Unüberwindbarkeit des Bildes

„Sprache ersetzt die Bilder nicht. Könnte man ein Bild in Worten vollständig wiedergeben, so wäre es überflüssig, und es hätte ungemalt bleiben dürfen. Als Walter Knaupp den Kunstpreis der Evangelischen Akademie in Bayern erhielt, sagte er: „Sie können mit Engelszungen predigen, auf die Dauer ist ein Bild stärker.“ Bilder haben eine Mächtigkeit, die das menschliche Bewusstsein bis in seinen vorbewussten Grund hinein bestimmt. Sie gehören zur Sprache der Seele und sind deren Nahrung. Sie lehren zu sehen und legen zugleich Vorstellungen fest. „Bildgesegnet und bildverflucht ist das menschliche Leben“, heißt es in dem Roman „Der Tod des Vergil“ von Hermann Broch, „nur in Bildern vermag es sich selbst zu erfassen, unbannbar sind die Bilder, sie sind in uns seit Herdenbeginn, sie sind früher und mächtiger als unser Denken, sie sind im Zeitlosen, schließen Vergangenheit und Zukunft in sich ein …“

Hubert Halbfas im Vorwort zu „Augenblicke für das Unsichtbare“ von Walter Achermann, Zürich 1999, S. 13

Kunst mobilisiert unsere inneren Kräfte

„Wir meinem, die Anziehungskraft des Geistigen alleine sei es, die uns nicht nur zu Beginn, sondern auch jenseits des Zentrums unserer Kunsterfahrung empor katapultiert. Aber dem ist nicht so. Das Kunstwerk hat unsere eigenen inneren Kräfte mobilisiert – und darin unterscheidet es sich von einer illusionistischen Höhle, dem Kitsch, der niemanden entlassen möchte. Das Kunstwerk rechnet mit uns, setzt auf uns, es schließt einen Bund mit uns als gleichwertigem Partner. Das Kunstwerk ist der sanfte Gott, der uns selbstermächtigt.“

Leo Sograph

existenzielle Lockerungsübung

„Kunst ist eine gute, existenzielle Lockerungsübung. Kunst ist weder innerhalb noch außerhalb kirchlicher Kontexte ein Allheilmittel gegen alle möglichen Probleme. Will sie auch nicht sein. Auch nicht ein oberflächlicher Dekor für einen bürgerlichen Lebensstil – zumindest kann sie mehr als das. Zeitgenössische Kunst ist leider zu einem nicht geringen Teil auch Spekulationsgut. Dennoch liegt hier ein hohes Potenzial zur Stärkung des Menschen. Sie macht widerständig gegen die Vereinnahmung von allen möglichen Halbgöttern und Ideologien, denen wir sehr gerne aufsitzen.
Kunst und Kirche haben viele Punkte für eine Koalition. Vor allem der Banalisierung des Lebens und dem fatalen Druck der totalen Ökonomisierung entgegenzuwirken.“

Bischof Hermann Glettler, Die Furche, 29.09.2025

eine heilige Funktion

„Kunst ist ein Platzhalter für das und den „ganz Anderen“, den unbegreifbaren, alle Kategorien menschlicher Begrifflichkeit und Fassbarkeit übersteigenden Gott. In diesem Sinne hat Kunst gerade als Kunst in der Kirche auch eine „heilige“ Funktion. Das hebräische Wort für heilig lautet kadosch und bedeutet übersetzt eben das ganz Andere. Kunst mahnt Themen ein, die man gerne verdrängt oder erledigt hätte. Ein ehrlicher Umgang mit Kunst ist eine Schule gegen Selbstgefälligkeit, Hochmut und theologische Biederlichkeit. Seriöse Kunst stellt auch den metaphysischen Kuschelkurs in so mancher Spielart von Spiritualität in Frage.“

Bischof Hermann Glettler, Die Furche, 29.09.2025

aus Gnade

„Ein Kunstwerk kann nur aus der Gnade entstehen. Viele Zeitgenossen glauben, man könne Kunst ,machen‘. Aber Kunst wird nie produziert, sondern erschaffen – ganz gleich, ob es sich um gegenständliche oder abstrakte Malerei handelt. Über die Welt der Erscheinung gelangt der Künstler mit seinem intuitiven Wissen in die geheimnisvolle Tiefe des Unsichtbaren – in den Bereich des Geistigen, das die sichtbare Welt im Innersten zusammenhält.“

Oswald Malura

Hinweise auf das Immaterielle

„Kunst und Religion weisen über das Sichtbare hinaus auf das Immaterielle. Sie schlagen offene Wege ein und heben ans Licht, was eine Gesellschaft in ihr Unterbewusstsein verdrängt.“

Hubert Salden

wachhalten, was von Bedeutung ist

„Kunst hat die Aufgabe wach zu halten, was für uns Menschen so von Bedeutung und notwendig ist.”

Michelangelo

kreative Ungebundenheit

„Es handelt sich um jene Ungebundenheit, die eine schöpferisch tätige Person empfindet, wenn die Dinge während der Arbeit auf einmal zu tanzen beginnen, das Material scheinbar keinen Widerstand mehr bietet und etwas Neues entsteht, das man selbst nicht geplant hat.“

Robert Fleck, Was kann Kunst, 2014, S.127

Innovation

„Bedeutende Kunst ist nur in den seltensten Fällen vorsätzliche Provokation, mit der ein Künstler in die Schlagzeilen kommen will, sondern eine Innovation, die ihm selbst Angst macht, doch notwendig erscheint.”

Robert Fleck, Was kann Kunst, 2014, S. 96

Das Herz berühren

Malen ist die Kunst der Langsamkeit. Wer ein gemaltes Bild betrachtet, entdeckt eine Welt ohne Worte, eine stille Sprache aus Farben, Werten, Lichtern, Leere und Fülle, aus Stoffen, die das Herz berühren. Wichtig ist, was das Herz zuerst berührt, denn die Malerei wendet sich in erster Linie an das tiefe Herz des Menschen. Die Malerei ist keine Illustration des Denkens, sondern ein eigenständiger Ausdruck, der durch die Augen in das Herz hinabsteigt. Die Malerei ist eine Kunst, die sich vom Herzen Gottes über das Herz des Künstlers bis zum Herzen des Betrachters ergießt, und zwar durch ein einfaches Mittel: ein wenig Tinte oder Öl und ein Medium, ein Blatt, eine Leinwand oder ein Stück Holz. Oder Papier, alle Arten von Papier, neues oder gebrauchtes. Ich mag Papier besonders, weil man es überall mitnehmen und finden kann. Es ist ein dünner Untergrund, der die Farbe schnell aufnimmt. Es verträgt Tempera, Öl und auch Tinte. Es ermöglicht Transparenz. Man kann es zerreißen und wieder zusammenkleben. Das Papier bringt dem Betrachter etwas Intimes, eine Art Notizbuch des Entdeckers. Ich mag Materialien, die mit Leben gefüllt sind, die von menschlicher Aktivität bewohnt sind, die Spuren des Lebens und der Zeit tragen, als wären sie weise geworden. Mein Atelier ist ein wahres Chaos, in dem ich diese Materialien mit Liebe betrachte, sie erforsche und mit ihnen spreche, damit sie mir sagen, wie ich sie befreien kann, damit sie die Herrlichkeit Gottes singen können.

Vincent Fournier, GEWAGT! 100 Jahre gegenwärtig, S. 62, 2024

Erich Schickling 1924–2012. Werke – Wirken – Licht

Vom Licht erfüllt

Zum 100. Geburtstag von Erich Schickling ist ein zauberhafter Bildband erschienen, in dem auf 240 Seiten ein repräsentativer Querschnitt seiner Werke gezeigt und sein Wirken und Arbeiten wie vom Licht erleuchtet werden. Im Wesentlichen wird dem „unmittelbaren Blick ins Bild der Vorrang gelassen“ (U. Mayer, S. 240), damit der Betrachter „mit den Augen trinken“ (E. Schickling) und in die farbige Fülle an Motiven und Symbolen eintauchen kann.

„Erich Schickling 1924–2012. Werke – Wirken – Licht“ weiterlesen

der darüber hinausweisende Imaginationsraum

„Jede gelungene Fotografie fokussiert eine Schnittstelle: Das sichtbare Detail, auf das die Fotografie unser Interesse lenkt und einen darüber hinausweisenden Imaginationsraum, in den sie uns als Betrachter hinüberzieht.“

Andrea Gnam: Rez. „John Berger, Der Augenblick der Fotografie“, in PhotoNews 12/16-1/17,25.

das Interessante an Kunst

„Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgendetwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können.“

Christoph Schlingensief

Vollkommenheit

„Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Antoine de Saint-Exupéry

Online-Kunstbetrachtung tut gut

„Die Betrachtung von Kunst beim Besuch von Galerien und Museen kann starke Auswirkungen auf Stimmung, Stress und Wohlbefinden des Einzelnen haben. Doch gilt das auch für Kunstbetrachtung im digitalen Raum? Eine neue Studie von Psycholog*innen um MacKenzie Trupp und Matthew Pelowski untersuchte, ob die Beschäftigung mit Kunst im Internet auch diesen Effekt hat. …

Die Ergebnisse belegen, dass eine kurze Online-Kunstbetrachtung das Wohlbefinden verbessern und unterstützen kann. … Die Effekte sind denen von Besuchen von physischen Kunstgalerien oder auch Naturerlebnissen ähnlich.“

Religion braucht Kunst

„Alle Künste waren und sind notwendig, um das Entscheidende der Religion je neu in ein Menschenleben und in eine Gegenwarts-Gesellschaft einzupflanzen. Dazu kommt: Ursprüngliche Erfahrungswelten gilt es in die gegenwärtige Welt neu einzubringen. Das geht nur mit Hilfe der menschlichen Ausdrucksformen, die in den jeweiligen Künsten ihre Qualität finden. Die Religion braucht die Kunst der Literatur und der Sprache, die Kunst des Sprechens, die Kunst der Musik, die Kunst der Bilder, die Kunst der Inszenierung, die Kunst der einfachen Zeichenwelten wie auch die Kunst der akrobatischen Ausdrucksformen.

Kunst der Gegenwart – Kirche heute

„Die autonome Kunst der Gegenwart kann den kirchlich Engagierten nicht gleichgültig sein, wenn sie sich den Herausforderungen der Welt von heute zu stellen haben. Die ästhetische Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Deutungskompetenz in der Kunst berührt vielmehr den Kern christlicher Glaubensaussagen, wenn Christen etwa von der Selbstoffenbarung Gottes oder von der Menschwerdung des Sohnes sprechen.“

www.kunst-und-kirche.com / “Gesellschaft für den Dialog von Kunst und Kirche e.V.”

offen werden für künstlerische Prozesse

“Ich warte auf den Tag, an dem auch das Kirchliche wieder künstlerisch ernst genommen wird. Und das geht nur, wenn wir von den Kirchen offener werden für künstlerische Prozesse und uns nicht irgendwie an Ghetto-Bilder klammern, die mit Kunst nichts zu tun haben.”

Herbert Falken

Der Glaube in der Kunst

„Maler sind die Gesellen Gottes – sie haben Gott geholfen, nicht die Welt zu erschaffen, aber sie sichtbar zu machen.“

„In der Kunst ist der Glaube etwas sehr Wichtiges. Kunst kann nicht beurteilt werden. Man muss sie glauben. Man muss dem Künstler glauben. Wenn man glaubt, kann man auch eine Qualität feststellen. Wie wichtig Religion ist, kann man nur daran messen, dass sie die Menschen zwingt zu glauben. Verlieren wir den Glauben, dann können wir auch unserem Nächsten nicht mehr glauben. Verliert man den Glauben, endet man in einer Art Zynismus.“

Markus Lüpertz

einfach geschehen lassen

„Jedes Kunstwerk ist ein Kompromiss zwischen dem Machbaren und dem Gewollten. Das angestrebte Ziel wird in der Kunst nie erreicht, allerdings kommt die Kunst mehr oder weniger nahe an das heran, was der Künstler wollte.

Ich glaube, ich habe eine Lösung: die Dinge einfach geschehen zu lassen. Ich lasse die Dinge einfach geschehen, und es ist so erstaunlich, dass ich selbst mich darüber wundere. Ich sage immer, ein Bild ist gut, wenn der Künstler über sein eigenes Bild überrascht ist.“

Friedensreich Hundertwasser