gute Kunst

“Gute Kunst ist für mich christliche. Nehmen wir die Fotgrafin Nan Goldin. Sie wählt ein Motiv aus, das bei oberflächlicher Betrachtung lächerlich erscheinen mag. Ihre Fotografie macht etwas Wunderbares daraus. Sie betrachtet das Motiv mit den Augen einer Liebenden, und wenn jemand einen anderen liebt, wird dieser unabhängig von seinem äusseren Erscheinungsbild schön. Nan Goldin ist zwar Jüdin, aber in ihrer Kunst offenbart sie mit ihrem Werk etwas zutiefst Christliches.”

Christian Boltanski in: Friedhelm Mennekes, Begeisterung und Zweifel. Regensburg 2003, S. 53

Sinnbildung

“Für mich haben Religion bzw. Theologie und Kunst etwas gemeinsam: Beide sind offene Systeme, die ihre Grundlage in Symbolen haben. Genauso wie jeder religiöse Mensch in seiner Suche nach dem Transzendenten seinen eigenen, individuellen Weg findet, so betrachtet jeder Mensch ein Kunstwerk anders. Sinn konstituiert sich in dieser Begegnung zwischen dem Menschen und dem Transzendenten einerseits und der Kunst andererseits jeweils individuell und anders.”

Christian Boltanski in: Friedhelm Mennekes, Begeisterung und Zweifel. Regensburg 2003, S. 49

Sprache der Bilder

Wir können (…) Bilder „lesen“, wie wir ein Buch lesen, obwohl wir dies wahrscheinlich gar nicht sagen würden. Wir „lesen“ ein Buch, aber Bilder „betrachten“ wir, wir lassen sie auf uns wirken, ihre Formen und Farben, und dann „verstehen“ wir sie aus unserer inneren Erwartungshaltung heraus, d.h. wir „wollen“ bestimmte Formen erkennen, auch wenn uns dies erschwert wird. Aber wenn wir sie nicht finden, dann konstruieren wir diese Formen. Es ist das Recht des Betrachters, bestimmte Formen oder Formelemente so zu ordnen, dass sie für ihn „etwas“ darstellen. Diese Formelemente haben, genau wie die Schriftzeichen unserer Schriftsprache, eine von Regeln bestimmte Anordnung ihrer Elemente, und zwar so, dass sie, genau wie ein Satz in der Sprache, Sinn übermitteln.
Allerdings folgt diese nichtsprachliche Syntax nicht den Regeln der sprachlichen Zeichen. Während ich die Wörter in dem Satz „Das Gesicht ist rot“ nacheinander anordnen muss, sind die entsprechenden nichtsprachlichen Zeichen im Bild, die Linien, Halbkreise, Striche und Punkte nicht hintereinander angeordnet, und sie sind als solche zugleich in bestimmten Farben an einer bestimmten Stelle des Bildes realisiert. Die Syntax eines Bildes ist also nicht linear, sondern simultan, die Wahrnehmung der nichtsprachlichen Zeichen erfolgt gleichzeitig. Farbe und Form sind im selben Augenblick wahrnehmbar, und damit wird mehr Information gegeben als durch das sprachliche Zeichen. Hinzu kommt ihre Mehrdeutigkeit, durch die sie mehrere Funktionen erfüllen können. Ein Strich, ein Kreis, ein Punkt kann in den verschiedenen Zeichenkombinationen ganz unterschiedliche Bedeutungen haben.
So erzählen diese Bilder auch verschiedene Geschichten. Sie sind jeweils die Geschichte dessen, der das Bild betrachtet, und sie sind unabhängig von dem, was der Künstler gemeint hat oder erzählen wollte. Der Betrachter erzählt „seine“ Geschichte zu diesem Bild, und sie deckt sich nie völlig mit der Geschichte eines anderen Betrachters. Ein Bild ist keine unbewegliche Größe, sondern das Ergebnis der Wahrnehmung, abhängig von unserer Stimmung, unserer Absicht, abhängig von Zeit und Ort und Umgebung, abhängig auch von unserem Wissen, unseren Gesprächen mit anderen, vor allem aber von unserer eigenen Geschichte und unseren Erfahrung mit Engeln, die unser Sehen und Verstehen bestimmen. Es sind immer „unsere“ Engel, die wir sehen.

Prof. Dr. Edeltraud Bülow (Michael Blum und Erich Purk, Ein Engel für dich. Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart, 2002, S. 46

neu und überraschend bewegen

Neues müssen sie [die Künstler] schaffen, und diesem Neuem muss eine Kraft innewohnen, die geistige Wirklichkeiten in die Seelen der Menschen “einbrennt”. (239)

Kunst in der Kirche soll bewegen. Dies wird sie nur erreichen, wenn sie durch ihre Form und ihre Vielsprachigkeit immer wieder Überraschendes im Rezipienten erzeugt. Ob es ein provokantes Bild ist, eine abstrakte Plastik oder eine auf die Grundformen reduziertes Formgebilde – es soll  die Beschauer befähigen, das im [Kirchen-] Raum Geschehende tiefer zu erfassen und sich auch vom Gesamten des Raumes ergreifen zu lassen. (Spiegel des Heiligen, 240) Im Sakralraum sollen die Menschen – durch irgendwelche sinnenhaften Gegebenheiten angestoßen – die Ahnung von einer jenseitigen Wirklichkeit erspüren. Zugleich soll ihnen dieses Gefühl des “Mehrwertes”, das sich in allem und jedem präsentieren kann, den Lebensmut stärken und sie nach oben und zur Seite hin öffnen. (242)

Die Anstossgedanken der Künstler erscheinen nicht selten alltäglich banal, oftmals bestehen sie aus kaum wahrnehmbaren Kleinigkeiten, hier und da kommen sie sogar als skurrile oder verquere Spiele daher. Aber das Nichsagbare, das sich dann als Formung von “Wirklichkeit mit Mehrwert” zeigt, kommt in der anderen Form des Bildes in die Erfahrungswelt der Rezepienten. Es geht immer um diesen “Mehrwert”, der nicht andres beschreibbar ist, als dass er sich sinnenhaft in einer neuen Form präsentiert. (241)

Moderne Kunstwerke wollen im Beschauer etwas bewegen. Deshalb sprechen sie ihn direkt an. Das Signal kann vom Betrachter in unterschiedlicher Weise aufgenommen, rezipiert und innerlich verarbeitet werden. Ein Bild kann affizieren. Der Mensch weiss zunächst gar nicht, was es ist, das ihn anzieht. Eine spezielle Eingangsweise kann sich sogar durch erstmalige Ablehnung anbahnen. Das klingt paradox. Aber wer ein Bild ablehnt, tut dies meist deshalb, weil das Thema in ihm schon besetzt ist und ihn eine neue Form verunsichert. So herrscht bei ihm das Vorurteil, welches durch das Bild zunächst bestärkt, langfristig aber möglicherweise zersetzt wird. Dies ist zunächst nicht leicht aufzubrechen; dann er empfindet die neue Form als Provokation, und diese erzeugt zunächst meist einen Kontrasteffekt, so dass ein Mensch sich sperrt. Aber bei einem guten Kunstwerk ist es so, dass es, wenn es nur kurz durch einen Spalt in die Seele eingestrahlt ist, dort einen Prozess auslöst, der im Laufe der Zeit Erlebnisse, Ängste oder Hoffnungen mit dieser Form in Zusammenhang bringt. Das Kunstwerk wird vertraut – nicht im Sinne von Gewöhnung, sondern in gegenteiligen Sinn: Es wird zum Anschauungspunkt für sich ordnende Seelenkräfte. Ja, es kann den Charakter eines “Symbols” erhalten im Sinne eines “externalisierten Selbstobjektes”. Kunstwerke sind offen, um in jedem Beschauer das ihm Zuträgliche anzustoßen und zu bewirken. (vgl. U. Eco, Das offene Kunstwerk, Frankfurt a.M. 1977) 241f)

Ludwig Mödl, Kunst der Gegenwart im Blickfeld der Pastoral, in: “Spiegel des Heiligen”, Regensburg 2003

anderes sichtbar machen

“Kunst macht nicht sichtbar, sondern sie muss durchlässig sein, damit anderes sichtbar wird. Kunst ist wie ein Schleier, durch den hindurch wir das dahinter Liegende erkennen können. Sie ist gleichsam eine osmotische Zellwand, die den Austausch zur Transzendenz hin möglich macht. Kunst zielt auf diesen Austausch.”

Theo Sundermeier, Aufbruch zum Glauben. Die Botschaft der Glasfenster von Johannes Schreiter, Frankfurt, 2005, S. 8

sichtbar machen

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“

Paul Klee

Erfahrbarkeit von geistigen Wirklichkeiten

“Geistige Wirklichkeiten sind uns Menschen nur über die Sinne vermittelbar. Vermittlung ist ein kreativer und dynamischer Prozess, der den Menschen als gestaltendes Wesen herausfordert. Dass es kein Menschsein ohne Gestaltung gibt, legt Günter Rombold seinen Ausführungen (LThK 6 1997, 533-535) zugrunde. Das bedeutet: Die sehbaren, hörbaren, riechbaren oder fassbaren Dinge bezeichnen dort, wo sie zu Vehikeln geistiger Aussagen werden, in ihrer begrifflichen Fassung mehr als nur die sie umschreibenden Inhalte. Sei weisen über sich hinaus und werden als Bilder, Metaphern oder Begriffe zu Trägern nichtsinnenhafter Wirklichkeiten. „Erfahrbarkeit von geistigen Wirklichkeiten“ weiterlesen

Wahrheit von Bildern neu entdecken

“Der spirituellen Theologie wächst heute eine dreifache Aufgabe zu: Erstens müssen wir im Umfeld der Reproduktionskunst und der Fernsehwelt die Bedeutung des Schauens für die Menschen von heute neu bedenken und nicht anpassend, sondern kritisch eine neue “Schaukultur” fördern. Dazu müssen wir zweitens mit denen zusammenarbeiten, die als Künstler mit der Sprache der Bilder die Tiefen der Wirklichkeit darzustellen suchen und dabei auch die transzendierende Wirklichkeit tangieren, und wir müssen drittens unseren so verharmlosenden Gebrauch von “Dekorationskunst” kritisch überprüfen. Wir müssen deshalb Bilder der Andacht heute kritisch hinterfragen und unsere Sehgewohnheiten auf die Qualität der “energeia” und “evidentia” hinführen, um so die Wahrheit von Bildern und Zeichen neu entdecken zu können.

Ludwig Mödl, Die Spiritualität des Schauens, in: “Spiegel des Heiligen”, Regensburg 2003, S. 30

schwer bis unbegreiflich

Kunst könnte viele neue Freunde gewinnen, wenn endlich der Irrtum beseitigt würde, sie müsste so klar verstanden werden wie das Schild „Halteverbot“. Betrachten wir also die Kunst als schwer begreiflich bis unbegreiflich. Letzteres hat sie mit Gott gemeinsam, wobei wir uns stets dessen bewusst sein sollten, dass nicht alles, was unbegreiflich ist, von Gott stammt.

Manfred Rommel, dialog 2007, S. 23

Kunst verkündet

“Der Kirche liegt die pastorale Erschließung ihres Kunstschatzes besonders am Herzen. Denn sie weiß wohl, dass ihr die Vermittlung von Kunst für die Weitergabe aller Aspekte, der ihr von Christus anvertrauten Botschaft, besonders nützlich sein kann.”

Papst Johannes Paul II. im Oktober 2002 vor den Teilnehmern der 4. Vollversammlung der Kommission für die Kulturgüter der Kirche

Suche nach inneren Bildern

“Religiös inspirierte Bilder sollten nicht wohlfeil abbilden, sondern die Betrachtenden auf die Suche nach inneren Bildern schicken und ihnen so zur Begegnung mit dem sich offfenbarenden Gott verhelfen. Dies schließt Konflikte und Abgründe keineswegs aus. Im Gegenteil. Angesichts der verlogenen Vertröstungen, die uns in unserer gegenwärtigen Gesellschaft und Kultur von allen Seiten multimedial entgegengeschleudert werden, ist solche Selbstbegegnung wohl der ehrlichste und zukunftsträchtigste Weg, um sich der Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen.”

Albert Gerhards in: Herbert Falken, Kunstpreis der Stadt Düren 2007, S. 27

Gegenstand der Auseinandersetzung

„Kunst und Religion habe ich immer getrennt. Das ist mir ganz wesentlich. (…) Sie (die Kunst) ist autonom geworden. Seither gibt es einen ziemlichen Bruch zwischen Kirche und Kunst. Dieser Bruch wird deutlich, indem man in eine Kirche geht und feststellt, dass es dort weiterhin keine Kunst gibt (…) Kunst ist kein Einrichtungsgegenstand. Kunst ist für mich ein Gegenstand der Auseinandersetzung, nicht der Schmückung.“

P. Friedhelm Mennekes SJ

Das Entscheidende liegt im Unsichtbaren

“Die im Stillen verborgene Intensität: Materie, Licht, Klang, ausgedehnt in Raum und Zeit, evozieren die Wahrnehmung, das Denken, den Geist jenseits der Wirklichkeit. Die Erschaffung eines Kunstwerkes bedeutet, diese Elemente in eine Selbstdarstellung zu bringen, sie zu übersetzen. Die sogenannte Wirklichkeit ist nur die Spitze des Eisberges. Das Entscheidende liegt im Unsichtbaren. Es verbirgt sich gerade im Banalen, in den stillen Dingen des Alltags.”

Noriyuki Haraguchi

getrennte Welten

“Das Gemeinsame von Kunst und Kirche wäre dann, dass beide Systeme im Menschen Bewegung und Prozesse in Gang setzen können.”

“Die Kirche hat einen zu begrenzten Anspruch an die Kunst. Sie will Vertrautes, einen kontrollierten Ausdruck, den Effekt der Bestätigung oder der Wiedererkennbarkeit. Sie will, dass die Kunst etwas darstellen soll. Die Kunst hat aber nichts darzustellen. Sie soll keine programmatischen Inhalte ausdrücken. Mein Eindruck ist, dass die Kirche nicht mehr genügend Sehkraft hat. Sie ist des Sehens müde und sieht auf eine enge, ängstliche Weise.” (S. 110)

“Kunst und Kirche sind getrennte Welten und müssen es bleiben. Sie dürfen sich gegenseitig keine Vorschriften machen. Sie müssen einander herausfordern und die punktuelle Begegnung zu einem beglückenden Augenblick machen. Nur wenn sie sich auf diese Herausforderung einlassen, können Prozesse ablaufen, an deren Ende für beide Seiten neue Sichten stehen.” (S. 116)

P. Friedhelm Mennekes im Gespräch mit Brigitta Lenz in: “Zwischen Freiheit und Bindung, Köln 2008

fragwürdige Bilder

“Eine religiöse Welt braucht aber die Kunst, um das Geheimnis, um das es bei ihr geht, geheimnisbezogen auszudrücken – in Form von Sinnbildern und Symbolen, die Nachdenklichkeit, Erstauen, Entzücken, aber auch Schrecken auslösen. Doch ein solcher Ausdruck gilt immer nur bedingt und darf niemals festgehalten werden. Bilder sind immer fragwürdig.”

P. Friedhelm Mennekes im Gespräch mit Brigitta Lenz in: “Zwischen Freiheit und Bindung, Köln 2008, S. 106

Symbolkraft

“Im übrigen ist nichts schwerer zu begreifen als ein symbolisches Kunstwerk. Ein Symbol wächst über den, der es gebraucht, stets hinaus und lässt ihn tatsächlich mehr ausdrücken …”

Albert Camus

religiöse Qualität

„Kunst kann in jeder Form eine religiöse Qualität annehmen, wo sie den großen Fragen unserer Existenz begegnet, den fundamentalen Themen, die dem Leben den Sinn geben. Dadurch werden sie zu einem Weg tiefer innerer Reflexion und Spiritualität.“

Papst Benedikt XVI. am 21.11.2009 in seiner Ansprache an 270 geladene KünstlerInnen

“Mein Bild von Gott”

“Reichenauer Künstlertage” diskutieren über Kirchenräume, Lebensgefühle und Glauben

Bericht von Jürgen Springer in der Zeitschrift: Christ in der Gegenwart 47/2006

Die Enquete-Kommission des Bundestags „Kultur in Deutschland” hat festgestellt, daß die Kirchen zu den zentralen kulturpolitischen Trägern des Landes gehören. Etwa ein Fünftel des Kirchensteuer-Aufkommens wird in kulturelle Belange investiert. Das ist im Verhältnis mehr, als der Staat derzeit dafür aufbringt. Das Christentum hat die Künste viele Jahrhunderte lang geprägt und gefördert. Kirchen waren und sind Auftraggeber für Maler, Architekten, Komponisten … Zugleich brachte die neuzeitliche Emanzipationsgeschichte auch etliche Spannungen zwischen Kunst und Kirche, mit vielfältigen Abbruchen, mit Verlusten. Ein schwieriges Verhältnis.
Um so mehr überrascht es, was Markus Lüpertz, einer der bedeutendsten Maler und Bildhauer der Gegenwart, neulich in der Zeitschrift „Politik und Kultur” (5/2006) über die Verantwortung der Kirchen für die Kunst gesagt hat. Das Christentum stehe für ein unvergleichliches Zeugnis bildender Kunst. Daraus erwachse ihm „ein großer Auftrag”: Qualitäten zu schulen und selber mit dem Anspruch „höchster Qualität” an das künstlerische Schaffen der Gegenwart heranzutreten. „“Mein Bild von Gott”“ weiterlesen

Michael Triegel. Wirklich?

Suche nach der Wahrheit

Der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 16. April bis 20. Juni 2010 im Museum St. Ulrich in Regensburg zeigt auf 70 Seiten 18 Gemälde der letzten 10 Jahre, 3 Zeichnungen, 12 wunderschöne Landschaftsaquarelle und 22 Druckgrafiken. Die ganzseitigen Abbildungen der Gemälde und die gute Druckqualität vermitteln viel von der altmeisterlichen Perfektion des 1968 geborenen Michael Triegel und der Schönheit seiner Arbeiten. „Michael Triegel. Wirklich?“ weiterlesen