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Thomas Werk, Gotteshaus, 2007
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Gotteshaus

Vielerlei Unterscheidungskriterien gibt es für Kirchen: nach ihrer Funktion oder Zugehörigkeit, ihrer Bauform, ihrer Entstehungszeit oder ihrem Baustil. Dem allen entzieht sich die Skulptur von Thomas Werk.

Sie besteht aus glatten, schlichten Stahlstäben, waagrecht, senkrecht und schräg miteinander verbunden zu einem Ganzen, das je nach dem Standort des Betrachters und den Lichtverhältnissen ganz unterschiedlich wirkt. Mal dominieren die senkrechten, mal die schrägen Vierkantstäbe oder es zeigt sich ein gleichsam „geordnetes Durcheinander“ von Bändern, welche einen Innenraum umschließen. Dann wieder mag man unter den drei Bögen mit den Querstreben ein hockerartiges Gebilde mit vier Beinen entdecken, aber von welcher Seite man die Skulptur auch betrachtet – eine Kirche im gewohnten Sinn erkennt man nicht.

Die Konstruktion aus teilweise glänzenden Metallstäben steht auf einem rohen Holzschemel, einem eindeutig irdisch materiellen Unterbau. Sie steht grundsätzlich offen in ihrer Bedeutung, es ist jedenfalls keine Kirche im materiellen Sinn, sondern ein Symbol für das Wirken Gottes in dieser Welt und der Gemeinschaft der Gläubigen. Und doch mögen die drei Überwölbungen auf den dreieinigen Gott hinweisen, den die Christen verehren. Durch seine Zuwendung gibt er den Menschen neuen Raum. Raum, in dem das Leben in all seinen Dimensionen zur Sprache kommt und sich in der gelebten Beziehung zu seinem Gott in ungeahnten Dimensionen entfalten kann.

Die drei Überwölbungen mit ihren Ablegern stehen fest ineinander gefügt zusammen. Wie Klammern umgeben sie von oben die horizontal auf vier Beinen stehende Viereckform. Es ist, als würde das Göttliche das Irdische schützend und bewahrend umschließen. So massiv das „Irdische“ errichtet wurde – man könnte in ihm auch einen altarähnlichen Tisch sehen –, braucht es doch einen überirdischen Schutz. Ob es Zufall ist, dass diese Überwölbungen mit ihren Verstrebungen letztlich an zwölf Punkten auf dem Holz stehen?

So verschlossen sich die Konstruktion auf drei Seiten gibt, ermöglicht sie mit ihren offenen Seiten doch ungehinderten Zugang, verweilenden Unterstand und Weggang. Damit wird die Kirche mit ihren Kirchen sowohl als geschützter Ort der Begegnung wie auch als Ort des Hindurchgehens dargestellt.

Gotteshaus nennt der Künstler seine Stahlskulptur. In diesem Raum geht es um Gott. So sehr er durch seine Andersartigkeit faszinieren und zum Verweilen einladen soll, ist er doch nicht wie eine Wohnung oder ein Haus wohnlich eingerichtet, gemütlich oder warm. Das alles mag in der Materialwahl zum Ausdruck kommen.

Letztlich lässt die offene Konstruktion auch den Gedanken zu, dass sich die Kirche wie die großen Kathedralen immer im (Auf-) Bau (under construktion) befindet bzw. der stetigen Erneuerung (semper reformanda) bedarf.

Das Gotteshaus also als Zeichen für eine Kirche in Bewegung, eine Gemeinschaft auf dem Weg. Ein Gotteshaus, das zum Verweilen einlädt, zum schutzsuchenden Unterstellen und zur Begegnung mit Gott und allen, die unterwegs sind und bei IHM inne halten. Ein göttlicher Rastplatz, der aufbaut, stärkt und zum Weitergehen ermutigt.

Patrik Scherrer, 11.07.2009

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