Vom Licht erfüllt
Zum 100. Geburtstag von Erich Schickling ist ein zauberhafter Bildband erschienen, in dem auf 240 Seiten ein repräsentativer Querschnitt seiner Werke gezeigt und sein Wirken und Arbeiten wie vom Licht erleuchtet werden. Im Wesentlichen wird dem „unmittelbaren Blick ins Bild der Vorrang gelassen“ (U. Mayer, S. 240), damit der Betrachter „mit den Augen trinken“ (E. Schickling) und in die farbige Fülle an Motiven und Symbolen eintauchen kann.
Prägnante Textbeiträge lassen verstehen, inwiefern der Glaube an Gott sein Wesen und Wirken durchflutete und bewegte. Biografische Spuren führen zum ersten Hauptteil, in dem in einem repräsentativen Querschnitt seine Glasfenster und Arbeiten in sakralen Räumen gewürdigt werden. Das Herz des Buches bildet die Präsentation der Wohn-, Atelier- und Ausstellungsräume in Eggisried bei Ottobeuren, deren Architektur Schickling entworfen und deren Bau er bis ins letzte Detail überwacht und mitgestaltet hat. Im Laufe seines Lebens ist so das Gebäudeensemble entstanden, das heute die Erich-Schickling-Stiftung beherbergt und sein künstlerisches Erbe bewahrt.
Der zweite Hauptteil kehrt gleichsam in das Haus ein und führt dem Betrachter die leuchtende Schönheit seiner Hinterglasmalerei vor Augen, „die das Gemalte transzendiert und damit den Effekt erzeugt, den Erich Schickling erzielen wollte, denn seine Malerei war Sichtbarmachung des Unsichtbaren: der Heilsgeschichte, der spirituellen Grundkräfte, der allmächtigen Worte, die vom Himmel herabspringen in der Gestalt des Rössleins, Botschaft einer größeren Wahrheit.“ (Bayerle, S. 8) Schickling war als Fragender unterwegs, der „den Worten nachspürte, bis ihm Antworten bildlich vor Augen standen“ (ebd., S. 9). Er war ein Suchender, dem es wichtig war, „den geheimen Sinn, der in uns angelegt ist, durch die Malerei zu erhellen. Unmittelbar ist immer wieder das Glas das Medium, welches mich fasziniert, nicht Abbilder zu schaffen, sondern im Gleichnis des Transzendenten in mir und in allem innezuwerden.“ (S. 23)
Gerade die Hinterglasmalerei lassen den Mystiker und Visionär Schickling spüren, der die Bilder in sich erfuhr und vor seinem geistigen Auge sah, um sie dann, anders als in der Leinwandmalerei, ohne Korrekturmöglichkeit vom Vorder- zum Hintergrund auf das Glas zu malen. Mit diesem stets einmaligen schöpferischen Prozess ist es ihm gelungen, die Präsenz des Wunderbaren bildhaft werden zu lassen und mit intensiven Farben zum Leuchten zu bringen. Diesen Geist vermochte das Autorenteam aufzunehmen und in die Gestaltung des Buches einzubringen, das als bibliophiles Kunstwerk den Künstler und sein Gesamtkunstwerk ehrt und würdig vor dem staunenden Betrachter ausbreitet.
Erich-Schickling-Stiftung (Hrsg.), Erich Schickling 1924–2012. Werke – Wirken – Licht, Kunstverlag Josef Fink, 2024, 240 Seiten, 275 Abb., Hardcover 23,5 x 25 cm, 39 Euro, ISBN 978-3-95976-469-8