch die Fäden, mit der die Wunde zugenäht worden ist, zu sehen sind, und die blutende Wunde so frisch ist, dass sie durch die Kompresse blutet (weitere Ansicht). Ebenso ist eine sechsstellige blaue Zahl zu sehen. Ob sie auch mit einer Verletzung zu tun hat? Möglich ist es schon, denn nur eine Zahl zu sein oder abgestempelt zu werden ist nichts Angenehmes, auch wenn für uns Zahlencodes auf Eiern sehr vertraut sind.

Doch geht es hier nur um einen geschlüpften Vogel? Die Hohlform gleicht wohl einem Vogelei, ist mit einem Durchmesser von 34 cm allerdings sehr groß. Die wächserne Oberfläche erinnert zudem in Farbe und Aussehen an menschliche Haut. Auch den Verband bringen wir eher mit einem Menschen in Zusammenhang als mit einem Ei.

So sprechen die aufgebrochene Schale und die abgelösten Binden das Thema „Geburt“ an. Das Ei ist verlassen, der Verband teilweise gelöst worden. Letzterer schützte wohl primär den verletzten Körper, verweist sekundär jedoch auf die Ent-Bindung des Kindes von seiner Mutter bei der Geburt. Entbindung meint ja im übertragenen Sinn das Lösen von Bindungen, die neues Leben verhindern.

Spontan mag man an die Auferweckung des Lazarus denken, von dem es in Joh 11,44 heißt: „Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!“

Auch Jesu Auferstehung wird parallel zu den biblischen Berichten aufgenommen. Die Künstlerin schreibt dazu: „Die leere Hülle zeigt noch die Spuren erlittener Gewalt und entspricht gleichzeitig dem leeren Grab. Die Binden wurden wie beim Leichnam Jesu von außen gelöst. Der Raum, in dem das Leben herangereift ist, wurde gesprengt und verlassen.“ An die Stelle von Dunkelheit und Gefangenschaft sind Licht und Bewegungsfreiheit getreten, weil Gott ihn nicht verlassen hat, weil er Ihm nahe geblieben war.

Auferstehung

Die Figur des gekreuzigten Jesus dominiert diesen fotografisch festgehaltenen Moment einer Performance. Mit den ausgebreiteten Armen, dem nach rechts geneigten und mit Dornen gekrönten Kopf sowie den geschlossenen Augen ist er noch in der Körperhaltung des Gekreuzigten und am Kreuz Verstorbenen.

Das Kreuz ist allerdings nicht mehr zu sehen, auch ist die Dunkelheit jener Stunde einem hell erleuchteten Umfeld gewichen. Die unveränderte Körperhaltung von Jesus erzählt, dass er, auch vom Kreuz abgenommen, der vom Kreuz Gezeichnete bleibt.

Aufmerken lässt der Eisblock, der seinen Unterleib umgibt und festhält. Diese Darstellung ist ungewöhnlich und lässt innehalten. Eis ist Wasser, das bei Temperaturen unter null Grad gefror. Wir verbinden es mit großer Kälte, Erstarrung und Unbeweglichkeit. Im Zusammenhang mit der Figur des vom Kreuz Abgenommenen könnte es für den Tod stehen, der seinem Leib das Leben genommen hat, ihn erstarren ließ und wie Eis umklammerte. Andererseits könnte der Eisblock auch das Grab symbolisieren, in das der Leichnam hineingelegt worden war (Bild 1/5).

Doch Eis wird auch zum Konservieren verwendet. Diesbezüglich könnte es auch ein Hinweis sein, dass der Tod das Leben nur scheinbar nehmen bzw. festhalten kann. In Wirklichkeit wird es für die Auferweckung zum ewigen Leben aufbewahrt. Denn ein Anderer steht durch seine Liebe näher bei den Menschen und ist mit seiner Herzlichkeit und Wärme stärker als der Tod (Detail von Bild 2/5).

Der obere Teil des ursprünglich die Figur vollständig umgebenden Eises ist bereits geschmolzen. Hier scheint sich der Gekreuzigte nun wie nach dem Schlaf die Arme zu strecken und sich seiner wiedergewonnenen Freiheit zu freuen. Zudem wird deutlich, dass sein Erlöser von oben her wirkt. Durch seine Wärme schmilzt das Eis nach und nach und zuletzt werden die Fesseln seiner Füße freigegeben (ganze Bildreihe). Eine sonnenförmige Erscheinung auf der Schauseite des Objektes legt nahe, dass die abschmelzende Kraft wie eine Sonne wirkt, und suggeriert durch ihre Strahlen gleichzeitig, dass das Eis auch von Innen aufgebrochen werden kann.

Im Zusammenhang mit dem gekreuzigten und ins Grab gelegten Jesus kann sein Erlöser nur Jesu Vater sein. Durch das von oben her schmelzende Eis wird verstärkt, dass die Befreiung durch die Liebe Gottes bewirkt wurde, durch seine Herzlichkeit, sein Erbarmen, seine tiefen Gefühle für uns Menschen.

All diese Gaben stehen auch uns zur Verfügung, um Menschen Nähe zu schenken, die in todesähnlichen Zuständen leben, in erkalteten blockierten Beziehungen stecken oder unter menschlicher Kälte und Ignoranz leiden. Durch unsere Empathie, durch unsere Herzlichkeit und Barmherzigkeit haben wir das Potential, Mitmenschen zumindest in unseren irdischen Umständen zu neuem Leben zu verhelfen und dazu beizutragen, dass sie wieder Mut fassen, aufstehen und neu zu leben beginnen.

Durst nach Leben

Dynamisch geschwungene Liniengebilde schweben durch einen neutralen Bildraum. Alle haben mehr oder weniger die gleiche Strichstärke, sie unterscheiden sich nur in ihrer Intensität. Während die dunkleren Linien sich kraftvoll in den Vordergrund drängen, verschwinden die weniger stark betonten Linien im Hintergrund. Durch die auslaufenden Striche und offenen Formen entschwinden sie gleichsam in der unfassbaren Tiefe des Bildraumes.

Auf den ersten Blick mag dieses Spiel der Linien einfach faszinieren: Der Rhythmus von weiten Bögen und engen Kurven, der sich in der unteren Bildhälfte verdichtet und von diesem Zentrum aus in drei einzelnen Formen aufsteigt. Der luftige Tanz von Linien, der Assoziationen an eine Feuerstelle und den daraus aufsteigenden Rauch auslösen mag.

Bei längerer Betrachtung schließen sich die luftigen Gebilde jedoch zu Umrissen von Knochen mit langem Schaft (Diaphyse) und breiteren Knochenenden (Epiphysen). Noch sind sie zu erkennen, noch sind mit den Strichen Spurenelemente von ihnen übrig geblieben. Von wem sie wohl stammen mögen?

Ihre Ähnlichkeiten mit Arm-, Finger- und Beinknochen lassen auf den Menschen schließen. Aber jeglicher Anhaltspunkt für die Bestimmung einer Größe fehlt. So sind es einfach Knochen, die durch die Überlagerungen zum einen körperliche Zusammengehörigkeit signalisieren, durch die teils offenen Formen und erst recht durch den Umstand, dass sie sich über den Bildrand hinaus auflösen, auch Vergänglichkeit und Übergang in eine ungegenständliche und letztlich unsichtbare Wirklichkeit andeuten.

So sind die Knochen in ästhetisierender Transparenz von jeder menschlichen Nähe entfremdet. Einst zu Menschen wie du und ich gehörend, von Fleisch und Sehnen überzogen, waren sie das unsichtbare Gerüst für den aufrechten Gang und das Leben. Nun sind sie nur noch eine Ansammlung substanzloser Knochen, nicht viel mehr als eine Erinnerung, dass da einmal etwas war.

Diesen Zustand der äußersten Armut und Beziehungslosigkeit, der Abwesenheit von jeglichem Leben, verbindet die Künstlerin mit Jesu Sterben am Kreuz. Insbesondere bewegten sie bei der Ausführung dieser Werkreihe seine letzten Worte: „Mich dürstest.“ Dabei meint sie nicht seinen “Durst nach Wasser, sondern nach Trost, Hoffnung, Liebe von Mensch zu Mensch”. Damit setzt sie mit diesen Arbeiten (weitere Werke aus dieser Reihe) den Ruf Jesu am Kreuz fort. Die ihrer Substanz und ihrer Zuordnung beraubten Knochen bringen diese Sehnsucht nach Zuwendung, stabiler Beziehung und Erfüllung zum Ausdruck.

Doch diesen an Knochen erinnernden Linien hat Lilian Moreno Sánchez nicht nur die Sehnsucht nach Trost, Hoffnung und Liebe mitgegeben, sondern auch eine Bewegung, die Überwindung des trostlosen Zustandes andeutet. Scheint nicht ein Windhauch die Gebeine an einem Ort zusammenzuwehen und einige sogar hochzuwirbeln? Die Intervention einer äußeren Kraft wird damit sichtbar. Auferstehung zu einer neuen Lebensgestalt, die sich durch Auferweckung und liebevolle Zuwendung Gottes ergibt.

Das erinnert über die Auferstehung Jesu hinaus an die Weissagung des Propheten Ezechiel, bei dem er wiederholt den Geist Gottes über ein großes Feld mit Knochen herabrufen musste, damit diese sich zu Skeletten sammelten und letztlich mit neuem Leben erfüllt wurden (Ez 37,1-14). Eine wunderbare Erzählung, mit der Gott den im Exil verzweifelten Israeliten seinen Beistand kund tat und ihnen Mut machte, aus ihrer Hoffnungslosigkeit aufzustehen.

Heute ermutigt uns Lilian Moreno Sánchez auf ihre Weise auf Menschen zuzugehen, die sich hoffnungslos wie damals die Israeliten oder durstig wie Jesus am Kreuz fühlen.

Ganze Werkreihe „Tengo Sed – Mich dürstet“

Ausführliches Interview mit Lilian Moreno Sánchez anlässlich ihrer Ausstellung zum „Aschermittwoch der Künstler“ 2013 in Hildesheim