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Thomas Werk, Maria, 2016
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Licht (-er Dreiklang) werden

Die menschliche Gestalt ist nur durch ihren senkrechten Körper und den leicht geneigten Kopf zu erkennen. Alle anderen Körper- und Haltungsmerkmale treten zu Gunsten eines anderen Geschehens zurück. Denn die Farben sind wohl maltechnisch äußerlich aufgetragen, deuten aber von ihrer Symbolik her auf innere Vorgänge und Befindlichkeiten hin, da besonders der Lendenbereich, die Brustgegend und der Kopf betont sind.

Der Kopf ist nur durch eine feste dunkelgelbe Kreislinie angedeutet. Sie umschreibt einen runden Freiraum, der durch seine ungeschaffene Form und das umgebende Dunkelgelb als ein geistiger und heiliger Bereich ausgewiesen ist. Ihm wohnt himmlische Transzendenz und irdische Demut inne. Aus seiner Mitte entspringen die weißen Farbelemente, die der Gestalt einen hellen Grund geben. Dieser stellt gleichzeitig ein klares Dasein im Hier wie einen lichten Verweis auf das Dort dar.

Der ganze Leib ist durch die hellen gelben und braun-roten Stellen geprägt. Insbesondere der Lenden- und Bauchbereich sind von gestischem Leben erfüllt und scheinen mit der Farbe zusammen auf ein inwendiges Leben wie ein ungeborenes Kind hinzuweisen. Die leuchtend gelben Stellen sind von da ausgehend wie Funken der Freude, welche den ganzen Körper durchziehen und bis in die letzte Faser das Glück der Mutterschaft spüren lassen, das in seiner Mitte einen Platz gefunden hat. Durch ihre Konzentration im Brust- und Herzbereich kann das leuchtende Gelb auch als Farbe des Glaubens gedeutet werden.

Mit diesen ungewöhnlichen Attributen hat der Künstler seine Erfahrungen mit Maria in gestischen Strichen aufs Papier gebracht. Er hat einen demütigen Mensch gemalt, der ganz transparent auf Gott hin ist, der in sich den Glauben, die Hoffnung und die Liebe trägt, feurig, warm und voller Leben. Er hat einen Menschen mit freiem Kopf gemalt, der für Gottes erfüllenden Geist offen ist und Sein Wort bereitwillig in sich aufnimmt. Und Maria hat Sein Wort so innig aufgenommen, sie hat Gott ihren Leib so vollständig zur Verfügung gestellt, dass Er durch sie ganz und gar Mensch werden konnte. Das ist das Licht und die Freude von Maria: ihre grenzenlose Hingabe an Gott. Dadurch konnte Gott sich in seinem Sohn in grenzenloser Hingabe uns schenken.

Im Bild scheint die Gestalt der Maria in Bewegung zu sein. Sie ist nicht nur innerlich mit Leben erfüllt, sondern auch dabei, dieses Leben und diese Freude zu Menschen wie Elisabeth zu tragen. Nach Mariens freudigem Gruß antwortete Elisabeth: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“ (Lk 1,42-45)

Alles, was der Künstler zu Maria gemalt hat, ist auch Anspruch an uns, so wie Maria zu leben: Glauben, dass Gott zu uns spricht. In unserem Kopf und Leben Freiraum für IHN zu lassen. Offen für Gottes Geist zu sein. Sein Wort erwarten, es in uns wohnen lassen, auf dass es in Fleisch und Blut übergeht, wächst und Seine Gestalt annimmt. „Licht werden“, „brennen für Gott“ bedeutet, ganz transparent auf IHN hin zu werden, damit die Menschen in der Begegnung mit uns IHM begegnen können, Gottes Barmherzigkeit, des Geistes Kraft, Jesu Menschenliebe.

Patrik Scherrer, 09.12.2016

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